Angelface
Angelik Röhrig (Findevogel)
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Garlin
Hannah7
Kariologiker
Klaerchen
Katja Kortin
Mathias.erhart
Philipprho
Regina Krause (Dreamingcat)
Regina Meier zu Verl (Gina1207)
Tavy.b
Ulla.U
sind Autoren, die ihre Beiträge zu diesem Gemeinschaftsprojekt eingestellt haben.
Die gezeichneten Bilder und das Buchcover sind der Feder von Katja Kortin entsprungen.
Die Grafik Weihnachtsbaum S. 143 ist von Gerd Altmann, pixelio.de
Die Rechte für die Texte und die Bilder liegen bei den genannten Autoren.
Weihnachten ist jedes Jahr
Wir alle feiern Weihnachten, das Fest der Liebe, sehr unterschiedlich.
Für den einen ist es nur ein Tag an dem die Läden geschlossen bleiben, der andere eilt heim zu seinen Lieben, schmückt den Baum, verteilt die Geschenke darunter, freut sich auf den Abend und bekommt feuchte Augen beim stillen Ave Maria zur Nacht.
Weihnachten in der heutigen vom Konsum geprägten Wohlstandsgesellschaft bedeutet ~~~
glitzernd geschmückte Einkaufsläden, lärmende Straßen mit geschäftig hin und her eilenden Menschen, gestresste Gesichter, Hetze und Eile " wo kauf ich was"!
aber auch dieses Weihnachten.......
sanft klingende stille Lieder, brennende Kerzen, der Duft von Tee, Kandiszucker und Rum; geschmückte Fenster, Gedichte zur Nacht
..... an Weihnachten gibt es duftende Plätzchen, Zimt und Hagelsterne; Butterstollen; Lebkuchen und Pfeffernüsse......
in der Vorweihnachtszeit stille Stunden am adventgeschmückten Tisch, Basteleien und viele Gedanken - wie gestalte ich es? - für das Fest -
aber gar zu oft auch keinen Platz für Kinder und Tiere die keine Heimat haben, keinen Platz für Vertriebene, Ausgestoßene, nicht mehr gewollte, einsame oder erwünschte Menschen....
diesen widme ich mein Gedicht
denn ein wenig dichten, schadet ja nicht.
Was tut man in der Vorweihnachtszeit...?
Ich bastle hübsche Geschenke ~~~
denn das Fest ist nicht mehr so weit.
Teuer sollen sie nicht sein, damit sich der, der sie bekommt, nicht beschämt, sondern gern beschenkt fühlt...
Ausgefallen sollen sie sein, damit sie etwas Besonderes sind..
Doch was macht man für die, die glauben, schon alles zu besitzen...und nichts mehr zu brauchen, weil sie alle so hoffnungslos übersättigt sind?
Schwierig ist das und macht nicht immer nur Spaß
.... man denkt und überlegt, wälzt gedanklich und erwägt, verwirft und formuliert neue Gedanken.....die sich alle um das Weihnachtsfest herum ranken
aber auch das ist Weihnacht
Weihnacht ~~~
das Fest des Friedens, der Hoffnung, der Freude und
der Besinnung, das sollte es sein
Weihnacht ~~~
das oft das Fest des Zankes und Streites wird,
die Familie sitzt zuhause und langweilt sich miteinander, man ist gestresst, man sitzt aufeinander
man schenkt sich Geld, weil der Gedanke an einen zu denken schon zuviel ist, man empfindet es als "muss" zu feiern, mag die alten Weihnachtslieder nicht ~~~
geht in die Kneipe und feiert die Ablehnung zum Fest.
Alles papperlapap ~~~
.... ein Baum? wozu ein Baum, der nadelt bloß, ich hab seit Jahren keinen Baum" sagt der, der zu den Freunden fährt um sich dort unterm geschmückten Grün beschenken zu lassen, und meint , - das ist alles nur Geldschneiderei und er hat damit garnichts am Hut.
Und es gibt auch kritische Gedanken zu Weihnachten, die das Ungleichgewicht in dieser Welt sehen,....
~~~
Da hungern Kinder und frieren zum Fest, in zerlumpten Kleidern sitzen Menschen mit bloßen Füßen zitternd in der Kälte in Wellblechhütten und um sie herum fallen Schüsse, herrscht Angst, bitterste Armut und Krieg und dort, nur Flugminuten weiter - siehlen sich Menschen im Luxus und wissen nicht wohin mit all ihren Luxusartikeln.
Brokat und Pelze, Seide und Brillianten, schicke Luxuskarossen stehen vor der Tür.
In diesem Bewusstsein die Heiligkeit und Frömmigkeit des Festes und der Kirche zu sehen, fällt schwer, der Glauben an Gerechtigkeit fällt schwer und oft schließt man lieber die Augen und schaltet das Denken aus um kein schlechtes Gewissen beim ~~~
ach so schönen feiern zu kriegen.
~~~
(c) Angelface
(c) Katja Kortin
Suche nach Weihnachten
"Sina! Kommst du?"
Das Mädchen stieß einen leisen Seufzer aus und legte die Zeitschrift weg, in der es gerade geblättert hatte. Obwohl sie den Bratengeruch aus der Küche wahrnahm, hatte sie nicht die geringste Lust, nach unten zu gehen.
"Ja, gleich", gab sie zur Antwort und wälzte sich schwerfällig aus ihrem Bett.
Sie hatte sich vorhin aus der Küche zurückgezogen, weil ihr vorgekommen war, sie würde sowieso nur im Weg stehen, so eifrig war ihre Mutter mit den Vorbereitungen für das Abendessen beschäftigt gewesen. Und auch jetzt wusste sie nicht, was sie da unten eigentlich sollte. Sie trat vor den Spiegel, um sich ihre kurzen, schwarzen Haare mit den Fingern halbwegs herzurichten und ihre Kleidung glattzustreichen. Auch wenn heute niemand zu Besuch kommen würde, erwartete ihre Mutter, dass sie alle ordentlich aussahen. Nachdem sie mit sich zufrieden war, machte sie sich schweren Herzens auf den Weg nach unten.
In der Küche erwartete sie am reichlich gedeckten Esstisch bereits ihr Vater, während ihre Mutter, nach Streichhölzern suchend, hektisch eine Schublade nach der nächsten öffnete. Zu essen gab es, wie fast jedes Jahr, gebratenes Hühnchen mit Reis und Soße. Früher einmal war das Sinas Lieblingsgericht gewesen, aber heute Abend konnte sie nichts Besonderes daran finden.
"Kannst du bitte das Radio einschalten Sina?", kam es von ihrer Mutter, die die Zündhölzer endlich gefunden hatte und bereits dabei war, die Kerzen anzuzünden.
Sina gab keine Antwort und drehte sich nur zum Radio um. Eine CD war bereits eingelegt und sie musste nur noch auf die Play-Taste drücken. Bevor der erste Ton erklang, wusste sie, was jetzt kommen würde. Es war bestimmt wieder die gleiche Weihnachts-CD, die irgendein Schlagerstar vor vielen Jahren aufgenommen hatte, um schnell Geld zu machen und die seit sie denken konnte jedes Jahr an Heiligabend bei ihnen lief. Sie hatte recht.
Sinas Mutter ließ ihren Blick ein letztes Mal über den Küchentisch schweifen.
"So, ich glaube, ich habe nichts vergessen. Dann können wir ja anfangen."
Ohne viel Appetit hatte sich Sina einen Schenkel des Hühnchens und ein wenig Reis angerichtet und war kaum dazu gekommen, die ersten Bisse zu nehmen, da begann das Telefon zu klingeln. Sofort sprang ihre Mutter auf.
"Das ist bestimmt Oma", rief sie aufgeregt und nahm das Telefon an sich. "Ja, hallo?" Ihre Stimme nahm diesen freundlichen Ton an, den sie immer benutzte, wenn sie mit Bekannten oder Verwandten sprach. Für Sina wirkte dieser Tonfall immer unglaublich aufgesetzt. Sie konnte kaum hinhören. Bereits ganz in das Gespräch versunken verließ Sinas Mutter die Küche. "Ja, ich wünsche euch auch ganz frohe Weihnachten", hörte Sina noch, dann zog ihre Mutter die Tür hinter sich zu, um ungestört zu sein.
Jetzt, wo ihre Mutter nicht mehr im Raum war und wahrscheinlich auch nicht so bald wiederkommen würde, war Sina geradezu froh über die Weihnachtslieder, die sie eigentlich nicht ausstehen konnte. Ohne sie wären das Klappern des Bestecks und ein gelegentliches Schmatzen wohl die einzigen Geräusche im Raum gewesen. Sie hatte sich nie wirklich gut mit ihrem Vater verstanden. Wobei, eigentlich war das der falsche Ausdruck. Man müsste eher sagen: Sie hatte nie wirklich viel mit ihrem Vater zu tun. Er war beinahe wie ein Fremder, an den man sich mit der Zeit gewöhnt hatte. Bisher hatte sie das nie wirklich gestört und sie hatte auch nichts unternommen, um etwas daran zu ändern. Genauso wenig wie er.
Die beiden hatten bereits aufgegessen, als Sinas Mutter sich endlich wieder zu ihnen gesellte. Sie aß ein paar Happen von dem Essen, das mittlerweile mit Sicherheit kalt geworden war, und ließ es dann halb aufgegessen stehen. Dabei erzählte sie die neusten Geschichten von Sinas Großmutter. Wie es ihr in letzter Zeit ging und wer sie in den nächsten Tagen wann Besuchen kommen würde ... Zu solchen Feiertagen kam immer die gesamte Verwandtschaft zu Sinas Oma auf Besuch und da es nicht genug Platz gab, um alle gleichzeitig aufzunehmen, wurden jedes Jahr regelrechte Pläne erstellt, wer wann kommen konnte. Sina hörte nur mit einem Ohr hin. Sie stocherte gelangweilt an den Knochen des Hühnchens herum und bekam nur mit, dass sie anscheinend das Glück hatten, schon morgen bei Oma eingeladen zu sein. Sina war das alles relativ egal, aber ihrer Mutter schien es unglaublich wichtig zu sein. Es konnte ihr geradezu das ganze Weihnachtsfest vermiesen, wenn sie erst am letzten Tag eingeteilt wurden.
"Na gut", kam es dann von Sinas Mutter, die mit einem Lächeln zuerst zu ihrem Mann und dann zu Sina blickte, "wenn ihr beide fertig seid, dann können wir ja jetzt zu den Geschenken übergehen."
Alle drei begaben sich zusammen ins Wohnzimmer, wo der festlich geschmückte Weihnachtsbaum stand. Sinas Mutter schaltete die elektrischen Christbaumkerzen an und drehte das Licht ab, um die weihnachtliche Atmosphäre noch zu verstärken. Beim Anblick des leuchtenden Baumes mit all seinen glänzenden Kugeln, den Weihnachtssternen darauf und den eingepackten Geschenken darunter, erinnerte sich Sina wieder daran, wie aufgeregt sie als Kind bei diesem Moment immer gewesen war. Sie hatte es kaum erwarten können, endlich zu sehen, was in den Geschenken war, auf die sie sich schon Wochen vorher gefreut hatte.
„So, was wollen wir singen?„ Sinas Mutter hatte bereits das Buch mit Weihnachtsliedern in der Hand, aber weder von Sina noch von deren Vater kam viel Begeisterung. Sinas Mutter ließ sich aber nichts anmerken und suchte nach einem passenden Lied. „Wie wäre es zum Beispiel mit Jingle Bells?„ Sie blätterte weiter. „Oder sollen wir gleich Stille Nacht singen?„
Bevor ihre Mutter weitere Vorschläge brachte, fiel ihr Sina ins Wort: „Mama, können wir das nicht lassen?„
Sinas Mutter blickte von ihrem Buch auf. „Wieso denn?„ Ein Blick in die Gesichter der beiden ließ sie den Grund allerdings selbst erkennen. „Na gut, dann eben nicht„, gab sie sich geschlagen, legte das Liederbuch beiseite und ging gleich zum nächsten Punkt über. „Dann jetzt zu den Geschenken.„ Mit freudigem Gesicht ging sie zum Weihnachtsbaum und begann, die wenigen Geschenke zu verteilen.
Seit Sinas Bruder nicht mehr zu Hause wohnte und Sina auch schon fast zu alt für das alles war, waren die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum deutlich zurückgegangen.
„… und das ist für dich Sina.„ Sinas Mutter überreichte ihr das letzte Päckchen. Es war weich und auch nicht sonderlich schwer. „Frohe Weihnachten.„
„Dir auch frohe Weihnachten.„ Ohne großes Interesse widmete sich Sina dem Auspacken ihres Geschenks. Sie hatte das Päckchen erst halb geöffnet, da konnte sie bereits erkennen, was sich darin befand. Es war das Oberteil, das sich Sina das letzte Mal, als sie mit ihrer Mutter in der Stadt war, fast gekauft hätte. Sie hatte es nur nicht genommen, weil es ihr zu teuer war. Als sie das Geschenkpapier dann vollends entfernt hatte und den schwarzen Pullover in ihren Händen hielt, wusste sie nicht, was sie fühlen sollte. Zum einen freute sie sich natürlich über das Geschenk, denn schon im Geschäft war es ihr schwer gefallen, das Stück wieder zurückzulegen. Auf der anderen Seite war es aber so, dass es ihr etwas einfallslos vorkam, dass ihre Mutter ihr genau das schenkte. Der Gedanke erschien ihr schon im nächsten Moment unfair, aber abschütteln konnte sie ihn trotzdem nicht.
Außerdem hätte sie sich das Geschenk auch selbst kaufen können. Es war nicht darum gegangen, dass sie das Geld nicht gehabt hätte. Es war ihr einfach für dieses Kleidungsstück zu viel gewesen. Das Geschenk war in gewisser Weise nicht mehr wert, als die anderen Sachen, die sie sich unter dem Jahr kaufte.
Auf der anderen Seite ging es ja nicht nur darum, wie viel etwas gekostet hatte. Ihre Mutter hatte sich die Mühe gemacht, nochmals in die Stadt zu fahren … Sina stellte sich vor, wie ihre Mutter das Geschenk eingekauft hatte um es dann an einem Abend heimlich in Weihnachtspapier einzupacken. Dabei hatte sie wahrscheinlich daran gedacht, wie sehr sich Sina darüber freuen würde. Bei diesen Gedanken glaubte sie plötzlich zu wissen, warum ihr diese eigenartigen Gedanken durch den Kopf gingen. Sie fühlte diese Freude nicht mehr in sich, die sie in ihrer Kindheit verspürt hatte, wenn sie Geschenke bekommen hatte. Und ob sie wollte oder nicht, aus diesem Grund fühlte sie sich auf eine seltsame Art schuldig.
„Und, habe ich den richtigen genommen„, erkundigte sich Sinas Mutter bei ihr, der anscheinend aufgefallen war, wie ruhig Sina dasaß.
Sina blickte auf und zwang sich zu einem Lächeln. „Ja … danke Mama.„
„Das ist von mir und von deinem Papa.„ Sinas Mutter zwinkerte ihr zu.
„Danke Papa.„ Sina senkte ihren Blick wieder auf ihr Geschenk. Sie fühlte sich hier mehr als unwohl. Nur nebenbei bekam sie mit, wie ihre Eltern die Geschenke auspackten, die sie sich gegenseitig gemacht hatten und die, die Sina für sie besorgt hatte. Nach einiger Zeit wandte sich ihre Mutter wieder an sie:
„Willst du den Pullover denn nicht anprobieren?„
„Doch, sicher.„ Sina richtete sich sofort auf. „Ich gehe kurz in mein Zimmer um mich umzuziehen.„
Sina verließ das Wohnzimmer und zog die Tür hinter sich zu. Sofort fühlte sie sich besser. Mit langsamen Schritten ging sie in Richtung Treppe. Am liebsten wäre sie jetzt in ihr Zimmer gegangen und bis morgen früh auch dort geblieben. Sie wusste jedoch zu gut, dass ihrer Mutter das alles wichtig war und sie würde nur wieder Fragen stellen, sollte Sina sich „komisch„ benehmen.
