Caroline
Wer bin ich?
Wo bin ich?
Warum bin ich hier?
Das waren die drei Fragen die ich mir jeden Tag stellte. Zur ersten Frage. Nur noch wage konnte ich mich an meinen Namen erinnern. Es war irgendwas mit C gewesen. Ich glaube so hieß auch mal meine Grandma. Caro…. Jetzt brauchte ich nur noch den Rest. Carolin… nein das war er auch nicht. Caroline. Das war’s. Mein Name war Caroline Hampton. Gut nun zur zweiten Frage.
Meine Augen ließen sich nur schwer öffnen, und wenn dann sah ich nur schwarz. Es war dunkel. Es roch vertraut. Unter mir fühlte ich das große, weiche Bett. Die Decke war feucht. Ich hatte in der Nacht geschwitzt, weil ich einen Alptraum hatte. Nach dem Bett und dem Geruch zu urteilen, befand ich mich in meinem Zimmer. So und nun zur allerletzten Frage.
Diese konnte ich leider nicht beantworten. Warum ich hier war, war ein Rätsel das ich nicht lösen konnte.
Eins
„Caroline!“, das war die erboste Stimme meiner Mutter, „Zieh dich an, du hast die erste Stunde schon verpasst. Mach schon. Ich habe dann noch einen Termin und möchte nicht zu spät kommen.“
Ja hauptsache meine Mutter, Jana Hampton, kam nicht zu spät. Typisch für sie.
Widerwillig stieg ich aus meinem Bett und ging mich duschen. Das warme Wasser prasselte auf meine Haut und machte meinen Kopf frei von Gedanken.
Schnell zog ich mir danach einen schwarzen knielangen Rock, ein weißes Trägertop und einen schwarzen Wollpulli an. Kurz kämmte ich mir meine dunkelbraunen, gelockten Haare durch. Jana hatte Recht, ich hatte die erste Stunde schon verpasst. Schleunigst nahm ich mir einen Apfel für Unterwegs mit und schwang mich auf mein Fahrrad. Irgendwie hatte ich keine Lust zur Schule zu gehen. Aber es war der erste Schultag nach den Herbstferien und schwänzen konnte ich jetzt nicht.
Also rannte ich den restlichen Weg zum Klassenraum. Ohne nachzudenken riss ich die Tür auf. Ich hatte erwartet dass mich nicht alle anstarren würden. Doch ich hatte mich geirrt. „Tschuldigung’“, murmelte ich und setzte mich auf meinen Platz neben Susi. Als Herr Nase, den wir alle wegen seinen roten Haaren Fuchs nannten, sich wieder seiner Vorlesung widmete, beugte sich Susi zu mir herüber.
„Wieso bist du zu spät?“
„Ich hab verschlafen.“
„Du?!“, entfuhr es Susi laut. Verlegen senkte sie den Kopf, als Fuchs sie anschaute. Nachdem er sich nun wieder auf seine Arbeit konzentrierte, sprach Susi weiter.
„Du hast verschlafen. Du. Caroline Hampton. Meine beste Freundin, die noch nie verschlafen hat!?“ Eine kleine Falte bildete sich auf ihrer Stirn als ich nur nickte. Susi und ich waren seit dem Kindergarten die besten Freundinnen. Und sie hatte Recht. Ich hatte wirklich noch nie verschlafen. Bis jetzt hatte ich nur immer geschwänzt. Aber fürs Verschlafen war ich nicht bekannt.
Sie wollte weiter reden, doch da nahm Fuchs sie dran. „Was sagen sie, Fräulein Main, zu Frau Doktor Simsel?“, fragte er wütend. Susi zuckte nur die Schultern. „Das dachte ich mir“, er schnaubte wild. Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich sagen dass sich das ziemlich nach einem Fuchs anhörte. Irgendwie hatten das auch die anderen gedacht, denn ein leises Kichern ging durch die Klasse. Ach ja, unser geliebter Fuchs.
Die Stunde zog sich in die Länge. Doch irgendwann ertönte das Klingeln was uns alle erlöste.
„Gott der Fuchs geht mir so auf die Nerven. Am liebsten würde ich ihm…“, Susi schrie fast.
Ich legte meine Hand auf ihren Unterarm um sie zu beruhigen. Nur selten hatte meine Freundin schlechte Laune. Sonst war sie die Gute Laune in Person. Überall wo sie hinging, tauchte sie alles in Fröhlichkeit. Aber heute war sowieso etwas anders an Susi. Sie sah nicht so wie immer aus. Ihre Haut war sehr blass, die Haare waren irgendwie viel blonder geworden. Und ihre Augen waren irgendwie … nun ja … anders. Es kam mir so vor als ob Susi besser
sehen konnte, als der Rest. Aber das klang absurd.
„Wie war eigentlich gestern das date mit diesem … Rick?!“, fragte ich sie neugierig.
Rick war der neue Lover meiner Freundin. Sie hatten sich schon ein paar mal getroffen, doch nie war es ein richtiges Date.
„Ganz nett“, erwiderte sie kalt. Überrascht zog ich eine Augenbraue hoch.
