Wie hatten sie jemals erzählen können, dass es aufhört?
Warum hatten sie mir das alles Vorgelogen?
Niemals wird es aufhören. Niemals, verdammt nochmal!!!!
Wie soll es aufhören, wenn ich noch nicht mal weiß, wie es angefangen hat?!
Doch ich ertrage es nicht mehr.... Ich kann nicht mehr...
-1-
Niemals würde es mich loslassen.
Wieso glaube ich dann immer daran, das es irgendwann überstanden wäre. Warum tue ich das? Warum belüge ich mich selbst? Ist es besser zu ertragen, als der ständige Schmerz?
Ich weiß es nicht.
Seit einer Woche schon hatte es aufgehört. Heute ist Freitag und das letzte mal hatte ich am Samstag die Schmerzen gespürt.
Aber natürlich war es nicht vorbei!
Natürlich nicht, natürlich nicht, natürlich nicht...
„Lia? Warum arbeitest du nicht?“ Der Wurm warf mir einen forschenden Blick zu.
Mit diesem Blick schlug die Bombe in meinen Magen ein.
Natürlich war es nicht vorbei.
Natürlich nicht, natürlich nicht, natürlich nicht...
Meine Hände begannen zu zittern.
Die Spitze meines Kugelschreibers zeichnete krakelige Linien auf das Blatt.
Ich starrte meine Finger an.
Verkrampft lagen sie auf dem Tisch. Meine Linke schloss sich zu einer Faust.
Ich schlug damit auf den Tisch. Einmal, zweimal, dreimal...
Meine Augenlieder klappten zu, ich riss sie wieder auf.
„Geht es schon wieder los?“, die Stimme meiner Freundin klag so weit weg. So weit weg, so weit weg, so weit weg...
Ich öffnete den Mund und begann zu schreien. Gurgelnde Laute kamen hervor. Ich stampfte mit den Füßen auf, meine zitternden Hände hatte ich mittlerweile unter meine Oberschenkel geschoben. Mein Körper begann zu beben, meine Zähne schlugen aufeinander. Ich fror.
„Ich bring sie nach Hause!“ Jemand packte mich und zog mich hoch. Der Klassenraum drehte sich. Meine Beine knickten weg. Zitternd hockte ich auf dem grauen Boden und legte den Kopf auf meine Knie. Ich versuchte um mich zu schlagen. Zwei starke Arme hielten mich fest. Ich wurde hochgezogen, unter den Armen gepackt und davon geschleift.
„Bist du sicher, das du das alleine schaffst, Jessica?“
„Ja, Frau Menger. Ich schaff das jedes mal alleine.“
Eine Tür schlug zu. Wieder kamen gurgelnde Laute aus meinen Mund.
„Sein still, Lia. Bitte!“ Jessica legte ihre Hand über meine Lippen. Ich schloss die Augen und ließ mich davon ziehen.
Niemals würde es aufhören, niemals, niemals...
Immer fragten sie mich, wie ich mich fühlte. Und ich antwortete ihnen nie. Ich wusste es ja selber nie. Es war so ungreifbar, dieser Schmerz. Man konnte ihn nicht in Worte fassen.
Die ganze Zeit lag mein Kopf auf Jessicas Schulter. Und ihre Hand über meinem Mund. Sie verbot mir nicht das Sprechen, aber ich konnte nicht mehr schreien. Mein Körper hing leblos und schlaff in den Armen meiner Freundin.
Ich wusste selber nicht, ob ich lebte oder schon tot war...
„Frau Menger hat mich angerufen“, die Stimmer meiner Mutter.
„Diesmal war es im Deutschunterricht.“ Jessica schob meinen Kopf von ihrer Schulter. Schwer fiel er mir auf die Brust. Ihre Hand löste sich von meinem Mund. Ich gurgelte.
Ich wurde in die Arme meiner Mutter gelegt. Sie strich mir das Haar aus der Stirn. Ich drückte mein Gesicht in ihren Schal. Er roch leicht nach Parfüm.
„Ich werde Frau Menger ausrichten, das sie gut zu Hause angekommen ist.“ Jessicas Stimme klag wieder so weit weg.
So weit weg, so weit weg, so weit weg...
„Danke. Danke Jessica, das du das jedes Mal durchmachst“, flüsterte meine Mutter.
Stille.
Eine Tür ging zu. Wieder wurde ich hochgezogen.
Irgendwann legte man mich hin, breitet eine Decke über mich und....
Mehr weiß ich nicht mehr.
Mein Zimmer war dunkel. Ich lag in meinem Bett. Über meine Daunendecke hatte man noch eine Fliesdecke gebreitet. Trotzdem war mit kalt. Ich setzte mich auf und knipste die Nachttischlampe an. Gedämpft wurden die Wände in ein dunkles Orange getaucht. Ich rieb mir die Augen. Wie lange hatte ich geschlafen? Ich tastet nach meinem Wecker, blinzelte auf das Zifferblatt: halb fünf. Langsam stellte ich die Füße auf den Teppich vor meinen Bett und erhob ich. Ich schwankte nicht, aber dafür zitterte ich. Mir war kalt. Eiskalt. Ich zog mir eine dicke Strickjacke über den langärmeligen Pullover und wickelte mir einen Schal um den Hals.
Als ich die Vorhänge aufzog, blendete mich gleißendes Sonnenlicht. Ich kniff die Augen zu. War es wirklich Sommer? Und ich fror so?
Natürlich war es nicht vorbei, natürlich nicht, natürlich nicht....
Jemand klopfte an meine Zimmertür. Ich zuckte zusammen.
Stumm drehte ich mich zum Fenster und starrte hinaus. Bunte Autos fuhren unten auf der Straße vorbei. So schnell... Als hätten sie es eilig... Überholten einander...
„Darf ich reinkommen?“, Vincent stand an der Tür.
Ich antworte nicht, schaute ihn nicht an.
Ich hörte das es auf mich zuging. Spürte seinen Arm um meine Schulter. Er musterte mein Gesicht.
„Es war schon wieder so weit, nicht? Mama hat mir erzählt, das Jessica dich hergebracht hat.“
Ich antwortete nicht. Schwieg.
„Kommst du mit in die Küche? Mama hat Kuchen gebacken.“
„Ich habe keinen Hunger“, flüsterte ich heiser.
„Bitte. Setze dich einfach dazu.“
Ich schluckte. „Sie kann doch nicht jedes mal einen Kuchen backen“
„Sie tut es für dich, Lia. Damit du es nicht so schwer hast.“
„Ich weiß.“
„Dann komm“, mein Bruder hielt mir die Zimmertür auf.
Mit hängenden Schultern und kleinen, schlurfenden Schritten folgte ich ihm über den Flur.
Mein Mutter stand am Herd, in der Hand ein großes Kuchenblech. Sie lächelte mir zu, als ich zu Vincent auf die Bank rutsche.
„Schatz, ich habe extra Apfelstrudel gebacken. Und dir einen Apfeltee gekocht.“ Sie stellte die dampfende Tasse auf den Tisch und holte Küchenteller aus dem Schrank. „Geht es dir denn schon besser?“
Ich nickte und presste meine kalten Finger an die heiße Tasse. Der Tee rocht gut, ich schloss die Augen und hielt mein Gesicht in den wärmenden Dampf.
Geschirr klapperte, der Wasserkocher sprudelte, der Kühlschrank gab ein sattes Brummen von sich... Wie viel besser man alles hören konnte, mit geschlossenen Augen.
Als blinder Mensch nahm man die Welt bestimmt ganz anders wahr...
„Lia?“, meine Mutter klang besorgt.
Ich schlug wieder die Augen auf.
„Ja Mama, alles okay“, ich lächelte kurz und nahm den Kuchenteller entgegen, den sie mir reichte.
Vincent schien sich über den Kuchen zu freuen. Er nahm sogar noch ein zweites Stuck.
Ich nicht. Bei jedem Stückchen, das ich mit der Gabel durch kniff, begann meine Hand wieder zu zittern. Meine Mutter beobachtete jede meiner Bewegungen.
Konzentriert schaufelte ich ein kleines Stückchen mit der Fingerspitze auf meine Gabel, versuchte sie zum Mund zu führen und sah dabei zu, wie es wieder auf dem Teller landete.
„Wenn du nicht kannst, lass es“, flüsterte meine Mutter kauend, „aber trink bitte deinen Tee, er wird dir gut tun.“
Ich nickte, schob den Teller von mir und nippte an der, immer noch heißen Tasse. Die Wärme des Tees breitet sich langsam in meinem ganzen Körper aus. Ich zitterte nicht mehr.
Ein Schlüssel drehte sich in der Wohnungstür. Schlürfende Schritte waren auf dem Flur zu hören. Ein Ball wurde zwei mal auf das Paket getitscht, dann stand Fynn im Türrahmen.
Er trug noch die Trainingssachen vom Fußball, die hellen Haare hingen ihm zerzaust im Gesicht.
Verwundert schaute er auf den Kuchen, der in der Mitte des Tisches stand.
„Hab ich nen Geburtstag verpasst?“, fragte er amüsiert und streifte sich die Turnschuhe von den Füßen.
„Nein, Fynn“, sagte meine Mutter leise. Sie stand auf, stapelte meinen Teller auf ihren und stellte sie auf die Anrichte.
„Nein?“, mein Bruder hob eine Augenbraue, „Und warum gibt’s dann mitten in der Woche selbstgebackenden Kuchen?“
Ich begann wieder zu zittern. Wegen mir, wegen mir, wegen mir...
Fynns dunkle Augen huschten zu mir. Er musterte mich. Wie ich da zusammengesunken saß, die Teetasse feste umklammert, in eine Strickjacke gepackt, den Schal drei mal um den Hals gewickelt. Unsere Blicke kreuzten sich.
„Achso“, murmelte er, „Lia hatte wieder ihren Anfall.“
Ein lautes, klägliches Gurgeln kämpfte sich durch meine feste aufeinander gepressten Lippen einen Weg ins Freie.
Mama zuckte zusammen und starrte mich an.
„Alles ist gut“, krächzte ich und nahm einen großen Schluck Tee.
Eine Weile war es vollkommen still in der kleinen Küche. Mama räumte mit mechanischen Bewegungen den Tisch ab und leerte die Spülmaschine aus. Vincent saß immer noch neben mir und kratze mit der Gabel auf dem Kuchenteller herum.
„Hast du nicht noch irgendwelche Hausaufgaben zu erledigen?“ fragte meine Mutter meinen kleinen Bruder.
Fynn schüttelte den Kopf.
„Uns was ist mit der Englischarbeit nächste Woche?“
„Die haben wir schon am Donnerstag geschrieben, Mama.“
Meine Mutter warf ihrem Sohn einen bittenden Blick zu.
Er seufzte. „Bin ja schon weg“, er drehte sich um und kurz darauf fiel seine Zimmertür zu.
„Du kannst dich auch wieder hinlegen, wenn es dir nicht gut geht, Lia .“ Meine Mutter nahm Vincent den Kuchenteller ab und räumt ihn in die Spülmaschine.
Ich erhob mich. Ging in mein Zimmer, legte mich komplett angezogen ins Bett, zog mir die Bettdecke über den Kopf und schlief ein.
Der Tunnel war dunkel. Schwarz. Und ich stand mittendrin.
Ich begann zu laufen. Zu einem Ausgang zu laufen. Doch es gab keinen Ausgang. Meine Beine wurden schneller, trugen mich immer tiefen in den Tunnel. Schwärze umhüllte mich. Ich rannte. Ich schwitze. Die Wände rasten an mir vorbei, das Loch vor mir endete nie. Endete nie, endete nie, endete nie...
Tränen rannen über meine heißen Wangen, tropften mir auf die Brust. Ich schniefte, rannte weiter. Stolperte, fiel hin, rappelte mich mühsam wieder auf, rannte weiter. Vor mir schwarz, hinter mir schwarz. Überall war schwarz. Ich konnte hier nicht raus, es gab kein Ende.
Natürlich nicht, natürlich nicht, natürlich nicht...
Mit rasendem Herzen schnellte ich hoch. Ich rang nach Luft, hatte das Gefühl zu ersticken. Am ganzen Körper bebte ich. Das T-Shirt klebte wie eine zweite Haut an mir. Mit zitternden Händen fuhr ich mir über das Gesicht. Es war nass. Ob vor Schweiß oder Tränen wusste ich nicht.
Wieder gurgelte ich. Ich packte mir an den Hals. Wollte schreien. Schreien, endlich schreien! Und dann schrie ich. Schrie und schrie.
Ich presste mein Gesicht ins Kopfkissen, wollte aufhören. Aber ich konnte nicht aufhören. Nicht aufhören, nicht aufhören, nicht aufhören....
Ich schien zu ersticken. Ich schrie, holte keine Luft, schrie.
Ich wollte ersticken. Doch mit jedem Schrei wurde mir bewusst, das ich noch lebte. Ich wollte nicht mehr, ich konnte nicht mehr. Ich starb nicht. Natürlich nicht, natürlich nicht, natürlich nicht...
Am nächsten Morgen fühlte ich mich, als hätte mich ein riesiger Felsen unter sich begraben. Meine Beine waren schwer, der Nacken verspannt und meine Rückenmuskeln waren so hart wie ein Brett. Und ich fror.
Natürlich, natürlich, natürlich...
Wieder in Strickjacke und dicken Schal gewickelt wankte ich taumeln durch den dunklen Flur in die Küche.
Meine Mutter stand nachdenklich vor dem Fenster, in der Hand eine dampfende Tasse Kaffee.
„Guten Morgen“, krächzte ich heiser und hockte mich mit angezogenen Knien auf die Bank.
„Guten Morgen.“
Ich schwieg und rieb mir die Stirn. Sie pochte, zwickte und dröhnte. Mein ganzer Kopf dröhnte. Ich schloss die Augen und seufzte. Mein Gesicht fühlte sich heiß an.
„Was möchtest du heute machen?“, meine Mutter drehte sich vom Fenster weg und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Anrichte.
Ich zuckte mit den Schulter. Die Augen immer noch geschlossen.
Wieder war es still.