Sie blieb am Fuß der Treppe stehen und blickte durch das Fenster nach draußen. Dort war alles friedlich und dunkel. Hinter allen Fenstern ringsum brannten Lichter und Sina versuchte sich vorzustellen, wie die Menschen dahinter Weihnachten feierten. Sie legte ihre Hand an die kalte Scheibe und verharrte einen Moment. Dann nahm sie sich zusammen und ging weiter in ihr Zimmer.
Unsicher trat sie mit ihrem neuen Pullover zu ihren Eltern ins Wohnzimmer. Sofort sah ihre Mutter auf und lächelte sie an:
„Wow, steht dir sehr gut.„
Sina lächelte zurück. Ihr Geschenk gefiel ihr wirklich gut und ihre Laune hatte sich etwas gebessert.
„Was sagst du dazu„, fragte Sinas Mutter ihren Mann.
Dieser wandte nur kurz seinen Blick vom Fernseher ab, den er in der Zwischenzeit angemacht hatte. „Ja, steht dir gut.„
„Danke.„ Während ihr Vater weiter durch die Programme schaltete und ihre Mutter sie bat, sich einmal im Kreis zu drehen, dachte Sina wieder an das, was sie sich vorher im Zimmer vorgenommen hatte. Sie wartete ab, bis ihre Mutter genug gesehen hatte, bevor sie sagte: „Du, Mama. Ich gehe noch ein bisschen raus, ja?„ Ihre Stimme klang unsicher.
Sinas Mutter blickte ihre Tochter verwundert an. „Was willst du denn um diese Zeit draußen machen?„
Eigentlich wollte sie nur ein bisschen Ruhe, aber das wollte sie ihrer Mutter nicht direkt sagen.
„Es ist Heiligabend!„ Die Stimme ihrer Mutter klang, als würde sie mit einem dummen Kind sprechen.
„Ja, ich weiß.„ Sina suchte nach einer Ausrede. Fast wollte sie schon alles vergessen, da fiel ihr doch noch etwas ein. „Ich möchte aber gerne in die Kirche gehen. Da war ich schon lange nicht mehr.„
„In die Kirche?„ Ihre Mutter blickte Sina jetzt noch verwunderter, aber auch etwas unsicher an. „Ja gut, wenn du gerne möchtest. An Heilig Abend soll es ja immer sehr schön sein.„
„Ja, habe ich auch gehört.„
„Vielleicht triffst du ja jemanden, den du kennst.„
„Ja, mal sehen.„ Sina glaubte kaum, jemanden zu treffen. Sie hatte gar nicht wirklich vor, in die Kirche zu gehen. „Gut, dann mache ich mich auf den Weg.„
„Viel Spaß.„
„Danke.„
Die Haustür fiel hinter ihr ins Schloss und sofort umfing sie die Stille der Nacht. Kurz blieb Sina stehen und ließ die Ruhe auf sich wirken. Obwohl in einen Schal, eine Kappe und eine Winterjacke dick eingepackt, spürte sie die Kälte, die jedoch nicht unangenehm war, sondern ihren Körper mit einer wohltuenden Frische erfüllte. Sie atmete die klare Luft tief ein und entließ sie einen Augenblick später in Form einer Dampfwolke in den dunklen Himmel. Erleichterung und ein Gefühl von Freiheit breiteten sich in ihr aus.
Ein paar Sekunden stand sie vor der Haustür und genoss den Augenblick, bevor sie sich in Bewegung setzte und gemütlich über den schmalen Gehweg zur ruhig daliegenden Straße schlenderte. Dort blieb sie kurz stehen, warf einen Blick nach beiden Seiten und entschied sich dann dazu, in Richtung Stadtmitte zu gehen. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie die meisten Wege Richtung Stadt führten. Sei es um einzukaufen, wenn sie Freundinnen besuchen wollte oder wenn sie zur Arbeit musste. Vielleicht lag es aber auch daran, dass sie nicht davon ausging, dass weiter außerhalb der Stadt überhaupt irgendetwas los war. Sina lebte mit ihrer Familie schon ein Stück weit von der eigentlichen Stadt entfernt und für sie war es bereits hier zu ruhig.
Umso weiter sie Richtung Stadtmitte ging, umso mehr stellte sie fest, dass auf den Straßen und den Gehwegen viel mehr los war, als sie erwartet hätte. Immer wieder kamen ihr andere Fußgänger entgegen und wenn sie nicht gewusst hätte, dass Heilig Abend ist, wäre ihr der etwas schwächere Verkehr mit Sicherheit überhaupt nicht aufgefallen. Allerdings war das gar nicht so verwunderlich wie sie anfangs dachte. Viele Clubs und Discos hatten auch heute geöffnet und sogar ein paar ihrer Freundinnen waren heute dort um Party zu machen, anstatt zu Hause zu sitzen. Sina war nicht mitgegangen, weil es ihr ehrlich gesagt merkwürdig vorkam, an Heilig Abend nicht bei ihrer Familie zu sein. Im Nachhinein war sie sich aber nicht mehr ganz sicher, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Wahrscheinlich würde sie sich nächstes Jahr auch ihren Freundinnen anschließen. Ihr kam immer mehr vor, dass die gesamte Weihnachtszeit gar nichts mehr Besonderes an sich hatte, wenn man erst einmal erwachsen war. Sie konnte sich sogar vorstellen, dass Heilig Abend für sie in den nächsten Jahren zu einem ganz normalen Tag werden würde, zumindest bis sie dann irgendwann selbst Kinder hätte.
So in ihre Gedanken versunken hörte sie plötzlich in der Nähe die Glocken der Kreuzkirche läuten. Sie war nur zwei Straßen von ihr entfernt und in ihr regte sich ein Verlangen, doch in die Kirche zu gehen, wie sie es ihrer Mutter ja eigentlich auch gesagt hatte.
Schon am Fuß der breiten Treppe sah sie die ersten Menschen, die sich lächelnd begrüßten und sich gegenseitig „Frohe Weihnachten„ wünschten, um dann gemeinsam zur hell erleuchteten Kirche hochzugehen. Dieses herzliche Miteinander gefiel ihr sofort und sie machte sich selbst daran, die Stufen hinaufzusteigen. Dabei betrachtete sie voller Bewunderung die wunderschön geschmückte Kirche, die unter dem dunklen Nachthimmel besonders einladend wirkte.
Nachdem Sina die schweren, großen Kirchentüren aufgestoßen hatte und ins Innere trat, erwartete sie eine Überraschung. Der Innenraum war bereits voll gedrängt mit Menschen, alle in Mäntel oder dicke Winterjacken gehüllt und mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Sie hatte noch nie so viele Menschen in der Kirche gesehen. Es waren nicht einmal mehr Sitzplätze frei, aber das störte sie nicht. Sie stellte sich hinter die letzte Reihe und ließ sich von der hier herrschenden Atmosphäre gefangen nehmen. Das leicht gedämmte Licht, der schwache Geruch nach Weihrauch und vor allem all die fröhlichen Menschen. Schon nach kurzer Zeit läuteten die Glocken ein weiteres Mal. Die Kirche hatte sich weiter gefüllt, anscheinend waren viele gerade noch in letzter Minute gekommen, denn kaum war das Läuten der Glocken verklungen, begann ein Männerchor ein weihnachtliches Lied zu singen. Augenblicke später trat der Pfarrer zum Altar, gehüllt in eine wunderschöne weiße Robe mit goldenen Verzierungen. Ihn begleiteten vier Ministranten, die Weihrauchfässer hin und her schwangen. Der angenehm herbe Geruch verbreitete sich sofort in der ganzen Kirche.
Der Gesang des Chores verstummte und für einen Moment herrschte Stille. Dann erhob der Pfarrer zum ersten Mal seine Stimme und begrüßte alle Anwesenden zu diesem besonderen Fest. Seine Worte verstärkten die feierliche Stimmung, die Sina nun vollends eingefangen hatte.
Im Anschluss wurde ein Lied angestimmt, bei dem alle mitsangen. Auf den Stehplätzen waren leider keine Blätter mit den Texten verteilt worden, aber ein alte Frau, die vor Sina saß, reichte ihr ihren und teilte sich dann mit ihrer Nachbarin einen. Genauso passierte es auch an anderen Stellen um sie herum und es konnten fast alle mitsingen.
Als das Lied zu Ende war, begann der Pfarrer die Weihnachtsgeschichte zu erzählen. Er fing bei Maria und Joseph und ihrer vergeblichen Suche nach einem Platz für die Nacht an. Dann erzählte er von der Krippe und den Tieren, die normalerweise dort hausten. Und schlussendlich kam er zur Geburt Jesu und dem, was das für alle Christen zu bedeuten hat:
„… und deshalb muss dieser Tag für jeden Christen ein Tag der Freude sein. Und es geht dabei nicht darum, wer das teuerste Geschenk bekommt, wer den schönsten Weihnachtsbaum hat oder was es am Abend zu essen gibt. Das sind alles Dinge, die zu diesem Fest dazu gehören. Aber das größte Geschenk hat Gott uns gemacht, als er seinen leibhaftigen Sohn, Jesus Christus, auf die Erde entsandte, um uns zu erretten. „
Sina berührten die Worte des Pfarrers, aber im gleichen Moment überkam sie dieses Gefühl, dass sie jedes Mal hatte, wenn sie zur Kirche ging. Alle um sie herum nickten zwar zustimmend und sagten brav „Amen„, aber Sina glaubte kaum einem von ihnen, dass er es ehrlich meinte. Sobald die Kirche vorbei war, würden sie wieder nach Hause gehen und genau so weiterleben wie bisher. Sie würden nichts dafür tun, dass sich irgendetwas in die Richtung ändern würde, die sie ja anscheinend alle für richtig hielten.
Während der Fürbitten verstärkte sich dieser Eindruck mehr und mehr. Ohne darüber nachzudenken, beteten alle nach, was von ihnen verlangt wurde. Von der festlichen Atmosphäre spürte Sina nichts mehr. Mittlerweile fühlte sie sich sogar etwas unwohl zwischen all diesen Leuten.
Der Pfarrer erhob wieder seine angenehme Stimme und begann jetzt von einem ganz anderen Thema zu sprechen. Anscheinend wollte er es ausnutzen, dass heute so viele Menschen hier waren, denn er begann davon zu sprechen, wie wichtig es war, zumindest jeden Sonntag die Heilige Messe zu besuchen. Minutenlang sprach er davon, dass es die einzige Möglichkeit war, wirklich mit Gott in Kontakt zu kommen und auf christliche Weise zu leben.
Das reichte Sina. Sie wartete das Ende der Messe gar nicht mehr ab sondern bahnte sich sofort einen Weg durch die Menge zum Ausgang und war froh, all die Menschen hinter sich zu lassen, die sie bis vor kurzem mit Freude erfüllt hatten.
Draußen angekommen fühlte sie, dass sie richtiggehend wütend war. Sie blieb kurz stehen um wieder zur Ruhe zu kommen, während sie aus der Kirche weiterhin die Stimme des Pfarrers und die vielstimmigen Antworten der Gläubigen vernehmen konnte. Ihre Wut kühlte langsam ab, dafür spürte sie jetzt, wie Enttäuschung in ihr aufkam. Sie hatte gehofft, dass es ihr in der Kirche gut gefallen würde. Aber was hatte sie sich erwartet? Es war doch immer das Gleiche, wieso sollte gerade Weihnachten da eine Ausnahme sein? In Gedanken versunken setzte sie sich in Bewegung. Nachdem sie die Treppe wieder hinuntergegangen war, machte sie sich auf den Weg weiter Richtung Innenstadt. In ihrem Kopf waren nach dem Kirchenbesuch zu viele Gedanken, um jetzt schon nach Hause zu gehen. Außerdem wurde sie sowieso erst in einer halben Stunde erwartet.
Ihr Weg führte sie weiter durch die Straßen, bis sie endlich die Fußgängerzone erreichte. Der Verkehr war mittlerweile etwas ruhiger geworden und Fußgänger hatte sie auch keine mehr gesehen, seit sie die Kirche verlassen hatte.
Ihre Schritte halten von den Häuserwänden wider, während sie durch die schmalen Gassen der Altstadt schlenderte. Ein paar der Auslagen waren sogar heute schwach beleuchtet. Meist von Geschäften, die Spielwaren oder Schmuck ausstellten. Das Weihnachtsgeschäft war noch längst nicht vorbei, das wusste sie aus eigener Erfahrung. Etwas über ein Jahr arbeitete sie jetzt als Auszubildende in einer kleinen Boutique hier in der Stadt und war letztes Jahr erstaunt darüber gewesen, wie viel in den Geschäften zwischen den Feiertagen los war.
Sie blieb an einem der Schaufenster stehen. Ein kleiner Zug drehte darin unter einer Lichterkette seine Runden. Ein paar Wattebäusche sollten Schnee symbolisieren. Obwohl sie dieses Bild eigentlich weihnachtlich fand, wollten in ihr keine entsprechenden Gefühle aufkommen. Vielmehr betrübte es sie nur noch mehr. Sie blickte umher und sah unter dem Schaufenster ein paar Reste des wenigen Schnees, den es in diesem Jahr bisher gegeben hatte. Dreckig und schon ganz hartgefroren drückte er sich in die Ecke zwischen Pflastersteinen und Hauswand, wo ihm weder Sonne noch Fußgänger etwas anhaben konnten. Wenn Sina an ihre Kindheit zurückdachte, verband sie Weihnachten immer mit Schnee. Allerdings war sie sich nicht sicher, ob das nicht zu einem großen Teil an ihrer getrübten Erinnerung lag. Die letzten drei oder vier Jahre hatte zu Weihnachten überhaupt kein Schnee gelegen, das wusste sie auf alle Fälle.
Nachdem sie ein paar Minuten in Gedanken versunken dagestanden hatte, ging sie weiter. Mittlerweile war es recht kalt geworden und sie wollte langsam aber sicher zurück nach Hause. Vier Straßen weiter lag der Stadtpark, dem würde sie noch einen kurzen Besuch abstatten und dann auf dieser Straße zurück zu ihren Eltern gehen.
Durch ein großes Tor kam Sina in den Park, der an dieser Stelle durch eine Mauer von der Straße davor abgetrennt war. Sofort umfing sie die Ruhe und Sanftheit, die sie an diesem Ort immer spürte. Der Kies knirschte unter ihren Füßen, während sie einen der schmalen Wege entlangging.
Einige Meter vom Eingang entfernt stand ein prächtiger alter Tannenbaum, der von der Stadt jedes Jahr mit Lichterketten und großen Christbaumkugeln geschmückt wurde. Sina hatte ihn dieses Jahr schon oft gesehen, sie ging meist hier entlang wenn sie von der Arbeit auf dem Weg nach Hause war, aber nie hatte er sie derart fasziniert. Sie beschloss, sich auf eine der Bänke zu setzen und eine Weile hier zu bleiben, um den Baum noch etwas länger zu betrachten.
Während sie ruhig dasaß, schweiften ihre Gedanken erneut ab. Sie musste daran denken, dass jetzt schon wieder alles vorbei war. Über vier Wochen lang hatte sie sich auf Weihnachten gefreut, hatte sich Sorgen gemacht, was sie verschenken sollte und hatte sich ausgemalt, was sie selbst bekommen würde. Und jetzt war alles vorbei. In den nächsten Tagen würden zwar Verwandtenbesuche und Ähnliches kommen, aber das war für sie schon immer der Teil von Weihnachten gewesen, den sie am wenigsten mochte. Und dann hieß es wieder zurück an die Arbeit, wo sie sicher viel Stress zu erwarten hatte. Ein weiteres Mal fragte sie sich, ob sie Weihnachten überhaupt weiterhin feiern sollte. Diese ganze Aufregung und der Stress waren es schlussendlich doch nicht Wert. Zumindest nicht für sie.
Das knirschende Geräusch von Schritten riss sie aus ihren Gedanken und sie bemerkte, dass sich die Kälte mittlerweile schmerzhaft in ihren Fingern bemerkbar machte. Sie vergrub ihre Hände nochmals tiefer in ihren Taschen und blickte sich um, als das Geräusch immer näher kam. Eine in einen langen Mantel gehüllte Gestalt kam ihr auf dem Weg entgegen, den sie gleich Richtung Zuhause nehmen wollte. Sie hatte zwar keine Angst vor dem Fremden, aber sie wollte trotzdem sitzenbleiben, bis er an ihr vorbei war.
