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Hier war er also. Er saß in seiner winzigen Wohnung und blickte sich um. Überall stapelten sich Kartons, Staub flog herum, seine Kleidung lag verstreut zwischen Bierflaschen und Pizzakartons herum. Was für ein Drecksloch. Er könnte aufräumen, oder irgendetwas machen, aber konnte sich zu nichts motivieren. Er seufzte tief und fuhr sich über die Bartstoppeln.

„Nun ja, gewöhn dich dran, Meinrath“, sagte er sich. „So sieht dein Leben von jetzt an aus. Aber wenigstens gesünder essen könntest du.“
Er ohrfeigte sich selbst. Komm schon, lass dich nicht so gehen. Die Genugtuung gibst du ihnen nicht. Er raffte sich auf und beschloss, etwas anderes als Pizza zu essen. Nach langer Wühlerei förderte er schließlich eine Packung Waffeln zutage. „Besser als nichts.“ Sorgfältig las er sich die Zubereitungsbeschreibung durch. In den Toaster stecken, toasten, essen. „Das sollte ja nicht so schwer sein.“

Entschlossen riss er die Packung auf und nahm zwei der acht Waffeln heraus. Nach kurzem Suchen unterschied er den Toaster vom Wasserkocher und nahm auch ihn unter die Lupe. Er wünschte er hätte die Schachtel behalten. Da wäre sicher draufgestanden, was all die Lichter und Schalter und Hebel bedeuten. Aber er war ja ein Mann, Geräte waren wie seine Kinder. Wäre ja gelacht wenn er das nicht schaffen würde. Er hielt kurz inne und verweilte in Gedanken bei den Kindern, die er nie gehabt hatte und wahrscheinlich auch nie haben würde. Nein, streich das wahrscheinlich, die er nie haben würde. Er nahm einen Stift, kritzelte auf ein Stück Papier und machte so die sich darauf befindliche Liste um einen Namen länger. Dann widmete er sich wieder seinem Toaster.

„Kann so schwer nicht sein“, sagte er und steckte die Waffeln hinein. Dann drückte er den größten Hebel hinunter und beobachtete gespannt, was nun passieren würde. Und beobachtete. Und beobachtete. Und nichts geschah. Schließlich hob er den Toaster hoch, drehte ihn auf eine Seite, dann auf die andere Seite, sah auf die Unterseite und schräg ins Innere, wo die Waffeln froren.
„Komm schon, was ist denn?“
Er schüttelte ihn und drückte auf alle Knöpfe und tat alles, was ihm einfiel, und wurde dabei immer ratloser. Endlich, als er kurz vorm Aufgeben war, bemerkte er, dass das Kabel nicht eingesteckt war. Obwohl er wusste, dass niemand da war, dass er allein war, konnte er sich nicht helfen und blickte schnell über seine Schulter, ob auch niemand diesen peinlichen Fehltritt gesehen hatte. Dann steckte er den Stecker ein und versuchte es erneut.

„Weißt du“, sagte er zum Toaster, als dieser seiner Bestimmung nachging und toastete, „Eigentlich ist die ganze Situation einfach nur zum Kotzen. Ich meine, wie lange habe ich geschuftet, um das Haus zu bezahlen? Und jetzt bin ich hier.“ Er ließ seinen Blick wieder über das Dreckloch schweifen. „Da fragt man sich schon, was man falsch gemacht hat.“
Der Toaster blinkte zustimmend. Er lächelte kurz. Als ob der Toaster mit ihm reden würde. „Ich meine, sieh dich an, jetzt redest du sogar schon mit deinen Küchengeräten. Wie der Typ in dem Film, der immer mit seinem Volleyball redet. Aber weißt du, es ist doch so: die letzten sieben Jahre war immer wer da, mit dem ich reden konnte. Entweder sie, oder der Nachbar oder was weiß ich wer. Und jetzt bist du alles, was noch da ist. Irgendwie traurig.“