Der Wasserhahn tropfte, der Kühlschrank brummte, die Kaffeemaschine zischte...
„Vielleicht fragst du Jessica mal, ob sie heute Abend mit dir in die Disco gehen möchte?“
Jetzt öffnete ich die Augen doch. Beobachtete meine Mutter, die in ihren Kaffee starrte.
„Disco? Ich bin sechzehn, Ma. Eigentlich erlaubst du mir noch nicht in die Disco zu gehen“, erinnerte ich sie leise.
Sie zuckte mit den Schulter. „Naja ich meinte ja nur. Die Mädchen in deiner Klasse scheinen ganz wild auf so was zu sein.“
„Ich bin aber nicht so, wie die anderen“, flüsterte ich und legte das Kinn auf die Knie.
Meine Mutter zuckte leicht zusammen und verschränkte die Arme fest vor der Brust.
„Vielleicht würde es dir ja Spaß machen, Lia. Und wenn du Jessica mit nimmst ist doch alles in Ordnung. Sie passt auf dich auf“, sie warf mir einen schnellen Blick zu, „und hilft dir“, fügte sie hinzu.
Ich sah, das sie schwer schluckte.
„Nein. Ich bleibe zu Hause. Ist besser so.“
„Vincent fährt euch bestimmt hin und holt euch auch wieder ab“, mit leicht zitternder Hand strich sie sich eine dunkle Haarsträhne hinters Ohr. „Irgendwann musst du mal wieder unter Leute kommen, Schatz. Und so ein Abend wär doch bestimmt total lustig und ich bezahle auch die Getränke und hinterher kannst du, wenn du möchtest, bei Jessica übernachten. Vielleicht trommelt ihr auch ein paar Jungs zusammen. In eurer Klasse gibt es doch bestimmt ein paar nette, die euch...“
„Nein, Ma!“, unterbrach ich sie etwas lauter.
Sie schwieg, starrte in ihre Tasse und schwieg.
„Aber du siehst so blass aus, Mäuschen. So krank“, murmelte sie schließlich mit belegter Stimme und räusperte sich schnell.
„Ich werde jetzt mal ein Bad nehmen, danach sehe ich bestimmt schon besser aus“, ruckartig erhob ich mich und blieb dann aber wieder unschlüssig im Türrahmen stehen.
„Mach das, lass es dir gut gehen. Und danach mache ich dir noch mal einen Apfeltee“, sie lässt Wasser in den Wasserkocher laufen, „er scheint dir gut getan zu haben, gestern“, sie steckt den Stecker in die Steckdose, „auf jeden Fall hast du in der Nacht nicht geweint.“
Ich zuckte zusammen, drehte mich um, dachte an meinen Traum, begann zu zittern und ging ins Bad.
„Lia!“, rief sie mir hinterher, als ich schon die Türklinke zum Badezimmer runter drückte, „Ruf, wenn du etwas hast. Und lass das Wasser nur halb einlaufen, damit, damit...“ Ich hörte wie sie die Nase hochzog.
Schnell schloss ich die Tür, drehte den Schlüssel um und hockte mich auf den Wannenrand. Meine Hände zittern.
Natürlich, natürlich, natürlich...
Meine Muskeln entspannte sich, schienen zu zerfließen wie Butter. Ich fror nicht mehr. Das heiße Wasser strich über meinen nackten Körper, er wurde schwerer, schwerer, schwerer.
„Lia?“, jemand klopfte gegen die Tür. „Lia? Alles in Ordnung?“
Ich antworte nicht. Wollte das warme Gefühl in mir weiter spüren. Wollte nicht aus meinen wohligen Träumen gerissen werden...
Mein Körper wurde schwerer, schwerer, schwerer.
„Verdammt, Lia!“, die Stimme meiner Mutter zitterte, die rappelte an der Klinke. „Du sollst nicht abschließen!“
„Ich weiß“, murmelte ich und fuhr mir mit den nassen Händen über das Gesicht.
Seufzend zog ich den Stöpsel raus, das Wasser lief gurgelnd ab.
„Ich lebe noch“, sagte ich in Richtung Tür und rubbelte meine Haare trocken.
Ich hörte meine Mutter leise seufzen, dann entfernten sich ihre Schritte langsam. Ich schloss die Augen.
Ich schlüpfte in meinen kuschelweichen Bademantel, wickelte ein Handtuch um meinen Kopf und packte mich mit dem Einwerfen von drei kleinen Kopfschmerztabletten in Watte, dann schlurfte ich in die Küche zurück.
Mein Brüder hatten sich mittlerweile auch aus den Betten gerollt, mit verschlafenden Gesichtern saßen sie am Tisch. Vincent blätterte in der Tageszeitung, während er, ohne auf seine Finger zu gucken, Honig großzügig auf seinem Toast verteilte. Fynn schlürfte kleckernd sein Müsli und meine Mutter trommelte auf der Anrichte herum, während sie darauf wartet, das der Kaffee durchgelaufen war.
„Und, geht es dir besser, Schatz?“, meine Mutter musterte mich mit besorgter Miene.
„Ja, Ma. Viel besser.“
Ich hockte mich neben Vincent, meine Mutter stellte mir eine Tasse Apfeltee vor die Nase. Ich seufzte und blies abwartend hinein.
„Ich möchte, das du etwas isst, Lia“, mit bittendem Blick legte sie mir ein Brötchen auf den Teller und schob den Wurstteller zu mir.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Ich hatte weder Hunger noch Appetit. Mein Magen krampfte sich beim Anblick der vielen, runden Wurstscheiben schmerzhaft zusammen.
„Mama, mir geht es gut, wirklich! Aber ich möchte nichts essen.“ Ich stand auf und nahm meine Teetasse.
„Bitte Lia! Ich will nicht, dass du jedes mal zu hungern beginnst!“, rief sie mir nach, doch ich war schon im Flur verschwunden und schlug meine Zimmertür zu. Mein Körper begann wieder zu zittern, ich ließ mich auf mein Bett fallen, stellte die Tasse auf den Nachttisch, dann vergrub ich meinem Kopf im Kissen.
Es würde niemals aufhören! Niemals, niemals, niemals...
-2-
Als ich am nächsten Morgen erwachte, saß meine Mutter bei mir. Aus traurigen Augen schaute sie auf mich herab und hielt meine Hand.
„Was ist los?“, wollte ich fragen. Doch nur ein gequältes Röcheln kam aus meinem Mund.
„Du bist krank, mein Kind. Du hast Fieber. Und du hast viel geschlafen, Sehr viel.“
Ich blinzelte, versuchte meinen Kopf zu drehen. Er stach, ich stöhnte. Meine Augen brannten, ich spürte meinen Herzschlag gegen die Schädeldecke drücken.
Meine Mutter strich mir mit kühlen Fingern über die Stirn. Ich zuckte zusammen, ihre Finger waren eiskalt!
Meine Hände zitterten leicht, als ich mir über das heiße, verklebte Gesicht fuhr. Ich schloss wieder du Augen.
„Du kannst doch nicht jedes Mal krank werden, Lia“. Meine Mutter rieb meine Hand. Ich drehte den Kopf weg.
Ich konnte doch nicht jedes Mal krank werden.
Jedes Mal....
Meine Mutter saß noch immer auf der Bettkannte, auch nach vielen Stunden, als ich wieder in ihre Richtung blinzelte. Immer wieder drehte ich den Kopf weg und döste erneut ein. Einmal erkannte ich auch verschwommen Vincent hinter ihr, sie unterhielten sich leise. Ich hörte nicht zu, aber ich verstand zwei Wörter, die mich danach wieder weit in einen düsteren Fiebertraum fort trugen.
Lia...krank, Lia...krank
Acht Tage lang lag ich in meinem Bett, meine Mutter neben mir. Wenn ich vor Kälte zitterte, breitet sie eine weitere Decke über mich und drehte den Heizkörper auf.
Stunden später tropften Schweißperlen meine Schläfen hinunter und sie legte mir nasse Tücher auf die Stirn. Trocknete meine Brust und mein Gesicht ab.
Immer wieder starrte ich sie aus kleinen, geschwollenen Augen an, röchelte, dann drehte ich ihr wieder den Rücken zu und versuchte erneut meinen bebende Körper mit tiefen, kräftigen Atemzügen unter Kontrolle zu bekommen und wieder in einem wirren Traum zu versinken.
Ich schien mehr Kraft zu schöpfen. Jedes Mal, wenn ich nun die Augen aufschlug, konnte ich mich sogar in meinem Zimmer umsehen, ohne das ich dachte, dass die Decke auf mich herab stürzen würde
An einem Tag saß sogar Vincent an meinem Bett. Alleine.
„Vincent“, röchelte ich und zuckte zusammen. Das Sprechen schmerzte und brannte wie Feuer in meinem Hals.
„Ich habe dir etwas mitgebracht“. Mein Bruder legte mir seinen iPod aufs Kopfkissen. Ich runzelte die Stirn und schaute ihm nach, während er wieder verschwand und die Tür leise hinter sich zuzog.
Was sollte ich mit seinem iPod? Ich selbst hatte zwar keinen, aber ich hörte auch eigentlich keine Musik. In meinem Zimmer stand kein CD-Player, so wie bei Jessica. Die einzige Musik, die manchmal durch die Wohnung klag, war die des kleinen Radios in der Küche oder aus der fetten Anlage von Vincent. Ich hörte keine Musik und hatte auch noch nie so wirklich welche gehört. Sie lenkte mich ab, irgendwie.
Mit geschlossenen Augen steckte ich mir die kleinen Kopfhörer in die Ohren, ließ meinen Kopf zurück auf das Kopfkissen sinken und drückte auf play.
Es fällt mir schwer,
ohne Dich zu leben,
jeden Tag zu jeder Zeit
einfach alles zu geben.
Ich denk' so oft
zurück an das was war,
an jenem so geliebten vergangenen Tag.
Ich stell' mir vor,
dass Du zu mir stehst,
und jeden meiner Wege
an meiner Seite gehst.
Ich denke an so vieles
seit dem Du nicht mehr bist,
denn Du hast mir gezeigt,
wie wertvoll das Leben ist.
Mein Herz begann zu rasen. Meine Hände wurden feucht. Ich kannte dieses Lied. „Geboren um zu leben“ hieß es. Von Unheilig. Meine Mutter mochte den düsteren „Graf“, wie sich der Sänger selbst nannte. Sie begann dann zu pfeifen, wenn das Lied im Radio gespielt wurde und war plötzlich super drauf und machte sich dann einen Moment mal keine Sorgen um mich...
Wir war'n geboren um zu leben,
mit den Wundern jener Zeit,
sich niemals zu vergessen
bis in alle Ewigkeit.
Wir war'n geboren um zu leben,
für den einen Augenblick,
bei dem jeder von uns spürte,
wie wertvoll Leben ist.
Meine Augen begannen zu brennen, meine Kehle schwoll an, ich schluckte krampfhaft. Versuchte gegen die Tränen an zu kämpfen. Versuchte, versuchte und verlor.
Mein Kissen wurde feucht, die Tränen kühlten meine heißen Wangen, tropften an meinem Kinn hinunter und bahnten sich einen Weg über meine verschwitze Brust. Die Hände unter der Decke ballte ich zu Fäusten.
Es tut noch weh,
wieder neuen Platz zu schaffen,
mit gutem Gefühl
etwas Neues zu zulassen.
In diesem Augenblick
bist Du mir wieder nah
wie an jenem so geliebten vergangenen Tag.
Es ist mein Wunsch,
wieder Träume zu erlauben,
ohne Reue nach vorn
in eine Zukunft zu schau'n.
Ich sehe einen Sinn
seit dem Du nicht mehr bist.
Denn Du hast mir gezeigt,
wie wertvoll mein Leben ist.
Schluchzend löste ich meine verkrampften Hände, presste sie an meine Oberschenkel und schloss erneut die Augen. Mein Bett begann sich zu drehen und leicht hin und her zu schwanken, wie auf einem Schiff...
Ich drückte meinen Kopf tiefer in das Kissen. Es war nass und roch nach Schweiß, doch ich drückte mein Gesicht immer mehr in den Stoff.
Wollte keine Luft mehr bekommen...
Wir war'n geboren um zu leben,
mit den Wundern jener Zeit,
sich niemals zu vergessen
bis in alle Ewigkeit.
Wir war'n geboren um zu leben,
für den einen Augenblick,
bei dem jeder von uns spürte,
wie wertvoll Leben ist.
Wie wertvoll Leben ist.
Wir war'n geboren um zu leben,
mit den Wundern jeder Zeit,
geboren um zu leben.
Wir war'n geboren um zu leben,
mit den Wundern jener Zeit,
sich niemals zu vergessen
bis in alle Ewigkeit.
Wir war'n geboren um zu leben,
für den einen Augenblick,
bei dem jeder von uns spürte,
wie wertvoll Leben ist.
Man hörte meine Schreie nicht. Sie durchdrangen den roten Stoff meines Kissens nicht, versickerten.
Ich schrie, schrie, schluchzte, schrie. Doch niemand bekam es mit.
Natürlich nicht. Natürlich nicht!
Wir war'n geboren um zu leben,
mit den Wundern jener Zeit,
sich niemals zu vergessen
bis in alle Ewigkeit.
Wir war'n geboren um zu leben,
für den einen Augenblick,
bei dem jeder von uns spürte,
wie wertvoll Leben ist.
Wir waren geboren um zu leben.
Alles drehte sich. Ich schniefte, drückte zitternd auf Pause.
In meinem Kopf herrschte eine seltsame Klarheit. Ich lag auf dem Rücken und starrte an die Decke. Jetzt kam es mir nicht mehr so vor, als würde sie im nächsten Moment auf mich nieder stürzen.
Ich fühlte mich gut. Mein Kopf hatte aufgehört zu dröhnen, zu zwicken, zu pochen.