Sie richtete den Blick auf den Boden und nahm wahr, wie die Gestalt langsam näher kam. Der Fremde war schon ganz nah bei ihr, da hob sie ihren Kopf, um einen Blick auf ihn zu werfen. Doch anstatt in das Gesicht eines Mannes sah sie direkt in die Augen einer jungen Frau, vielleicht zwanzig oder einundzwanzig Jahre alt. Die Frau hielt ihren Blick auf Sina gerichtet, fast als würde sie sich fragen, ob sie sie kannte. Dann nickte sie ihr kurz zu.
„Hallo„, sagte sie leise.
„Hallo„, erwiderte Sina etwas verwundert. Dann senkte sie ihren Blick. Sie fragte sich ebenfalls, ob sie die Frau kannte, konnte das Gesicht aber niemandem zuordnen. Die ganze Begegnung hatte etwas seltsames an sich.
Einen Moment später bemerkte sie, wie die Schritte langsamer wurden und dann ganz verstummten, nicht viel mehr als einen Meter entfernt von ihr. Sina blickte wieder auf. Die Frau hatte sich umgedreht und musterte sie erneut mit dem selben Blick.
„Hast du auch keinen Platz um Weihnachten zu feiern?„, fragte sie plötzlich in die Stille hinein.
Sina dachte kurz nach, wie die Frage gemeint war und schüttelte dann den Kopf.
Die Frau kam näher. „Na ja, wenn du willst, kannst du mit mir kommen.„ Sie reichte Sina die Hand. „Ich bin Ines.„
Sina nahm ihre Hand. Sie fühlte sich sehr kalt an. „Hallo, ich heiße Sina.„
„Na, willst du?„, fragte Ines nach, da Sina nicht gleich antwortete.
Diese wäre am liebsten nach hause gegangen. Was wollte diese Frau von ihr. „Ich weiß nicht. Wohin denn überhaupt?„
„Kennst du das Pfarrhaus neben der alten Kirche.„
Sina nickte. Sie war eine Zeitlang in der Jungschar gewesen und da hatten sie sich immer an diesem Ort getroffen.
„Da gibt es heute eine kleine Weihnachtsfeier. Ich bin sicher, es wird niemanden stören, wenn du auch kommst.„ Ines lächelte ihr zu.
Obwohl Sina die junge Frau sympathisch fand, war sie weiterhin unsicher. „Meinst du wirklich?„
Ines’ Lächeln wurde noch breiter. „Jetzt komm schon, bevor wir uns hier alles abfrieren. Wenn es dir nicht gefällt, kannst du ja wieder gehen.„
Sina überlegte nochmals. Wenn es im alten Pfarrhaus war, dann war es bestimmt nichts Schlimmes und einen Versuch war es ja wirklich wert. „Okay„, stimmte sie schlussendlich zu.
„Gut, dann komm.„
Sina erhob sich und zusammen machten sich die beiden auf den Weg zum Pfarrhaus.
Sina war froh, als sie das Haus erreicht hatten und in dessen angenehme Wärme eintraten. Von der Eingangstür führte ein kurzer Durchgang direkt in den Hauptraum des Gebäudes. Sina sah, dass Tische darin aufgestellt waren und außerdem hörte sie eifriges Werkeln aus einem der Nebenzimmer. Anscheinend wurden die Vorbereitungen für ein Essen getroffen.
„Gib mir deine Jacke.„
Sina blickte sich zu Ines um, die ihren Mantel gerade an einen Kleiderhaken an der Wand hängte. Erst jetzt bemerkte sie, dass er ziemlich alt und zudem etwas dreckig schien und auch der dicke Wollpullover, den Ines darunter trug, wirkte sehr abgetragen. Sina störte das allerdings nicht. Sie zog ihre Jacke aus und gab sie Ines, die sie zu den andern Jacken und Mänteln hängte.
„Komm, ich stelle dich gleich Frau Singer vor, die veranstaltet das hier jedes Jahr.„ Ines lächelte Sina wieder freundlich zu und vertrieb so deren Nervosität. Sie war sich noch immer nicht sicher, ob sie hier richtig war.
In der Küche angekommen, sah Sina ungefähr zehn Frauen, die alle mit verschiedenen Vorbereitungen beschäftigt waren. Der alte Herd wurde angeheizt und Pfannen und Töpfe hergerichtet, während andere damit beschäftigt waren, Zutaten aufzuteilen. Alle Frauen waren älter als Sina. Sie schätzte sie zwischen dreißig und vierzig ein. Außerdem bemerkte sie, dass auch die anderen alle sehr einfache Kleidung trugen. Sofort kam sie sich mit ihrem neuen Pullover etwas fehl am Platz vor und Bedenken kamen in ihr auf.
Im gleichen Moment blickte eine der Frauen auf und schien Ines bemerkt zu haben. Sie gab noch ein paar Anweisungen an die anderen und kam dann zu den Neuankömmlingen. Sie war wahrscheinlich schon über vierzig und vielleicht die älteste hier. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht trat sie an Ines heran und begrüßte diese herzlich:
„Hallo Ines, freut mich, dich zu sehen.„
„Hallo. Freut mich auch hier zu sein. Ihr seid ja schon ziemlich beschäftigt.„ Ines blickte sich im Raum um und nickte einer Frau zu, die sie anscheinend kannte.
„Wir dachten, wir fangen schon ohne dich an„, antwortete die ältere Frau. „Ich hoffe, du bist uns nicht böse.„ Bei diesen Worten erschien ein Grinsen auf ihrem Gesicht und Ines musste lachen.
„Nein, kein Problem.„ Sie lachte nochmals. „Dafür habe ich aber auch jemanden mitgebracht.„
Der Blick der älteren Frau richtete sich jetzt auf Sina.
„Ich hoffe, das geht in Ordnung?„
„Ja, natürlich. Wir haben immer eine offene Tür. Vor allem an Heilig Abend.„ Der Blick der Frau haftete weiterhin auf Sina und diese wurde etwas nervös.
„Das ist Frau Singer„, stellte Ines die Frau endlich vor.
„Hallo, ich bin Sina.„ Sie reichte der Frau die Hand und diese nahm sie mit einem Lächeln entgegen.
„Du kannst ruhig Bettina zu mir sagen.„
„Okay.„ Jetzt musste auch Sina lächeln.
„Hast du denn auch Arbeit für uns?„, schaltete sich Ines wieder in das Gespräch ein.
Frau Singer wandte sich lachend zu ihr um. „Aber natürlich.„ Sie dachte kurz nach. „Ich denke, ihr zwei könnt zusammen die Suppe machen. Wie wäre das?„
Ines nickte. „Alles klar.„
Zusammen gingen sie an den Herd und während Ines einen großen Topf herrichtete und ein Stück Butter darin zum Schmelzen brachte, begann Sina damit, das Gemüse zu schneiden, das ihr Frau Singer gab. Sie hatte nicht viel Erfahrung im Kochen. Zuhause machte das immer ihre Mutter. Aber wenn sie fragen hatte, konnte sie sich an Ines oder Frau Singer wenden. Nach kurzer Zeit war das Gemüse geschnitten und befand sich jetzt im Topf.
„So, das Schwerste haben wir bereits hinter uns„, sagte Ines, die gerade dabei war, den Topf mit Wasser aufzufüllen. „Jetzt muss das Ganze nur noch einige Zeit kochen, dann sind wir schon fertig.„
„Cool.„ Sina freute sich richtig. In der ganzen Küche duftete es bereits herrlich.
Neugierig trat nach einiger Zeit Frau Singer zu ihnen. „Ihr seid soweit schon fertig, wie ich sehe.„
Sina und Ines nickten.
„Kannst du vielleicht Margit beim Kartoffelschälen helfen, Sina? Die Arme kommt sonst nicht hinterher.„
Sina musste grinsen, als sie zu Margit hinüberblickte, die fast hinter einem Berg von Kartoffeln verschwand. „Ja, klar. Mach ich doch gerne.„
Margit freute sich sehr über die Unterstützung und erklärte Sina auch gleich, was sie zu machen hatte. Zusammen hatten sie die Kartoffeln schnell geschält. Danach schnitt Sina sie in Würfel, während Margit Salzwasser zum Kochen brachte.
Als die Kartoffeln dann ebenfalls im Topf gelandet waren und es auch sonst nichts mehr zu tun gab, kam Frau Singer wieder zu Sina und teilte sie zu ihrer nächsten Arbeit ein.
„So, jetzt kannst du mir und Petra helfen, die Tische zu decken.„
Sina folgte der Frau voller Freude. Es machte ihr richtig Spaß mitzuhelfen. Eifrig packte sie mit an und half, die beiden aufgestellten Tische für zwölf Personen zu decken. Zu dritt ging die Arbeit schnell von der Hand.
„Na ja, ich denke, es wird ein bisschen eng werden, aber das wird schon gehen„, sagte Frau Singer mit einem Blick auf die fertig gedeckten Tische.
„Müssen wir uns wohl ein bisschen zusammenkuscheln.„ Ines streckte ihren Kopf aus der Küche und grinste dabei breit. Die Suppe ist soweit fertig, wir könnten also anfangen.„
„Dann lass uns loslegen„, antwortete Frau Singer lachend.
Zusammen trugen Sina und Ines den großen Topf nach draußen und verteilten die Suppe auf die Frauen, die in der Zwischenzeit alle Platz genommen hatten. Ohne große Umschweife begannen sie mit dem Essen. Sina war sehr zufrieden mit dem Ergebnis und auch die Anderen bestätigten, dass es sehr gut schmeckte. Als Ines dann auch noch sagte, ohne Sina wäre sie bestimmt nur halb so gut geworden, fühlte sich diese ganz besonders stolz.
Danach ging das Essen weiter mit panierten Schnitzeln mit Petersilkartoffeln und warmen Erbsen und Karotten. Auch das schmeckte Sina ausgezeichnet und sie fühlte sich richtig wohl unter all diesen Frauen. Es herrschte eine sehr gemütliche und heitere Atmosphäre.
Nach dem Essen lehnten sich alle gesättigt und entspannt zurück. Nur Frau Singer schien noch immer voller Tatendrang zu sein.
„Ich hoffe, es hat allen geschmeckt?„, fragte sie in die Runde.
Alle nickten lächelnd und bestätigten, wie gut das Essen gewesen war.
„Gut, da ich mir schon gedacht habe, dass ihr eine kleine Pause braucht, werde ich erst jetzt mit der Nachspeise beginnen. In ungefähr einer halben Stunde müsste ich fertig sein, bis dahin habt ihr hoffentlich wieder etwas Platz geschaffen.„
Alle waren überrascht von dieser Ankündigung, freuten sich aber auf den Nachtisch. Zwei Frauen boten an, Frau Singer zu helfen, aber diese lehnte ab und verschwand schlussendlich alleine in der Küche.
An den Tischen wurde es nun ruhiger. Alle hatten es sich gemütlich gemacht und die meisten schienen irgendwelchen Gedanken nachzuhängen. Sina wandte sich an Ines, um sich bei ihr für den Abend zu bedanken:
„Ich bin sehr froh, dass ich mitgekommen bin. Hier ist es wirklich schön.„
Ines blickte sie mit ihrem sympathischen Lächeln an, aber es schien Sina in gewisser Weise getrübt. „Freut mich, dass es dir gefällt.„
Sina bemerkte, dass auch Ines in ihre eigenen Gedanken versunken war und verhielt sich nun ebenfalls ruhig.
Einige Zeit waren nur die Geräusche aus der Küche zu hören, wo Frau Singer anscheinend sehr beschäftigt war. Doch dann durchbrach plötzlich die Stimme einer Frau die Stille:
„Wisst ihr„, sofort bemerkte Sina die Traurigkeit in den Worten der Frau und es schien ihr, als würde sich die komplette Atmosphäre schlagartig ändern, „an Weihnachten tut es immer am meisten weh, dass ich meine Kinder nicht sehen darf.„ Tränen liefen über die Wangen der etwa Vierzigjährigen. Sofort kümmerten sich die Anderen um sie und versuchten, sie zu beruhigen. „Ich wollte den Kindern doch nie etwas Böses.„ Unter Tränen sprach die Frau weiter. „Aber nach der Trennung von meinem Mann … die Scheidung, eine neue Wohnung suchen, der Streit um die Kinder … das wurde mir einfach zu viel. Ich konnte nicht mehr.„ Wieder brach sie ab.
Petra wandte sich an sie: „Ich weiß genau, wie du dich fühlst. Mir ist es ganz ähnlich ergangen.„ Auch ihre Stimme war belegt, ihr Blick in sich gekehrt. Und dann erzählte eine Frau nach der anderen ihre Geschichte. Einige von ihnen hatten Kinder, die sie aber heute nicht sehen durften. Die meisten von ihnen waren nach der Scheidung von ihrem Mann nicht mehr klargekommen. Entweder war ihnen das Geld ausgegangen oder sie hatten in ihrer Verzweiflung zu Alkohol gegriffen. Eine Frau hatte zwei Kinder bei einem Unfall verloren, an dem schlussendlich auch ihre Ehe und sie als Person zerbrach. Fast alle von ihnen lebten nun teilweise auf der Straße, in Notunterkünften oder Ähnlichem.
Umso mehr Sina von diesen Geschichten hörte, umso mehr fühlte sie sich wieder als Außenseiterin. Nach und nach bemerkte sie, dass sie hier gar nicht her gehörte. Unweigerlich fragte sie sich, ob es Ines ähnlich ergangen war. Bis auch diese ihre Geschichte erzählte:
„Ich lebe jetzt schon fünf Jahre mehr oder weniger auf der Straße. Mit sechzehn habe ich es zu Hause nicht mehr ausgehalten. Ich konnte meinen Vater einfach nicht mehr ertragen. Er hat sich nahezu jeden Abend besoffen und ist dann immer aggressiv geworden und hat mich oder meinen Bruder verprügelt, wer auch immer ihm zuerst zwischen die Finger kam. Anfangs ging unsere Mutter noch dazwischen, aber auch sie war zu schwach um wirklich etwas gegen ihn zu unternehmen. Sie hatte viel zu viel Angst vor dem, was kommen würde, wenn sie auf sich alleine gestellt wäre.„ Sie erzählte all das mit einer sonderbaren Kälte, die Sina zum ersten Mal an ihr sah. „Ich habe es nie bereut, diesen Schritt getan zu haben, aber ich hatte auch Glück. Ich konnte Anfangs bei Freunden unterkommen und habe dann Leute auf der Straße kennengelernt, mit denen zusammen ich versucht habe, das alles irgendwie ohne Drogen und all dem anderen Scheiß zu überstehen. Bis jetzt hat es zum Glück ganz gut funktioniert. Aber der Winter ist immer wieder schlimm. Und dann jedes Jahr dieses Weihnachten … Ich weiß noch, wie einsam ich mich an meinem ersten Weihnachtsabend auf der Straße gefühlt habe. Ich wollte nur noch sterben.„
In diesem Moment kam Frau Singer mit einem großen Topf aus der Küche. Mitfühlend blickte sie zu Ines, die sich im gleichen Moment zu ihr umwandte und den Blick erwiderte. Ein schwacher Schatten ihres sonst strahlenden Lächelns erschien auf ihrem Gesicht.
„Aber zum Glück hat mich Frau Singer vor drei Jahren zum ersten Mal hierher eingeladen und seit da an bin ich jedes Jahr froh, wieder herkommen zu können. Danke dafür„
Die anderen stimmten Ines zu und bedankten sich ebenfalls bei Frau Singer, die sichtlich verlegen wurde.
„Ach, ihr müsst mir nicht danken. Wenn ihr nicht wärt, würde ich auch alleine zuhause sitzen. Es ist also ein Geben und Nehmen. Außerdem kochen wir ja alle zusammen.„ Sie stellte den Topf auf den Tisch und versuchte möglichst gelassen zu wirken, jedoch sah man ihr ihre Freude weiterhin an. Sie warf Ines einen verschwörerischen Blick zu. „Außerdem habe ich dir doch schon am ersten Abend gesagt, du sollst mich Bettina nennen.„
Alle mussten lachen und danach begann Frau Singer den Nachtisch zu verteilen. Es gab Milchreis mit Zimt, eines von Sinas Lieblingsgerichten und nach all den traurigen Geschichten der Frauen um sie, war es genau das Richtige, um wieder in fröhlichere Stimmung zu kommen. Doch nach wenigen Bissen verkrampfte sich Sina innerlich, als Frau Singer sich an sie wandte:
„Und, warum bist du heute hier Sina?„
Verlegenheit kam in ihr hoch. All diese Frauen hatten unglaublich viel Schreckliches erlebt. Ihre eigenen Probleme wirkten dagegen klein und unbedeutend. Sie hatte gar kein Recht dazu, das alles hier mitzufeiern.