„Ganz nett?!“
Sie nickte nur noch mal zum Nachdruck. Für sie war Rick Geschichte.
„Und wann willst du dich mal mit Steve treffen?“, fragte Susi in einem ganz beiläufigen Ton.
„Steve ist ein Arschloch“, antwortete ich ihr.
„Aber ein sehr gut aussehendes.“
„Nein.“
„Oh doch. Du fährst auf sein Sixpack ab.“
„Tu ich gar nicht.“
„Tust du wohl. Sonst würdest du es nicht abstreiten.“
Sie lächelte nun wieder und unwillkürlich musste ich mitlächeln. Ja okay, Steve war ganz sexy und ja ich stand tatsächlich auf sein Sixpack. Aber das würde ich Susi nicht sagen.
„Ah wenn man vom Teufel spricht“, mit diesen Worten ließ sie mich mit Steve allein.
„Hej Caro. Wieso bist du heute zu spät gekommen?“, fragte er mich.
„Ich habe verschlafen“, erwiderte ich.
„Warte… Du willst mir sagen das du, Caroline, verschlafen hast?!“
„Jep. Manchmal passiert mir das auch mal. Und ausserdem was geht’s dich an?!“
„Es geht mich sehr viel an. Denn schließlich hast du ja von mir geträumt.“
„Träum weiter Herzensbrecher.“
„Oh das werde ich machen meine Liebste. Und zwar nur von dir.“
„Was willst du wirklich?“, fragte ich nach einem kurzen Schweigen.
„Hast du heute Abend schon was vor?“ Steves Stimme klang ernst.
„Nein eigentlich nicht…“
„Super ich hol dich um sieben ab ja.“ Dann ging er wieder zu seinen Püppchen.
„Klar.“, hauchte ich.
„Oh Mein Gott. Caroline hat ein Date mit Steve. Tzz, und du sagst mir vorher das er ja so ein riesen Arschloch sei.“ Susi saß auf meiner Fensterbank und schaute auf die Straße unter uns.
„Nun ja. Ich hatte nicht direkt Ja gesagt und er hat es auch einfach so beschlossen und ausserdem war er schon weg als ich sagen wollte das es nicht gehen würde.“
Ich saß auf meinem Bett und legte mein Buch beiseite.
„Natürlich. Deswegen bist du ihm ja auch nachgerannt nicht war. Man Caro. Du hast nicht mal den Versuch unternommen abzulehnen.“ Susis Blick glitt vom Fenster zu mir herüber. Und wieder hatte ich das Gefühl das ihre Augen schärfer waren. Total gruselig.
Ich seufzte leise. Susi war anders. Das merkte ich nicht nur weil sie mir nichts mehr sagte, sondern das merkte ich auch daran wie sie sich verhielt.
Zwei
Pünktlich klingelte es an der Tür. Jana war nicht da und Jeffrey, ihr neuer Lebensgefährte (mit dem ich mich nicht verstand), war auch noch nicht da. Also ging ich langsam auf die Tür zu um sie zu öffnen.
„Hej Süße“, flüsterte Steve. Er sah cool aus wie er so an den Türrahmen gelehnt dastand.
Ich zeigte ihm mein süßestes Lächeln. „Schon für das Wort Süße
, könnte ich dich ohrfeigen.“
„Mh du machst es aber nicht.“
Ich bedeutete ihm rein zu kommen, aber er hielt mich am Handgelenk fest. „Nein. Du bleibst genau so. Keine Jacke“, sagte er sanft.
Immer noch verblüfft über Steves Nettigkeit, holte ich nur noch mein Handy und mein Schlüssel.
Steve schwang sich auf sein Motorrad, und ich tat es ihm gleich.
„Schön festhalten“, sagte Steve mir. Ich schlang meine Arme um seinen Bauch und hielt mich fest. Soviel zum Thema größtes Arschloch der Welt. Jetzt ließ ich mich auch noch von ihm herumfahren.
Er startete den Motor und wir fuhren in die Nacht hinein. Ich schmiegte meinen Kopf an Steves Rücken und konnte seinen regelmäßigen Atem spüren.
Meine Haare flatterten im Wind und ich fühlte die Kälte die an meinen nackten Beinen empor kroch. Ich schloss die Augen.
Steve hatte uns zu einem seiner Lieblingsrestaurants gefahren. Es war hell beleuchtet und all’ die Personen schienen sich zu kennen. Auch Steve grüßte bekannte Gesichter.
Er führte mich zu seinem Stammtisch in der hintersten Ecke, (hatte ich zusammen mit Susi in Erfahrung gebracht) wo wir ungestört reden konnten, und setzte sich mir gegenüber.
Steve bestellte für uns zwei Cola und eine kleine Pizza.
„Woher weißt du dass ich so gerne Cola trinke, obwohl du mich noch nie danach gefragt hast“, fragte ich ihn.
„Warum sollte ich dich denn fragen müssen. Ich weiß eben was du willst“, erwiderte er mit einem komischen Unterton. Entweder ich war verrückt oder die benahmen sich alle anders.
Zuerst Susi und dann auch noch Steve.