Langsam und vorsichtig richtete ich mich auf und erhob mich. Einen kurzen Moment hielt ich mich noch an der Bettkannte fest, doch nichts geschah. Die Möbel blieben an Ort und Stelle und auch mein Kleiderschrank kam nicht wie ein riesiges Maul auf mich zugeschossen. Vorsichtig verließ ich mein Zimmer und tastet mich langsam in Richtung Wohnzimmer. Immer schön einen Fuß vor den anderen, die Hand ließ ich vorsichtshalber noch an der rauen Wand mit gleiten.
Meine Mutter saß auf dem Sofa, auf dem Schoß eine Schale Erdnüsse. Mein Magen begann zu knurren. Ich hatte Hunger! Ich hatte wieder Hunger! Jetzt war alles gut. Alles gut, alles gut...
Sie war mir einen erstaunten Blick zu, als ich über den Teppich tapste.
„Es geht dir wieder besser? Das freut mich!“. Sie rückte ein Stückchen zur Seite und drehte den Ton des Fernsehers ab.
Ich hockte mich neben sie und fischte mir eine Erdnuss aus der Schale. Meine Mutter lachte und schlag den Arm feste um mich.
„Am besten machst du dir gleich ein schönes Müsli mit viel Obst, damit du auch wieder richtig zu Kräften kommst.“
Ich nickte. Sie seufzte leicht. „Es kommt und geht immer so schnell, nicht wahr...“.
Schweigend und kauend schauten wir auf den stummen, flimmernden Fachbildschirm.
„Morgen gehe ich wieder in die Schule, versprochen“, sagte ich und legte meinen Kopf auf ihre Schulter.
„Das ist schön, dass du dich dazu wieder in der Lage fühlst, Lia. Aber überanstrenge dich nicht, hörst du?“.
Kaum merklich zuckte ich wieder zusammen. Natürlich war es noch lange nicht überstanden. Nur wieder einmal. Wieder einmal...
Am nächsten Tag saß ich wirklich wieder im Schulgebäude des Anne-Frank-Gymnasiums und versuchte mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Es ging gut, ich war stark. Wieder einmal.
„Ich habe dich am Wochenende viel besucht“, meinte Jessica in der Pause zu mir und hielt ihr Gesicht in die Sonne.
„Echt?“, ich wickelte mein belegtes Brötchen aus der Alufolie, „Habe ich gar nicht mitbekommen und Ma hat mir auch nix davon gesagt.“
„Kein Wunder, du hast ja auch die ganze Zeit geschlafen, als ich bei dir saß. Aber ich finde es gut das du wieder da bist. Du schaffst das, Lia.“
Ich nickte langsam, aber glauben tat ich ihr nicht.
Zehn Tage lang saß ich jeden Tag, sechs Stunden in dem stickigem Schulgebäude und hörte den Lehrern, die vorne standen mehr oder weniger aufmerksam zu. Die mitleidigen Blicke hatten mit der Zeit nachgelassen, das frohe Lächeln, wenn ich wieder da war, ebenfalls.
Sie hatten angefangen mich zu ignorieren. Vermieden es, mich an die Tafel zu rufen, weil sie Angst hatte, dass ich dort, einfach so, umkippen konnte. Sie hatten einfach keine Ahnung, wie sie damit umgehen sollte. Ich ja auch nicht.
Nachmittags kam ich mit zu Jessica nach Hause, wir holten ihre kleine Schwester vom Kindergarten ab, kochten uns was zu Essen oder bestellten eine Pizza, erledigten die Hausaufgaben, fragten uns gegenseitig Englisch- und Lateinvokabeln ab und spielten mit Luisa auf dem Spielplatz. Zwei mal besuchten wir ihren Opa im Schrebergarten, halfen ihm beim Pflanzen der Setzlinge und genossen danach den Kuchen.
Ich begleitete meine Freundin zum Klavierunterricht, hinter führten wir die Hunde der Nachbarin aus und holten Luisa vom Kindergeburtstag ab.
Alles war so normal. So normal wie in anderen Familien. Als hätte ich kurzfristig meine Brüder gegen zwei Schwestern getauscht. Zu gerne wäre ich Jessicas wirkliche Schwester und würde so normal sein wie sie.
Am Samstag bestand meine Mutter darauf, das ich Jessica anrufen sollte, um mit ihr gemeinsam in der Stadt ein bisschen shoppen zu gehen. Es herrschte wieder ein regelmäßiger Tagesablauf in der Familie Klöscher. Wieder einmal.
Es war ein herrlicher Tag. Die Sonne schien, der Himmel war so blau, als hätte ihn jemand blau angestrichen. Meine Freundin war guter Stimmung und schleppte mich in jeden Laden rein, bei dem sie auch nur ansatzweise vermutete, das ich hier meinen Style fände. Fragte sich nur, woher sie wusste, was ich für einen Style hatte. Ich wusste es nämlich selbst nicht.
Als ich sie das bei einem Becher Eis im Eiscafé fragte, fing sie laut an zu lachen.
„Was ist denn daran lustig?“, ich schob mir das Stückchen Zitronenmelone, das am Rand des Bechers aufgesteckt worden war, in den Mund.
„Mensch Lia“, sie rührt in ihrem Milchcafé und schaut mich dabei mit schief gelegten Kopf an. „Du trägst alles. Jeans, Turnschuhe, Stiefel, Röcke, Kleider, Tops, T-Shirts, alles eben.“
Alles? Aha, toller Style.
„Und deshalb“, sie winkte die junge Kellnerin an unsere Tisch und kramte das Portmonee aus ihrer Handtasche, „suchen wir jetzt auch noch ein bisschen weiter nach Klamotten für dich!“
„Aber“, setzte ich an und erhob ich, „Ich habe doch schon drei neue Hosen und...“
„Und außerdem braust du noch neue Schuhe“, unterbrach sie mich und drückte der Kellnerin das Geld in die Hand.
„Schuhe? Die sind verdammt teuer!“
„Meine Mutter hat mir gestern mein Taschengeld ausgezahlt und dann noch 30 Euro vom Babysitten und 20 vom Hundeausführen, also das Geld reicht locker!“ Sie zog mich hinter sich her durch die Einkaufsstraße.
„Lass uns erst mal bei Deichmann gucken, was die da haben.“
So was nannte man Normalität. Normalität für zehn Tage.
Ein lautes Piepen drang durch die Schädeldecke in meine Gehirn. Ich zuckte zusammen, grunzte und rollte mich auf die andere Seite. Wollte weiter schlafen. Doch das Piepen hörte nicht auf. Hatte ich mir den Wecker gestellt? Nein. Heute war Sonntag.
Mit geschlossenen Augen grabschte ich auf dem Nachttisch herum, warf dabei meinen Wecker runter, der es mit einem metallischen Klirren auf den Boden quittierte und bekam endlich das vibrierende, piepende Ding in die Hand. Es war mein Handy.
Verschwommen erkannte ich Jessi auf dem Display.
„Mhm?“, ich ließ mich zurück in meine Kissen sinken.
„Haste das Wetter draußen schon gesehen?“ Jessica klang aufgeregt.
„Nö.“, gähnte ich, „Ich lieg' noch im Bett, du hast mich geweckt.“
„Mensch, Lia. Wir haben halb elf! Was hältst du von Freibad heute? Es sollen 30 Grad werden.“
„Weiß nicht“, brummte ich. Im Moment hielt ich nur was von einem anständigem Frühstück!
„Jetzt sein doch nicht so ein Muffel!“, beschwerte Jessica sich, „Ich kann ja auch mit Elly und Joscha gehen, wenn du keine Lust hast.“
„Ja, gut okay. Wir gehen ins Freibad“, seufze ich.
„Super!“, quiekte meine Freundin, „Ich hole dich um zwei ab!“
In der Leitung tutete es.
Verschlafen latschte ich in die Küche, eingeschlafen wäre ich jetzt eh nicht mehr.
Um Punkt zwei stand Jessica vor der Tür. In einem kurzen, flatternden Sommerkleidchen, die hellen Locken trug sie offen und dazu ein Paar golden glitzernde Sandalen.
„Na, ich glaub ihr geht nicht nur zum Schwimmen ins Freibad, stimmt's?“ Meine Mutter zwinkerte mir zu und musterte mich lächelnd.
Knappes Neckholder, kurze, enge Hotpants, lockere Flip-Flops, offene Haare. Sie hatte recht, wir ging nicht nur zum Schwimmen ins Freibad. Vielleicht kam ja auch der ein oder andere Blick eines Jungs zu uns rüber oder sogar ein schüchternes Lächeln. Wer weiß!
Kichern harkte ich mich bei Jessica unter.
„Na, viel Spaß!“, meine Mutter gab mir einen schnellen Kuss auf die Wange.
„Danke, Frau Klöscher. Um sechs sind wir zurück, versprochen!“, Jessica zog mich die Treppe runter.
Aber auch wenn wir schon ein halbes Stockwerk tiefer waren, übersah ich den Blick nicht, den sich die beiden zu warfen.
Irgendwann würde diese Normalität wieder ein Ende haben. Natürlich.
Das Freibad war komplett überfüllt. Überall lagen Leute auf ihren Handtüchern in der Sonne, lasen, dösten oder unterhielten sich. Vom Schwimmbecken drang Gekreische zu uns rüber. Wir suchten uns ein Plätzlichen neben einem der großen, schattenspenden Bäume und breiteten unsere Decken aus. Ich hatte mir extra einen großen Stapel Bravo's mitgenommen, um mir die Zeit zu vertreiben, während Jessica im Wasser war. Ich ging nicht ins Wasser. Es war zu gefährlich. Zu gefährlich...
Meine Freundin streifte sich sofort die Klamotten vom Leib, zupfte ihren knappen Bikini zurecht und schaute mich an.
„Geh ruhig, mir geht es gut.“ Ich zwinkerte ihr zu.
Sie grinste und schlenderte in Richtung des Schwimmerbeckens.
Ich war allein. Seufzend streckte ich mich auf meinem Handtuch aus, setzte meine Sonnenbrille auf und studierte die erste Bravo.
Lady Gaga - jetzt wirklich Gaga?! las ich auf der Titelseite.
Und die Bombe schlug in meinem Magen ein.
Wie Schallwellen breitet sich das Taubheitsgefühl in meinem Körper aus.
Ich hatte keine Hände mehr.
Ich hatte keine Arme mehr.
Ich hatte keinen Oberkörper mehr.
Meine Beine und Füße fielen ab.
Mein Kopf, mein Kopf. Er war weg! Verschwunden...
Ich wollte schreien, doch da war kein Mund mehr.
Kein Hals mehr.
Schwärze klatschte wie ein riesige Welle über mir zusammen.
Vergrub mich unter sich.
Etwas zog mich nach unten, ich strampelte.
Doch wie konnte ich strampeln, wenn ich keine Beine mehr hatte?
Ich versuchte diese Schwärze zu vertreiben, sie machte mir Angst.
Doch ich hatte keine Augen mehr. Ich war nicht mehr da...
„Mensch, Lia!“ Jessica. Jessica!
Ich strampelte wieder. Trat in die Finsternis um mich herum.
Jemand zerrte mich hoch. Hielt mich fest umklammert.
Jessicas Haare kitzelten mich an der Nase.
Ich schlang meine Arme – keine Ahnung warum ich plötzlich wieder welche hatte – um ihren Hals und presste mein Gesicht an ihre Schulter.
Sie schleifte mich davon. Weit weg. Weit, weit weg.
„Kann ich Ihnen helfen?“, die fremde Stimme klang ein wenig panisch.
„Nein, das ist nicht nötig. Ich schaffe das.“ Jessica klang ruhig.
„Ich kann einen Krankenwagen rufen!“
„Das ist wirklich nicht nötig, danke. Meine Freundin braucht keinen Krankenwagen“, erwiderte Jessica höflich und ich wurde weiter gezogen.
„Lass meine Haare los, bitte Lia.“
Verkrampft öffnete ich meine Finger. Schlapp baumelten meine Arme rechts und links von meinem zusammengesunkene Körper.
Mehr wusste ich nicht mehr...
-3-
Natürlich saß meine Mutter wieder auf der Bettkannte, als ich die Augen aufschlug. Sie schaute mich ausdruckslos an. Wie ich da lag. Klein und zusammengekauert untere einer riesigen Bettdecke. Als wollte ich mich verkriechen.
„Bist du sicher, das du das jetzt mit ihr besprechen möchtest, Marion?“
Ich kannte dieses Stimme. Hatte sie nur lange nicht mehr gehört. Eine Woche schon nicht.
Vorsichtig drehte ich den Kopf in Richtung Tür.
Mein Vater lehnte am Türrahmen. In Anzug und Krawatte. Er schien noch nicht lange von der Geschäftsreise zurück zu sein.
„Ja, Jürgen. So kann das schließlich nicht weiter gehen!“, meine Mutter sprach laut und bestimmt. Das war ich von ihr gar nicht gewohnt.
„Komm, lass erst mal Jessica zu ihr. Sie wartet schon seit einer Viertelstunde in der Küche und Fynn textet sie die ganze Zeit mit Fußball zu.“
Sie sprachen, als säße ich im Gefängnis! Dabei lag ich doch nur mal wieder nach einem Anfall erschöpft im Bett.
„Na gut“, seufzte meine Mutter, hauchte mir einen Kuss auf die Wange und verschwand.
Kurz darauf setzte sich Jessica neben mich.
Lange schauten wir uns schweigend an. Keiner sagte etwas.
Schließlich stopfte ich mir seufzend ein paar Kissen in den Rücken, damit ich einiger maßen bequem sitzen konnte.
„Wie war es diesmal?“, meine Stimme klang rau und fremd.
Sie antwortete nicht sofort. Die ganze Zeit schaute sie mir in die Augen, schien etwas in meinem Blick zu suchen und nicht zu finden.
„Wie immer“, antwortete sie knapp. Dann atmete sie tief durch, griff nach meiner Hand und flüsterte, „Lia, das, was deine Mutter dir gleich sagt ist das Beste für dich. Mach das, was sie sagt. Danach wird es dir besser gehen.“
Ich runzelte die Stirn. „Aha. Und was wird sie mir sagen?“
„Du wirst es ja gleich hören“, ruckartig stand sie auf, drückte meine Hand und ging zur Tür. „Tut mir leid, ich muss noch zu Elly, Mathehausaufgaben abholen. Vielleicht bis morgen in der Schule.“
Meine Zimmertür schlug zu und Stille breite sich aus.
