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MISSION: Rettet den Weihnachtsmann

Ich mochte Weihnachten nicht besonders. Ehrlich gesagt, fand ich dieses Fest sogar eher überflüssig. Ich meine, betrachtete man, welchen Aufriss die Menschheit um dieses Fest machte, konnte man doch wirklich sagen, dass sie echt verrückt waren. Dieser ganze Trubel um einen senilen, alten Mann, der Geschenke auslieferte und dadurch angeblich das Fest der Liebe pries. In Wahrheit wussten wir doch alle, worum es wirklich ging: Geschenke, Geschenke und ja noch mehr Geschenke.

 

Vielleicht war es ja Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet ich dazu bestimmt war, ein Wächter des Weihnachtsfestes zu sein. Ja, ja... lacht nicht!! Ich, der griesgrämige Weihnachtshasser und gerade zu geborener Grinch, war einer der Hüter der Weihnachtsfestes. Wir waren etwas zwischen Mensch und Elf, ausgestattet mit dem Zauber der Weihnacht sorgten wir dafür, dass alles am Schnürchen lief und die Menschen immer wieder ein schönes Fest erleben durften. Tja und ich war einer von ihnen.

 

Und der einzige Grund, warum ich heute am 24.12. in der Früh um sechs hier in der Eingangshalle der großen Geschenkefabrik/Wohnhaus/Lebensraum der Wichtel (wirklich die schliefen hier sogar) stand, war, dass der Weihnachtsmann verschwunden war. Angeblich war er wie vom Erdboden verschluckt, wenn ich Rudolph, unserem Anführer glauben durfte.

 

„Heute morgen lag er aber noch in seinem Bett und schlief seinen Rausch von letzter Nacht aus“, wagte ein kleiner, runder Wichtel mit einer leuchtend roten Nase einzuwerfen.

 

Schon lustige Wesen diese Wichtel. Konnten saufen wie Löcher, hatten immer die verrücktesten Ideen und sangen den ganzen Tag Weihnachtslieder. Derzeit favorisiert: Let It Snow von Frank Sinatra. Ertönte wirklich von überall her und es ging mir grade gewaltig auf den Sack. Rudolph blitzte den Wichtel wütend an, so dass er gleich seinen Kopf einzog und sich torkelnd auf den Weg zu seinem Arbeitsplatz machte.

 

Mit einem Seufzen schlug Rudolph die Hände über den Kopf zusammen und meinte dann mit brummender Stimme, „Es wird uns wohl nichts anderes übrigbleiben, als ihn zu suchen.“

 

Das war ja wieder klar. Der alte Sack war unauffindbar und wir Wächter mussten wieder ran... Schwer seufzte ich auf und verdrehte die Augen. Es ging mir echt auf die Nerven.

 

„Ich würde vorschlagen, dass ihr euch auf den Weg macht und ich vorerst hier bleibe.“ Mit einem genervten Nicken stimmte ich zu, bis mir auffiel, dass wir nur zu dritt waren.

 

„Wo sind denn die anderen?“, fragte ich.

 

„Schon im Urlaub. Und jetzt mach dich mit Dasher auf den Weg und sucht“, erwiderte Rudolph genervt und ich verdrehte die Augen.

 

Angepisst marschierte ich aus dem Saal und nahm nur unterbewusst die Schritte wahr, die mir folgten. Mission: Rettet den Weihnachtsmann aus seinem Wachkoma konnte beginnen. Vor der Tür umschlang ich meinen dürren Körper und starrte auf die weißen Schneemaßen, die den ganzen Nordpol bedeckten.

 

„Mach nicht so ein griesgrämiges Gesicht, Süßer“, vernahm ich die dunkle Stimme von Dasher hinter mir – die mir ungewollter Weise heiße Schauer über den Rücken jagten.