„Ehrlich gesagt …„, begann sie stammelnd und fing dann nochmals von vorne an. „Ich bin durch Zufall hier her gekommen. Ich habe Ines im Park getroffen und sie hat mich eingeladen. Ich wusste gar nicht, was mich hier erwartet.„ Sie sah Frau Singer entschuldigend an.
„Und warum warst du an Heilig Abend alleine im Park und nicht zu Hause oder bei Freunden?„ Frau Singers Stimme klang gutmütig.
„Na ja, irgendwie fühlte ich mich daheim fehl am Platz. Ich musste einfach raus. Und dann bin ich in die Kirche, aber auch da war es das Gleiche und dann bin ich hier gelandet und hier ist es …„ Sina blickte noch einmal zu Frau Singer und diese lächelte sie ermutigend an. „… sehr schön.„
„Weißt du„, Frau Singer sprach mit ruhiger Stimme, „es geht nicht darum, was für schlimme Sachen man erlebt hat. Jeder hat ein Recht darauf, ein schönes Weihnachtsfest zu feiern. Du hast beim Kochen genauso mitgeholfen wie die Anderen und ich glaube, alle haben sich gefreut, dass du heute mit uns gefeiert hast. Du bist hier also genauso willkommen wie alle anderen.„
Sina senkte den Blick, denn sie spürte, dass sie rot wurde. „Danke.„
Kurz herrschte Stille im Raum, dann wandte sich Frau Singer mit ihrer fröhlichen Stimme wieder an alle: „Jetzt esst aber euren Reis, sonst wird er noch kalt.„
Sina folgte ihrer Anweisung und Milchreis hatte für sie noch nie so süß geschmeckt wie in diesem Moment.
„So, das war’s jetzt.„ Ein letztes Mal fuhr Frau Singer mit einem Lappen über die Spüle und hängte das nasse Tuch dann an den Herd, damit es trocknen konnte. Zusammen hatten sie inzwischen alles abgewaschen und abgetrocknet und die Töpfe, Teller und Gläser waren auch bereits wieder in den Kästen verstaut. Der Abend neigte sich dem Ende entgegen.
„Es war wieder sehr schön heute„, wandte sich Frau Singer nochmals an alle. „Es hat mich wirklich gefreut, dass ihr gekommen seid. Und … ja, ich wünsche euch weiterhin alles Gute und vielleicht sehen wir uns im nächsten Jahr wieder.„
„Oder vielleicht sogar schön früher„, kam es von einer der Frauen.
„Ja, hoffentlich schon früher„, pflichtete ihr Frau Singer bei und alle mussten lachen. Dann begannen sich die Frauen eine nach der anderen zu verabschieden. Die meisten hatten Tränen in den Augen und dankten der Gastgeberin nochmals von ganzem Herzen für den schönen Abend. Diese war dermaßen gerührt, dass sie selbst die Tränen unterdrücken musste.
Sina und Ines hielten sich bis zuletzt zurück und waren nun mit Frau Singer alleine in der Küche. Sina blickte sich kurz nach ihrer Begleiterin um, diese schien ihr aber den Vortritt lassen zu wollen.
Etwas schüchtern ging sie auf die Frau zu und gab ihr die Hand.
„Vielen Dank auch von mir, das ich mitfeiern durfte. Es hat mir wirklich sehr viel Spaß gemacht.„
Frau Singer sah sie gerührt an. „Es hat mich auch gefreut, dass du gekommen bist und du bist jederzeit wieder willkommen.„
„Vielen Dank.„ Sina fühlte sich, als müsste sie noch irgend etwas sagen. Sie wollte sich auf irgend eine Weise revanchieren. „Wenn ich irgendwo helfen kann, dann müssen Sie es nur sagen, das mache ich gern.„
Frau Singers Lächeln wurde noch breiter. „Besonders zur Weihnachtszeit gibt es immer genug zu tun. Wenn du also wirklich willst, kannst du uns gerne helfen.„
Sina nickte eifrig.
„Morgen bereiten wir zu Mittag ein Essen für die Kinder, deren Eltern nicht so viel Geld haben. Wenn du also Zeit hast, kannst du gerne vorbeikommen.„
„Ja, da kann ich sicher kommen.„ Sina freute sich, dass sie etwas zurückgeben konnte.
„Ines kommt übrigens auch.„
Sina blickte zu der jungen Frau hoch und diese nickte lächelnd. „Dann komm ich gleich noch mal so gern„, sagte Sina und grinste jetzt ebenfalls übers ganze Gesicht.
„Gut, dann sehen wir uns morgen beim neuen Pfarrhaus.„ Frau Singer schüttelte Sina ein letztes Mal die Hand.
„Ja, bis dann„, verabschiedete Sina sich jetzt endgültig.
Zusammen mit Ines zog sie sich an und ging in die eiskalte Nacht hinaus. Unter dem sternenklaren Nachthimmel verabschiedeten sich die beiden ausführlich voneinander. Sina fiel der Abschied schwer, auch wenn sie Ines schon morgen wiedersehen würde. Erst auf dem Weg Richtung Zuhause dachte sie wieder an ihre Eltern. Es war schon weit nach Mitternacht und sie hoffte, dass sie sich nicht zu viele Sorgen gemacht hatten. Sie beschleunigte ihre Schritte um schnellstmöglich nach Hause zu kommen.
Zuhause angekommen sperrte sie die Tür auf und wurde schon von ihrer Mutter erwartet:
„Kind, wo warst du denn so lange?„ Noch bevor sie Sina antworten lies, sprach sie weiter. „Weißt du, was ich und dein Vater uns schon alles ausgemalt haben? Und das an Heilig Abend.„ Sie blieb vor ihrer Tochter stehen und sah sie fassungslos an.
„'tschuldige Mama.„ Obwohl die Situation ernst war, hatte Sina ein Lächeln auf dem Gesicht. „Ich war nach der Kirche noch auf einem Fest und da war es so schön, dass ich ganz die Zeit vergessen habe.„
„Auf einem Fest?„ Ihre Mutter war skeptisch.
„Ja, es war im alten Pfarrhaus.„ Sina merkte, dass sich ihre Mutter beruhigte, als sie hörte, dass sie nicht bei irgendeinem Freund oder vielleicht sogar in einer Kneipe gewesen war.
Ganz so schnell ließ sie aber dennoch nicht locker. „Und was habt ihr da gemacht?„
„Ach Mama! Es gab etwas zu essen und ich habe mich mit ein paar Frauen unterhalten.„ Sina war jetzt doch ein bisschen genervt, aber sie hatte ihre gute Laune noch nicht verloren.
Ihre Mutter schien ebenfalls zu merken, dass ihre Tochter gut gelaunt war, denn plötzlich lächelte sie. „War es denn so toll?„
„Ja, es war sehr, sehr schön. Ich habe auch jemand sehr nettes kennengelernt. Sie heißt Ines.„
„Das freut mich für dich.„ Die Sorgen von Sinas Mutter schienen verflogen zu sein. „Willst du dich kurz zu uns setzen, ich habe gerade erst Tee gemacht.„
Obwohl Sina todmüde war, ließ sie sich das nicht nehmen. „Gerne.„
Mit einem Grinsen sagte ihre Mutter: „Dann kannst du uns ja ausführlich berichten, was du alles Tolles erlebt hast, während wir hier herumsaßen.„
Zusammen gingen sie ins warme Wohnzimmer.
Sina löschte das Licht und kuschelte sich zufrieden in ihre Bettdecke. Sofort spürte sie, wie die Müdigkeit sie langsam gefangen nahm. Trotzdem musste sie noch einmal an den Abend zurückdenken. An die Zweifel, die sie zuerst hatte und daran, wie schön ihr diesjähriges Weihnachtsfest doch noch geworden war. Auch wenn sie sich ganz sicher nie erwartet hätte, dass es so werden würde. Sie war froh, dass sie Ines vertraut hatte und ihr gefolgt war und sie war froh, dass sie Frau Singer kennengelernt hatte.
Morgen würde sie so gut mithelfen wie sie konnte. Sie hatte heute sehr viel bekommen, da wollte sie wenigstens ein bisschen davon zurückgeben. Sie versuchte sich vorzustellen, wie morgen alles ablaufen würde und überlegte, ob sie die weihnachtlichen Servietten von Zuhause mitnehmen sollte. Vielleicht konnten sie gebraucht werden. Und während sie sich noch Gedanken darüber machte, was sie sonst noch Nützliches beisteuern könnte, fiel sie in einen tiefen und ruhigen Schlaf und in ihren Träumen tauchten immer wieder die Bilder dieses Abends auf.
(c) Mathias.erhart
(c) Katja Kortin
Bräuche
Juleclub (Yuleclub? Julklapp?)
Der Name kommt wohl ursprünglich aus dem Skandinavischen und ist ein Tausch von Geschenken.
Wie funktioniert das Juleclub?
Jeder bringt ein Geschenk mit (etwas, das man nicht mehr braucht, worüber sich jemand anderes jedoch freuen könnte, das kann auch etwas Witziges sein.) Es ist einfach und schlicht in Zeitungspapier eingepackt. Alle Geschenke werden auf einen Tisch gestellt, so dass keiner weiß, was von wem ist. Anschließend sucht sich der erste ein Geschenk aus, packt es aus und sagt ein paar Worte dazu. Wenn alle Geschenke ausgepackt sind, gibt es natürlich die Möglichkeit, untereinander zu tauschen.
animantis wünscht viel Freude beim Schenken und beschenkt werden
(c) Klärchen
Eine schöne, besinnliche Weihnachtszeit
wünscht allen von Herzen, Klärchen
Weihnachtszeit
Glockenklang von fern,
Kindergesang,
ein Stern am Himmelszelt
und alles ist still und staunt
mit leuchtenden Augen...
**********
Der Schnee fällt leise und sacht
hüllt Bäume und Sträucher ein
Frieden umhüllt
unsere Seele
(c) Klärchen
24/12/3008
Eine Weihnachtsgeschichte
Nach schweren Kämpfen hatte sich der Zerstörer KATAKTITÍS
in ein Sonnensystem der vierten Ordnung gerettet und suchte Schutz im Ortungsschatten eines winzigen Planeten, der GHAB
genannt wurde. Sie hatten böse Verluste hinnehmen müssen, Hunderte von Kämpferinnen und Kämpfern dem All überlassen. Vier Decks waren zerstört und die Kommandoebene stark beschädigt.
Ihre Kampfbereitschaft war ungebrochen, die Feuerkraft nicht eingeschränkt, doch die Manövrierfähigkeit gestört. Admiral Xyakk hatte Rückzugsbefehl gegeben, um Zeit für die notwendigen Reparaturen zu gewinnen. Im Ortungsschatten von GHAB
hoffte er, schnell wieder einsatzbereit zu werden, und er schickte ein Exploratorenteam auf die Oberfläche des kleinen Planeten hinunter, um nach den notwendigen Rohstoffen zu suchen.
Die Bordgehirne beschrieben GHAB
als unbewohnten Planeten der unbedeutenden Größe 864b, und so wie es aussah, hatte noch nie ein Expeditionschor dieses Staubkorn betreten. Man konnte nicht alles untersuchen, auch das Imperium hatte nicht unerschöpfliche Mittel. Und die feindlichen Renegaten-Republiken schon gar nicht.
Trotzdem war Xyakk froh, als das Exploratorenboot wieder angedockt hatte. Er befahl die Mannschaft sofort nach dem Ausladen der geborgenen Mineralien zum Rapport auf die Brücke. Lange genug hatte es gedauert, während die KATAKTITÍS
immer versuchte, im Ortungsschatten von GHAB
zu bleiben.
Xyakks Augen wurden zu kalten Schlitzen, als er die angetretene Truppe musterte. Exploratoren waren die besten Kämpfer der Armee, Krieger wie alle, nur dem Kampf verschworen, nur dem Ewigen Wandel geweiht, aber kompromissloser, härter, gnadenloser. Doch sie sahen verwirrt aus, verstört, unentschlossen.
Xyakk forderte den Truppführer auf zu berichten, und was er hörte, ließ in ihm Verständnis für die Verwirrung der Frauen und Männer, die da vor ihm standen, aufkeimen. Sie hatten primitive, niedere Lebewesen erwartet, Pflanzen, Wasser – eben alles, was das Bordgehirn über diesen kleinen Planeten ausgespuckt hatte. Was sie nicht erwartet hatten waren die Überreste einer offensichtlich intelligenten Lebensform. Sie fanden Gebäuderuinen, Reste von Transportsystemen, Tempelanlagen, urbane Infrastrukturen. Und seltsame andere Artefakte. Skulpturen. Mosaike.
Die Exploratoren hatten schon zahllose Planeten betreten und viele Reste untergegangener Kulturen gesehen. Aber mit diesen Skulpturen hatte es eine sonderbare Bewandtnis. Sie sahen aus wie sie selbst!
"TERRA",
murmelte Xyakk mehr zu sich selbst. Konnte es sein, dass seine Exploratoren zufällig das von ewigen Mythen umwobene TERRA
entdeckt hatten? Den sagenhaften Mutterplaneten, von dem sie angeblich alle abstammen sollten? Und wenn schon…
Xyakk riss sich von seinen Gedanken los. Der Kampf war sein Leben, die KATAKTITÍS
musste sich wieder stellen. Trotzdem nahm er das einzige Artefakt, das seine Exploratorertruppe in der kurzen Zeit auf GHAB
an sich genommen hatte in Empfang und entließ die Krieger.
Das Artefakt war ein Speichermedium, von dem er nur aus alten Erzählungen, Mythen und aus unmodern gewordenen Witzen gehört hatte. Aber er erkannte es sofort. Es waren die Reste eines Buches. TERRA
….
Er bellte einen Befehl in Richtung einer subalternen Ordonanz und ließ den Fund zur Dechiffrierungsabteilung bringen. Verdammt! Für so etwas hatte er gar keine Zeit. Er sprach eine kurze Notiz in das Bordgehirn und vergaß die Sache. Es gab Wichtigeres zu tun.
Die Molekularmodifizierer leisteten ganze Arbeit. In Kürze würde die KATAKTITÍS
wieder voll einsatzbereit sein.
Xyakk stand auf der Brücke, als ein Sergeant der Dechiffrierungsabteilung an ihn herantrat, salutierte und ihm ein portables Display überreichte. Das Artefakt war entschlüsselt worden. Unwillig winkte Xyakk den Sergeanten weg und begann zu lesen. Nach einiger Zeit ließ er sich auf den Kommandositz fallen und starrte gedankenversunken ins Nichts.
Erst das grauenhafte Heulen der Alarmsirene schreckte ihn auf. Er blickte auf den Kampfexplorer und sprang hoch. Die KATASTROPHEÚS
hatte sie entdeckt! Der gefürchtete Zerstörer der Renegaten-Republiken!
Die Beleuchtung des Schiffes schaltete auf Rot um, und die Mannschaften rannten zu ihren Kampfständen. Mit Ächzen und Stöhnen drehte sich die KATAKTITÍS
in Kampfposition und fuhr die Schilde aus. Die Werfer fuhren wimmernd auf höchste Leistung hoch und warteten auf den Feuerbefehl. Die Brücke füllte sich mit kampflüsternen Kriegerinnen und Kriegern, jeder auf seinem Feuerstand. Und alle blickten erwartungsvoll auf Xyakk. Die Spannung wurde unerträglich. Noch hatten sie einen kleinen Feuervorteil auf die KATASTROPHEÚS
, worauf wartete der Admiral?
Quälend lange schwieg Xyakk, dann sagte er fast unhörbar:
"Ich will mit dem Kommandanten der KATASTROPHEÚS
sprechen."
"Was? Wie bitte, Sir?"
"Auf den Schirm mit ihm, zum Teufel noch mal, seid ihr taub?"
