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Der magische Ring


Schaumkronen tanzten auf den Wellen die in die Brandung einer kleinen Insel einschlugen. Möwen flogen kreischend über einen Jungen der ungefähr dreizehn Jahre alt war und seine Füße im Sand vergrub. Trotz der morgendlichen Kälte war der Sand warm und die Sonne warf ein orangenfarbenes Licht auf das Wasser. Etwas weiter entfernt schaukelte ein kleines Boot das eher einer Nussschale glich im seichten Wasser. Das Segel des Bootes war aus vielen Flicken zusammen genäht worden. Für diesen Jungen war der Strand, das Boot und das Meer eine Andere Welt in die er eintauchen und der richtigen Welt entfliehen konnte. Der Bursche legte sich hin, doch ein Blick auf seine inzwischen verschmutzte Uhr verriet ihm dass er sich auf den Weg zurück machen musste. Zurück in die reale Welt. Zurück zu den anderen. Er seufzte und sog den salzigen Geruch der Meeresluft ein. Dann lief er zu seinem Boot, nahm zwei dicke Äste die als Paddel dienten und stach in See. Der Wind war nicht so stark dass er das Segel setzen musste. Schon von weitem konnte er das Backsteinhaus sehen auf dem in Großen verschmutzten Buchstaben „Kinderheim“ stand. Er seufzte erneut. Wie konnte ihn seine Eltern nur hier abgegeben haben als er klein war. Er kam am Festland an und versteckte sein kleines, selbstgebautes Boot hinter einem Felsen.

Er betrat den kühlen Flur des Kinderheimes, die Fliesen waren kalt und der Junge er schauderte. „Josh“, rief eine Stimme hinter ihm. Zora, die Aufseherin schaute ihn mit zusammen gekniffenen Augen an. „Wo hast du dich so früh rumgetrieben?“ Nervös antwortete Josh: „Ich war draußen weil mir schlecht war.“ „Dass du Draußen warst habe ich gesehen, aber wenn dir schlecht war dann hättest du einfach das Fenster öffnen können. Ich bin sicher dass Mark, Jakob und Kai nichts dagegen hätten. Aber geh jetzt zum Frühstück.“ Erleichtert darüber dass es keine Strafe gab, machte er sich auf den Weg durch die langen Flure zum Saal in dem es Essen gab. Doch mit seinem Gedanken dass er keine Straffe bekam lag er falsch, denn sein Haferbrei fiel weniger aus und der Apfel fiel ganz weg. Josh setzte sich an seinen Platz zwischen Celina und seinem besten Freund Jakob. Kaum hatte er sich hingesetzt, da fingen sie an zu beten. Jakob brauchte nicht fragen wo er gewesen sei, denn er kannte Josh´s Geheimnis. Celina hatte verstrubbelte, braune Haare die sie meist offen ließ, zum Misbillen der Aufseher. Josh war ein verträumter Junge. Er träumte oft davon, dass seine Eltern eines Tages vor der Tür standen und ihn lachend in die Arme schließen würden. Aber das war wahrscheinlich nur ein schöner Traum.
Nachdem sie gegessen hatten ging es an die morgendlichen Aufgaben wie Betten machen, Zimmer aufräumen und in den Gemeinschaftsraum zum Lernen. Josh hasste den Unterricht. Er hasste Zora, Markus und Pitt. Er hasste das Waisenhaus und alles was damit zu tun hatte. Das Einzige was Josh von seinen Eltern hatte war ein Brief. Seine Eltern hatten zwei Briefe zu ihm gelegt als sie ihn abgegeben hatten. Einer war für das Waisenhaus und einer für ihn. Josh hatte den Brief schon oft gelesen, doch er tat es immer wieder so wie jetzt.
Lieber Josh,
du willst sicherlich wissen warum
wir dich hier abgegeben haben. Die
Antwort ist weil wir dich nicht ernähren
Können. Bitte fang nicht an nach uns zu
Suchen. Wir sind sicher dass du es hier
Gut haben wirst.
In Liebe Deine Eltern .


