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Der tanzende Narr

Diese Geschichte spielt zu einer Zeit, in der viele Wälder starben und die wenigen Wälder, die es noch gab, von Manövern und Schießübungen dröhnten, obwohl es nach den damaligen Gesetzen verboten war, einen Krieg vorzubereiten. "Wir spielen ja nur", sagten einige der Kriegstreiber, andere sagten: "Es macht uns keinen Spaß, aber wir müssen uns gegen den bösen Feind zur Wehr setzen.“ Das legitimierte so ziemlich alles: Waffenhandel, hohe Ausgaben für die Rüstung und die Entsendung von Soldaten in Krisengebiete.

„Vom Boden unseres Landes soll nie wieder ein Krieg ausgehen“, verkündeten die Politiker lautstark, aber weil sie mit der Erde und dem Leben spielten, stellten sie Raketen auf, ungezählte, von denen jede die Sprengkraft hatte, die Erde zu vernichten. Sie versteckten sie in den Wäldern, aber jeder wusste, dass sie da waren und auf den bösen Feind gerichtet waren.

In vielen Ländern rotteten sich Soldaten zusammen, sie wollten kämpfen, denn es war ihnen langweilig. Sie erhoben die Gewehre, sie legten Lunten und machten mancherlei Kriegsgeschrei. Doch bevor sie Häuser in die Luft sprengen und Frauen und Kinder töten konnten, sprang ein junger Mann zwischen ihre Reihen, er trug ein lustiges Clownskostüm und spielte auf einer Querflöte. An seinen Fesseln hatte er kleine Schellen, die klangen bei seinen Sprüngen, die er vollführte. Und die Soldaten ließen ihre Gewehre sinken und hörten und sahen ihm zu. Und alle sangen wie die Mohren aus Mozarts Zauberflöte: "Das klinget so herrlich, das klinget so schön, laralalala ... Nie hab ich so etwas gehört und gesehn, laralalala ..."
Solange er spielte und tanzte, waren ihre Hände gehalten, sie waren unfähig, ihre Gewehre zu erheben, unfähig, ihre Raketen zu zünden. Aber der Narr kann nicht ewig tanzen, was geschieht, wenn er aufhört?
Als ihm die Puste ausging, kamen die Soldaten schlagartig zur Besinnung, rieben sich die Augen und fuhren fort Kriegsgeschrei zu veranstalten. Jemand zündete eine Rakete. In sechs Minuten sollte sie ein fernes Ziel zerstören. Aber da ging ein langgezogenes "Aaah" durch ihre Reihen, es regnete goldene Blüten auf sie nieder. Noch verblüffter jedoch waren sie, als all ihre Waffen, ob Panzer, Raketen oder Gewehre sich in Musikinstrumente verwandelten. Da war alles vertreten: aus den Pershings wurden Percussions, aus der Stalinorgel wurde eine Kirchenorgel, aus jeder SS 20 wurde ein Konzertflügel, aus jedem Maschinengewehr eine Sitar, aus den Handgranaten Lauten, aus der Panzerabwehrrakete eine Basstuba, aus den Gewehren Querflöten, aus den Panzern wurden Glockenspiele, aus den Bomben Harfen, aus den Helmen Kesselpauken. Die Orden der Generäle flogen in die Luft und verwandelten sich in Nachtigallen, Stare und Lerchen.
Nun hatten aber die Soldaten nur gelernt, wie man ein Gewehr auseinandernimmt und wieder zusammenbaut, wie man durch den Schlamm robbt, wie man ein Überschall-Flugzeug fliegt, aber nicht, wie man ein Instrument spielt. Deshalb mussten sie Musikunterricht nehmen. Seither sind sie so beschäftigt mit dem Erlernen der verschiedensten Instrumente, dass ihnen keine Zeit mehr bleibt, an Krieg zu denken. Statt neue Waffen zu erfinden und herzustellen, setzten sie ihre Phantasie ein, um etwas Schöneres und Besseres mit ihrem Leben anzufangen.


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Tag der Veröffentlichung: 01.03.2009

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