Es dauerte nur kurze Zeit, dann flackerte das Bild des feindlichen Kommodore auf. Es war eine Frau.
"Was wollt Ihr, Admiral? Unsere Aufgabe ist es zu kämpfen, nicht zu reden!" Sie blickte grimmig und konnte offensichtlich ihre Truppe im Hintergrund kaum bändigen.
"Ja, Kommodore", antwortete Xyakk, "das ist unser aller Schicksal. Doch vorher möchte ich Euch eine Botschaft senden. Sie stammt nicht von uns, sondern von diesem elenden Planeten unter uns. Lest sie und entscheidet dann. Wir warten." Er drückte auf den Transponderknopf und wartete. Lange Zeit geschah nichts, nur die Spannung wurde immer unerträglicher. Xyakk hoffte auf seine Autorität, während er die Kampf- und Feuerbereitschaft seiner Truppe fast körperlich auf der Haut spürte. Mit stahlharten Blicken versuchte er seine Krieger zu bändigen.
Mit einem gebrüllten "STOPP!" konnte er gerade noch einen Laserschützen am Feuern hindern, als plötzlich an der KATASTROPHEÚS
die Steuerdüsen aufflammten. Das riesige feindliche Schlachtschiff drehte sich langsam aus seiner Kampfposition, bewegte sich mit kleiner Fahrt aus dem Schatten von GHAB
und zündete die Beschleunigergeneratoren.
"Jetzt können wir sie breitseits erwischen!", brüllte der Feuerleitoffizier.
"Nein! Nein, nicht feuern!", schrie Xyakk und blickte der sich mit Hyperantrieb entfernenden KATASTROPHEÚS hinterher. Dann reichte er das portable Display mit dem entschlüsselten Text, den er vorher dem feindlichen Zerstörer übermittelt hatte dem Offizier hinüber, und dieser begann laut zu lesen:
"Luk.2, 1-14: In jener Zeit erging von Kaiser Augustus der Befehl, das ganze Reich aufzuzeichnen……………………………………………………………………………………………
c) Garlin
Katja Kortin
© animantis
Recherchiert
:
Ursprünglich gab es den bärtigen und vermummten Begleiter des heiligen Nikolaus, dessen Festtag, der 6.12. vielerorts schon im Mittelalter als Beschertag für die Kinder begangen wurde. Auch als Ruprecht, Knecht Nikolaus, Nickel, Klaubauf (Tirol und Oberbayern), Pelznickel, Pelzmäntel, Hans Muff, Hans Trab (Elsaß), oder Krampus wie in Österreich, zog er in pelzbesetzter Kleidung, meist mit einer Rute in der Hand und einem Sack voller Geschenke über der Schulter, von Tür zu Tür.
Der Klaubauf (Krampus) war im 19. und 20. Jh. Schreckgestalt mit geschwärztem Gesicht. Man drohte den Kindern, dass er die unartigen unter ihnen aufklaubte um sie zu verprügeln.
Vielerorts wird noch heute den Kindern mit Sätzen wie "wenn du nicht brav bist, kommt zu dir der Krampus und nicht der Nikolaus..." gedroht. So ist es teilweise in Bayern und Tirol heute noch üblich. Wer weiß, vielleicht auch anderswo.
In einem Berliner Kaufhaus ist mir heute dieser hier begegnet.
Ein amerikanischer Weihnachtsmann
Es ist der 1. Weihnachtstag, der Tag, an dem man sich in Amerika beschenkt. Nein, wo der Amerikaner sich schön ganz besonders typisch amerikanisch beschenken lässt. Von einem echten Weihnachtsmann. Dazu muss dieser Coca-Cola Weihnachtsmann bei den amerikanischen Bürgern erst mal durch den Schornstein rutschen ... und ist danach immer sauber und adrett, ganz Amerika ist schon Hollywood und keiner merkt es.
Der gemeine Amerikaner baut sich sehr wahrscheinlich ausschließlich für den Weihnachtsmann einen Kamin in sein hypothekenverschaukeltes Haus, damit Weihnachten nur ja nichts schief gehen kann. Der Kamin wird bestimmt im Leben nicht zum Heizen benutzt, denn sonst wäre der Weihnachtsmann ja nach jedem Hausbesuch immer schwarz und das ginge ja auf keinen Fall. Vielleicht lila, ausnahmsweise. Aber Schwarz wäre ja genau das, was die Erfinder nicht wollten. Einen Schornsteinfeger.
Warum ist der Weihnachtsmann eigentlich nicht das Maskottchen von den Schornsteinfegern geworden? Weil der neue, originale Weihnachtsmann von Coca Cola ja auch kein Weihnachtsmann ist, sondern 'ne Witzfigur. Ehrlich! Wenn man sich den mal ein bisschen genauer anschaut, dann sieht man etwas schelmiges in seinem Gesicht. Oder? Schauen Sie ich sich ruhig noch mal genau an. Der sieht doch immer so ein bisschen aus, als ob er nicht zurechnungsfähig wäre und die freundliche Zuneigung den Kindern gegenüber scheint mir nur gespielt, ganz so, wie wir es eben von Hollywood nicht anders kennen. Den Weihnachtsmann hat ja auch ein Schwede erfunden, also gemalt. Erfunden haben ihn die Werbefritzen von Coca-Cola, zumindest den, der in Amerika von Haus zu Haus rutscht, aber dass erwähnte ich ja bereits. Der beste Beweis für die schwedische Urheberschaft ist das Ren-Tier. Der Nordamerikaner hat in der Regel keine Ren-Tiere, sondern dort leben ausschließlich die Karibus. Rentiere gibt es nur in Skandinavien. Dafür aber haben die Amerikaner jetzt Rudolf mit der roten Nase. Und Rudolf ist ein Rentier, schon wegen des anheimelnden Liedes, in dem eben ein Rentier vorkommt und nicht etwa ein Karibu mit einer roten Nase.
Und ist dieser Rudolf auch eine richtig 'Dumme Nuss', die für jeden Ulk zu haben ist. Schenkelklopfende Lachnummern, diese Rentiere, oder? Diese Nase muss Rudolf tragen, weil es der Weihnachtsmann nicht darf, auch wenn er so aussieht, wie ein "alter Schwede" und die hauen sich bekanntlich, wo sie gehen und stehen, den Alkohol in den Kopf. Tät ich auch, wenn's mir so kalt wäre. Und in Skandinavien kann es ja empfindlich kalt werden. Also der Weihnachtsmann, den wir so gerne unseren Kindern zeigen ... bravo Coca-Cola ... ist in Wirklichkeit ein schwedischer Suffkopp. (Sorry, Haddon Sundblom) Habt ihr mal den Maler, also den Erfinder aus maltechnischer Sicht, von dem Weihnachtsmann gesehen? Der Weihnachtsmann sieht wie 'ne Karikatur von dem Maler selbst aus. Der Maler hat sich sicher selbst zum Vorbild genommen, denn wie wir wissen, leben die Menschen in Schweden, wie überhaupt in ganz Skandinavien, außer in den Großstätten, weit auseinander und da hat der Maler bestimmt, in Ermangelung eines passenden Modells einfach in den Spiegel geschaut, und hat sich gesagt, 'den nehme ich, bevor ich gar nichts zu Papier bringe'. Zum schief Lachen. Na, nichts desto Trotz, ist der Weihnachtsmann mir den Buckel runtergerutscht und hat mir ein Weihnachtsgeschenk geschenkt.
Und das ist ja nur ein Beispiel, wie man die Leute an der Nase herumführen kann. Ich möchte gar nicht wissen, wie viel Figuren ähnliche Dienste leisten und nur deswegen nicht so bekannt sind, weil die Religion dabei, eine nicht unbescheidene Rolle spielt. Da gibt es zum Beispiel den 'Baulöwen' von der Volksbank, den sie lieber 'schlauen Fuchs' nennen. Nur so als Beispiel.
© Kariologiker
Vegetarierweihnachten
Mutter, Vater, Hund und Kind
beim Weihnachtsschmaus versammelt sind.
Die Gans ist gar bis auf die Knochen,
im Salzwasser die Klöße kochen,
der Rotkohl dampft in seiner Schale,
da sagt das Kind mit einem Male:
Vom Fleisch, da esse ich nichts mehr,
ich bin jetzt Vegetari-er.
Die Mutter stutzt, der Vater lacht:
Wann hast du dir das ausgedacht?
Willst du nie wieder Bratwurst essen,
die Frikadellen ganz vergessen?
Magst du kein Schnitzel mehr vom Grill
und auch kein Lachshäppchen mit Dill?
Das Kind, es schüttelt mit dem Kopfe
und schielt ganz heimlich nach dem Topfe,
aus dem der Gänsebratenduft
erhebt sich in die Küchenluft.
Ganz plötzlich lösen sich die Tränchen,
es ruft: Ich ess doch nicht mein Lenchen!
Ach Kind, du glaubst, dass wir das wollen?
Komm her und hör auf mit dem Schmollen.
Dem Lenchen fehlt nicht eine Feder,
auch wär sie sicher zäh wie Leder.
Sie ist schon alt und bleibt am Leben,
weil wir das Gnadenbrot ihr geben.
Jetzt strahlt das Kind vor lauter Glück
es nimmt vom Braten sich ein Stück
und spricht: Es ist noch nicht lang her,
da war ich Vegetari-er.
© Regina Meier zu Verl
Philipp Bobrowski
Schöne Bescherung
Dieses würde wahrscheinlich das traurigste Weihnachtsfest werden, das ich je erlebt hatte. Es war der 23. Dezember und ich kam soeben von der Post, wo ich die letzten Grußkarten und ein kleines Päckchen für die Familie meiner Tante verschickt hatte. Glücklicherweise waren meine Verwandten daran gewöhnt, die Geschenke von mir erst nach den Feiertagen zu erhalten. Ich dachte heute allerdings sowieso nur noch an mein eigenes Fest.
Es würde in meiner kleinen Zweizimmerwohnung vor dem Fernseher stattfinden. Und das war gut so. Ein gemütliches Familienbeisammensein bei meinen Eltern hätte mir den Rest gegeben. Glücklicherweise verbrachten sie die Festtage in einem kleinen Haus in Dänemark. Das ersparte mir lange Ausreden.
Und das Angebot von Uwe, bei Wein und Kerzenschein noch einmal von vorn zu beginnen, war einfach lächerlich. So sehr ich seine Anwesenheit jetzt auch vermisste, es gab kein Zurück mehr! Seine Pute vom letzten Jahr wäre allerdings sehr willkommen gewesen.
„Ich, ... äh, wünsche Ihnen frohe Weihnachten.„
Das war Peter Ernst, mein unangenehmer Nachbar, der mich mal wieder direkt vor meiner Wohnungstür abgefasst hatte.
„Ja, vielen Dank. Dir auch.„ Es widerstrebte mir, einen etwa Gleichaltrigen zu siezen. Eigentlich widerstrebte es mir überhaupt, mit Peter zu sprechen.
„D...danke sehr„, antwortete er und machte sich auf, die Treppe hinabzusteigen, nicht ohne sich unauffällig – wie er meinte – einige Male nach mir umzudrehen. Ich schlüsselte in meinem Schloss herum, das – wie immer – nur mit sehr viel Gefühl aufzubekommen war. Peter hatte mich wahrscheinlich schon vom Fenster aus beobachtet und tat nun so, als müsse er irgendwohin. Jetzt ging er vermutlich einmal langsam um den Block, um dann wieder in seiner Wohnung zu verschwinden. Es war ja seine Zeit, die er auf diese Weise vertrödelte.
Ich hielt es nicht lange zu Hause aus. Bald schon machte ich mich auf den Weg in eine kleine Kneipe, wo ich nach wenigen Wodka-Lemon vor den zudringlichen Stammtischhockern in die nächstbeste Disko flüchtete, die gerade erst ihre Pforten öffnete. Ich verbrachte die Nacht tanzend und mit den Drinks, die irgendwelche Männer mir spendierten und fiel am frühen Morgen reichlich betäubt in mein Bett.
Am späten Vormittag des Heiligen Abends weckte mich das Telefon. Gemeinsam mit dem Kater, der sich über Nacht in meinem Kopf eingenistet hatte, schlafwandelte ich zu dem unerwarteten Wecker und nahm den Hörer ab.
„Guten Morgen, mein Schatz, habe ich dich geweckt?„
„Nein„, log ich Uwe an, gab mir aber keinerlei Mühe, auch nur annähernd so zu klingen, als sei ich schon seit Stunden auf den Beinen. „Das Schatz kannst du dir sparen.„
„Ach, Lischen, sei doch nicht so. Noch könnten wir ein schönes gemeinsames Weihnachtsfest feiern.„
„Ich will aber nicht„, brummte ich, da meine Stimme zu nichts anderem in der Lage war.
„Ich bring Stollen mit, wir trinken schön Kaffee, dann hab ich ein nettes kleines Geschenk für dich ...„
„Steck es dir sonst wohin! Hörst du mir immer noch nicht zu? Ich will mit dir nichts mehr zu tun haben!„ Damit knallte ich den Hörer auf.
Er begann noch schlimmer, als ich gedacht hatte, der Heilige Abend. Ein brummiger Kater hinter der Stirn und eine nervige Töle am Telefon.
Ich ging in meine Miniküche, um mir einen Kaffee zu kochen. Dabei stieß ich mir meinen nackten kleinen Zeh am Küchenschränkchen, das immerhin Schrank genug war, einen mächtigen Schmerz hervorzurufen. Ich fühlte mich sogar zum Fluchen zu schwach.
Während ich auf den Kaffee wartete und verträumt dem Abklingen des Schmerzes lauschte, schlummerte ich wieder ein.
Es klingelte an der Tür. Ich schreckte auf, wunderte mich erst, wo ich war, dann, wer das sein könnte, sah nach der Küchenuhr – 17.02 Uhr –, hetzte an einem zerzausten Spiegelbild vorbei und öffnete die Tür nur einen Spalt. Aber da war niemand. Ich tat einen Schritt zur Tür hinaus und stolperte über ein verwaistes, sorgsam in kitschiges Weihnachtspapier eingeschlagenes Päckchen. Nachdem ich mich wieder gefangen hatte, entdeckte ich an einem roten Bändchen einen Umschlag. Wütend hob ich den Stolperstein auf. Konnte Uwe mich nicht in Ruhe lassen?
Nach kurzer Überlegung warf ich das Päckchen doch nicht die Treppe hinunter, sondern nahm es mit in die Wohnung, knallte dafür aber kräftig mit der Tür. Im Wohnzimmer öffnete ich zunächst den Umschlag. Auf einer Weihnachtskarte, die noch kitschiger war als das Papier – unter der Überschrift „Frohes Fest„ streckte mir ein Plüschbär ein rotes Geschenk mit grünem Band entgegen – standen in einer filigranen Schrift, die unmöglich zu Uwe gehören konnte, die Worte:
„Dem leidenden Herz
das doch wieder einsam
ein Trost seinem Schmerz
zu heilen den Gram.„
Ein wenig schmalzig war es ja. Und doch fühlte ich mich in diesem Moment gerührt. Von wem konnte das stammen? Ich öffnete das Päckchen. Es enthielt eine Flasche meines Lieblingsweins, einen Dresdner Stollen, eine Kerze und die neue CD von Maria Mena. Da kannte mich aber jemand gut: Ich fand auch noch die kleine silberne Kette, die ich vor einigen Tagen im Schaufenster bewundert und für zu teuer befunden hatte.
Ich klingelte. Peter öffnete ein wenig verwundert die Tür.
„Das kann ich nicht annehmen„, sagte ich frei heraus.
Peter blickte zu Boden: „W...was können Sie nicht annehmen?„
„Dein Geschenk, das du mir vor die Tür gelegt hast.„
„W...woher wissen Sie?„
„Wer sonst sollte es gewesen sein?„
„I...ich bitte Sie, nehmen Sie es an. Sie würden mir einen großen Gefallen tun.„
Zum ersten Mal sah er mir in die Augen. Sein Blick hatte etwas Flehendes.