 

„Je schneller wir den guten Mann finden, desto schneller können du und ich unter der Bettdecke verschwinden.“

 

Ein lautes Klatschen ertönte, als er mir einen Klaps auf meinen Allerwertesten verpasste und sich dann schelmisch grinsend auf den Weg machte. Entrüstet starrte ich ihm hinterher und hoffte, dass Blicke töten konnten. Mein Blick blieb an seinem Rücken haften, glitt dann tiefer und blieb schließlich an seinem hübschen Hinterteil hängen, dass sich in der engen schwarzen Hose so verführerisch spannte. Dasher war ein schöner Mann. Groß, muskulös, dunkel – kein halber Hungerhaken, wie ich. Er war der pure Sex. Ein Gott auf Beinen... Einfach perfekt. Ich spürte, wie sich Hitze ihn mir ausbreitete und sich in meinen Lenden sammelte. Mich zur Ordnung rufend, folgte ich ihm schließlich und stapfte – jetzt noch angepisster – hinter dem Adonis her. Dasher und ich hatten eine Geschichte. Gut, sie war nicht sehr lang. Bestand eigentlich nur aus dieser einen Nacht.

 

Einer heißen, leidenschaftlichen, so befriedigenden Nacht, ertönte die Stimme meines Unterbewusstseins und wieder rief ich mich zur Ordnung.

 

Es war vor zwei Wochen auf der alljährlichen Betriebsfeier passiert. Vielleicht hatte ich ein, zwei Wichtelglühweine zu viel getrunken – aber auch ein Teufelsgesöff, dieses Zeug! - und war möglicherweise etwas angetrunken gewesen. Gut, ich war wirklich blau, aber das tut nichts zur Sache, denn das Ende vom Lied war, dass Dasher und ich im Bett gelandet sind. Gut, erst war es die Hauswand, dann der Küchentisch, dann das Sofa und dann erst das Bett, aber wie gesagt, das tut nichts zur Sache. Bis auf die Tatsache, dass dieser Mann mir das Herz gestohlen hatte und sich mit dieser Nacht ein lang gehegter Traum für mich erfüllt hatte. Als ich am nächsten morgen jedoch erwachte, war die andere Bettseite leer und kalt und seitdem ging ich ihm lieber aus dem Weg. Und ausgerechnet jetzt musste ich mit ihm den senilen, alten Sack suchen. Vielleicht könnt ihr jetzt verstehen, wieso ich so angepisst war... . Mit einem Seufzen ergab ich mich jedoch meinem Schicksal und folgte Dasher durch die Untiefen des weißen Pappzeugs, was sich Schnee nannte.

 

 

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Zu sagen, dass ich genervt war, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts. Keine Ahnung, wie lange wir schon unterwegs waren, aber mittlerweile taten mir die Füße weh und mein Hinterteil fühlte sich an, als wäre es eingefroren. Und noch immer marschierten wir durch die endlose Schneemasse des Nordpols. Es schien mir beinahe, als würden wir uns immer weiter von der Werkstatt des Weihnachtsmannes entfernen.

 

„Bist du dir sicher, dass wir auf dem richtigen Weg sind?“, fragte ich quengelnd nach.

 

Meine Würde hatte ich schon lange über Bord geworfen und mein Verstand ging bei dem Gedanken, dass wir den ganzen Weg auch wieder zurück latschen mussten, erst recht flöten.

 

„Natürlich, Süßer“, grinste mich Dasher an und wuschelte durch meine roten Locken. „Schau, wir folgen schon der ganzen Zeit diesen Fußspuren da.“

 

Er zeigte auf fußähnliche Abdrücke im Schnee. Skeptisch betrachtete ich diese komischen Fußspuren.

 

„Und du bist dir sicher, dass die dem senilen, alten.... Ich meine, du bist dir sicher, dass die dem Weihnachtsmann gehören?“, fragte ich misstrauisch und blickte ihn an. Wie gesagt, mein Verstand ging langsam flöten und damit natürlich auch meine Prinzipien.

 

„Sei nicht so ungeduldig, mein Hübscher“, meinte er grinsend. „Wir werden ihn sicher bald gefunden haben. Ich glaube, dass da vorne eine kleine Eishöhle ist. Weit kann es sicher nicht mehr sein.“

 

Seufzend nickte ich und ließ zu, dass Dasher mich an die Hand nahm und mit sich zog. Ich hoffte nur, dass es in dieser Höhle eine Sitzgelegenheit gab. Meine Füßen taten echt furchtbar doll weh – fast so, als wäre ich den Himalaya einmal rauf und wieder runter spaziert. Würde der alte, senile Knacker nicht in der Höhle sein, würde ich einfach streiken. Mir egal, woher die Menschen dann ihre Geschenke nahmen. Die glaubten doch eh nicht mehr an den Weihnachtsmann.

