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Kornblumenblau

Lautes Stöhnen erfüllte den Raum. Die kleine Fensterscheibe, durch die das fahle Mondlicht fiel, war längst beschlagen. Ich wand mich unterm ihm, drängte mich seinem heißen Körper noch enger entgegen. Wollte ihm ganz nah sein, mich geradezu in ihm verkriechen. Als Silas tief in mich eindrang, zerkratzte ich die Haut seines Rückens, so überwältigend war das Gefühl seinen harten Schwanz in mir zu spüren. Er hatte genau die richtige Größe, konnte mich perfekt ausfüllen. Ich war nur noch ein lusttrunkenes Etwas unterm ihm. Für mich war es soviel mehr, ihm so nahe sein zu können. Ich liebte ihn...

 

Hart keuchte ich auf, als er diesen einen Punkt in mir berührte, der mich Sterne sehen ließ. Verschwommen sah ich, wie er mich angrinste, ehe er noch einmal fest in mich stieß. Erneut erzitterte ich in seinen Armen und presste ihn noch enger auf mich.

 

„Mach schneller“, flehte ich, aber Silas erfüllte mir diesen Wunsch nicht.

 

Im Gegenteil: Er verlangsamte sein Tempo noch. Frustriert warf ich den Kopf zurück und hörte ihn kichern. Sanft blies er mir ins Ohr und ich erzitterte. Ich war so empfindlich an der Stelle.

 

„Da ist heute aber jemand ungeduldig“, flüsterte Silas rau und biss in meinen empfindlichen Hals.

 

Rau stöhnte ich auf. Er spielte mit mir, denn er wusste genau, welche Knöpfe er bei mir drücken musste, um mich zu erregen. Aber dieses Spiel konnten auch zwei spielen. Mit einer fließenden Bewegung, die Silas nicht erwartet hatte, warf ich ihn auf den Rücken und ließ mich erneut auf seiner harten Erektion nieder. Voller Lust stöhnte ich auf. In dieser Position konnte ich ihn noch tiefer in mir spüren. Träge sah ich auf ihn hinab und betrachtete seinen schlanken, aber muskulösen Körper. Ein Schauer der Erregung überlief mich. Er war einfach zu anziehend. Ich konnte ihm nicht widerstehen. Meine Hände folgten den Spuren meiner Augen und ich sah, wie sich eine Gänsehaut bildete. Sanft umspielte ich seine Nippel, knetete sie, bis sie ganz fest waren. Dann beugte ich mich ein Stück weit hinunter und leckte über sie. Sein Geschmack zerging auf meiner Zunge und mit einem Grinsen stellte ich fest, wie er unter mir erzitterte.

 

Plötzlich packte er meine Handgelenke und zerrte sie über seinen Kopf. Ich unterdrückte ein überraschtes Keuchen und blickte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Ein raubtierhaftes Grinsen fuhr über Silas Züge und ich sah das erregte Funkeln in seinen Augen.

 

„Willst du jetzt auch ein wenig spielen?“, fragte er mich rau und sieht mich herausfordernd an.

 

Trocken schlucke ich. Silas war einfach überwältigend und mein Verlangen nach ihm wuchs stetig an. Ein heiseres Keuchen entwich mir, als ich sein wissendes Grinsen sah. Er kannte mich einfach zu gut. Ich konnte nicht länger widerstehen und presste meine Lippen auf seine. Silas umfasst meine Handgelenke stärker und stößt seine Hüfte sanft nach oben. Ich stöhne in unseren Kuss. Wieder reizte er mich, wieder spielte er mit mir. Bedauernd löse ich mich von ihm und winde meine Handgelenke aus seinem festen Griff, um mich dann auf seiner Brust abzustützen. Fest umfasst er meine Hüften und begann hart und schnell nach oben zu stoßen. Ich schrie auf, als mein sensibler Muskel diese harte Reibung erfuhr und kratzte über seine Brust. Silas keuchte auf. Sein harter Schwanz zuckte tief in mir. Es machte ihn an, wenn ich wild wurde, aber jetzt wollte auch ich ihn ein wenig quälen. Fest umfasse ich nun seine Handgelenke und dränge sie von meiner Hüfte weg, ehe ich meine Finger mit seinen verschränke.

 

„Jetzt bin ich dran, Babe“, wisperte ich nahe seinen Lippen und richtete mich erneute auf, ehe ich ihn frech angrinste. Nur langsam begann ich mich vor und zurück zu bewegen, sah, wie Silas vor Erregung zusammen zuckte. Heiser stöhnte er auf und versuchte, sich meinem Griff zu entwinden, aber ich presste seine Hände über seinen Kopf. Tief sah ich ihm in die Augen. Sein Blick ließ heiße Schauer über meinen Rücken laufen. Soviel Gefühl war darin. Mein Herz ging auf und gleichzeitig steigerte sich meine Lust ins Unermessliche. Der Gedanke, dass er möglicherweise meine Gefühle erwiderte, war einfach überwältigend. Keuchend presste ich meinen Mund auf seinen. Wild erwiderte er meinen Kuss, drängte seine Zunge durch meine Lippen und begann ein wildes Spiel mit meiner. Ich merkte gar nicht, wie ich meinen Griff lockerte und er seine Handgelenke herauswand.

