Einleitung
Es war im Dezember 1945, als eine Gruppe von Bauern unweit des Dorfes Nag Hammadi in Oberägypten auf alte Schriften stießen. Die 1200 Seiten umfassende Sammlung in koptischer Sprache entpuppte sich als Sensation: erstmals hatte man eine komplette Bibliothek gnostischer Schriften, von denen man wußte, daß sie nahezu vollständig vernichtet waren. Heute befindet sich der Fund, welcher bis heute Polemiken auslöst, im koptischen Nationalmuseum in Kairo.
Die Schriften von Nag Hammadi lassen sich grob einteilen:
# Schriften, welche Schöpfung und Erlösung betreffen
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# Beobachtung und Kommentare über diverse gnostische Themen
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# liturgische und Einweihungstexte
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# das Weibliche als göttliches und spirituelles Prinzip
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# Leben und Erfahrungen einiger Apostel
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# Sprüche Jesu und Ereignisse seines Lebens
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Freilich scheint von vorn herein klar zu sein, daß die Autorschaft, unter denen die Schriften hervortreten, so nicht stimmen kann – zu weit war die Zeit fortgeschritten, und zu speziell sind Stil und Inhalt. Der interessierte Leser wird hier reichlich Material im Internet finden. Die Forschung hat zum ganzen Komplex Verfasserschaft und Zeithintergründe viel Wissen zutage gefördert.und vermag ganz gut viele Hintergründe der gefundenen Schriften zu rekonstruieren. Jedoch betrifft Wissen nur eine Seite des Ozeans, der sich mit Beschäftigung der gnostischen Welt vor einem auftut. Die andere Seite ist das Verstehen, zumal über eine historische Distanz von knapp 2000 Jahren. Wissen verschafft Hintergründe und Kontexte historischer Erscheinungen und Entfaltungen, und Verstehen sucht einen irgendwie gearteten Existenzbezug zu finden, der historisch eingeschlagene Wege als Lebensdeutungen zu verstehen sucht. Und hier hat sich immer wieder gezeigt, daß selbst große historische Distanzen Ähnlichkeiten zutage fördern, die ein Gespür von Verwandschaft des Erlebten und Gedeuteten über Generationen hinweg offenbaren. Der deutende Mensch ist sich nicht nur ethnisch, sondern auch historisch viel ähnlicher, als er zunächst vermeint. Im Verstehen über Distanzen hinweg erweist sich der Mensch als Deutewesen, daß, wiewohl raum-zeitlich, Räume und Zeiten zu transzendieren vermag, um beides, Differenzen und Verwandschaften, als Art Lebenselixier zu entdecken. Verstehen verschafft also Zugang zu Lebenselixier, um im Universum von Gedanken, Deutungen, Erfahrungen, Wahrnehmungen nicht verloren zu gehen – durch Entdecken von Verbindungen, Verwandschaften und Verstandenwerden. Verstehen schafft Heimat, und Wissen kann daran mitwirken, sofern es sich mit Verstehen zu verbünden weiß. Hierfür wohnt im Menschen neben dem Geist eine Seele, und mit Hilfe vom dem, was Liebe genannt wird, kann sie bewegt werden und eben – verstehen.
Des Menschen Geist ist im Laufe der Zeit viele Wege gegangen, um sich
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 02.02.2013
ISBN: 978-3-7309-0938-6
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