Verwirrt zog ich mir die Bettdecke bis ans Kinn. Was hatte Jessica gemeint? Was sollte das? Was würde meine Mutter mit mir vorhaben?
Blasen mit tausend Fragen ploppten in meinen Kopf, schwebte darin herum und ließen sich nicht beantwortet.
Ließen sich einfach nicht beantworten!
„Lia, hör uns zu. Wir wissen das du nicht schläfst!“
Erschrocken riss ich die Augen auf und starrte in die ausdruckslosen Gesichtern meiner Eltern.
Ich musste eingeschlafen sein. Müde rieb ich mir die Augen.
Verdammt noch mal, was war hier los? Mein Vater kam mitten in der Woche von seiner Betriebsreise zurück, es war das erste Mal, dass ich meine Mutter ohne die steile Sorgenfalte auf der Stirn sah, Jessica gab sich mit der Klassentusse ab, anstatt bei mir zu sein.
Plötzlich hatte ich eine schreckliche Angst. Angst davor, was jetzt kommen würde.
„Seit drei Jahren bist du nicht mehr normal. Kannst kaum noch eine Woche ganz zur Schule gehen. Immer bin ich kurz davor dich ins Krankenhaus einzuliefern. So kann es doch nicht weiter gehen, mein Engel“, meine Mutter nahm die Hand meines Vater und drückte ihm einen Kuss auf den Handrücken. Weiter starrten sie mich an. Wie ein Tier im Zoo. Aber nicht interessiert, sondern entschlossen. Zu entschlossen.
Mein Vater räusperte sich. Ganz ruhig hob und senkte sich seine Brust.
„Wir möchten dich zum Psychiater schicken, Lia.“
Schnell und laut sagte er das.
Ich verstand sie nicht. Als sei ich für diesen Satz taub geworden.
Die Lippen meines Vaters hatten sich bewegt, doch er hatte nichts gesagt.
„Was möchtet ihr denn jetzt?“, fragte ich nun schon ein wenig ungeduldig. So schlimm konnte es doch wohl nicht sein!
Meine Eltern tauschten einen schnellen Blick.
„Vielleicht kann dir ja ein Psychiater bei deinen Problemen helfen, Lia. Wir möchten einfach nur das es dir besser geht.“ Wiederholte meine Mutter und schaute mir lange und feste in die Augen.
Sie warteten auf meine Reaktion.
Welche Reaktion?
„Aber deswegen braucht ihr doch nicht mit so bangen Gesichtern an meinen Bett sitzen und Papa muss doch nicht extra früher zurückkommen, damit ihr mir sagen könnt, das ihr mich zu einem Psychiater schicken wollt“, antwortete ich.
Nein, das war nicht die Reaktion die sie erwartete hatte, das wusste ich. Aber was würde es bringen, wenn ich jetzt hier durch mein Zimmer tobte? Sie würde nur beschwichtigen das es wirklich das Beste für uns alle sein.
Unsicher spielte meine Mutter mit ihrem Armband am rechten Handgelenk rum, die Hand meines Vaters zerdrückte sie fast.
„Gut, Lia. Wenn du das so siehst, sind wir ja zufrieden“, mein Vater strich mir leicht über die Stirn. „Wir lassen dich jetzt am besten alleine, dann kannst du das besser verdauen.“
Er zog meine Mutter hoch, legte ihr einen Arm und die Schultern und sie gingen zur Tür.
„Das ist wieder ein Schockzustand“, hörte ich meine Mutter leise flüstern.
„Nein“, rief ich ihnen hinterher. „Ist es nicht. Es wird wirklich das Beste sein!“
Sie schüttelten alle beide verwirrt die Köpfe, dann zogen sie die Tür hinter sich zu.
Natürlich hatte ich alles verstanden was sie gesagt hatten. Ich war ja nicht taub oder so.
Aber von den Worten zu meinem Kopf war es noch ein sehr langer Weg.
Die Gesichter rasten an mir vorbei. Dennoch erkannte ich sie in der Millisekunde, in der sie mich lachend mit grässlich verzerrtem Mund anbrüllten. Mama, Papa, Fynn, Vincent, Jessica, Elly und Joscha, mein Mathematiklehrer, die Sportlehrerin. Und alle kreischten sie das gleiche:
„Lia muss zum Psychiater. Sie ist ja völlig krank im Kopf!“
Elly machte dabei einen affektierten Kussmund, Joscha lachte und zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf mich, Mamas Augen schwammen in Tränen, Papa strich sich immer wieder über den Bart, Vincent klimperte mit seinem Autoschlüssel, setzte sich mit einem traurigem Lächeln in den dunkelblauen Opel und verschwand mit ihm hinter einer riesigen Staubwolke. Fynn hatte seine dunklen Augen bohrend auf mir liegend, drehte sich ruckartig um und lief, den Fußball in seiner rechten Hand immer wieder auftischend, einen schmalen Weg entlang und verschwand im Nichts. Meine Sportlehrerin hatte die Trillerpfeife im Mund stecken und klatschte in die Hände. Mathelehrer Kloster klopfte mit dem schmalen Zeigefinger an die Tafel und hielt mir auffordernd das Stück Kreide hin. Jessicas Mund war zu einem langen, schmalen Strich verzogen, die hellen Haare hatte sie streng gescheitelt, die Arme feste vor der Brust verschränkt. Doch nicht wie die anderen gruseligen Gestalten, die ich alle kannte, rannte sie vor mir weg, sondern auf mich zu. Direkt auf mich zu. Ihr Gesicht wurde immer Größer, größer und größer. Sie schien nicht halt machen zu wollen.
Ich wollte schreien, als ihre Nasenspritze nur noch einen Zeigefinger breit von mir entfernt war.
Plötzlich riss sie das riesige Maul auf, sie hatte das Gebiss eines bösen, gefährlichen Raubtieres.
Die Zähne spitz und Speichel tropfte an ihnen hinunter.
Ich zitterte vor Angst.
"Lia, das, was deine Mutter dir gleich sagt ist das Beste für dich. Mach das, was sie sagt. Danach wird es dir besser gehen" Ihre Stimme war tief und dunkel, hörte sich fast wie wütendes Gebell an. Dann riss sie erneut das Maul auf und biss mir den Kopf ab.
Etwas oder jemand presste meine Arme auf das Bett. Ich konnte nicht um mich schlagen. Panisch riss ich die Augen auf und blickte in Fynns prüfenden Gesichtsausdruck.
"Albtraum?", langsam ließ er meine Arme wieder los und richtete sich auf.
Ich nickte, schüttelte aber gleichzeitig den Kopf. Das war kein Traum gewesen, das war wirklich passiert!
War es doch, oder?
"Was denn nun?", Fynn seufzte und nahm seine Tasche vom Fußboden.
"Weiß ich nicht", antwortet ich mit erstaunlich fester Stimme. "Kommst du vom Fußball?"
Mein Bruder zog eine Augenbraue hoch. "Nein. Ich hab Mittwochs schwimmen, kein Fußball." Er ging zu Tür.
"Hm", brummte ich. Also musste es wohl doch ein Traum gewesen sein.
"Mama hat mir erzählt das du ganz ruhig geblieben bist, als sie dir gesagt haben das du sie dich zum Psychiater schicken wollen."
Klatsch, Klatsch hatte er mir zwei Ohrfeigen verpasst.
Ich zuckte zusammen.
Natürlich hatte mein kleiner Bruder mich nicht geschlagen.
Aber irgendwie auch schon. Mit seinen Worte.
Ich sank zurück in meine Kissen.
Er lächelte mir kurz zu und ging.
Langsam drehte ich mein Gesicht zur Wand. Ich presste meine Hand an die raue weiße Tapete und schloss die Augen.
Sie sagte also das ich ganz ruhig geblieben war. Was wussten sie denn schon von mir? Gar nichts. Rein gar nichts! Und dann wollten sie darüber entscheiden was das Beste für mich sein? Wie konnte die eigene Familie bloß so blind sein?
Es war mitten in der Nacht, als ich wach wurde. Dunkel und still war es in meinem Zimmer. In unregelmäßigen Abständen tanzten helle Schatten über die Decke, wenn unten auf der Straße ein Auto entlangfuhr. Groß, verzerrt und hell waren sie. Wie eine sekundenlange Erleuchtung.
Sie rutschten über Decke und Wand, wie über eine Schlittschuhbahn. Ich beobachtete sie fasziniert.
Dann stand ich auf und stellte mich ans Fenster. Es war stockdunkel. Alle zehn Meter brannte eine Straßenlaterne auf der gegenüberliegenden Straßenseite, dennoch blieben die Hauseingänge im geheimnisvollen Dunklen.
Ich fühlte mich wohl in meinem dunklen, stillem Zimmer.
So unentdeckt und klein.
Früher hatte ich im Dunklen immer Angst gehabt.
Überhaupt hatte ich als kleines Kind vor vielem Angst gehabt. Vor der Dunkelheit, vor Hunden, vor Wespen, lagen Wasserrutschen, dem 1 Meter Brett im Schwimmbad und der Spülmaschine, weil sie immer so komische Geräusche machte.
Und davor wenn mein Vater weg ging.
Er verschwand früh morgens und kam erst ein oder sogar zwei Wochen später spät abends nach Hause.
Wenn er mal wieder weg war, hatte meine Mutter viel zu tun mit uns drei Kindern. Fynn in den Kindergarten bringen, mich zur Grundschule und Vincent zum Gymnasium.
Die Wohnung war unaufgeräumt wenn ich von der Schule kam, meine Mutter war auf der Arbeit, Vincent musste Fynn vom Kindergarten abholen und ich versuchte irgendwie was zum Essen zu kochen.
Kochen konnte ich schon, als ich in die Schule kam.
Zumindest Nudeln und Soße warm machen. Das reichte für uns Kinder. Jessica kannte ich damals noch nicht und saß dann oft zuhause alleine rum, machte die Hausaufgaben, bei denen mein großer Bruder mir oft helfen musste, weil ich damit noch nicht so gut zurechtkam und mich dann um Fynn kümmern.
Ich vermisste meinen Vater. Es fehlte mit seinem Verschwinden immer irgendwas in mir.
Meine Mutter versuchte mir zwar oft zu erklären, das er wegen der Arbeit weg musste und immer wieder kam.
Aber ich verstand das nicht.
Als ich in die zweite Klasse kam, las unsere Klassenlehrerin ein Buch mit uns, das man genauso von vorne wie von hinten lesen konnte und es kam der gleiche Text raus.
Das fand ich ganz toll und erzählt meiner Mutter immer ganz aufgeregt davon, wenn wir wieder ein Stückchen weiter gelesen hatten.
In diesem Buch stand auch ein Satz, den ich mir damals in krakeliger Zweitklässler Schrift auf ein Stück Papier geschrieben hatte und eine ganze Weile lang auf meinem Nachttisch liegen hatte.
"Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie." Vorwärts wie Rückwerts ergab er das Gleiche.
Kurz bevor meine Mutter das Licht ausknipste laß ich mir den Satz ganz oft durch, schloss die Augen und drehte mich auf den Bauch. Dann jagte mir die Dunkelheit in meinem Zimmer keine Angst mehr ein.
Davor hatte meine Mutter immer überall in meinem Zimmer nachschauen müssen, das auch nirgendwo ein Monster lauerte und darauf wartete mich fressen zu können. Auch wenn da nichts war, hatte ich immer Angst, wenn ich die Augen schloss.
Doch immer wenn ich leise und manchmal stumm "Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie" vor mich hin brummte, dämmerte ich langsam weg und am nächsten Morgen wachte ich auf, ohne das eines dieser grässlichen Monster mich verspeist hatte.
Aber das Alleinefühlen wenn mein Vater nicht da war, konnte mir niemand nehmen.
Meine Mutter meinte, ich müsste einfach älter werden, um das zu verstehen, doch das älter werden dauerte so lange.
Zu meinem dreizehnten Geburtstag schenkte mir meine Tante das Buch "Verzweifelt vor Angst".
Ich interessierte mich schon früh für solche Lektüre und verschlang sie in einer atemberaubenden Geschwindigkeit.
In diesem Buch ging es um ein Mädchen, das als kleines Kind immer vor vielem Angst gehabt hatte. Genauso wie ich.
Doch jetzt war sie schon sechzehn und hatte noch immer eine schreckliche Angst. Aber nicht vor der Dunkelheit, Hunden, Wespen, langen Wasserrutschen, dem 1 Meter Brett im Schwimmbad und der Spülmaschine, sondern vor dem Tod.
Die Angst zu Sterben.
Irgendwann, irgendwo, irgendwie.
Dagegen kamen mir meine Ängste richtig kindisch vor und ich verlor sie mit der Zeit tatsächlich.
Richtig überrascht und glücklich war ich, als ich laß, das das Mädchen ebenfalls in der Grundschule, auch so ein "Vorwärts- und Rückwertbuch" gelesen hatte und dort genau der gleiche Satz vorkam. Genau der Gleiche! "Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie."
Als ich das Buch zu Ende gelesen hatte und es einen ganz bestimmt Platz in meinem Regal erhielt, versuchte ich auch die Angst um meinen Vater zu verlieren.
Ich brauchte lange, bis ich ein Mittel dazu gefunden hatte.
Aber wieder einmal half mir dieser wunderbare Spruch dabei.
Alles was vorwärts ging, ging auch rückwärts.
Wenn mein Vater ging, kam er auch immer wieder. Und das tat er.
Lange und still stand ich da, die Ellbogen auf die kalte Fensterbank gestürzt und schaute aus dem Fenster.
Ich dachte nicht nach, ich überlegte nicht, meine Gedanken blieben stumm.
Irgendwann drehte ich mich weg und durchwühlte mein Bücherregal. Es war mit der Zeit immer voller geworden, mittlerweile passte nicht mal mehr mein kleiner Finger zwischen zwei Bücher.
Unruhig ließ ich meine Finger über die Buchrücken gleiten.
