Einschlafprobleme und der unmittelbar damit im Zusammenhang stehende Schlafmangel sind mitunter Folgen – schwer verkenntlich – von Missverständnissen.
Missverständnisse entstehen zwischen zwei oder mehreren Wesen, die sich kennen können. Sie können sich aber auch nicht kennen.
Missverständnisse mögen keine Reden und sind ganz und gar keine netten Weggenossen.
Nett wären, so könnte man denken, Misswahlen für Verständnisse. Miss Verständnis zu Ehren würde man sich allerdings – weil bei Misswahlen das Reden nicht zählt –missverstehen.
Da haben wir ihn wieder, den Salat! Denn DAS wäre - dem Verständnis gegenüber – doch äußerst unhöflich und unangebracht. Deswegen gibt es sie wohl auch erst gar nicht. Diese Art von Misswahlen. Obwohl es viele Wahlen gibt, die ebenso am Ziel vorbeischießen und man sie gernstens missen würde. Hätte man die Wahl.
Aber nun zu der eigentlichen Geschichte. Ein großer Mist, wie ihr als Überschauer der misslichen Lage alsbald erfahren werdet.
Es ist die Geschichte über die Missverständnisse der Undambetts, die so ganz und gar nicht damenhaft ist, und einer Gattung der Aufdembetts. Uns auch bekannt als Menschenkinder. Die Menschenerwachsenen haben insofern missverstanden, weil sie die Undambetts, die sie einst als Menschenkinder so fürchteten, schlichtweg verdrängt haben. Was sie nicht verstehen, lassen sie einfach stehen. Und gehen. Wenden sich anderen Dingen zu, die mehr Angst machen. Oder wenden sich dahin, das ist die einfachste Wende, wo Verständnis herrscht. Papa popelt. Und Opa setzt noch einen drauf: Zwei Popel. Die sich, wenn sie Glück haben, bestens verstehen und für jede Menge Popelspaß sorgen. Keine Sorge! Selbst nicht bei Angst.
Aus Angst vor den Undambetts haben die Menschenkinder über viele Generationen hinweg das Bettkantenweitspringen gelernt und darwinistisch weiterentwickelt. Die Menschenkinder gehen nicht. Sie bleiben. Gehen ist auch zu blöd, wenn man eigentlich im Liegen schlafen und schön träumen will. Unters Bett zu gucken täte sich mal lohnen!
Angst geht manchmal vergessen. Mit dem Größerwerden. Und DANN hört man sie sagen:“ Die Undambetts?! Die gibt’s doch gar nicht. Spring’ doch nicht immer so! Das nervt die Oma Galle, die unter uns wohnt, und dann wieder mit ihren Krücken gegen die Decke pochert. Und schau: MICH haben die Undambetts doch auch nicht zum Fressen gern gehabt. Hier stehe ich!" Und lächeln liebevoll.
Einst hat es sich aber zugetragen, dass mir die wirklich wahre Geschichte der Undambetts zu Ohren gekommen ist. Und die will ich nun mit euch teilen, um diese ewigen Missverständnisse ein für allemal aus dem Weg zu räumen.
Die Undambetts sind ein lustiges Völkchen. Sie hüpfen und tanzen und johlen. Den ganzen lieben langen Tag lang, als hätten sie außer Hüpfen und Tanzen und Johlen nichts Besseres zu tun. Den ganzen lieben langen Tag lang. Und Angstmachen. Aber diese Aufgabe erfüllen sie nur unfreiwillig. Abends. Dann, genau DANN um jene Uhrzeit, wenn Menschenkinder in ihre Betten plumpsen wollen. Oder sollen. Unfreiwillig. Jeden Abends das gleiche Spiel: Einen Meter dreiundachtzig Anlauf und dann mit galantem Sprung ohne Kniestoß in die Kiste. Ein ausgeklügeltes System, das sich über viel Jahrzehnte hinweg durchgesetzt hat.
Die Menschenerwachsenen schütteln dann stets ihre Häupter und sind ratlos. Ratlos darüber wären allerdings auch die Undambetts, die ihre Aufgabe nur im Hüpfen, Tanzen und Johlen sehen. Nicht aber im Angstmachen. Darin sind sie eigentlich schrecklich schlecht. Genauso schrecklich schlecht wie wenn man sagt: Achtet auf die Böden. Sie sind längst unter uns. Das ist doch ein Blödsinn, ein reiner. Obendrein sehr schrecklich.