Wie konnte man es hier nur guthaben dachte er jedes Mal. „Josh“, rief Jakob. Josh wandte sich von seinem Brief ab und versteckte ihn in seinem Nachtisch. Dann drehte er sich zu Jakob um, der ihm ein Zeichen gab das es zum Lernen ging. Der Unterricht fand bei Pitt im Gemeinschaftsraum statt. Kahle Wände ließen den Raum größer wirken als er wirklich war. Ein Sofa und ein paar Stühle boten Platz zum Sitzen. In einem Regal standen ein paar Bücher und Spiele. In einem großen Glasbecken das mindesten vier Meter hoch war lag ein träges Chamäleon dass nur Pitt anfassen durfte weil es ihm gehört und keiner es sich traute. Die Kinder saßen im Halbkreis auf dem Boden während der Lehrer auf dem Stuhl saß und die Kinder beim Lesen und Lernen beobachtete. In Mathe lernten sie die Grundaufgaben und in Deutsch Rechtschreibung, Grammatik und die Höflichkeitsformen. Der Unterricht dauerte je nach Benehmen der Kinder drei Stunden. Nach dem Lernen ging es zurück in den Speisesaal in dem es heute Suppe gab. Josh holte sich einen Teller Suppe und setzte sich an seinen Platz zwischen Celina und Jakob. „Na, was machen wir heute“, fragte Jakob bevor er einen Löffel Suppe aß. „Ich wollte zur Insel fahren, aber…“, antwortete sein Freund. „Schon gut“, beruhigte Jakob ihn. „Ich komme schon nicht mit.“ Josh atmete erleichtert auf und fing sich einen straffenden Blick von Zora ein. Als einer der Aufseher ein Zeichen zum Aufstehen gab stürmten alle nach draußen.

Die zwei Stunden nach dem Essen waren frei und jeder freute sich darüber. Das Wetter war stürmisch, Josh zog seine Kapuze über und rannte gegen den Sturm hinter den Felsen an dem sein Boot lag. Mit zitternden Händen und aller Kraft zog er das Boot ins Wasser. Das Segel setzte er. Die kleine Insel lag drei Meilen vom Festland entfernt. Josh schwitzte, denn er musste mit seinen Händen das Wasser aus dem Boot schöpfen. Die Wellen waren hoch und klatschten unaufhörlich auf das Boot zu. Eine scheinbar halben Ewigkeit später hatte er die Insel erreicht. Er sprang ins knöcheltiefe Wasser. Der Sturm hatte sich mittlerweile gelegt und kleine silberne Fische schwammen im niedrigen Wasser. Josh zog das Boot in Sicherheit vor den Wellen. Der Junge zog seine Sachen bis auf die Shorts aus und sprang mit einem gekonnten Sprung von einem Felsen ins Wasser. Er hatte gelernt die Augen im Wasser auf zulassen um alles genau sehen zu können. Bunte Fische und Korallen tummelten sich in einer kleinen Lagune. Das war ein einzigartiges Schauspiel. Josh durch strömte in glückliches Gefühl. Die bunten und schillernden Fische drückten ein schönes Gefühl in dem Jungen aus. Er hatte eine gute Luge so dass er erstaunlich lange unter Wasser bleiben konnte ihn Luft zu holen. Doch bald schaffte er es nicht mehr und tauchte prustend an der Wasseroberfläche auf. Am Strand legte er sich in den Sand und schloss seine Augen. Das Kreischen einer Möwe ließ ihn aufschrecken. Verschlafen sah er sich um. Ein greller Schein stach ihm ins Gesicht. Josh hielt sich eine Hand vors Auge um überhaupt etwas sehen zu können.
Er stand auf, machte einen Schritt auf das Licht zu und glitt mit seiner Hand über den Sand. Der Sand rieselte zwischen seine Finger hindurch wie ein Sieb. Er schloss die Augen und spürte die Wärme die in seinen Körper überging. Josh atmete tief ein und aus. Sein Atem ging rasselnd. Da spürt er etwas festes, er schabte den Sand mit seinen Händen weg und etwas Silbernes kam zum Vorschein. Dieses Ding war silbern und rund. Jetzt erkannte der Junge dass es ein Ring war. Er nahm ihn zwischen Daumen und Zeigefinger. Verträumt sah Josh den Ring an doch ein Piepen riss ihn aus seinen Träumen. Seine Uhr zeigte halb vier an. Er steckte den Ring in seine inzwischen getrockneten Shorts Taschen und segelte los. Er war gerade noch rechtzeitig zum arbeiten gekommen.