Ich betrachtete ihn. Er war wirklich keine Schönheit. Seine Gestalt wirkte ein wenig in sich zusammengesunken, was die schmalen Schultern im Kontrast zu dem nicht gerade schlanken Rest seines Körpers noch unterstrichen. Sein rundes, konturloses Gesicht ähnelte einem ungebräunten Pfannkuchen. Unglaublich, ja geradezu unerhört, dass es Uwe in seinem grenzenlosen Wahn geschafft hatte, sogar auf diesen Mann eifersüchtig zu sein, dessen Blicke für mich ja nur ertragbares Übel gewesen waren. Aber Peter hatte, jetzt, da ich ihn genauer betrachtete, auch etwas Liebes. Etwas Unschuldiges.
„Na gut, ich nehme es an. Wenn es dir so viel bedeutet. Vielen Dank also. Jetzt muss ich aber wieder rüber. Bei dir riecht es, als würdest du Gäste erwarten.„
„Oh nein. Ich mache mir immer an Weihnachten Pute. Darauf will ich nicht verzichten.„
„Na dann. Einen fröhlichen Heiligen Abend noch„, sagte ich, drehte mich um und kreiste um den Gedanken, wer von uns beiden wohl heute einsamer war.
„Sie b...bleiben heute wirklich allein?„, fragte Peter.
„Was geht dich das an?„, wollte ich antworten, besann mich aber des Geschenks. „Ja„, sagte ich stattdessen und ein „leider„ entfuhr mir noch.
„I...ich habe alles schön dekoriert und die Pute ist bald fertig. W...wollen Sie nicht vielleicht zu mir rüber kommen?„
„Nein!„, antwortete ich schnell. „Nicht bevor ich mich ein wenig zurecht gemacht habe. Und nicht, wenn du nicht aufhörst mich zu siezen.„
Ich ging in mein Badezimmer und freute mich auf einen vielleicht doch nicht so traurigen Heiligen Abend.
(c) Philipp Bobrowski
(c) Katja Kortin
Sie sangen "auf Teufel komm raus" Weihnachtslieder. .
Das bisschen Taschengeld reicht ja nicht. Wir sollten ihm zu Weihnachten einen Tausender schenken, sagte Frau Meier zu ihrem Mann. Sohn Mäxchen weiß nicht, dass vom Opa die Rede ist. Er rechnet nach: „Au fein, da kaufe ich mir zwei Waggons Bonbons.„
Um Weihnachten und um Ostern herum lauern unaufgeklärte Polizisten auf den Straßen, sie möchten den Weihnachtsmann fassen und zu Ostern den Osterhasen.
CC
Sie aßen Leberpaste. Von gestopften Gänsen. Aus voller Kehle wollten sie danach Weihnachtslieder singen. Sie erstickten.
RK
Weihnachtsgedicht
Ein Weihnachtsschwein, ein Weihnachtsschwein
das möcht nicht gern alleine sein,
es lädt den Glitzerengel ein,
sein Weihnachtsfeiergast zu sein,
im Schweinsgalopp geht es dahin
zur heiligen Dreikönigin.
ulla.u
Weihnachten im Altenheim
Weihnachtszeit - da fallen jedem von uns
tausend Erinnerungen ein. Meist schöne, dann auch traurige und auch so manche Enttäuschung. Trotzdem hat jeder von uns das Bedürfnis, diese Zeit des Jahres
als etwas Besonderes erleben zu können.
Ich bin da wirklich keine Ausnahme! - Doch wenn ich mich erinnere, dann fallen vier oder fünf Feste aus unterschiedlichen Gründen aus dem Rahmen. Von einem dieser Feste möchte ich hier erzählen:
Das erste Weihnachtsfest meiner Mutter im Altenheim!
Es ist schon ein paar Jahre her. Der Gesundheitszustand meiner Mutter hatte sich in diesem Jahr erheblich verschlechtert. Sie war bettlägerig geworden und hatte keinen Tag-Nachtrhythmus mehr, was für unsere Familie ein extremer Zustand wurde, da sie in unserem Haus lebte. Wir hatten uns immer vorgenommen, sie nicht in ein Altenheim zu bringen, doch ich war nahezu am Ende meiner Kraft angekommen. Unser Hausarzt erkannte meine Not und machte den Vorschlag, mit uns gemeinsam einen Platz für sie zu suchen. Ich lehnte es zuerst vehement ab. Schon der Gedanke machte mich wütend, und ich dachte, wenn ich das machen würde, dann wäre dies nur ein Beweis meiner Unfähigkeit, mit dem Leben fertig zu werde. Doch es wurde immer schlimmer. Sie rief tags, sie rief nachts, es war für sie ja kein Unterschied mehr. Mein Mann und ich waren langsam am Ende. Da mein Ehemann im Schichtdienst arbeitet und ich nachmittags berufstätig bin, war ausschlafen nicht mehr möglich. Es funktionierte trotz Unterstützung durch Pflegedienst einfach nicht mehr. So war ich vor die Wahl gestellt, entweder rund um die Uhr meine Mutter versorgen oder weiter ein normales Leben führen, dafür aber Mama ins Altenheim geben. Ich entschied mich für die Familie, doch es brach mir fast das Herz. Wir sahen uns mehrere Heime an. Am Schluss wählte ich ein Altersheim direkt in unserer Nähe aus, so würde ich sie wenigstens täglich besuchen können. Der Arzt half uns dabei, dass sie schnell einen Platz bekam. Das war Ende Oktober .
Mit Riesenschritten kam die Weihnachtszeit näher. Mir graute davor. Weihnachten im Altenheim, wie schrecklich musste das doch sein! Bald war November, Ende November schmückte ich das Zimmer meiner Mutter weihnachtlich, so wie ich es zu hause auch immer gemacht habe. Die Pflegerinnen und Pfleger haben sich echt gefreut. Sie kamen alle gucken, was ich Neues dekoriert hatte. Einige fragten auch nach, wo ich diese Fensterbilder bekommen hatte und wie man die Anhänger bastelt. Jeden Adventssonntag haben mein Mann und ich eine kleine Adventfeier mit Mama abgehalten. Es war gar nicht schrecklich, seltsam! Wir fanden es sogar sehr besinnlich, da im Haus eine angenehme Ruhe herrschte, ganz anders als zu hause!
Kurz vor Weihnachten kam eines Abends eine Pflegerin zu uns ins Zimmer und fragte, ob wir nicht zur Weihnachtfeier für die Angehörigen kommen wollten. Ich war überrascht. Eine Feier extra für die Bewohner mit ihren Angehörigen! Damit hatten wir gar nicht gerechnet! Natürlich sagten wir zu und trugen uns in die Liste für das Essen ein. In der Woche vor Heiligabend fand die Feier statt. Alle Flure waren weihnachtlich geschmückt und unten in der Eingangshalle stand ein wunderschöner Weihnachtsbaum! Jedes Jahr wird dort alles von lieben Menschen unentgeltlich geschmückt und aufgebaut! Ich freute mich. Dann ging es los. Im großen Saal fand ein offenes Singen statt. Die Türen zu den bettlägerigen Bewohnern standen weit geöffnet. Alle sangen mit, und wir wunderten uns, wie textsicher doch die alten Leute waren! Danach las jemand die Weihnachtgeschichte vor. Davon konnten wir nicht so viel mitbekommen, da wir ja bei meiner Mutter im Zimmer waren. Ein Pfleger ging herum und reichte allen einen Aperitif. Wir staunten nur noch. Er fragte uns, ob wir im Zimmer oder im Saal essen wollten, doch wir entschieden uns natürlich für das Zimmer, da meine Mutter nicht aufstehen konnte. So wurde uns das Essen aufs Zimmer serviert. Es war sooo lecker, niemals hätte ich das geglaubt! Es gab Gans mit Knödel und Rotkohl, doch alles war frisch zubereitet, man konnte es schmecken! Als Nachtisch gab es Obstsalat mit Vanillesoße, und anschließend wurde noch eine Tasse Kaffee angeboten. Wir waren wirklich so angenehm überrascht. Zum Schluss ging nochmals eine Pflegerin herum und bot allen einen Verdauungschnaps an. Es war fast wie im Hotel. Wir bedankten uns bei allen und haben diese Feier sehr genossen. Meine Mutter hatte den ganzen Abend über gestrahlt und kam sich ein bisschen wie unsere Gastgeberin vor. Es war wirklich viel Arbeit für das Personal, und ich möchte nochmals allen danken.
Doch wie würde es Heiligabend werden? Es hing wie ein Damoklesschwert über mir.
Ich fragte bei der Pflegedienstleitung nach, ob wir Heiligabend bei meiner Mutter feiern könnten. Sie waren sehr erfreut und sagten sofort zu. Denn, wie sie uns erklärten, die meisten Bewohner bekommen Heiligabend keinen Besuch.
Doch das kam für uns nicht in Frage. Wir packten unsere Päckchen, auch für die Pfleger wurden Leckerein eingepackt(andere Dinge dürfen sie nicht annehmen!),und zogen nachmittags mit Sack und Pack und Kind und Kegel zum Altenheim. Dort wurden wir mit weihnachtlicher Musik empfangen. Eine Besucherin spielte im großen Saal Gitarre und es wurde gesungen. Wir gingen zu unserer Oma und bauten alle Geschenke unter ihrem kleinen Lichterbäumchen auf. Danach hielten wir unsere Bescherung ab, genauso, wie wir es zu hause immer gemacht haben. Es gab Kekse und Kaffee. Wir waren froh, alle beisammen zu sein. Unsere kleine Feier dauerte drei Stunden, dann kamen die Pfleger und fragten, ob wir mit Abendessen wollten, doch dies lehnten wir ab, da wir merkten, dass unsere Oma schon ziemlich erschöpft war, von dem Trubel mit den Enkelkindern. Wir verabschiedeten uns.
Dies war also unser erstes Weihnachtsfest im Altenheim. Es sollten noch zwei weitere folgen. Wir waren überrascht, wie normal es gelaufen ist und wie gut es alles organisiert war. Ich möchte allen Mut machen, auch an Weihnachten mal die Angehörigen im Altenheim zu besuchen, es ist nicht traurig!
Es kommt doch nur darauf an, was man selbst aus der Situation macht. Weihnachten zu hause, mit einem schlechten Gewissen wäre für mich schlimm gewesen, doch so wurde es ein halbwegs normales Fest. Wir haben einfach unsere Gewohnheiten der neuen Situation angepasst!
Nun noch ein frohes, besinnliches Fest an alle und denkt daran: Weihnachten, das ist Zusammensein mit den Menschen, die man liebt, der Rest ist echt unwichtig!
(c) GaSchu
(c) Katja Kortin
Wunder der Weihnacht
Horch!
Es klingt, als hätt ein Bote
aus einer anderen Welt
Die Zeit nun sacht betreten,
und Finsternis erhellt.
Er spricht:
,,Über der Herzen
endloses Sehnen
wacht schützend seit Zeiten
die ewige Macht !"
Seht!
Hoffnungsvolles Wünschen,
Verlangen
nach dem einen
Ort der Ruhe
allen Menschen bestimmt ...
Unendliches Sehnen
fand Ruhe in Dir:
Kind in der Krippe
Hoffnung der Welt.
(c) Hannah7
Kathedralen
Kein Schnee im Dezember. Bestes Wetter, um endlich einige dieser vielgerühmten Kathedralen zu besichtigen. Wir wohnen im Westen der Stadt. Die Straße der Kathedralen zieht sich von hier aus weit ins Alpenvorland hinein. An Samstagen der Vorweihnachtszeit werden sie von Besuchern geradezu erstürmt. Wir aber haben noch nie eine von innen gesehen, können nicht mitreden.
Wir schauen sie uns erst mal von außen an, spazieren einigermaßen ratlos an einigen vorbei . Wie benimmt man sich in so einer Kathedrale, auf was muss man achten, gibt es irgendwelche Zeremonien, was für Sehenswürdigkeiten sollte man sich nicht entgehen lassen.
Wir machen sicherlich einen recht unschlüssigen Eindruck. Jedenfalls spricht ums ein Mann an, der Aussprache nach ein Sachse, und fragt uns, ob er helfen könne. Er stellte sich als Büchervertreter aus Leipzig vor, und übergibt uns einen Prospekt über ein zwanzigbändiges Konversationslexikon. "Die sterben aus", erklärt er, "wer sich noch eine Ausgabe zulegen will, muss zugreifen." Als er unser Zögern bemerkt, sagt er, er sei hier nicht unterwegs, um zu verkaufen, sondern lediglich als Tourist. Über Kathedralen könnten wir ihn jedoch alles fragen. Ob über Kunststile oder die Geschichte der Kathedralen, egal was, er kenne sich aus, er habe das für das Lexikon recherchiert
Und dann bot er sich an, uns durch die Kathedralen zu führen. Wir schlossen uns ihm nur allzu gern an. Er kannte sogar die Namen der Architekten, sie stammten aus aller Herren Länder, auch aus Sachsen, es waren allerdings keine Einheimischen darunter.
So sehr uns die gewaltigen Ausmaße der Kathedralen imponierten, von dem was uns drinnen erwartete, waren wir mehr als nur enttäuscht. Riesige Verkaufshallen für alles was man benötigt oder auch nicht, Elektronik, Möbel, Werkzeugartikel, Obst und Gemüse, ein unübersehbares Angebot. Mit einem Wort Konsumkathedralen. In irgendeiner Ecke fand sich dann doch hin und wieder ein Altar, eher ein Altärchen. Dort fristete die Religion eine Randexistenz, was sicherlich niemand scherte.
Unser Cicerone hatte bald genug von uns und ging seiner eigenen Wege. Und wir wollten nichts lieber als diese Stätte zu verlassen. Aber wo war der Ausgang, wir fanden ihn nicht. Am Ende gerieten wir in einen Innenhof, in dem uns ein gewaltiger Wolkenbruch überraschte. Das Kaufhaus hatte inzwischen seine Tore geschlossen. Wir hatten ohnehin genug von diesen Kathedralen mit ihrem Warenangebot und stellten uns im Innenhof unter.
CC
Abschied
Unten, in dem kleinen Fachwerkhaus, in dem Paul mit seinen Eltern wohnt, lebt auch Frau Mergelheide.
Paul weiß, dass sie so heißt, Frau Mergelheide selbst hat ihren Namen vergessen. Eigentlich vergisst sie alles um sich herum und starrt nur noch aus dem Fenster. Selten lächelt sie, meist schaut sie traurig aus und oft rinnen Tränen aus ihren Augenwinkeln.
Pauls Mama kümmert sich ein wenig um die Nachbarin, die fast hundert Jahre alt ist und keine Verwandten mehr hat. Morgens kommt eine Frau vom Pflegedienst. Sie hilft der alten Dame beim Aufstehen, Waschen und Ankleiden. Dann bereitet sie ihr das Frühstück zu, setzt sie in den Sessel am Fenster und kommt erst am Abend wieder, um sie ins Bett zu bringen. So geht das Tag für Tag.
Dazwischen kümmert sich Mama um sie und auch Paul sieht ab und zu nach ihr. Manchmal liest er ihr Geschichten vor und dann könnte man meinen, dass sie jedes Wort verstehen kann, so interessiert hört sie zu. Sie sagt aber niemals etwas.
Ein paar Tage vor Weihnachten, draußen liegt schon der erste Schnee, sagt Mama:
„Wir werden in diesem Jahr nicht zu den Großeltern fahren, wir können Frau Mergelheide nicht allein lassen. Ich habe so ein komisches Gefühl.„
Paul ist traurig, denn Weihnachten mit Oma und Opa ist einfach toll. Trotzdem weiß er, dass Mama Recht hat.
„Ich möchte heute Weihnachtsplätzchen backen, magst du mir helfen?„
Paul ist Feuer und Flamme, er nascht doch so gern von dem Teig und es macht ungeheuren Spaß, die lustigen Formen nach dem Backen zu verzieren.
„Ich geh schnell runter und bringe Frau Mergelheide ein paar Zimtsterne„, ruft Mama und schon ist sie verschwunden. Es dauert lange, bis sie wieder zurückkommt und ihre Augen sind gerötet. Sie nimmt Paul in den Arm und dann weint sie.
„Was ist denn nur passiert, Mama?„
„Ach Paul, man musste ja damit rechnen, aber jetzt bin ich doch ganz traurig, Frau Mergelheide ist für immer eingeschlafen, ganz friedlich sitzt sie in ihrem Sessel und lächelt. Ich habe den Arzt gerufen, er wird gleich hier sein.„
„Darf ich mit runter kommen?„, fragt Paul und Mama nickt.