Auf dem dritten Regalbrett von unten stand es, neben "Sophies Welt".
Ich zog es ruckartig raus und durchblätterte es hastig. Oben an den Seiten hatte ich schon etliche Eselsohren als Lesezeichen benutzt, ein Schokoladenfleck klebte zwei Seiten an einer.
Ich hatte es schon so oft wieder und wieder gelesen.
Da fand ich ihn, auf Seite 44. Etliche Male zusammengefaltete und zerknittert. Was für eine unordentliche und unleserliche Schrift ich damals hatte!
"Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie." Ich schloss die Augen.
Meine Lippen bewegten sich stumm.
EinNegermitGazellezagtimRegennie. EinNegermitGazellezagtimRegennie.
Immer schneller wirbelte dieser Satz durch meinen Kopf. Ich merkte das ich mich drehte, aber mir wurde nicht schwindelig.
EinNegermitGazellezagtimRegennie.
EinNegermitGazellezagtimRegennie.
Der Satz verfloss zu einem kaum mehr verständlichem Gemurmel.
Und plötzlich war der Satz weg und Stille holte mich wieder ein.
Mühsam öffnete ich die Augen, schlug das Buch zu und schob es zurück ins Regal. Als könnte ich damit den Satz wieder wegsperrten.
Plötzlich vermisste ich meinen Vater ganz schrecklich.
Leise öffnete ich meine Tür und huschte barfuß über den Flur. Die Tür zum Wohnzimmer war nur angelehnt, ein kleiner Lichtstrahl kämpfte sich durch den Spalt auf das helle Paket im Flur.
Vorsichtig schob ich die Tür auf.
Mein Vater saß auf dem Sofa, vor sich ein halbvolles Glas Bier, in seinem Schlafanzug, die nackten Füße auf den Wohnzimmertisch gelegt und schaute auf den flimmernden Fernseher.
"Hallo Pa", flüsterte ich und schloss die Tür hinter mir.
Er zuckte leicht zusammen und schaute mich verwundert an. "Du? Um dieser Uhrzeit? Wir haben halb drei!"
"Und warum bist du noch nicht im Bett?", entgegnete ich.
Er seufzte, "Ach die Arbeit und so. Mir spuken einfach noch zu viele Zahlen durch den Kopf, weißt du?"
Stumm rutschte ich neben ihn.
"Hattest du wieder einen Albtraum?" Er nahm die Wolldecke von seinen Knien und legte sie behutsam um mich. Ich nickte und lehnte mich an ihn.
Er war wieder da. Wieder hatte es geklappt.
EinNegermitGazellezagtimRegennie.
"Möchtest du erzählen?", er schaltete den Fernseher aus.
Heftig schüttelte ich den Kopf. Nein. Niemandem würde ich das erzählen!
"Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie", flüsterte ich stattdessen und schloss die Augen.
"Achso", er drückte mich fester an sich."Aber jetzt bin ich ja wieder bei euch und kann Mama zur Hand gehen."
Er wusste welche Angst ich damals um ihn hatte.
Lage Zeit schwiegen wir. Fast dachte ich, ich wäre eingeschlafen, als er wieder etwas sagte.
"Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie", murmelte er und strich mir übers Haar. "Das geht vorwärts wie rückwärts. Immer wenn du diesen Satz gesagt oder gedacht hast, hast du vergessen wie sehr du mich vermisst hast. Vielleicht hilft das ja jetzt bei deiner Therapie auch."
Ich zuckte zusammen, schwieg erschrocken.
"Von der Therapie wirst du heile zurück kommen und hoffentlich gesund. Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie."
Grelle Blitze zuckten vor meinen geschlossen Augen hin und her, dann wurde alles schwarz.
-4-
Sie ließen mich ausschlafen.
Als ich erwachte, wusste ich erst gar nicht wo ich war.
Autolärm drang zu mir. Ich schaute zum Fenster. Ich war nicht in meinem Zimmer.
Ich lag auf dem Sofa im Wohnzimmer. Meine Vater hatte mir das Sofakissen unter den Kopf gelegt und eine Wolldecke über mich gebreitet.
Kühle Luft strömte leicht durch das gekippte Fenster ins Zimmer und ich bekam eine Gänsehaut auf den Armen. Schnell ließ ich sie unter der Decke verschwinden.
"Einen wundervollen guten Morgen, mein Engel", meine Mutter schob mit dem Fuß die Tür auf. Sie trug noch ihren Pyjama und hielt ein vollgepacktes Tablett vor ihrem Bauch.
"Frühstück?", ich setzte mich auf, "Seit wann bringst du mir Frühstück ans Bett, Ma?"
"Darf man seiner Tochter nicht einen schönen Morgen machen?", lachte sie, schloss die Tür und stellte das Tablett auf meine Knie.
Plötzlich hatte ich einen riesigen Hunger.
Allerlei Kostbarkeiten hatte sie darauf zusammengestellt. Ein Croissant, Marmelade, Honig, ein Körnerbrötchen und dampfenden Kakao in meiner Lieblingstasse.
Ich leckte mir über die Lippen, schenkte meiner Mutter ein Lächeln und schnitt das Croissant auf.
Sie setzt sich zu meinen Füßen hin auf das Sofa, lehnte sich zurück und schaute mir dabei zu, wie ich reichlich Marmelade auf einer Croissanthälfte verteilte.
"Und für das Ganze hier gibt es wirklich keinen Grund?", hakte ich noch mal nach.
Ich zuckte mit dem Schultern und fuhr sich über das Gesicht.
"Ich wollte eigentlich noch mal mit dir über die Therapie sprechen."
Wieder musterte mich so komisch. Als könnte ich ausrasten oder so.
"Na gut", erwiderte ich und schaute sie ganz ruhig an.
Sie blinzelte leicht irritiert. "Herr Leistern ist ein sehr netter Mensch. Ich habe schon mit ihm gesprochen und einen Schnuppertermin für nächste Woche ausgemacht. Er kennt solche Fälle, wie du einer bist und..."
"Was bin ich denn für ein Fall, Ma?", unterbrach ich sie und wischte mir die Marmelade aus dem Mundwinkel.
Sie verkrampfte die Finger in einer und starrte sie konzentriert an.
"Du weißt nicht mehr, was damals passiert ist", flüsterte sie mit belegter Stimme, "Und wir wissen es auch nicht. Du hast wohl einen Gedächnissverlust und wir haben nur gesehen wie sie dich ins Krankenhaus gefahren haben. Keiner weiß irgendwas. Irgendwas mit Wasser sagten die Ärzte. Und jetzt musst du mit Folgen leben, von denen du nicht weißt von was sie die Folgen sind." Ihre Hände hatten wieder angefangen zu zittern.
Das damals, vor drei Jahren, irgendwas passiert war, wusste ich. Den Rest kannte ich nur aus Erzählungen.
Meine Familie sprach nicht gerne darüber.
Es musste schlimm gewesen sein.
Ich war mit einer damaligen Freundin zu einer Geburtstagsfeier an den Strand eingeladen wurden.
Es waren viele Leute dort gewesen, es war richtig Lustig. Es gab Torte, Kirschsaft, unmengen an Chips und Schokolade und wir konnten im Wasser plantschen und uns dann in den warmen Sand legen und die Sonne genießen.
Das wusste ich noch.
Dann hatte mich ein Notarzt, bewusstlos, nass und voller Sand am Strand gefunden und ins Krankenhaus eingeliefert.
Dabei war mir gar nichts passiert! Ich war zwar unterkühlt und hatte zwei Blutergüsse am Ellbogen und heftige Schrammen an den Händen, aber sonst war alles okay mit mir.
Diesen Teil kannte ich aus den stockenden Gesprächen mit meiner Mutter.
Und meine Anfälle, von denen ich ungefähr einen innerhalb von zehn Tagen hatte, sollte damit zu tun haben?
Meine Mutter schwieg und ich aß weiter.
Nachdenklich schaute sie aus dem Fenster.
"Heute ist Donnerstag, Ma. Muss ich nicht zur Schule?" Wechselte ich das Thema.
"Du kannst noch nicht mal einen Sport betreiben oder in einer Musikschule ein Instrument spielen, so wie deine ganzen Freunde. Weil dir jeder Zeit etwas passieren kann und du dann unkontrollierbar bist", murmelte sie gedankenverloren und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Meine Frage schien sie gar nicht gehört zu haben.
"Muss ich nicht in die Schule?", fragte ich erneut und etwas lauter.
"Dabei hast du als kleines Kind so gerne Flöte gespielt! Im Kindergarten warst du immer die Beste und die Erzieher waren alle ganz begeistert von dir."
Meine Mutter war ganz mich sich selbst beschäftigt.
Seufzend trank ich meinen Kakao und wartete darauf, das sie wieder Ansprechbar war.
"Und was für eine Mühe wir hatten, dich damals im Leichtathletikverein anzumelden", sie begann zu lächeln, "Du wolltest da gar nicht hin, weil keine von deinen Freundinnen dort war. Doch wir haben dir gesagt, das du da viele Neue findest wirst. Und dann bist du da hin und hast Jessica kennen gelernt und wolltest gar nicht mehr aufhören!"
Ich atmete tief durch, dann stellte ich das Tablett auf den kleinen, runden Tisch und schob die Decke zurück.
"Ich geh duschen", brummte ich und ging. Meine Mutter saß mit versonnenem Gesichtsausdruck auf dem Sofa, starrte aus dem Fenster und spielte mit ihrem Ehering.
Langsam fragte ich mich, wer genau hier eine Therapie brauchte!
Als ich geduscht und mit frisch gewaschenen Haare wieder im Wohnzimmer auftauchte, waren das Tablett und meine Mutter verschwunden.
Ich fand sie in der Küche, sie hatte sich ebenfalls umgezogen, hockte nun auf der Eckbank und laß Zeitung.
"Muss ich nicht zur Schule?", wiederholte ich meine Fragen von eben noch mal und hoffte nun eine Antwort zu bekommen.
Sie schaute sofort auf und nahm ihre kleine, randlose Lesebrille ab.
"Natürlich nicht! In dem Zustand in dem du momentan bist, lass ich dich doch nicht in die Schule gehen!"
Ich verzog den Mund. "Mensch, Mama. Mir geht es gut. Und wenn ich weiterhin so oft fehle, werfen die mich vom Gymnasium! Und Jessica kommt auch in die Schule, wenn sie Kopfschmerzen hat!"
Meine Mutter streckte die Hände nach mir aus. Widerwillig setzte ich mich zu ihr.
"Aber Schatz, du hast nicht nur einfache Kopfschmerzen! Du bist ernsthaft krank. Die Lehrer wissen Bescheid über dich und sind in der Benotung nicht so streng. Und wenn du mal wieder da bist, holst du das ja alles wieder auf und Jessica bringt dir ja regelmäßig den verpassten Stoff mit."
"Vermutlich liegt das alles bloß an der Pubertät", murmelte ich. Aber natürlich stimmte das nicht.
Meine Mutter strich mir übers Haar. "Es wird einfach Zeit, das Herr Leistern Licht ins Dunkle bringt."
Ich nickte. Da hatte sie recht. Aber ich hoffte immer noch das das irgendwie von selbst aufhörte.
Schon seit drei Jahren klammerte ich mich an dieser hoffnungslosen Hoffnung fest.
Der Termin beim Psychiater rückte immer näher.
Am Wochenende besuchte uns Tante Ilse, brachte mir wieder ein Buch mit, diesmal war es "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", trank wie immer irrsinnig viel Kaffee, knabberte stundenlang Kekse, tötterte mit meiner Mutter, also ihrer Schwester, und fragte jeden einzelnen von uns Kindern ausführlich über die Schule aus.
Am Abend war es dann wieder still in der Wohnung, da sie schon früh gehen musste, um ihren Mann noch vom Bahnhof abholen zu können.
Meine Mutter wuselte zwischen Küche und Wohnzimmer hin und her, um Geschirr wegzuräumen.
"Wann ist der Termin bei Herrn Leistern?", ich stellte die dreckigen Tassen aufeinander und reichte sie meiner Mutter.
Verblüfft hielt sie inne. Auch mein Vater drehte sich auf dem Drehstuhl vor dem Computer zu uns um.
"Am Montag. Freust du dich drauf?" Sie lächelte mich an.
"Na, jetzt übertreibe mal nicht gleich! Wir können froh sein, wenn sie überhaupt dort hin geht!" Mein Vater zwinkerte mir zu.
"Ja ich freu' mich", antwortete ich knapp. Das stimmte zwar nicht, aber ich wollte mir die Fragerei und Aufregerei und Beschwichtigerei ersparen. Die Augen meiner Mutter fingen an zu leuchten. Sie strahlten so etwas, wie "Wir haben es geschafft, sie ist so weit", aus.
Ich hatte genug und verzog mich mit meinem neuen Buch in mein Zimmer.
Der Montag begann wie immer. Um sechs klingelte mein Wecker, um zehn nach sechs stand ich auf, duschte, zog mich an, packte meine Tasche, frühstückte ein ganzes Brötchen, unter dem wachsamem Blick meiner Mutter, da ich sonst noch nicht mal ein halbes Müsli aß und um viertel nach sieben holte mich Jessica ab.
Sie war wie immer. Lustig und aufgekratzt. Ich erzählte von meinem Wochenende, sie von ihrem und schließlich quetschten wir uns in den überfüllten Bus und die Unterhaltung musste unterbrochen werden, da eine alte Dame mit Hund, Regenschirm, Mantel und ihrem Rollator zwischen uns stand.
"Heute ist doch der Termin, oder?"
Wir drängten uns an unserer Haltestelle aus dem Bus und folgen dem Schwarm der Schüler in Richtung Schulgebäude.
Ich wusste von was sie sprach. Meine Mutter schien ihr allerhand erzählt zu haben.
"Ja. Um halb fünf." Ich ging schneller, ärgerte mich über die kleinen Fünftklässler, wie uns den Weg versperrte. Sonst fand ich sie, mit ihren riesigen Rucksäcken, eigentlich ganz süß.
"Du willst da immer noch nicht hin, stimmt's?", meine Freundin hatte Mühe mir zu Folgen.