Der Toaster gab Rauchzeichen von sich. Er nickte dazu, bis ihm auffiel, was das bedeutete. „Scheiße“, rief er aus und versuchte, die Waffeln mit den Fingern rauszuholen. Es fing an, verbrannt zu riechen. „Scheiße“, rief er noch mal und versuchte es mit einer Gabel, vergeblich. Er zog den Stecker. „Aber das nützt doch nichts“, schrie er sich selbst an. Er verlor die Nerven und drehte den Toaster um. Die Waffeln fielen als Kohlebriketts heraus. „Toll, einfach toll.“ Er stellte den Toaster wieder zurück, der sofort Feuer fing. Anscheinend hatten sich irgendwelche Brösel entzündet. Bevor er jedoch etwas machen konnte, war es schon vorbei.
„Wow“, murmelte er. „Ok, Toaster, die Runde geht an dich.“ Er schnappte sich wieder seinen Zettel, zeichnete schnell eine neue Tabelle, schrieb in die eine Spalte „ich“ und in die andere „Toaster“. Dann machte er einen Strich in die Toaster-Spalte. „Aber bilde dir nichts darauf ein, Freundchen. Das waren einfach Startschwierigkeiten. Ich hab noch sechs Waffeln, dich werde ich schon noch kleinkriegen.“ Der Toaster zischte. „Ach, willst du mich herausfordern, was? Na warte!“

Allerdings war er vorsichtiger geworden. Er holte nur eine Waffel heraus, steckte den Toaster ein und studierte die Knöpfe und Hebel. „Korrigier mich wenn ich falsch liege, aber ich glaube das Ding da ist für die Zeit. Sollten da nicht Minuten oder so dabei stehen? Egal, ich stopp die Zeit mit. Also, auf ein neues!“ Er drehte am Knopf, stellte seine Uhr und drückte den Hebel hinunter. Er verlor sich allerdings in Gedanken, erst der erneut aufsteigende Rauch zeugte von einer neuen Niederlage.

Zähneknirschend machte er einen zweiten Strich in die Toaster-Spalte und beschäftigte sich wieder mit den Knöpfen. „Gut, anscheinend war das nicht die Zeit. Dann war das vielleicht die Hitzeeinstellung? Warte, wenn ich das so drehe...“ Seine Hand blieb in der Luft hängen. Dann ballte er sie zur Faust und ließ sie neben den Toaster auf die Arbeitsplatte knallen. „Was zum Teufel mache ich hier eigentlich!?“, schrie er plötzlich. „So etwas passiert anderen, aber doch nicht mir!“ Er stemmte beide Fäuste auf die Platte, schloss die Augen und atmete tief durch. Dann rollte er seinen Kopf, öffnete die Augen und knackte mit den Fingerknöcheln.

„Das wäre doch gelacht. Das krieg ich hin. Und schau mich nicht so an“, fügte er an den Toaster gerichtet hinzu, der harmlos blinkte und so tat, als verstünde er nichts. „Ich schaffe das. Die blöden Waffeln und diese beschissene Situation. Ich schaffe das.“ Er steckte eine neue Waffel hinein und verbrannte sie; Strich für den Toaster.

„Komm schon, alles was ich will ist eine Waffel. Nein, ich will mehr als eine Waffel, aber was weißt du denn schon davon, du bist ein Toaster, alles was du tust ist toasten; und nicht mal sehr gut. Eine Waffel, das ist alles was ich von dir will! Schon klar, du kannst mir nicht mehr geben, aber eine Waffel, komm schon, das ist doch nicht zu viel verlangt!“ Vielleicht half betteln.
Neue Waffel, verbrannte, Strich für den Toaster. Er warf den Stift hin, überlegte es sich noch mal und hob ihn wieder auf. „Bitte, du hast es so gewollt.“ Der Toaster machte ein komisches Geräusch. „Ach, du willst wissen was ich gleich machen werde?“ Der Toaster war still. Das konnte man als „Ja“ deuten. „Rate mal.“ Stille.

„Oh, du weißt es nicht. Ich werde es dir sagen. Das ist eine Todesliste. Und jetzt rate mal wer gerade einen Platz auf meiner Todesliste ergattert hat.“ Der Toaster blinkte. „Genau, du!!“ Er schrieb „Toaster“ ans unterste Ende einer Liste. „Dir werde ich helfen, mich verarschen!!“
Er besah sich seine Liste. „ Weißt du, darauf kannst du eigentlich stolz sein, die Liste ist sehr exklusiv.“ Der Toaster blinkte. „Ach, du willst wissen wer da noch draufsteht? Ich muss dich enttäuschen, auf Platz eins bist du noch lange nicht. Da steht meine Exfrau. Oh ja, die Teufelin persönlich. Die, der ich das alles hier verdanke.“ Er machte eine ausholende Geste, um dem Toaster das Dreckloch zu zeigen. „Oh, entschuldige, du kennst das alles ja schon. Stehst ja selber hier drinnen. Gemeinsam gefangen, wir zwei, nicht wahr.“ Er lächelte dem Toaster aufmunternd zu. Der Toaster war ruhig.