„Ja, komm nur.„
Gemeinsam gehen sie in das Zimmer der alten Dame. Paul tritt vorsichtig an sie heran. Er nimmt ihre Hand, die noch ganz warm ist und spricht sie an:
„Jetzt hast du es geschafft, Tante Mergelheide. Du musst mir etwas versprechen. Wenn du da oben im Himmel bist, passt du dann ein bisschen auf mich auf?„
„Das wird sie sicher tun„, sagt Mama.
Paul ist traurig und bei der Beerdigung weint er dicke Tränen. Aber er weiß, dass es seiner alten Freundin jetzt gut geht. Sicher kann sie sich dort oben endlich wieder erinnern an all das, was sie mal erlebt hat und sie wird von ihm, Paul, erzählen. Sie wird zu ihm herunterschauen, besonders morgen, am Heiligabend. Denn dann wird Paul eine dicke Kerze in den Garten stellen, damit sie ihn auch finden kann in der Dunkelheit.
© Regina Meier zu Verl
Immer warte ich jedes Jahr auf den Schnee, der meist nicht fällt in meiner großen Stadt. Aber manchmal liegt dieser besondere Geruch in der Luft:
Weißer Zauber
Brigitte wundert sich über diesen sonderbaren Tag. Liegt es wohl am Schnee - der sich mit den weißen verdichteten Wolken und jenem frischen Eisgeruch angekündigt hat, aber noch immer nicht gefallen ist - der über ihre Gedanken einen Eiszauber legt?
Fast glaubt sie schon, es sei logische Konsequenz irdischer Entwicklungen, dass die Jahreszeiten nicht halten, was sie gegen alle Erwartungen immer noch versprechen. Im nicht vorhandenen Schneegestöber vergangener Kindertage lässt sich nicht rodeln. Im letzten Jahr modelte sie mit Jens und Kai einen winzig kleinen Schneemann. Hätten die Jungs nicht darauf bestanden, ihn im Tiefkühlschrank einzufrieren, er hätte seine erste Lebensstunde nicht überlebt.
Brigitte fragt sich oft, wie sie ihren Enkeln erklären soll, was Eisblumen sind, und wie es sich anfühlt, wenn man in winterkalten Räumen mit der Wärmflasche unter den dicken Federbetten versinkt und von der Schneekönigin träumt. Und wie schwer es ist, am Morgen aus dem Bett zu springen, wenn das Wasser in der Waschschüssel auf der Kommode gefroren ist. Und wenn man es dann tut, wie es prickelt, eine Gänsehaut verursacht und wach macht. Wie ungemein lebendig man sich selbst und seinen Körper wahrnimmt in dieser Kälte.
Grau und kalt die Landschaft heute büßt dennoch - wintergemäß - ihre Farben ein. Das unschuldige Weiß aber versagt sich der Stadt. Brigitte sehnt sich nach dieser weißen Watteverpackung, die alle kreischenden Geräusche verschluckt und die Welt klein macht - die alles eindeckt und Ecken und Kanten begradigt, alles rundet, und wenn viel Schnee fällt wird sie wie immer neu fasziniert am Fenster stehen, um die allmählichen Verwandlung der Landschaft zu betrachten.
Am nächsten Morgen, bevor der städtische Verkehr boomt - wird alles glatt sein und auf der eisglänzenden Decke wird man nur die fein ziselierten Spuren der Vögel sehen.
Brigitte denkt bei sich:
"Kein Wunder, dass der Schnee ausbleibt. Die Kinder kennen keine Märchen mehr und die Erwachsenen langweilen sich bei der Vorstellung, wie die Schneekönigin im weißen Pelzmantel eine Kutsche mit sieben Schimmeln auf den Flügeln des Nordwindes in die Nacht hinein lenkt und dabei unzählige kristallklare Glöckchen läuten.
Auch Frau Holle ist arbeitslos geworden, denn keine Marie lässt mehr die Spindel in den Brunnen fallen.
Was man sich aber nicht mehr vorstellen kann, entschwindet aus den Gedanken und nichts verbindet Ereignisse mit Gefühlen, wenn niemand mehr die alten Geschichten erzählt."
@Angelika Röhrig
Aquarell (c) Katja Kortin
Regina Krause
Kindheitserinnerungen
In den Tagen vor Weihnachten gabs immer viel Arbeit für die Frauen in unserer Familie. Oma und Mutter hatten dann keine Zeit für mich. Aber Opa. Er liebte den Wald und ich hatte als Kind den Eindruck, er kenne jeden Baum persönlich. Die Liebe zur Natur lernte ich von ihm.
Und wenns wieder einmal zu weihnachtlich hektisch wurde, dann nahm er mich an die Hand und floh mit mir in den Wald. Lange Spaziergänge, natürlich besonders schön und geheimnisvoll bei Schnee.
Diesen Spaziergängen habe ich mit Bild und Gedicht ein kleines Denkmal gesetzt.
Kleine Hand in großer Hand.
Vertrauen, Wärme, Stärke.
Durchstreifend den weihnachtlichen Winterwald.
Große Hand um kleine Hand.
Schutz, Versprechen, Liebe.
Schneeflocken als Zeugen eines festen Bandes.
Regina Krause
Weihnachtskekse
Die ersten Weihnachtskekse erobern unser Zuhause bereits im September. Natürlich ist man dagegen, dass der Einzelhandel aus Gewinngründen die Weihnachtszeit in den Spätsommer verlegt hat, natürlich sollte man das nicht unterstützen. Andererseits war es in diesem Spätsommer doch recht kalt, und Lebkuchen schmecken nun einmal frisch am besten!
Die erste Packung „Sterne, Herzen und Brezeln„ wird irgendwann während eines Fernsehfilmes mit Überlänge von den Kindern vernichtet, und sie finden das nicht im Geringsten unpassend, sondern einfach nur lecker. Bis Anfang Dezember wird nun immer mal wieder eine Packung Lebkuchen nachgekauft, und je weiter das Jahr voranschreitet, desto mehr Weihnachtliches kommt dazu – Nougatzapfen im Oktober, Dominosteine und Spekulatius im November, aber da darf man ja schon, das ist ja schon fast Weihnachtszeit.
In den Geschäften häufen sich die Rezepthefte mit genauer Beschreibung, wie die perfekte Weihnachtsgans gelingt, und Frauenzeitschriften mit interessanten Plätzchenrezepten. Natürlich hätte man zuhause genug Rezepte von den letzten Jahren, aber Orangenkipferl sind sicher nicht dabei, und auch keine Zartbitterpralinen mit Chilipulver oder Karamelleclairs, und so nimmt man sie eben doch mit. Zuhause angekommen werden die interessantesten Rezepte rausgesucht. Die Chilipralinen fallen bei dem Rest der Familie einstimmig durch, und auch die Orangenkipferl werden eher misstrauisch beäugt. Zu Weihnachten möchte man lieber Traditionelles.
Schließlich wird eine Bestandsaufnahme gemacht. Zucker, Mehl und Eier sind genug im Haus. Es findet sich noch eine Tüte Mandeln, deren Haltbarkeitsdatum allerdings unwesentlich (drei Jahre) überschritten ist. Irgendwo müsste vom letzten Jahr noch Anis sein, aber er ist nicht aufzufinden.
Mit einer Einkaufsliste, auf der so exotische Zutaten wie Pottasche, Rosenwasser und Kardamom stehen, macht man sich auf den Weg zum Einkaufen.
Pünktlich zum ersten Advent beginnt dann die Weihnachtsbäckerei. Die Kinder dürfen helfen, klar, das gehört doch zu Weihnachten dazu.
Nach einer halben Stunde ist die Küche mit einer dicken Schicht Zuckerguss überzogen. Zwei der Kinder streiten sich („Mama, der frisst alle Smarties auf!„ – „Dafür hattest Du die ganzen Gummibärchen!„). Nur das dritte Kind streitet nicht mit; es ist damit beschäftigt, statt der kleinen Bärchen, Tannenbäumchen und Sternchen, für die man genügend Formen hat, einen Darth Vader aus dem übrigen Mürbeteig zu formen.
Abends werden Papa stolz die Haferflockenplätzchen angeboten, und auch von den bunt verzierten Mürbeteigkeksen darf er probieren („Den hab ich gemacht„ - „Stimmt ja gar nicht!„).
Darth Vader hat einen Arm verloren. Das Kind ist erst untröstlich, bis ihm einfällt, dass das im Film ja auch nicht anders war. Dafür sind seine Lakritzaugen auch besonders schön. Papa denkt allerdings unverständlicherweise, es handele sich um einen Frosch. Das Kind versteckt Darth Vader beleidigt in seinem Zimmer, damit ihn niemand aus Versehen isst.
Nach zwei Tagen sind alle Kekse verschwunden.
Der nächste Versuch, Weihnachtsplätzchen zu backen, findet unter Ausschluss der Kinder statt. Die Haferflockenplätzchen waren gut, und auch die Schokoplätzchen. Dazu noch Vanillekipferl? Kein Problem.
Die Küche bleibt dieses Mal wesentlich sauberer, aber leider leben auch diese Kekse nicht allzu lange.
Die nächste Fuhre Kekse (Vanillekipferl, Bärentatzen, Schokoplätzchen) wird gut versteckt, und zwar nicht nur an einem Ort, sondern an mehreren, damit die Kinder (und deren Vater) bei ihren Raubzügen vielleicht nicht alles erwischen.
Als sich Weihnachten bedrohlich nähert (der Kalender zeigt den 23.Dezember) sind von den Keksen nur noch kümmerliche Reste übrig. Am nächsten Morgen stürzt man sich noch einmal in das Gewühl der Supermärkte, um Lebkuchen, Marzipankartoffeln und Dominosteine zu kaufen. Die Oma ist enttäuscht. „Nicht einmal selber Kekse gebacken habt ihr?„
Trotzdem schmecken die Sterne, Herzen und Brezeln immer noch.
Kurz nach Silvester entdecke ich im Zimmer meines Jüngsten einen Keks, den ich als Darth Vader identifiziere. Es tut nicht gut, auf die dunkle Seite der Macht zu wechseln, das ist sofort zu sehen. Jemand hat seine Lakritzaugen gegessen, und auch die hübschen grünen Smartie-Knöpfe und die Gummibärchenschuhe an seinem dunkle-Seite-Outfit sind verschwunden. Dafür fehlt jetzt auch der zweite Arm.
Als ich zu Ostern die kleinen Holzhasen-Aufhänger suche, finde ich in der Kiste eine Blechdose. Neugierig öffne ich sie und finde Vanillekipferl, Bärentatzen und Schokoplätzchen.
Natürlich sind es nur noch fünf Monate bis zum September. Man könnte sie aufbewahren. Aber eigentlich schmecken sie auch im April…
© Eloise
Frohe Weihnacht wünscht Angelface mit diesem Gedicht
leis geh ich froh
durch stille Gassen
gedämpft der Lärm
durch dichten Schnee
die hellen Lichter in den Strassen
Advent.... Advent
still eine Kerze brennt
In bunte Fenster voller Glanz
die Kinderaugen staunend schaun
gedeckt die Tische voller Pracht
der Weihnachtsmann im roten Mantel
er lacht und Kindern Freude macht
Der Weihnachtsbaum
schon abgeschlagen
schön grün und dicht
liegt vor der Tür
Geschenke bunt
in roten Bändern
versteckt im Schrank
in Wollgewändern
Advent .... Advent
ein Licht, es brennt
bald drei ....dann unversehens vier
und schon steht’s Christkind vor der Tür
~~~
Gedanken zum Fest......
Weihnachten ist die Zeit der ..
Besinnung.... der Geschenke...der Ruhe und der Stille
die Zeit des Nachdenkens und Erinnerns,
vielleicht an die Kindheit, als alles in unserem Leben noch in Ordnung war...nicht von der Hetze unserer Erwachsenentage erfüllt wurde....
viele Wünsche werden gedacht
große, kleine, winzige, unausgesprochene....
manchmal wünscht man sich
nur einen liebevollen Gedanken....
eine herzliche Berührung....
eine warme Umarmung....
Aufmerksamkeit....
wahr genommen .....
angenommen zu werden
so, wie man ist
Kleine Geschenke und Gesten
erhalten die Freundschaft – sagt man
Große können sie trüben
auch das - merkt man oft
Geschenke verschenken – Dankbarkeit und Freude
dieses an einen friedlich denken
das macht das Weihnachtsfest aus...
Geschenke können – entzücken, beglücken
Geschenke können er - und bedrücken
Geschenke kommen von Herzen
von dem, der sie schenkt.
Für andere manchmal – ein echtes Gottesgeschenk
Ansichtssache - wie man - darüber denkt
erwartet man sie nicht ....
diese kleinen entzückenden Aufmerksamkeiten
das gebundene Buch, die selbstgebastelten KLeinigkeiten, den Teddybär, die gestrickten Strümpfe, das Seidentuch aus Batik....
dann kommen sie geflogen
quer durch das All
wie auf Engelsflügeln
in Seide verpackt...
im rosaroten Raschelpapier
mit Flügeln, Engeln
und einem lieben Gedicht
ich stehe davor
ohne Worte - in Fassungslosigkeit und Freude
und frage mich...hab ich das verdient?
womit kann ich wiedergeben
was ich empfinde...
Und dennoch...
kein Geschenk dieser Welt
kann mir Paulchen und Julchen
meine verstorbenen Lieblinge wieder geben
kein Geschenk dieser Welt
gibt mir - Mutter, Vater oder Bruder
meine Gesundheit, meinen Glauben
all das – was ich verloren habe
auch den Glauben an die Güte des Menschen
gibt mir meine Unbefangenheit -
die unbeschwerte Unbekümmertheit
meiner Jugend
oder meine alte Liebe zurück
nur der Glaube an Weihnachten, die Stille und Ruhe, die Heiligkeit und die unerschütterliche Hoffnung die dieses Fest verströmt, der Gedanke, dass doch alles gut wird, weil es unserer Herrgott steuert, er uns in der Hand hat, uns aus den täglichen Kriegen führt....
gibt mir den inneren Frieden zurück.
(c) Angelface
(c)K.S.
Schon wieder Weihnachten
Jedes Jahr nehme ich mir vor,
kleine Geschenke schon im Sommer zu kaufen,
dann, wenn es nicht so teuer ist, und nicht so ein Trubel.
Ich habe es aber schon geschafft, sie so gut zu verstecken,
dass ich die Geschenke im darauf folgenden Jahr
beim Aufräumen im Kleiderschrank fand.
Gut, dass es keine Pralinen waren!
Dieses Jahr bin ich spät dran.
Mit der Familie waren wir uns einig nur Kleinigkeiten zu schenken.
Die Enkelkinder, ja,
die bekommen sogar große Wünsche erfüllt
von Oma und Opa.
Im November wollte ich mit allem fertig sein.
Knusprige Weihnachtskekse liegen in der Weihnachtsdose.
Das Haus ist geschmückt, die Fenster geputzt.
Dieses Jahr bin ich spät dran mit den Geschenken.
Liegt es an diesem regnerischen grauen Novemberwetter?
`Hast Du schon Weihnachtsstimmung,` werde ich gefragt.
`Nein, `sage ich, das Wetter spielt verrückt,
und meine Stimmung auch`!
Im Dezember stürze ich mich in den Weihnachtstrubel,
nur dieses Jahr!
© Klärchen
Mit meiner kleinen Erinnerung an die Freude der Weihnachtsvorbereitungen und mit einem kleinen Gedicht möchte ich allen Lesern eine besinnliche Weihnachtszeit wünschen.
Gisela Mach (Hannah7)
~~~
Zeit der Erinnerungen
Weihnachten, das Fest der Liebe, das Fest der Kinder und das Fest der Kinder in uns, die sich pünktlich zur Adventszeit bemerkbar machen.
Ja, wieder einmal steht Weihnachten vor der Tür, und ich überlege, womit ich meine Kusinen überraschen könnte.
So manch schwere Stunde haben wir miteinander verbracht.
Evchens Schwester, die jüngste von uns, starb im Frühling. Lungenkrebs setzte ihrem Leben viel zu früh ein Ende. Ihre Tochter wird in diesem Jahr mit ihrem Vater verreisen, um Weihnachten fern ab von hier zu entkommen.