Je nach Jahreszeit gab es verschiedene Aufgaben. Nun im Herbst wurden Weintrauben geerntet, Holz gehockt oder Roggen gesät. Josh und Jakob gehörten zu den Älteren das heißt sie mussten Holz hacken. Celina war Joshs beste Freundin und zwei Jahre jünger als er. Celina musste Weintrauben ernten und das war die beste Arbeit, denn wenn Zora nicht da war konnte man prima von dem süßen Obst naschen. Pit sah Josh mit hochgezogenen Augenbrauen an als er gerade noch rechtzeitig hinterm Heim ankam. Um halb sechs ging es zurück ins Zimmer. „Was schaust du dir denn die ganze Zeit an?“, fragte Jakob interessiert und nahm ihm den Ring aus der Hand. „Wo hast du den denn her?“ Ruhig aber doch bestimmt sagte Josh: „Am Strand gefunden und jetzt gib ihn her.“ Sein Freund hob abwehrend die Hände und gab ihm den Ring. „Was ist denn das?“, fragte Jakob und deutete auf eine Gravierung. Plötzlich wurde die Tür geöffnet und Kai kam herein.
Schnell versteckte Josh den Schmuck hinter seinem Rücken und machte seinem besten Freund ein Zeichen nichts zusagen. Das Zimmer in dem Josh mit seinen Freunden wohnte war nur mit den nötigsten Sachen eingerichtet. Drei Betten mit harten Matrazen und Bettwäsche, drei Schränke und einem runden Tisch mit drei Stühlen waren die Einrichtung. Der Junge warf sich aufs Bett. Er drehte sich zur Wand und holte den Ring aus der Tasche. In der Innenseite des Ringes war tatsächlich etwas eingraviert.

„Wenn die Sonne am höchsten steht, suche dort wo sich viele im Wasser tummeln.“

Erstaunt schaute Josh sich den Ring an und las den Text noch einmal. Er fuhr mit seinem Finger über die Gravur. Ihn durch strömte ein sonderbares Gefühl. Was ist das nur für ein Ring, dachte Josh. „Es gibt Essen“, rief Kai. Josh legte seinen Ring unter sein Kopfkissen. „Ich komme sofort.“ Nach dem Essen erhob Zora sich vom Tisch der Aufseher der anders als der Tisch der Kinder mit Wein, Käse und Weintrauben gedeckt war. „Morgen werden zwei Leute kommen und einen von euch… haha…kleinen Monstern abholen. Benehmt euch das ist in eurem eigenen Interesse.“ Wie ein Lauffeuer fingen alle an zureden und die Betreuer brauchten sehr lange bis alle verstummten. Josh blickte sich in der Halle um und sah in die schmutzigen Gesichter der Kinder die teilweise aufgeschlagene Hände und Knie hatten. Die Verlockung von hier weg zu kommen war wirklich fantastisch. Auch Josh spielte mit dem Gedanken sich besonders gut zu benehmen und besonders gut auszusehen doch wenn er tatsächlich hier wegkam würde er Jakob, Celina, das Boot und die Insel sicher vermissen. Das Essen wurde aufgehoben und Josh ging nachdenklich in sein Zimmer. Kai saß auf seinem Bett.

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Tag der Veröffentlichung: 15.06.2012

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