Das er auf mich stand, war ja wohl klar und er leugnete es auch nicht. Es war allgemein bekannt dass er mich schon seit sehr langer Zeit wollte.
„Ach?! Du weißt also was ich will. Na dann Casanova, sag mir was ich will“, schnurrte ich ihm zu.
Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. „Vielleicht später Prinzessin.“
Ich hasste
es wenn man mich Prinzessin, Süße, Püppchen oder sonst eine Form von süßen Mädchen nannte.
Wütend ballte ich meine Hand zur Faust. Arschloch, dachte ich.
Wir aßen schweigend die Pizza und danach plauderten wir noch eine Weile, bis Steve bezahlte und wir gemeinsam das Restaurant verließen.
Die Nacht war noch kälter geworden und ich bekam eine leichte Gänsehaut.
„Wollen wir?“, fragte Steve und hielt mir seine Hand hin. Ich nahm sie und er zog mich mit auf sein Motorrad. Zu zweit fuhren wir durch die Wolkenlose Nacht. Alles was ich sah waren die Sterne und die Sichel vom Mond. Mir wurde durch den Fahrtwind noch kälter und kuschelte mich noch enger an Steve. Ich wusste dass er nun in sich hinein lächelte. Das tat er immer wenn ich ihm neue Hoffnung gab. Aber immer ungewollt.
Es war nicht viel Verkehr und Steve fuhr auch nicht unberechnend schnell. Also brauchten wir geschätzte fünfzehn Minuten bis zu mir nach Hause.
Steve brachte mir noch bis nach oben zur Haustür. Unsere Wohnung lag ganz oben eines kleinen Hauses. Wir besaßen auch noch die richtig coole Dachterrasse.
„Steve. Ich … Danke. Der Abend war schön mit dir“, stammelte ich. Normalerweise war ich nicht so nervös. Er schenkte mir ein kleines trauriges Lächeln. „Ja das fand ich auch. Aber wir beide wissen das aus uns nichts wird oder?!“
Ich schüttelte langsam den Kopf.
„Schade“, sagte er nachdem er leise geseufzt hatte.
Es brach mir das Herz ihn so zu sehen. Steve wollte sich grade umdrehen und gehen, als ich ihn an der Hand zu fassen bekam. Verblüfft schaute er mich an. „Willst du noch mit reinkommen?“, fragte ich ihn. Er schien ernsthaft zu überlegen, willigte aber ein. Ich führte ihn zu meinem Zimmer und ließ ihn los um mich auf mein Bett zu setzen.
Steve setzte sich neben mich.
„Kann ich dich was fragen?“, fragte ich leise.
„Alles was du willst Caro“, erwiderte er.
„Weißt du was mit Susi los ist?“
Er zog eine Augenbraue hoch, was ihn nur noch attraktiver machte. Ein warmer Schauer rutschte mir den Rücken runter.
„Ich?! Du
bist ihre beste Freundin.“
„Ja schon aber seit das mit Rick war, hat sie sich total verändert. Und ich komm einfach nicht an sie ran.“
„Aber du hast sie doch heute erst wiedergesehen.“
„Ja ich weiß. Sorry, das war ne’ blöde Frage.“
Seufzend ließ ich mich nach hinten in meine Kissen fallen. Steve schaute mich mit seinem Willst-Du-Spaß-Haben-Schätzchen-Blick an. Ich schüttelte nur leicht den Kopf und er verstand sofort. Was wäre wohl passiert wenn ich ihn himmlisch angelächelt hätte. Ich kann euch das beantworten. Er hätte sich zu mir gelegt und wir hätten uns geküsst bis zum geht nicht mehr. Ja so war das nun mal bei uns. Total kompliziert. Ich wollte nichts von ihm, dennoch machte es mit Steve wahnsinnigen Spaß.
„Ich glaub ich muss dann mal los“, platzte es aus Steve heraus. Ich blinzelte zweimal. Steve hatte noch nie einen Rückzieher gemacht.
„Jetzt schon? Du bist doch grade erst reingekommen?!“, fragte ich verblüfft.
Er drückte meine Hand kurz und ging.
Wow. Das war mal was anderes. Aber wie sagt man so schön: „Wenn es am schönsten wird, muss man gehen’.“ Oder jedenfalls irgendwie so.
Still saß ich auf meinem Bett und hörte das Geräusch, als Steve mit seinem Motorrad davonfuhr. Was für ein Abend. Zuerst war er so lieb und dann so zurückhaltend. Oder täuschte das? Bildete ich mir das alles nur ein? Vielleicht war ich ja auch der Grund, weshalb er plötzlich verschwand. Meine Gedanken fuhren Achterbahn.
Während ich hellwach die Nacht verbrachte und versuchte mich auf das Einschlafen zu konzentrieren, fiel mir wieder Susi ein. Sie war so … anders
.
Ich würde sie morgen darauf ansprechen. Egal wie sie reagieren wird, ich werde die so lange nerven bis sie mir alles erzählt.
Texte: Cover by VikkiGothAngel at DeviantArt
Tag der Veröffentlichung: 09.01.2011
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