Ich zuckte mit den Schulter.
"Ich kann dich ja verstehen", sie hielt mich am Ärmel fest, "Aber wenn du da bist, wirst du sehen das es dir danach besser geht."
Ich seufzte. "Aber meine Anfälle kann er mir nicht nehmen!", Ärger staute sich in mir an. Ich wollte weg. Weg von meiner Freundin, die mir diesen blöden Physiater schmackhaft machen wollte.
Aber sie hielt mich immer noch fest. Unruhig trat ich von einem Fuß auf den anderen.
"Vielleicht weiß er eine Erklärung, warum du immer zusammenbrichst, Lia. Geh doch einfach mal hin und schau dir das an. Dann kannst du ja immer noch weglaufen."
Ich riss mich los und eilte davon. Jessica folgte mir nicht.
Sie wusste das ich mich zur ersten Stunde wieder beruhigt hatte.
Und das hatte ich tatsächlich. Ich setzt mich neben sie in die letzte Reihe und tat als sei nichts gewesen. Stumm schob sie mir ihr Englischheft hin und ich schrieb eilig die Hausaufgaben ab.
"Goodmorning, Everybody!" Miss Jüngst kam mit klappernden Absätzen in den Klassenraum gestöckelt, knallte den Stapel rot eingebundener Klassenarbeitshefte auf das Pult und musterte uns. Müde hingen wir auf unsere Stühlen, quatschten noch oder schrieben eilig Hausaufgaben ab.
"Na, Jan und Emanuel, euch wird das Lachen gleich noch vergehen!", die junge Lehrerin trommelte mit ihren langen Fingernägeln auf den Tisch der Klassen Clowns.
Die beiden verstummten tatsächlich und verzogen genervt den Mund, als sie den Stapel Klassenarbeitshefte erblickten und verdrehten die Augen.
Sie klackerte zum Pult und begann die Hefte auszuteilen.
Aufschreie, Gemurmel, Gestöhne und leise Schniefer aus der letzten Reihe füllten nach und nach den Raum.
Natürlich hatte ich nur eine Vier und Jessica eine zwei, aber Miss Jüngst warf mir trotzdem ein kurzes Lächeln zu.
Die Vier war die gute Tat heute, die schlechte würde um halb fünf kommen.
Der Schultag vergang schneller, als es mir lieb war.
Die sechste Stunde kam und ich versuchte mich so gut es ging auf den Physikunterricht zu konzentrieren.
Was nicht ganz einfach war, denn die ganze Zeit lag der Raum im Dunklen, nur auf jedem Gruppentisch brannte ein kleines Lämpchen - was zum Versuch gehörte - und mich überkam eine schreckliche Müdigkeit.
Den Versuch verstand ich nicht, das Protokoll, das hinterher abgegeben werden musste, schrieb ich von Jessica ab.
Und dann musste ich wohl oder übel nach Hause.
Wir sprachen nicht mehr über den Termin.
Das hätte ich vermutlich auch nicht noch einmal so gut überstanden.
Meine Mutter und Fynn saßen in der Küche und löffelten Suppe.
"Essen ist noch warm!", rief meine Mutter mir zu, als ich im Flur meine Schuhe auszog.
"Wie war die Schule?" Sie schäppte mir eine Terrine voll und reichte sie mir, während ich neben Fynn rutschte.
"Gut", ich rührte mit dem Löffel in der dickflüssigen Linsensuppe, "Ich hab eine vier in der Englischarbeit."
"Das ist doch toll!", sie setzte sich wieder hin. "War Frau Jüngst zufrieden mit dir?"
Ich nickte und aß wortlos.
Um vier Uhr waren die Hausaufgaben erledigt, ich hatte für meine Mutter eingekauft, die Spülarmschiene brummte satt. Es gab nichts mehr zu tun. Ich lag auf meinem Bett und langweilte mich.
Der Wecker tickte unruhig. Tick, tack. Tick, tack. Tick -, ich hielt mir die Ohren zu.
Noch eine halbe Stunde.
EinNegermitGazellezagtimRegennie!
Die halbe Stunde verflog, meine Mutter stand pünktlich im Türrahmen um mich zu holen.
Im Auto sprach ich nicht mit ihr, auch während wir zur Praxis gingen, schwieg ich verbissen.
EinNegermitGazellezagtimRegennie!
Die Praxis war nicht groß. Es gab einen Eingangsbereich mit einem Tresen, hinter dem eine beleibte Frau mit fröhlichem Lächeln meine Mutter und mich herzlich begrüßte und einer Garderobe.
Ich wollte meine Jeansjacke nicht ausziehen.
Mir war plötzlich entsetzlich kalt.
In einem kleinen Warteraum setzten wir uns auf harte Plastikstühle und warten.
Meine Mutter laß Zeitschriften und ich starrte die mit bunten Bildern verschönerte, kahle Wand an.
Sollten die niedlich aussehenden Tierchen auf den Bildern gute Stimmung erzeugen? Für die völlig verstörten Leute, die hier wieder rauskamen oder gleich ins Irrenhaus eingeliefert wurden?
In diesem Moment wünschte ich mir etwas, was ich nie gedacht hätte, das ich mir das jemals gewünscht hätte. Einen Anfall.
Dann trug mich meine Mutter nach Hause und der Tag war vorbei.
Aber nichts passierte.
Stumm und zitternd hockte ich da und wartete. Wartete und wartete.
Plötzlich öffnete sich eine ebenfalls weiße Tür und ein Mann kam auf mich und meine Mutter zu. Er war groß und schlank, kurzes schwarzes Haar und einen leichten Bart, die hellblauen Augen blitzen erfreut, als würde er alte Kumpels nach einer langen Zeit wiedersehen und seine vollen Lippen verzogen sich zu einem freundlichen Lächeln.
"Guten Tag, Frau Klöscher", er schüttelte meiner Mutter kurz angebunden die Hand, dann wand er sich an mich.
"Lia!", er ergriff meine kalte, nasse Hand mit beiden Händen, "Ich freu mich, dich hier begrüßen zu können."
Ich blieb stumm. Wie lächerlich sich der benahm! Fast musste ich grinsen. Er freute sich also, mich in seiner Irrenanstalt begrüßen zu dürfen. Oh man, hatte er niemanden den er sonst vollsülzen konnte?
"Lia, kommst du mit in den Therapieraum? Deine Mutter kann hier sitzen bleiben. Die Assistentin wird ihr gleich einen Kaffee bringen."
Seine Augen schienen noch heller geworden zu sein, Grübchen bildeten sich in seinen Mundwinkeln.
Meine Mutter lächelte mir aufmuntert zu und ich schlurfte Herrn Leistern hinterher.
Ich fror noch immer, doch gleichzeitig schwitze ich.
Meine Handflächen waren klitschnass.
Er öffnete eine Tür ganz am Ende eines langen, schmalen Flures.
Aha, jetzt war es also soweit, ich würde zu einer Verrückten gemacht werden.
Der Raum war nicht sonderlich groß, aber er war erstaunlicherweise mal nicht kahl und weiß. Zwei Wände waren in einem dunklem rot gestrichen, die anderen beiden in einem kräftigem orange. Das verlieh dem Raum ein wenig mehr Sympathie.
Aber so leicht war ich auch nicht hinters Licht zu führen.
Die drei großen Fenster standen auf kipp und kühle Luft ließ mich noch mehr frieren.
Herr Leistern führte mich zu einer Sitzecke, aus vier großen, runden, bunten Sitzsäcken. Wortlos ließ ich mich auf einen blauen plumpsen und verschränkte die Arme.
Er bot mir etwas zu trinken an, ich schüttelte knapp den Kopf.
Er würde es nicht einfach mit mir haben, so viel stand fest.
"Lia. Ich bin Martin. Du kannst mich auch so nennen. Vielleicht kannst du mir dann alles besser erzählen. Ich bin offen zu dir und du offen zu mir, machen wir das so?", er setzte sich mir gegenüber und beugte sich vor. Er hatte eine tiefe, warme Stimme.
Doch mich ließ das ziemlich kalt.
"Gut, Herr Leistern", ich lehnte mich zurück und starrte ihm feste und verflossen in die Augen.
Der Psychiater tat, als würde er gar nichts bemerken.
"Ich habe schon viel mit deiner Mutter gesprochen. Auch über deine Zusammenbrüche und Anfälle und das du nicht weißt warum du so leiden musst. Doch wenn ich jetzt während unserer einstündigen Sitzung etwas falsches sage, dann verbesserst du mich bitte sofort, ja?" Schon wieder grinste er.
Ich zuckte mit den Schultern. Ich wusste noch gar nicht, ob ich überhaupt mit diesem Mann reden wollte!
"Du hast noch zwei Brüder. Vincent ist neunzehn und Fynn dreizehn, richtig? Ihr scheint ganz gut miteinander zurecht zu kommen, sagte deine Mutter. Dein Vater ist oft auf Geschäftsreise und kommt immer nur so alle zwei Wochen nach Hause. Du hast damit früher oft Probleme und Angstzustände, wenn er nicht da war. Deine Geschwister hatten damit soweit kein Problem. Deine Mutter meinte du seist die empfindlichste von euch. Und dann ist da mit dreizehn dieser Unfall passiert. Du warst mit einer Freundin auf einer Geburtstagsfeier am Strand und man fand dich dann am nächsten Morgen bewusstlos, völlig unterkühlt, verdreckt und verletzt im Sand. Du kannst du an nichts mehr erinnern. Und jetzt musst du mit diesen körperlichen Qualen leben und du weißt nicht warum."
Natürlich musste meine Mutter gleich die ganze Geschichte erzählen! Langsam fühlte ich mich diesem Mann ausgeliefert.
"Kann sein", erwiderte ich und starrte angestrengt auf den kleinen, runden Tisch, der zwischen uns stand. Das Holzmuster war einfältig und gab nicht mehr viel her, also musste ich nach einer Weile meinen Blick wieder heben und starrte stattdessen auf die stark beharrten Arme des Physiaters, die er locker verschreckt hatte. Er schien keine Antwort von mir zu erwarten.
"Gut, Lia", seufzend erhob er sich, ging hinter seinen Schreibtisch und kam kurz darauf mit einer großen blauen Plastikkiste und einer grauen Plastikplatte wieder.
"Mit Lego spielt mein Bruder", kommentierte ich, als Herr Leistern die Platte vor mich auf den Tisch legte und sich wieder setzte.
"Aber dein Bruder ist nicht hier, sondern du", er ließ sich wirklich überhaupt nicht beeindrucken. Ich musste meine Strategie ändern.
"Ich möchte, das du deine Familie damit darstellst, Lia. Deine Vater, deine Mutter, deine Geschwister und dich."
"Mein Vater ist der größte, dann kommt Vincent, dann meine Mutter, ich und Fynn. Sehen Sie, ich kann ihnen das auch so darstellen, brauch ich kein Lego für."
Ich merkte selber das meine Strategie noch mehr reifen musste. Ich musste da mit ner besseren Taktik ran.
"Ich meine nicht die Größe, sondern die inneren Werte. Und wer von ihnen dir am meisten Hilft und dir am meisten bedeutet, ist am Größten."
Ich warf ihm einen wütenden und gereizten Blick zu, dann nahm ich eine Hand voll von den Steinen und steckte sie wahllos aufeinander. Herr Leistern beobachtete mich genau, das spürte ich.
Und dann war ich fertig. Fünf kleine, schmale, unterschiedlich große Türme standen dicht beieinander auf der Plastikplatte.
"Gut, Lia. Und jetzt sag mir, wer von denen, wen aus deiner Familie darstelle soll."
"Sie dürfen raten", erwiderte ich patzig. Ich hatten keinen Bock mehr!
"Das kann ich leider nicht, weil ich deine Familie nicht kenne."
Ich seufzte tief, dann deutet ich widerwillig auf den ersten Turm. Falls man das mickrige Ding einen Turm nennen konnte.
"Das ist mein großer Bruder, das mein -"
"Warum hast du deinen großen Bruder so hoch gemacht?", unterbrach er mich.
Ich brummte widerstrebend. Ich wollte ihm nicht auch noch alles erklären müssen, sollte er sein Gehirn mal selber anschalten!
"Weil er immer für mich da ist, wenn ich ihn brauche."
Plötzlich fingen meine Hände wieder an zu zittern. Wenn ich ihn brauchte war er da. Er, mein großer Bruder, nicht sie, meine Eltern.
"Gut", Herr Leistern schien meinen stillen Gedanken mitbekommen zu haben, "Und weiter?"
"Das ist mein kleiner Bruder. Weil der mich immer aufmuntert. Er nimmt das nicht alles so erst, wie meine Eltern. Er ist eben noch ein Kind."
Das war zu viel, viel zu viel. Was erzählte ich ihm da alles? Das ging ihn doch gar nicht an.
Wütend presste ich meine Lippen aufeinander. Er sah mir an, das die Mauer langsam anfing Risse zu bekommen.
Ich schwieg, hielt seinem ausdruckslosen Blick stand. Lange stand. Bis ich irgendwann wieder weitersprach.
"Und das mein Vater", ich schluckte und dachte die Mauer einkrachen zu hören, "Weil er nie da ist und das alles so nicht mitbekommt. Er tröstete mich dann immer nur. Und das meine Mutter", ich deute auf den vierten, "weil sie sich immer viel zu viele Sorgen macht."
"Sehr schön, Lia", er redete auf mich ein, wie auf ein krankes Tier.
Ich presste die Hände unter die Oberschenkel. Sollten sie doch endlich aufhören zu zittern und mich so zu verraten!
"Und wer ist der letzte Turm? Dabei ist es ja nur ein Stein." Er stützte die Ellbogen auf die Knie und das Kinn auf die Handballen, meinen Blick hielt er fest. Ich atmete schnell.
Hinter mir krachte es. Die Mauer war zerstört. Komplett.
"Ich bin das. Klein und alleine. Weil ich viel zu schwach bin, um so zu sein wie die anderen, weil mich das immer wieder fertig macht und ich nie Zeit hab, genügend Kraft für das nächste Mal zu schöpfen."
Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich schniefte.
"Du hast es geschafft Lia, die Mauer ist zerstört", er sprach leise und eindringlich, "Du hast doch die Kraft das hier alles hinter dich zu bringen."
Leise und erstickt schrie ich auf. Es war aber mal wieder nur ein Gurgeln.
Meine starke, feste Mauer war mit den Worten eines Physiaters zerstört worden.
Und aufbauen ließ sie sich nicht mehr.
-5-
Die Stunde Therapie war vorbei. Ich durfte den Raum, mit den orangen und roten Wänden verlassen und zu meiner Mutter zurückkehren, die noch immer mit einer Tasse Kaffee und einer Zeitschrift im Wartezimmer saß.
Sie erhob sich erfreut und kam mit ausgestreckten Armen auf mich zu, als sie uns erblickte.
Kurz vor ihr blieb ich stehen, "Gehen wir jetzt nach Hause, Ma?"
Sie schaute mich erstaunt an, "Ja natürlich. Aber willst du dich denn nicht von Herrn Leistern verabschieden?"
Ich zuckte mit den Schultern und warf dem Physiater einen Blick zu. Der lächelt mich an.
"Das brauch sie nicht", antwortete er und reichte meiner Mutter die Hand, "Wir sehen uns ja nächste Woche wieder, nicht wahr Lia?"
Ruckartig drehte ich mich um, lief am Tresen vorbei, aus der Tür raus und zum Auto. Meine Mutter hetzte mir hinter.
"He! Was war das denn?", rief sie außer Atem und schloss mir die Beifahrertür auf.
Stumm schnallte ich mich an und schaute aus dem Wagenfenster. Meine Mutter startete, fuhr aus der Parklücke und reihte sich in den stockenden Berufsverkehr ein.
Während wie darauf wartete, das die Ampel auf grün sprang, unternahm sie einen neues Versuch, Kontakt mit mir aufzunehmen. "Wie war die erste Stunde?"
Ich kaute auf meiner Unterlippe herum, betrachtete die Geschäfte und alles was rechts und links von uns lag.
Das tat ich solange, bis meine Mutter wieder Gas gab und nach Hause fuhr.
Ich sprach auch kein Wort, als sie in der Tiefgarage eingeparkt hatte, Einkaufstüten aus dem Kofferraum nahm und wir über die Straße gingen, sie sich mühsam in den zweiten Stock schleppte – ich nahm ihr keine der Einkaufstaschen ab – und mir die Wohnungstür aufschloss.
Normalerweise half ich ihr, die Einkäufe aus zu packen und ich blieb auch kurz in der Küchentür stehen, doch dann drehte ich mich um und ging in mein Zimmer.
Es war unaufgeräumt, die Rollanden noch nicht hochgezogen, das Bett ungemacht, meine Schulsachen auf dem Schreibtisch verstreut und meine Klamotten lagen unordentlich auf dem Sessel, anstatt zusammengelegt im Schrank.
Ich warf mich auf mein Bett, verschränkte die Arme hinterm Kopf und starrte die Deck an.
Schlafen tat ich nicht. Ich fühlte mich nur unendlich leer und dem Physiater total ausgeliefert.
So fühlte man sich also, wenn die Mauer, die man sich Tage vorher in seinem Kopf aufgebaut hatte durch so einen Mann zerstört worden war.
Am nächsten Tag ging ich wie üblich zur Schule. Es war Stress angesagt. Ein großer Teil der Klasse fehlte, da in Berlin ein großes Konzert stattfand und keiner von uns an die angeblichen Erkrankungen glaubte, die die Fehlenden mit gefälschter Unterschrift der Eltern in die Schule liefern ließen. Da gab es es von Magendarmgrippe, über Mandelentzündung, Zahnschmerze, Grippe, Masern, Pocken und Läusen alles.
Aber der Schüler war nur genau für dieser Tag krankgeschrieben.
Die meisten hatten sich an den nicht vorhandenen Geschwistern angesteckt.
Und schließlich musste der Unterricht mit grade mal zehn Schülern durchgeführt werden, anstatt mit achtundzwanzig. Keiner der Lehrer nahm Rücksicht auf die Fehlenden und es wurden Klassenarbeitstermine, Test und unmengen an mündlichen Prüfungen angesagt.
Nach der fünften Stunde wollte Jessica sofort zu Elly fahren, um ihr alles mitzuteilen, da die Tusse natürlich auch lieber auf das Konzert ging anstatt in die Schule.
"Warum lässt du sie denn nicht einfach dumm sterben?", fragte ich, auf dem Weg zur Bushaltestelle.
"Weil sie nett ist. Und, mein Gott", sie verdrehte die Augen, "warum soll sie jetzt viele Sechsen kassieren, nur weil sie einmal Schule geschwänzt hat? Das ist doch wohl menschlich, Lia!"
Ich zuckte mit den Schultern, dann drehte ich mich ruckartig um.
"Wenn du zu deiner neuen Freundin willst, kannst du alleine gehen, ich hab meiner Mutter versprochen, Fynn von der Schule abzuholen, weil sie länger arbeiten muss."
Sie setzte grade an etwas zu sagen, doch dann überlegte sie es sich anders, warf mir einen wütenden Blick zu und stolzierte in die andere Richtung davon. Über den Termin gestern sprachen wir nicht mehr.
Die Woche ging rum, ohne das etwas auffälliges passierte. Kein Anfall, keine unkontrollierten Handlungen.
Nach der Schule kam ich ganz normal nach Hause, machte mir irgendwas vom Vortag warm, wenn meine Mutter noch bei der Arbeit war, erledigte Hausaufgaben und räumte die Wohnung ein bisschen auf.
Am Samstag machte ich mit Vincent zusammen sein Auto sauber und den Sonntag verbrachte ich mit "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" auf dem Balkon.
Das alltägliche Leben hatte uns wieder eingeholt.
Natürlich führte meine Mutter das mit einem glückseligen Lächeln auf die erste Therapie-Stunde zurück.
Und auf den Sonntag folgte der Montag.
Schule, Mittagessen, Hausaufgaben, Therapie.
Dennoch hatte ich mich noch nicht damit abgefunden, das die Mauer nun zerstört war und ich offen für Herrn Leistern war.
Immer noch widerwillig folgte ich ihm in das bunte Zimmer mit den Sitzkissen.
Die Kiste mit dem Lego stand nicht mehr auf dem Tisch.
"Setzt dich, Lia."
Wieder hockte ich mich auf den blauen Sack und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Wie war die Woche?"
"Gut."
"Keinen Anfall?"
"Nein."
"Fühlt es sich gut an, eine Woche keinen Anfall mehr gehabt zu haben?"
"Nein."
"Warum nicht?"
Es waren noch nicht mal fünf Minuten vergangen und schon hatte er mich wieder dazu gezwungen mehr als zwei Wörter zu sagen.
"Weil ich jetzt mehr Angst habe, das es jeder Zeit wieder kommt." Das musste ihm reichen.
"Also hast du jede Woche einen?"
"Nein. Auch manchmal alle zehn Tage."
"Aha. Und wann war dein letzter?"
Ich überlegte. An einem Donnerstag war ich mit Jessica im Schwimmbad gewesen. Da hatten meine Eltern mir von dem Termin erzählt der am kommenden Montag sein sollte. Also waren das schon mal vier Tage. Und dann noch mal sieben Tage bis heute.
"Elf Tage."
"Hast du Angst?"
"Ja."
"Wovor?"
"Das jetzt gleich alles schwarz wird und ich wieder irgendwas hab, das ich noch nie gehabt habe und dann wieder müde in meinem Bett aufwache."
Er schwieg. Schenkte mir, ohne zu fragen, ein Glas Wasser ein.
"Und, wurde alles schwarz?"
"Nein", ich begann nervös mit meinen Fingerknöchel zu knacken.
"Du bist nervös, Lia. Warum?"
Stumm schüttelte ich den Kopf. Ich hatte das Gefühl, Schweiß würde meinen Rücken runterrinnen.
"Wartest du immer auf einen Anfall?"
Ich zuckte mit den Schultern. Meine Mundwinkel begannen zu zucken.
"Möchtest du mir etwas sagen?", er lehnte sich vor und blickte mir in die Augen, "Du bist ja ganz weiß."
Ich schloss die Augen, meine Schultern begannen zu beben.
"Sprich es aus", flüsterte er. "Brüll' mich an. Schlag mich!"
Ich riss die Augen wieder auf. Zitternd presste ich mir die geballte Faust vor den Mund.
"Sag es. Sag es!", sein flüstern kam immer näher.
Ich hielt das nicht mehr aus! Mein Kopf explodierte gleich!
"Lassen Sie diese Fragerei!", stieß ich schließlich schluchzend hervor.
"Sehr schön. Sehr schön, Lia!" Er lehnte sich wieder zurück, "Genau das wollte ich."
Ich starrte ihn an. Wollte er mich ans Ende meiner Kräfte bringen? War das die Absicht, die diese schwachsinnige Therapie hatte? Mich noch kleiner zu machen, als ich ohnehin schon war?
Wieder rannte ich nach dieser Stunde an meiner Mutter vorbei, verabschiedete mich nicht von Herrn Leistern und sprach kein Wort während der Autofahrt. Zuhause schloss ich mich in meinem Zimmer ein, legte mich auf mein Bett, verschränken die Arme hinterm Kopf und fühlte mich leer und ausgesaugt.
Am nächsten Morgen hatte ich schreckliche Kopfschmerzen. Ich bat meine Mutter mir eine Entschuldigung für die Schule zu schreiben. Sie machte das natürlich sofort und kochte mir einen Apfeltee. Sie rechnete wieder mit einem Anfall.
Doch das war kein Anfall. Außer das ich das Gefühlt hatte, jemand hätte mir mit einem Holzbrett vor die Stirn geschlagen, ging es mir gut. Und die Anfälle kündigten sich normalerweise nicht an.
Dennoch blieb ich im Bett bis meine Mutter um zehn das Haus verließ, dann setzte ich mich vor den Fernseher, hüllte mich in eine Decke und schaute sinnlose Menschverblödung.
Es klingelte. Ich öffnete die Augen und musste ein paar mal blinzeln, bis sich der Nebel auflöste. Ich lag auf dem Sofa, in eine Wolldecke gewickelt und der Fahrseher lief. Es klingelte wieder. Diesmal länger.
Mühsam rappelte ich mich auf und torkelte in den Flur.
Jessica stand vor der Tür.
Überrascht fuhr ich mir mit der Hand durch die Haare.
"Du?", ich hob eine Augenbraue. Seit letztem Dienstag hatten wir nicht mehr mit einander gesprochen.
"Ja ich", erwiderte sie und schob sich an mir vorbei in den Flur.
"Aha", ich schloss die Haustür, "Und was machst du hier?"
Sie grinste, "Na dich besuchen und dir die Hausaufgaben bringen."
Dann legte sie den Kopf schief und musterte mich, "Du siehst aber erstaunlich fit aus. War es diesmal nicht so stark?"
"Nein", ich folgte ihr in mein Zimmer, "Ich hab nur Kopfschmerzen."
"Achso", sie ließ sich auf den Drehstuhl vor dem Schreibtisch plumpsen und legte einen Stapel Hefte vor sich.
"Warum machst du das eigentlich immer? Mir die Hausaufgaben bringen, auf mich aufpassen und so."
Sie zuckte mit den Schultern.
"Weil du meine Freundin bist", sagte sie schließlich.
Ich lächelte, strich meine Bettdecke glatt und ließ mich darauf nieder.
"Sag mal, willst du denn nicht mal was an deinem Zimmer tun?", wechselte sie das Thema.
Ich runzelte die Stirn und schaute mich um. Was den tun?
"Na vielleicht mal Vorhänge vor die Fenster. Hellgrün mit Blumen würde gut passen und dann ein paar Poster an die Wände, von irgendwelchen Popstars oder auch nur niedliche Tierchen. Und mal eine andere Bettwäsche, als dieses ständige weiß", antwortete sie auf meine unausgesprochene Frage.
Ich schwieg immer noch und das schien sie zum weitersprechen aufzufordern. "Meine Mutter kann dir bis nächste Woche die Vorhänge machen und meine Schwester hat bestimmt noch jede Menge Poster von Kätzchen, Welpen oder Fohlen. Die sammelt die ja richtig. Und am Wachende fahren wir zwei zu "IKEA" und schauen nach Bettwäsche."
Der Redefluss meiner Freundin hatte mir wirklich die Sprache verschlagen. Warum denn mein Zimmer verschönern? Und ihre Mutter hatte in der Schneiderei schon genug zu tun. Ich fühlte mich doch wohl hier drin.
Als ich nicht antwortete flüsterte sie schließlich, "Mensch hör doch auf im Leben stehen zu bleiben. Geh weiter. Siehst du denn nicht wie sich alles verändert? Verändere dich mit und bleib nicht ängstlich stehen!"
"Jetzt bist du schon genauso wie der Leistern!", rief ich zitternd und presst mir die Hände vors Gesicht.
"Der Leistern? Dein Psychotherapeut? Hat der dir das auch gesagt? Dann ist er gut, das er das schon beim zweiten Mal so deutlich erkannt hat." Jessica setzt sich neben mich und schlang mir einen Arm um die bebenden Schultern.
"Er ist fürchterlich", stieß ich schniefend hervor, "er macht mich fertig!"
"Das kann ich mir nicht vorstellen. Er führt dir nur vor Augen was du wirklich bist", sie lehnte ihre Stirn an meine.
"Ach und was bin ich wirklich?", meine Stimme war nicht mehr als ein Krächzen.
"Ein sechzehnjähriges Mädchen, das nicht weiß wer es ist. Du hast manchmal Anfälle und dann wartest du auf den nächsten. Die Tage die du dazwischen lebst, bemerkst du gar nicht. Es ist für dich als würdest du von Anfall zu Anfall kommen. Doch das ist nicht so. In der Zeit dazwischen tut sich doch etwas. Du Lebst!"
Ich konnte hören das sie leise schniefte.
"Weinst du?", flüsterte ich und wischte mir selber die Tränen aus den Augen.