„Dann hätten wir ihren Anwalt, diesen Schleimballen. Ein Wunder, dass er dich nicht auch noch eingesackt hat. Aber keine Angst, vor dem bist du jetzt schon sicher. Er hat mich schon komplett ausgeblutet, ausgequetscht wie eine Zitrone.“ Sein Blick wanderte ins Leere, kehrte zurück in den Gerichtssaal.
Mit Gewalt riss er sich aus seiner Erinnerung und ging zum Kühlschrank. Er nahm ein Bier heraus und wandte sich an den Toaster. „Auch eins?“, fragte er. Der Toaster gab keine Antwort. Er zuckte mit den Schultern, schloss den Kühlschrank und öffnete dafür die Dose. Nach einem Schluck ging er zurück zum Toaster und zu seiner Liste. „Als nächstes hätten wir den, der Reality TV Shows erfunden hat. Der Postler hilft mir damit. Ich halte den Kerl, und er haut ihn.“ Er nickte zustimmend. „Klasse Kerl, der Postler. Weißt du, der hat dich gebracht. Ja, jetzt ist die Wahrheit raus, es war nicht der Storch, der dich gebracht hat.“ Er schüttelte den Kopf, seufzte und holte sich einen Sessel.

Als er mit dem Toaster auf Augenhöhe war nahm er noch einen Schluck und setzte fort: „Gut, dann hätten wir das Arschloch Wieheißternochmal. Der neue“, er machte Anführungsstriche in die Luft, „beste Freund meiner Ex. Ha!“ Er schlug mit der Hand auf den Tisch. „Bester Freund, siiiicher. Wenn das platonisch ist bin ich ein Toaster. Oh, tschuldige“, fügte er hastig hinzu. „War nicht böse gemeint. So, wen hätten wir als nächstes?“ Er kniff die Augen zusammen und versuchte, den Namen zu erkennen.
„Der eine Kassier im Supermarkt bei dem ich vor ein paar Wochen war. Hm. Tut mir leid, ich kann mich nicht mehr erinnern, warum ich den umbringen wollte.“ Der Toaster blinkte. Bildete er es sich ein, oder war es ein vorwurfsvolles Blinken? „Ja, ich weiß, ich sollte wirklich etwas selektiver sein mit der Auswahl meiner Todeskandidaten. Ich streiche ihn von der Liste.“ Er strich „Der eine Kassier im Supermarkt bei dem ich vor ein paar Wochen war“ durch. „So, zufrieden? Dann haben wir Dr. Hubrig, den Arzt, der dafür gesorgt hat, dass ich niemals Kinder haben werde. Mann, das ist hart.“ Er räusperte sich und wischte sich über die Augen.

Der Toaster war ruhig. Mit leicht belegter Stimme fuhr er fort: „Weißt du, du bist mir zu ruhig. Als ob ich der einzige in der Unterhaltung wäre. Hier, tu was für dein Geld.“ Damit stopfte er eine neue Waffel hinein und drückte den Hebel hinunter. Er räusperte sich kräftig. „Weißt du, eigentlich bist du gar nicht so übel. Als Geste des guten Willens streiche ich dich von der Liste. So, ich bin gut zu dir, sei du gut zu mir und mach meine Waffel gut. Ganz ehrlich, sonst erwarte ich schon nicht mehr viel im Leben. Ich meine, ich habe schon so gut wie alles verloren. Meine Frau, mein Haus, meine Freunde. Aber eigentlich, und das bleibt jetzt unter uns, klar? Eigentlich weiß ich nicht, wie lange ich es noch ausgehalten hätte. Gut, ein nettes Leben hatte ich ja, aber kennst du das Gefühl, wenn du zwar nach außen in Ordnung bist, aber innerlich weißt, dass etwas nicht stimmt?“

Der Toaster blinkte. Er achtete jedoch nicht weiter darauf, er war vertieft in seine Gedanken. „Eigentlich bin ich froh, dass es vorbei ist. Stell dir vor, wenn ich in dieser Ehe stecken geblieben wäre, wie unglücklich ich geworden wäre. Ich meine, du kanntest meine Frau nicht, besser für dich, glaub mir.“ Der Toaster war beschäftigt mit toasten, also fuhr er fort. „Weißt du was? Ich nehme das als Chance. Ich schaffe das.“ Er lächelte. Der Toaster spuckte eine Waffel aus. Sie war heiß, goldgelb, duftig und knusprig. Er lächelte noch einmal. Das Leben war gut.

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Tag der Veröffentlichung: 09.03.2009

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