 

Mit einem erleichterten Seufzen stellte ich fest, dass wir der Höhle immer näher kamen. Ich würde diesen wunderschönen Anblick nie mehr vergessen.

 

„Also, Vinzent. Magst du mir in diese Eishöhle folgen“, fragte Dasher und hielt mir charmant lächelnd seine andere Hand hin.

 

Zweifelnd sah ich ihn an, bevor ich nickte und seine warme Hand ergriff. Vielleicht war sein Verstand ja auch flöten gegangen oder wir waren einfach nur in einem irren Traum, was aber seltsam wäre, da ich mich gar nicht erinnern konnte, dass ich letzten Abend zuviel Wichtelgebräu hatte – davon bekam man wirklich die eigenartigsten Träume. Langsam betraten wir die Eishöhle, die sanft leuchtete. Irgendwie war sie wirklich wunderschön und jeder Millimeter schien sanft zu glänzen und zu glitzern. Strahlend sah ich mich um. So etwas schönes hatte ich wahrlich noch nie gesehen.

 

Plötzlich ertönte ein ohrenbetäubendes Knacken und nur wenige Sekunden danach war der Eingang vollkommen von einer großen Schicht Schnee versperrt. Ungläubig starrte ich die riesige, weiße Masse an und konnte im ersten Moment gar nicht glauben, was passiert war, als mich Dashers leises Gelächter in die Gegenwart beförderte.

 

Er zuckte grinsend mit den Schulter und meinte nur kopfschüttelnd, „Tja, dass ist wohl unser Berufsrisiko.“

 

Sprachlos starrte ich ihn an. Wie konnte er das nur so achtlos abtun. Was ist, wenn wir hier nie wieder rauskämen, wenn wir für immer hier eingesperrt waren? Wenn uns niemand suchen würde. Schnell überschlug ich im Kopf die Tage bis zum nächsten Weihnachten. Es waren noch mehr als 341 Tage. Wir würden elendig sterben.

 

„Mach dir doch keine Sorgen, mein Hübscher. Die werden uns schon vermissen und vielleicht finden wir ja noch einen anderen Weg hinaus“, meinte Dasher aufmunternd und ging dann tiefer in die Höhle hinein.

 

Kopfschüttelnd folgte ich ihm. Das hier musste wirklich einer dieser irren Träume sein. Anders konnte ich es mir nicht erklären.

 

Wir wanderten eine ganze Weile schweigend durch die Eishöhle, als plötzlich, nicht mehr weit entfernt, ein helles Licht erschien. Wieder packte Dasher meine Hand und zog mich zum Ende der Höhle und was ich dann sah, ließ mich aufkeuchen.

 

Wir befanden uns in einem riesigen Raum, an dessen oberer Wand ein Kerzenleuchter hing, der über und über mit bunten Frühlingsblumen bedeckt war. Die Wände waren ebenso bunt gestrichen und die leuchtenden Farben ließen mein Herz schneller schlagen. Aber der Boden... der Boden war das Sonderbarste. Denn mitten in dieser Eishöhle wuchs eine wunderschöne, kuschelig weiche, grüne Wiese, aus der Krokusse, Narzissen, Veilchen, Vergissmeinnicht, Schneeglöckchen und Tulpen in den verschiedensten Farben wuchsen. Es war so unglaublich schön.

 

„Gefällt es dir?“, erklang Dashers dunkle Stimme hinter mir.

 

„Ob es mir gefällt?“

 

Ungläubig starrte ich ihn an und verstand gar nicht, was er mir damit sagen wollte.