Einmal hat ein Menschenkind, nennen wir es der Einfachheit halber Tristoferus, unters Bett gesehen. Er war sehr trist, weil er im Bettkanntenweitsprung allabendlich scheiterte.
Und WAS hat er gesehen? Hüpfend, tanzend und johlend? Die Undambetts. Die sahen ganz und gar nicht unnett aus. Und sie haben ihn dazu eingeladen, zu ihnen unters Bett zu kriechen, um dort eine dicke Party zu feiern. Sie setzten ihm ein paar Flausen in den Kopf und bald hatten Tristoferus Füße alle Hände voll zu tun mit – ihr wisst es schon – Hüpfen und Tanzen. Und Johlen!
„Tristoferus! Was treibst du da?!“, fragten seine Eltern ihn.
Papa genoss hinter Mamas Rücken genussvoll einen Popel. Mama hätte ihm zu gern auf die Finger geklopft, hätte sie es gewusst. Aber nicht nur diesem Wissen kehrte sie den Rücken und tat sich – anstelle – lieber bücken unters Bett.
„Schaut doch nur!", rief Tristoferus - der Einfachheit halber - unterm Bette hervor. „Die Undambetts: Wie sie Spaß haben am Tanzen und Hüpfen und Johlen!" Und fand das ganze Klimbamborium spaßig im höchsten Maße. So spaßig, dass er nie wieder ein Aufdembett sein wollte. Seine Eltern fanden das weniger spaßig und wollten ihn da unten herausholen.
Sie nahmen zunächst liebe Worte, die dann immer lauter anschwollen und zu unlieberen Worten wurden.
Dann kam Popelpapa eine Idee: Er holte Popelopa, der ganz gut zu Gruseln wusste und spann mit ihm Gruselgeschichten am seidenen Faden. Aber das Gruseln machte Tristoferus keinen Spaß mehr.
Alsbald liehen sie sich Oma Galles Krücken und versuchten damit, Tristoferus hervorzuholen. Was ihnen aber misslich misslang. Seufzend und ratlos knieten sie nun vor dem Bette: Rückenbückenmama, Krückenoma Galle, Popelpa- und Popelopa.
Da luden die Undambetts sie dazu ein, mitzuhüpfen, mitzutanzen und mitzujohlen. Den ganzen lieben langen Tag lang, als hätte man nichts besseres zu tun.
Man besprach sich. Gründete einen riesigen Krisenrat und beschloss, schließlich einstimmig, die Einladung anzunehmen.
Auf allen Vieren krochen die Menschenerwachsenen, vier an der Zahl, zu Tristoferus und den Undambetts unters Bette und ließen sich anstecken mit – ihr wisst es schon – Hüpfen und Tanzen und Johlen. Den ganzen lieben langen Tag lang.
„Das war ja ein gigantisches…“, fing Popelopa an.
„Ein überdimensional wahnsinniges…“ unterbrach ihn Popelpapa.
„Ein überaus phänomenales und…“ Da fiel Rückenbückenmama ein Popel aus längst verdrängten Zeiten aus der Nase und Krückenoma Galle stach ihr ins Wort:
„…und unwiderbringlich ätzendes…“
„MISSVERSTÄNDNIS!", riefen sie dann alle wie aus einem Munde im Chor ohne Noten.
„Hast du da noch Töne“, sagte ich da, als ich von der Geschichte erfuhr. Ich strich mir durch die lichten Haare. Eine haarige Geschichte war das doch! So völlig an den Haaren herbei gezogen und doch: So verständlich!
Eines ist der Geschichte vielleicht noch hinzuzufügen, damit es keine weiteren Missverständnisse gibt: Tristoferus, Popelpa- und Popelopa, Rückenbückenmama und Krückenoma Galle kamen auch wieder unterm Bette hervor. Aber nur zum Popeln hinter Rückenbückenmamas Rücken, für die Schule und die Arbeit. Zum Marmeladeeinkochen und zum Gruselgeschichtenspinnen. Manchmal gingen sie auch noch aus oder in den Garten, wenn es draußen schön war. Aber eines war klar: Zum Lachen mussten sie fortan nicht mehr in den Keller gehen.
Tag der Veröffentlichung: 23.04.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für die Aufdembetts.