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BerlinMitteDerWoche.
Mein Zeugefinger wandert suchend als Zeiger der tickenden Zeitbombe Straßenkarte auf Pfaden, auf denen ich gestern am 17. Juni zunächst siegessicher mit sämtlichen Japanern aus Japan wandelte.
Nach Neukölln laufen? Klar. Man nennt mich auch die Vierzigblockgängerin.
Ich kann tatsächlich in der Tat – Test gut - gut 40 Blocks weit laufen. Mühelos.
Dummerweise landete ich – gestern als reaktionärer Orientierungsverlierer - an der Siegessäule.
Nun suche ich - der Säule Sieger - á la carte mit Wurstfäden, die Straßennamen tragen. Versuche dabei, knick und knack, die Karte der Karten nicht mehr als nötig zu dematerialisieren, als sie es sowieso schon ist.
Origami verstehe ich. Dieses Faltkonzept dagegen NICHT. Verhält es sich zu meinem Lebenskonzept wachsend, wie ich gerade merke, antiproportional.
Fünfzig Mal geknickt und gefaltet, und das nicht nur von mir, gehört es zu den Plänen, welche universal und global alle Lebensklassifizierungen als Zielgruppe betreffen wollen. Amöben ausgeschlossen.
Der Trick besteht darin, dass man sich a) von den Amöben unterscheidet und dass man sich b) beim Wiederzusammenknicken gegen das Einknicken die originalen Knickstellen merken muss. Was aber - c) Fußzeile des Trostes - so gut wie keinem gelingt.
Per Pedes kann man einen unwiederknickbaren Knickplan dann - je nach Stimmungslage – unauffällig als Sichtschutz verwenden - die Japaner quietschen vor Vergnügen und halten den neuesten Schrei camfast fest für die geknickten strähnig Daheimgebliebenen – oder auch, im Auto ebenso empfehlenswert und sehr nett, wenngleich nicht zur Wegfindung - als Sonnenschutz.
d) Tipp: weg finden und Wegfinden sind zweierlei.
Nach einer halben Stunde Michnichtknickenlassens erinnere ich mich zerknirscht an meine frühkindliche Begegnung mit dem Zauberwürfel. 80er Jahre. Einmal durcheinander, immer durcheinander.
Nur hatte der Würfel mit seinem Zauber wenigstens noch eine sympathische Ausrede. Die Karte setzt auf unsympathische Realitäten. Aber gut, Liberté toujours. Allmächtig sind die Glaubenden. Denn dort, wo ich das Brandenburger Tor vermute, gafft mir ein Loch entgegen. Wohl, weil es sich in einer Vierfachknickfalte befunden hatte. Einst. Kein Paradischen.
Mein Kaffee schmeckt zum Glück, ja, das muss man haben, herrlicher als ein paar Radieschen und trotzt so der irren Realität mit Wasser von gestern, da hier im Haus seit sieben Endzeitbohrungen vorgenommen werden. Moralisch, was meine Moral angeht, höchst inkorrekt.
Die Wende. Dargestellt in Falten.
Ob diese Darstellung anhand qualligquadrodiabolinischen Faltenumbruchs an Brandenburgertorstelle, welche durch übriggebliebenem Loch meine Wangen mit Tränen nässt, politisch korrekt ist, weiß ich nicht. Weil ich polar gesehen nicht politisierend denken kann. Ich würde ja den Hersteller fragen, ob er beim Faltendesign mal darüber nachgedacht hat, aber dazu müsste ich das faltzersetzte Mobile zusammenfalten und die Knicke treffen.
Zu dieser haarigen und schon beim Ansatz zum Scheitern verurteilten Umsetzung bräuchte ich allerdings noch mindestens zwei Tassen Kaffee, was aber – wie gesagt – nicht geht, weil ich, ich schrub es, kein Wasser mehr vorrätig habe. Der Hahn liegt brach und kräht nicht mehr. Seine Zacken machen Mucken und kein Gold hängt in seiner Krone. Ich breche mir daraus keinen Zacken und tackere den Plan samt Falten so straff organisiert wie möglich aufs Parkett. Vollziehe so meine persönliche Wende hinaus in die Welt, hinaus und frei mit haateeteepeedoppelpunktdoppelsläschwehwehweh. Lieber Tee als gar keine Liberté. Ne? Wie im Paradischen. Da muss man nix falten jetzt bei Gedankenumbrüchen. Bis ich die Radieschen von unten angucke, will ICH mit Falten eigentlich nix mehr zu tun haben. Denke ich mir.
Meine Gesichtsmuskulatur denkt anders, falls sie denkt. Wenn sie denkt, gedenkt sie jedoch nicht, über moralischpolitische Correctness nachzudenken. Meine Stirn nämlich liegt in Falten. Ungeniert undesigned mit weißen Löchern, die schlicht und ergreifend scheiße sind. Und sich übrigens auch so anfühlen.
(Wenn Sie die Poemik, liebe Menschen, bis hierher nicht verstanden haben, macht nichts: Fühlen Sie sie einfach!)
Scheiße. Mein Hirn gleicht einer beschissen inkorrekten Wurstkarte für universale Wesensarten, wie ich es auch dreh’ und wende. NEINEINEINEINÖINÖINÖIN… NEUN?!
89! Gedankenmauer fällt mir wie Schuppen aus anderer Leute (!) Haar: Wenn ich plane, fort zum - vom Faltplan für die neue Welt - neu erworbenen Ground Zero zu schreiten, bestreite ich – mit großer Wahrscheinlichkeit meiner Annahme logisch Folge leistend – Neukölln! Da gibt’s nix zu streiten. Voranschreiten heißt fortschrittlich denken, erst recht in löchrigen Käsesituationen.
Besser Falten designieren statt faltig zu resignieren.
e) Tipptipptoptagestipp aus Berlin Mitte der Woche: Leben á la carte ist ein fauler Haufen faltiger Darmwurst mit Löchern.
Gelebtes Leben ist Feuerstuhl. Das flutscht einfach.

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Tag der Veröffentlichung: 17.06.2009

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