Sie lächelte und zog die Nase hoch.
"Es ist einfach nur schrecklich. Wenn ich seh wie du dich immer hängen lässt. Du denkst nicht genug Kraft zu haben! Doch das hast du! Lia, das musst du mir glauben. An jedem Tag an dem du atmest, kannst du etwas tun. Nächste Woche dein Zimmer verschönern, danach mal zum Friseur gehen und dann mal mit mir auf Partys mitkommen!"
"Und wenn es dann wieder passiert?", schluchzte ich.
"Dann ist es eben so", Jessica kramte nach einem Taschentuch und putze sich die Nase. "Aber dazwischen hast du Zeit zu Leben!"
-6-
Auch nachdem Jessica und ich uns ausgeheult hatten, ließen die Kopfschmerzen nicht nach. Meine Mutter war völlig verstört, als sie nach der Arbeit in mein Zimmer kam und uns heulend auf dem Bett sah. Erst als ich einen weiteren Apfeltee trank und ein Stück Kuchen runter würgte war sie beruhigt.
Zwölf Tage waren vergangen. Lange konnte es nicht mehr dauern.
Ich hatte noch nicht mal den dreizehnten Tag halb überstanden, als wieder der Schmerz durch meinen Körper tobte.
Wie unter tausenden Krämpfen schüttelte ich mich, warf dabei unmengen an Geschirr vom Tisch und zuckte so lange, bis vier Arme mich packten und auf mein Bett legten. Dann ließen die Krämpfe endlich nach und Dunkelheit entführte mich.
Zwei Tage lang schlief ich durch.
Dann wachte ich unter schrecklichem Zittern auf, rief erstickt nach meiner Mutter, die auch sofort angerannt kam und meine Gliedmaßen fingen wieder an zu zucken.
Fieber und Bauchschmerzen folgen. Meine Periode blieb für diesen Monat aus.
Drei Klassenarbeiten verpasste ich, den Termin bei Herrn Leistern musste verschoben werden und diesmal fehlte meiner Mutter nicht mehr viel, mich ins Krankenhaus zu liefern.
Sie hätte es vermutlich auch getan, wenn am nächste Morgen nicht die Bauschmerzen nachgelassen hätten und ich mit Vincents Hilfe in die Küche taumeln konnte.
Je länger es zum nächsten Mal dauerte, so schlimmer wurde es. Dessen war ich mir sicher.
Am nächsten Tag stand Jessica in der Tür. Ich lag im Wohnzimmer auf dem Sofa und döste vor mich hin.
"Wenn du morgen wieder in die Schule kommst gehen wir danach zum Friseur", das war das einzige was sie zu mir sagte, bevor sie mir eine Tafel Schokolade auf den Wohnzimmertisch legte und wieder verschwand. Ich sollte Leben.
In den paar Tagen die ich jeweils zu Leben hatte.
Meine Mutter zwang mich am nächsten Tag nicht in die Schule, ich wollte es selber. Und während ich mit Jessica zum Bus ging, sah ich noch immer ihr besorgtes Gesicht und sie fragte leise, ob ich das denn auch wirklich schaffen würde. Ja, das würde ich schaffen.
Je mehr Tage ich zu leben hatte, desto besser.
Meine Freundin war ganz begeistert, als ich nach einigem Überreden nach der Schule mit zu ihr kam und wir zu Mittag aßen.
"Ich will aber meine Haare gar nicht ab haben", brummte ich und nahm mit vom Kartoffelpüree nach.
"Du musst sie ja auch nicht ab haben, Lia! Nur die Spitzen schneiden und vielleicht einen leichten Pony rein. Mehr muss doch nicht sein! Ich mag deine lagen, glatten Haare", Jessica räumte ihren Teller in die Spüle und ließ Wasser drüber laufen.
"Na, wenn du meinst", gab ich mich langsam geschlagen und kratzte den letzten Rest Kartoffelpüree vom Teller.
Sie schleifte mich zu einem kleinen Friseursalon, der nicht weit von ihrer Wohnung lag.
"Hier geht meine Mutter immer hin und hinterher ist sie total begeistert", flüsterte sie mir zu, als mich eine junge Frau zu einem der höhenverstellbaren Sessel führte.
Jessica zwinkerte mir noch einmal zu, dann hockte sie sich auf das mit rotem Leder bezogene Sofa und blätterte in einer Zeitschrift.
"Was möchte die junge Dame denn für eine Frisur haben?", die Friseuse lächelte mir zu und durchkämmte meine Haare.
"Ähm", machte ich.
"Einen leichten Pony und die Spitzen ein bisschen kürzer!", hörte ich Jessica rufen. Ich seufzte.
Die junge Frau lachte.
Ich schloss die Augen, jetzt sollte es also losgehen.
Konnte man mit einer neuen Frisur besser leben als mit einfachen langen, glatten dunkelblonden Haaren?
Ich sah nicht, was die Friseurin mit mir veranstaltete, ich hielt die Augen die ganze Zeit geschlossen, nur ich merkte das mir Haare über die Wange und das Gesicht rieselten.
Und wenn die junge Dame, mit den großen grünen Augen sich verschnitt? Wenn ich gleich eine Glatze haben würde? Oder mir die Haare kaum noch über die Ohre reichten? Ein riesiges Loch hinten am Kopf? Eine Seite länger als die andere? Ein Ohr ab?
An meinen Ängsten merkte ich, wie lang ich schon nicht mehr beim Friseur gewesen war.
Das letzte mal in der Grundschule. Meine Mutter wollte unbedingt ihre süße Lia mit den dunklen Augen, einem modischen Bob und der rosa Schultüte in der Hand auf einem Foto festhalten. Der Bob stand mir eigentlich auch ganz gut, fand sie.
Ich wollte damals schon immer ganz, ganz lange Haare haben. Am besten welche, die bis zum Knie gingen.
"Du kannst ruhig wieder du Augen aufmachen, wir sind fertig."
Ich merkte gar nicht, das man mit mir sprach, erst als ich an der Schulter berührt wurde, öffnete ich leicht verwirrt die Augen.
Und dann schaute ich mich an. Ich hatte ohnehin keine andere Wahl. Der Spiegel vor mir war riesig.
Das war nicht ich. Das war nicht Lia Klöscher.
Die Haare gingen knapp über die Schulter, ein gestufter, halblanger Pony ging quer über meine Stirn. Es sah nicht fremd aus. Einfach nur anders.
Und als ich dem Spiegelbild, also mir, in die Augen schaute, wusste ich das ich das war.
Jessica war schon hinter mich getreten. "Sieht super aus! Echt!"
Sie grinste.
Ich nickte. Joah sah gut aus.
Das war eine Lia Klöscher die nicht Lia Klöscher war.
Nachdem ich bezahlt hatte, gingen wir noch ein Eis essen, dann brachte mich meine Freundin nach Hause.
"Und morgen sprech' ich meine Mutter wegen dem Vorhangstoff an", sie gab mir noch ein Küsschen auf die Wange, dann trabte sie vergnügt die Treppe runter. Seufzend schloss ich die Wohnungstür auf.
Das war alles zu viel.
Ich hielt mich nicht lange im Wohnzimmer auf, wo meine Mutter mir immer wieder mit strahlendem Lächeln durch die Haare fuhr.
"Das war echt eine super Idee von Jessica. Die neue Frisur macht dich fröhlicher!"
"Ja, Mama", ich wehrte ihre Hände liebevoll ab, "aber jetzt bin ich müde und möchte ein bisschen ausruhen."
"Natürlich", sie trat einen Schritt zurück und strich mir leicht über die Wange, "Soll ich dir einen Apfeltee kochen?"
"Nein, Ma!", rief ich auf dem Flur, "Mir geht es gut, wirklich!"
Meine neue Frisur schien wirklich gut geworden zu sein, denn am nächsten Tag sprachen mich viele meiner Mitschüler drauf an.
"Steht dir, Lia."
"Echt gut."
"Neue Frisur? Macht gleich nen neuen Menschen aus dir."
"Bei welchen Friseur warst du?"
Sogar die Jungen, mit denen ich gar nichts am Hut hatte, warfen mir einen Blick zu.
Dennoch war Nick der einzige von denen der mich ansprach. "Wow. Und dein Gesicht kommt jetzt richtig schön zur Geltung."
"Ähm danke", stammelte ich verlegen und stolperte in Richtung Spind davon. Jessica hatte natürlich alles mitbekommen. In der nächsten Pause passte sie mich auf dem Weg zu den Toiletten ab.
"Ich hab das zwischen dir und Nick eben gesehen. Was geht denn da ab?"
"Was soll da abgehen?", fragte ich verwundert, "Er hat einfach gesagt das mir die Frisur gut steht, na und?"
Meine Freundin prustete los. "Lia, du bist echt im Leben stehen geblieben."
Ich zuckte mit den Schultern und setzte meinen Weg in Richtung Toiletten fort.
Jede Woche begann mit diesem Termin. Und jedes Wochenende davor war schon eine Qual.
Jessica schaffte es tatsächlich, mich zum Laden ihrer Mutter mitzunehmen und ich sollte mir einen Vorhangstoff aussuchen.
Wahllos und ein wenig genervt entschied ich mich für einen bis zum Boden gehende, hellgrünen mit kleinen dunkelgrünen Blümchen.
Danach musste ich noch mit zu Luisa und mir das Gezanke anhören welches Poster sie denn jetzt nicht mehr brauchte.
Schließlich durfte ich mit drei riesigen Tierbabypostern unterm Arm nach Hause gehen.
Ich schmiss sie achtlos neben meinen Schrank, dann haute ich mich aufs Bett, schloss die Augen und bereitete mich seelisch auf den Montag vor.
Der Montag kam wie immer nach dem Sonntag.
Der Sonntag war ein verregneter, kalter Tag. Meine Brüder hingen vor dem Fernseher rum, meine Mutter hatte am Computer zu tun und ich zog mich mit den vierzig letzten Seiten aus "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", in mein Zimmer zurück.
Den Vokabeltest in Latein schaffte ich mit einer glatten zwei, meine Mutter erdrückte mich fast vor Freude, die letzten beiden Stunden fielen aus, da der Mathelehrer krank war und ich ging mit Jessica und ein paar anderen Mädels eine Pommes essen.
Das war der Montagvormittag, was mich am Nachmittag erwarten würde, wusste ich ja bereits.
Obwohl ich mich nicht wirklich darauf freute, stand ich um zwanzig nach vier an der Wohnungstür und wartete auf meine Mutter.
Die Kleidung die der Physiotherapeut bei den Sitzungen trug, wurden immer kurioser.
Am Anfang war es mir nicht aufgefallen, doch jetzt wusste ich langsam nicht mehr wo ich hinschauen sollte, wenn ich mal wieder einen auf Trotzig machte.
Heute trug er ein hellblaues Hemd, was gut zu seinen hellen Augen passte, dazu eine schneeweiße Jeans und dunkelbraune Lederschuhe.
Sah eher so aus, als wohnte er in einer riesigen Villa, als das er ein normaler Physiotherapeut mit einer kleinen Praxis war.
"Wie war die Woche, Lia?"
Wieder die gleiche Frage, wie letztes Mal.
"Gut."
Wieder die gleiche Antwort, wie letztes Mal.
"Hattest du einen Anfall?"
Er musterte mich. Mein Blick wanderte zu seinem Hemdkragen und blieb dort hängen, nur um ihn nicht in die Augen sehen zu müssen.
"Ja."
Er beugte sich vor.
"Und wie hast du es dieses Mal überstanden?"
Ich schwieg. Wie sollte man einen Anfall schon überstehen? Dumme Frage.
"Wie immer."
"Aha. Und wie ist "wie immer"? Unerträglich? Kraftraubend?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Kann sein."
"Entmutigend. Du hast das Gefühl das das Leben nichts bringt? Deine Gedanken kreisen nur noch über diesen Magnet, der dich immer wieder zu sich zieht. Das losreißen klappt nicht."
Jetzt musste ich ihn doch anschauen. Seine Augen hatten etwas so ruhiges, das mein Herzschlag plötzlich langsamer wurde.
"Aber du willst dich auch nicht losreißen. Du wartest immer. Das Leben dazwischen bringt doch eh nichts."
Meine Hände fingen an zu zittern. Ich presste sie mir vors Gesicht.
Seine Stimme wurde beschwichtigender, "Und wenn du dann mal eine kurze Zeit wieder normal weiter machst, geht es wieder von vorne los. Es hat ja eh nichts mehr Sinn."
"Hören Sie auf! Hören Sie bitte auf!", stieß ich mühsam hervor. Meine Schultern fingen wieder an zu beben.
"Du versuchst es immer wieder. Du willst ja leben! Aber warum kannst du das Leben nicht so leben wie du es willst? Warum geht das nicht?"
Ich wiegte meinen Oberkörper vor und zurück.
"Woher wissen Sie das? Warum wissen Sie wie ich denke?", schniefte ich.
"Weil ich dich kenne, Mädchen. Du bist so unglaublich offen für mich und deine Mitmenschen."
"Ich möchte nicht mehr", meine Stimme zitterte so sehr, das ich kaum sprechen konnte. "Ich möchte die Stunde beenden. Sofort!"
Herr Leistern beendete die Stunde. Ihm schien es gar nichts ausgemacht zu haben, das ich so losgeheult hatte. Er brachte mich wie gewöhnlich zu meiner Mutter zurück.
Sie hatte noch nicht mit uns gerechnet und als sie mich erblickte, schaute sie ganz bestürzt.
"Mein Gott, Lia! Was ist denn mit dir los?", sie stand auf und lief auch mich zu.
Schnell wischte ich mir die Tränen von den Wangen und rannte an ihr vorbei nach draußen und setzt mich wie nach jeder Stunde ins Auto.
Doch diesmal kam sie nicht so schnell hinterher. Und als sie dann kam, startete sie wortlos den Motor und fuhr uns nach Hause.
Wieder schloss ich mich in meinem Zimmer ein und fühlte mich leer. Schrecklich leer.
Tag der Veröffentlichung: 19.07.2011
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