Gabrieles Krebserkrankung kehrte im letzten Jahr zurück, sie kämpfte hart, erneut hat sie nun eine Chemo-Therapie überstanden, und hofft, sich von ihren Beschwerden endlich zu erholen.
Ja, - und ich bin gelähmt. Nun sind bereits 36 Jahre
seit dem tragischen Unfall vergangen. Wir Kusinen sind eine enge Gemeinschaft geworden und spüren, dass wir einander sehr nahe stehen.
Traurigen Gedanken wollen wir heute keinen Raum geben, denn wir wissen, es gibt für alles im Leben eine bestimmte Zeit.
Wir haben miteinander gelernt, auch auf das zu schauen, und bewusst auf das zu schauen, was unsere Seelen wärmt, uns verbindet und ein Stückchen heilen lässt. Liebgewonnene Traditionen können einen Rahmen bilden, der zusammenhält. Auch dies gehört zu dem Zauber der Weihnacht.
Wir sitzen gemütlich beisammen, geniessen unsere Vertrautheit, und besinnlich lasse ich meine Gedanken in die Zeit unserer Kindheit zurückschweifen...
In jedem Leben gibt es kleine Erinnerungen, die nicht vergessen werden.
Wenn zum Beispiel Grossmutter ihren hölzernen Nähkasten herausholte, konnte keines von uns Kindern der Versuchung widerstehen, ihre Kostbarkeiten, die sie im Laufe der Jahre in den, für uns, unzähligen Fächern angesammelt hatte, zu betrachten.
Angefangen von ihrem selbstgenähnten Nadelkissen bis hin zu dem Stopfpilz und der alten Cremedose, angefüllt mit perlmuttfarben schimmernden Knöpfen - alles strahlte so viel Liebe aus und schenkte uns Erinnerungen an die Dinge, die sie oft in stundenlanger Arbeit angefertigt hatte.
Noch heute erinnern wir uns bei der eigenen Handarbeit gern an diese vertrauten Stunden.
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Evchen werde ich die Erinnerung an Grossmutters Nähschätze zu Weihnachten schenken, überlege ich. Ich sehe es nun wieder vor mir, wie ihre Augen damals strahlten ... wenn Grossmutter es uns gestattete, in ihr Nähzimmer zu kommen.
Gabriele, meine ältere Kusine, weihe ich am nächsten Tag in meine Vorbereitung ein.
Damit uns die Zeit nicht drängen wird, sind wir bereits am Nachmittag auf unserer kleinen Reise, Erinnerungsstücke der Kindheit aufzustöbern. Ich kenne einige kleine Lädchen, - doch werden wir dort das Richtige finden? Einige Samtbänder habe ich noch von Grossmutters Schätzen verwahrt, ebenso wie einige selbstgehäkelte Spitzenmuster, einige handgeschriebenen Notizen zu einem Kleid, das sie uns Mädchen nähte, - damit kann ich den hölzernen Nähkasten, den ich bereits besorgte, auffüllen und ihm gleichzeitig einen Hauch Erinnerung eingeben.
Doch vieles fehlt noch.
Hotelzimmer sind schnell in Hannover gebucht, und wir freuen uns auf die Weihnachtsmärkte und die Weihnachtseinkäufe.
Wir nehmen den Zug und erreichen die Stadt erst als es dunkel ist.
Der grosse Bahnhof wird bereits weihnachtlich geschmückt. Tannengirlanden und Lichterketten werden mit einem Hubsteiger angebracht und drei grosse Tannenbäume, mit roten und goldenen Kugeln geschmückt, stehen vor dem Weihnachtsmarkt am Bahnhof.
Wir schlendern durch die breiten Strassen. Alle Schaufenster sind bereits weihnachtlich dekoriert. Wunderschöne, nostalgische Kalender gehören zu unseren ersten Einkäufen, aber auch Garne, Nadeln, ein altes, romantisches Nadelkissen, Fingerhüte, wie Evchen sie gern mochte, eine Schatulle mit älteren Permuttknöpfen, ein Stückchen weisser Litze ... es scheint, uns begleitet bereits ein Hauch unserer Kindheit.
~~~
In meinem Hotelzimmer angekommen, rufe ich Evchen in Krefeld an, um zu erfahren ob sie die Puppe für unsere ältere Kusine Gabriele bereits beim Puppendoktor abholen konnte.
,,Ja, sie ist fertig restauriert," freut sich meine Kusine.
,,Sie ist fast noch schöner als damals." -
"Damals", - das liegt nun über 40 Jahre zurück.
Unsere Grossmutter schenkte uns drei kleinen Mädchen zu Weihnachten jeweils eine Schildkröt Puppe, die uns durch unsere Kinderzeit begleitete.
Wie oft haben wir drei uns an dieses besondere Weihnachtsfest erinnert ...
Gabriele liebte ihre Puppe heiss und innig.
Ihre Mutter hatte darum den Puppentorso lange Zeit
aufbewahrt, doch schliesslich einem Cousin überlassen, der altes, - auch zerbrochenes - Spielzeug sammelte.
Bei ihm entdeckte ich vor einigen Wochen die Überreste von Roswitha, - wie Gabriele ihre Puppe genannt hatte.
Mit Evchen plane ich, die Puppe für Gabriele restaurieren zu lassen, um sie zu Weihnachten damit zu überraschen. Wir finden zwischen unseren Kindheitserinnerungen sogar noch einige alte Puppenkleider, die wir genäht hatten. Die feine Spitze für die kleinen Kragen hatte Evchen gehäkelt, - ich erinnere mich genau.
Natürlich ist unser Cousin bereit, uns die alte, zerbrochene Puppe zu überlassen.
Wir fanden einen Puppendoktor auf den Internetseiten
und brachten die zerbrochene Roswitha dorthin.
Nun ist sie wieder heile, hat eine neue Perücke aus Echthaar erhalten, ist geklebt und verspachtelt worden.
Evchen und ich sind aufgeregt wie in unseren Kindertagen und während wir telefonieren, erfüllt die Vorfreude auf Weihnachen bereits unsere Herzen.
Als ich mit Gabriele am nächsten Tag wieder auf der Rückfahrt bin - gut ausgestattet für Evchens Geschenk - empfinde ich tiefe Dankbarkeit für diese wunderschöne Vorweihnachtszeit, die ich mit meinen Lieben in diesem Jahr erleben darf.
(c) Hannah7
Angelika Röhrig
Für mich beginnen die Advents -und Weihnachtsvorbereitungen in der Woche nach Allerheiligen.
Draußen verliert der Apfelbaum sein Messinglaub und auf dem Tisch duftet heißer Tee. Kerzen brennen, und zwischen Bastelfolien und Häkelzeug tummeln sich erste Spekulatius und Lebkuchenherzen.
Ich erzähle Geschichten aus meiner Kindheit auf dem Lande und plötzlich sehe ich meinen Bruder und mich auf der großen breiten Fensterbank in der alten Küche sitzen und ungeduldig auf den Schnee warten:
Schneeflockenzauber
Paula und Sven sind aufgeregt.
Draußen riecht es nach Schnee. Schon eine Weile sitzen sie geduldig am Fenster und warten. Mit ihrem warmen Atem vernebeln sie das Fenster. Die Finger malen Sternchen hinein.
„Mama, Mama, wann kommt der Schnee denn endlich?„ fragt die kleine Paula ungeduldig.
Ausnahmsweise trägt die Mutter eine lange Schürze.
Sie lacht: „Wisst ihr, was wir machen? Wir backen Schneesterne.„
Schnell verlassen die Kinder ihren Wächterplatz am Fenster.
Backen mit Mama, dafür ist nicht oft Zeit. Die Zutaten stehen schon auf dem Tisch.
Sven, der sieben Jahre alt ist, darf die Zutaten abwiegen. Die fünfjährige Paula schlägt konzentriert die Eier auf. Mutter knetet den Teig.
„Jetzt muss er für eine Weile im Kühlschrank ausruhen.„
Noch immer schneit es nicht. Paula und Sven sind enttäuscht.
„Ihr wünscht euch ganz heftig viel Schnee? Nicht wahr?„ sagt die Mutter
Die Kinder nicken.
„Wisst ihr, dass Schneeflocken eigentlich Federn von Engelsflügeln sind?„
Die Kinder machen große Augen. Sven zieht die Stirn in Falten und meint. „Aber Mama, die Schneeflocken sind doch gefrorenes Wasser.„
„Ja„, sagt die Mutter, „das stimmt, aber es sind auch Engelsfedern.„
„Wie kommen die denn in die Wolken?„ fragt Paula.
„Das ist so, viele Menschen haben große Wünsche. Es gibt Dinge, nach denen sehnen sie sich so sehr, dass es fast weh tut. Aber nicht alle Wünsche erfüllen sich, wie ihr wisst. Mit der Zeit werden sie immer größer.
Stellt euch einen roten Luftballon vor!
Wenn du hinein pustest, wird er immer größer. Irgendwann reißt der Wind ihn dir aus der Hand, und er schwebt davon. Du schaust ihm traurig hinterher.
So ist es auch mit den Wünschen! Der Wind trägt sie auf die andere Seite der Welt. Dort sind die Engel zu Hause. Die kleinsten Engel zerreißen sie in kleine Stückchen und kleben sie auf die Flügel der erwachsenen Engel.
Nun sind Engel ja immer unterwegs zwischen Himmel und Erde und auch hinter den Wolken, besonders die Schutzengel.
Die haben Dienst rund um die Uhr, müssen schließlich gut aufpassen auf ihre Menschen.
In dem ganzen Hin- und Hergewusel verlieren sie Federn, und die fallen im Winter als Schneeflocken auf die Erde. Sie trösten die Menschen mit den großen Wünschen ein wenig und stimmen sie sanft. Für eine Weile sind die sehnsüchtigen Gedanken nicht mehr so schwer. Sie lachen sogar, wenn eine Flocke auf ihre Nase fällt und schmilzt, denn das kitzelt.
Die Menschen vergessen für eine Weile ihren großen Kummer. Sven schaut die Mutter fragend an:
„ Werden die Menschen denn nur im Winter getröstet?„
„Nein, „ antwortet die Mutter, „ im Frühling fallen die Federn als kleine weiße Blüten von den Engelsflügeln und schmücken unseren Kirschbaum.
Im Sommer werden sie zu Pusteblumen, deren kleine Schirmchen im Wind davon segeln,
und im Herbst wechseln sie die Farbe und regnen als bunte Blätter von den Bäumen.„
Und jetzt holen wir den Teig aus dem Kühlschrank.„
„ Ich will ausrollen.„ ruft Sven.„
„Nein ich will ausrollen.„ schreit Paula.
„Kinder, Kinder, streitet euch nicht, schaut lieber mal hinaus.„ Lockt die Mutter heiter. Paula und Sven schauen aus dem Fenster.
Und wirklich, die ersten Schneeflocken haben den Weg auf die Erde gefunden.
@Angelika Röhrig
Mein Weihnachtsgeschenk
Jetzt hasten sie wieder
und rennen und kaufen.
Und backen und putzen.
Und stylen und wienern.
Viel Glanz in der Wohnung,
kein Glanz in den Augen.
Die Herzen sind leer.
Komm her, setzt Dich zu mir.
Für mein Geschenk an Dich muss ich nicht hasten.
Ich nehme mir einfach Zeit für Dich.
Schließ die Augen und hör mir zu.
Und geh mit mir den Weg der Phantasie.
Aus Winterwolken baue ich Dir ein Schloss.
In seinen Gärten sind die Blüten aus Eiskristallen.
Silberweiß, geheimnisvoll.
Der Duft von Äpfeln und Zimt umschwebt Dich.
Sättigt Deine Seele.
Hektik fällt von Dir ab.
Weihnachtsfrieden kehrt ein.
Wenn Du dann zurückkehrst,
in eine schnelle, laute Welt,
dann ist in Deinem Herzen das Wolkenschloss.
Seine Blumen, seine Düfte.
Wann immer Du willst,
Du kannst es besuchen.
Tief in Dir, im Reich der Phantasie.
Deine Ruheoase.
Regina Krause
Gruß von Vater
Irgendwo musste noch Vaters Wintermantel sein, da war ich ganz sicher. Nachdem ich einige Schränke auf dem Dachboden durchwühlt hatte, fand ich ihn. Fein säuberlich mit einem Kleidersack geschützt.
„Was meinst du, Papa? Kann ich ihn verschenken?„, fragte ich mit leiser Stimme.
Ich hatte am Vormittag den Friedel gesehen. Er gehörte zum Bild meiner Stadt wie die Apostelkirche und das Rathaus. Sein brauner Anzug, der dringend eine Reinigung nötig gehabt hätte, war zerschlissen. Ein ehemals weißes Oberhemd und eine Krawatte rundeten das Bild ab, irgendwie wirkte er vornehm, nicht wie ein Penner. Seine linke Hand umklammerte eine Aldi-Tüte, in der er wohl sein Hab und Gut aufbewahrte und in der rechten hatte er eine Bierflasche. Seit vielen Jahren sah man ihn so durch die Fußgängerzone wanken.
Er bettelte nicht. Trotzdem steckten ihm die Leute immer mal wieder einen Euro zu.
Es war kalt geworden und es tat mir Leid, dass er da in seinem dünnen Anzug durch die Straßen lief. Ich wollte ihn aber nicht beleidigen, wenn ich ihm den Mantel schenkte und war sehr unsicher, ob es richtig wäre, das zu tun.
„Er wird sich freuen, mach es ruhig„, hörte ich plötzlich die Stimme meines Vaters und ich blickte mich irritiert um. Da war nichts und doch hatte ich es ganz deutlich gehört.
„Okay„, sagte ich. „Wenn du das sagst!„ Ich lächelte über mich selbst und doch war mir ein wenig unheimlich zumute. Schließlich war mein Vater seit vielen Jahren tot.
Am nächsten Tag brachte ich dem Friedel den Mantel. Ich hatte ihn in eine Sporttasche gepackt und einen Stollen dazugelegt. Ich ging auf ihn zu, reichte ihm die Hand und übergab ihm die Tasche.
„Ein lieber Gruß von meinem Vater!„, sagte ich und sah ein Staunen in seinem Gesicht.
„Frohe Weihnachten!„, sagte er, Tränen blitzten in seinen Augen.
„Frohe Weihnachten„, sagte ich. „Frohe Weihnachten!„
© Regina Meier zu Verl
Autoren und ihre Gedanken zum Fest
bunt, himmelblau und versonnen, schwarzgrau und rosa
romantisch, melancholisch, zwiespältig, aber auch kritisch der Zeit und den Verhätnissen angepasst,
in Kindheitserinnerungen versunken, sehnsüchtig die alten Zeiten herbeisehnend
es gibt aber auch die andere Seite, das Heute
hier und überall in der Welt
Menschen, für die es kein Weihnachten gibt
zum Nachdenken
Weihnachten mal anders
Weihnachtszeit,
helle Lichter vom Kugelhagel.
Keine Geschenke, traurige Gesichter.
Auch Frieden in der Welt,
ist abhängig vom Geld.
Da sind nicht nur die Bankenkrisen,
die Arbeitsverkürzungen der Autoriesen.
Arbeitslose und Hartz IV
Überschwemmungen, Feuer vor der Tür,
Terroristen, Atomtransporte.
Lebensmittelvergiftungen , Viehtransporte,
stopfen der Weihnachtsgans ,
man glaubt es kaum,
dem Eisbären fehlt der Lebensraum.
Soldaten müssen ihr Leben lassen,
für was erfahren sie nie -
für Öl und Umweltfrevel der Industrie.
Im Kongo sterben sie in Raten,
erschossen auch von Kindersoldaten.
Kinder verhungern in Afrika,
sterben an Aids Jahr für Jahr.
Wer hilft ihnen in ihrer Not?
- in jeder Minute ein Tod.
Halleluja -
Weihnachten ist da!
(c) Klärchen
weiss und rein wie schnee
fuer die seele ruhe, glueck
so erwartungsvoll
bun
te
hasen fein
pinsel voll farben und licht
osterglocken mein
© animantis und freunde
Texte: Die Rechte für die Texte und die Bilder liegen bei den genannten Autoren.
Tag der Veröffentlichung: 15.11.2008
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Die Autorengemeinschaft "Tannengrün" wünscht den Lesern eine stimmungsvolle Vorweihnachtszeit