 

„Das hier ist für mich?“, fragte ich staunend und sah mich erneut um. „Und was ist mit dem senilen, alten Knacker?“

 

Grinsend fuhr sich Dasher durch seine dunklen Locken und meinte, „Der müsste schon unterwegs sein und die Geschenke ausliefern.“

 

Noch immer nicht fassen können, was hier passierte, erwiderte ich, „Dann war das alles inszeniert?“

 

Dasher nickte langsam und beobachtete mich aus dunklen Augen. Ich spürte, wie sich Hitze auf meinem Gesicht ausbreitete und ich verlegen zu Boden starrte. Sowas hatte noch nie jemand für mich gemacht.

 

„Weißt du, nach dieser unglaublichen Nacht mit dir, wollte ich dir irgendwie zeigen, dass du für mich soviel mehr bist, als nur ein OneNightStand und als ich dich im Schlaf beobachtete, kam mir diese Idee und ich musste sie sofort umsetzen, aber dann warst du so distanziert und ich wusste nicht, ob du auch etwas für mich empfindest.“ Dasher wurde gegen Ende hin immer leiser und wirkte so unsicher, wie ein kleiner Wichtel, der sein erstes Spielzeug bauen musste. Irgendwie richtig süß – wenn man es richtig betrachtete, hatte ich bestimmt Herzchenaugen.

 

„Und warum diese Deko?“, wollte ich lächelnd wissen. Dasher zuckte mit den Schultern und meinte nuschelnd, „Nunja, du magst Weihnachten ja nicht so, daher dachte ich, dass dir Ostern vielleicht lieber ist. Ich glaube, hier müssten auch irgendwo kleine Osterhasen herumhoppeln.“

 

Kleine Osterhasen herumhoppeln...“, wiederholte ich tonlos, bis sich ein Glucksen nach ob kämpfte und ich in schallendes Gelächter ausbrach. Gott, mir tat schon der Bauch vom Lachen weh und meine Augen tränten. Kleine Osterhasen, die herumhoppeln sollten – das war einfach zu genial und die Vorstellung, was sie in Wirklichkeit taten, ließ mich gleich noch lauter lachen.

 

„Lachst du mich etwa aus?“, fragte Dasher und stieß mich in das weiche, grüne Gras. Doch ich war zum Glück so geistesgegenwärtig, ihn mit nach unten zu ziehen. Noch immer lachend, spürte ich seinen harten Körper an meinem und umfasste sein Gesicht mit meinen Händen.

 

„Danke“, flüsterte ich glucksend. „Es ist wirklich wunderschön. Noch nie hat einer so etwas für mich gemacht.“

 

Sprachlos sah er mich an und ich nutzte die Chance und zog sein Gesicht zu mir herunter und stahl ihm einen sanften Kuss. Und als wir uns lösten, drohten mich die glühenden Blicken aus seinen dunklen Augen zu verbrennen.

 

„Es gefällt dir wirklich?“, wollte er wissen und ich spürte die Unsicherheit hinter diesen Worten. „Es ist perfekt und es bedeutet mir soviel.“

 

Mit einem dunklen Knurren schnappte er nach meinen Lippen und verwandelte den erst sanften Kuss in einen leidenschaftlichen. Mit einem Stöhnen presste ich mich enger an ihn und er verkrallte sich in meinem Rücken. Als wir uns lösten, sah ich ihn strahlend an.

 

„Ich hab dich wirklich richtig doll lieb, Dasher.“

 

Er strahlte und zog mich erneut enger an sich und dann zeigte er mir, wie sehr er mich liebte. Immer und immer wieder beförderte er mich in den siebten Himmel. Und irgendwann, als wir keuchend nebeneinander lagen und uns anlächelten, meinte ich zu ihm, „Weißt du, ich glaube, vielleicht – aber nur ganz vielleicht – ist Weihnachten ja doch nicht so übel.“

 

Lachend zog mich Dasher in seine Arme und flüsterte leise, „ Aber genau dafür liebe ich dich doch, mein kleiner Grinch.“ Er konnte sich gerade noch so vor meiner Faust retten, die ihn an der Schulter traf.

So ein dämlicher, liebenswürdiger Trottel...

 

 

 

 

 

ENDE

Impressum

Texte: Alles meins^^
Tag der Veröffentlichung: 09.08.2015

Alle Rechte vorbehalten

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