 

Fest packte er meine Hüften und warf mich zurück auf den Rücken. Vollkommen perplex starrte ich ihn an, stöhnte aber im nächsten Augenblick laut auf, als Silas fest in mich eindrang und mich in einem irrsinnigen Tempo nahm. Ich konnte mich nur noch an ihm festkrallen, während die Welt vor meinen Augen immer mehr verschwamm. Doch Silas Gesicht blieb klar vor mir. Ich sah, wie er die Augen zusammen kniff und heiser aufstöhnte, als ich begann, mich immer mehr um ihn herum zu verspannen, weil die Gefühle so überwältigend waren. Sah, wie er seinen Kopf vor lauter Lust nach hinten warf, weil die Gefühle zu übermächtig wurden. Spürte, wie sein Schwanz in mir noch härter wurde. Keuchend stöhnte ich auf und warf mich ihm entgegen, presste ihn noch enger an mich und zuckte zusammen, als dadurch auch die Reibung an meinem harten Glied gesteigert wurde.

 

„Oh Gott!“, stöhnte ich. „Mach endlich. Ich halte das nicht mehr aus.“

 

„Nur zu gerne.“

 

Silas beschleunigte sein Tempo erneut. Alles wurde schwarz, nur kleine, helle Punkte tanzten vor meinen Augen, als mein Muskel diesen Reiz erfuhr. Ich kratzte über seinen Rücken, spürte, wie er sich anspannte und mich dann noch fester nahm. Als ich seine Hand endlich an meinem harten Glied spürte, konnte ich einen Schrei nicht länger unterdrücken. Es war zu viel, viel zu viel. Noch näher drängte ich mich ihm entgegen. Wollte mehr spüren. Immer fester rieb er über meinen Schwanz, spürte, wie sich das drängende Gefühl der Hitze in mir immer mehr anstaute und ich mich stöhnend auf meinen Bauch ergoss. Silas schien es ähnlich zu gehen, denn seine Bewegungen wurden ruckartiger, unkontrollierter. Tief ihn mir spürte ich, wie sich sein Glied in mir noch mehr verhärtete. Sein Griff an meiner Hüfte verstärkte sich und mit einem Stöhnen ergoss er sich krampfartig in mir.

 

 

Vollkommen erledigt blieb ich liegen, als er sich schon zurück zog. Das war jedes Mal so. Wir trafen uns in dem kleinen Häuschen am Strand um Sex zu haben. Mehr war nicht drin. Hier war nur die Welt, die aus Lust und Sex bestand, aber in der realen Welt sah er mich nicht mal an, da war ich Luft für ihn. Es war komisch, denn ich fühlte so viel mehr für ihn, aber er wusste es nicht, wollte es nicht wissen. Ich war nur sein schmutziges, kleines Geheimnis. Früher hatte ich mich damit zufrieden gegeben, aber jetzt war es anders. Alles hatte sich verändert und ich hatte keine Ahnung, woran das lag.

 

 

Langsam raffte ich mich auf und griff nach meiner Kleidung. Träge zog ich mich an, während Silas sich eine Zigarette anzündete. Ich sah, wie er genüsslich den Rauch einatmete. Sanft glimmte die Zigarette, als er erneut daran zog.

 

„Ich geh dann mal“, meinte ich leise und schloss meine Turnschuhe.

 

„Ja, mach“, erwiderte Silas gleichgültig und ein Stich durchfuhr mein Herz. Ich kam mir benutzt vor, aber das war nichts neues.

 

„Bis bald“, flüsterte ich, wartete aber nicht auf die Erwiderung, sondern schloss die Tür hinter mir, die ein leises Knarzen von sich gab.

 

Eisiger Wind begrüßte mich. Er trug den Duft des Meeres in sich. Ich zog meine Jacke fester um meinen schmalen Oberkörper und verließ schnellen Schrittes den Strand. Ein kurzer Blick auf mein Handy zeigte mir, dass es schon weit nach Mitternacht war und ich drei neue SMS und vier verpasste Anrufe hatte. Ich seufzte auf, als ich sah, dass mein bester Freund Alex versucht hatte, mich zu erreichen. Manchmal konnte er eine richtige Glucke sein. Was keiner vermutete, wenn er ihn sah. Er sah aus, wie ein Schrank von einem Mann und konnte, wenn er wollte auch genauso erschreckend sein, aber tief in seinem Inneren war er ein ganz Lieber. Außen hart, innen weich – das traf genau auf Alex zu.

 

Und doch zögerte ich. Mein Finger schwebte über den grünen Hörer. Unentschlossen, was ich tun sollte. Eigentlich wollte ich in diesem Augenblick mit niemanden reden. Ich wollte nur noch in mein Bett und vergessen. Mit einem Seufzen tippte ich schnell eine Nachricht, dass es mir gut ging. Dann schaltete ich das Gerät ab und ging langsam nach Hause. Am Montag würde mich ein ganz schönes Donnerwetter erwarten.

 

 

 

~

 

 

„Wo warst du?!“

 

Genervt drängelte ich mich an Alex vorbei und betrat den Schulhof. Montage... Wie sehr ich sie doch verabscheute.

 

„Neven, ich rede mit dir“, Alex packte mich an der Schulter und schüttelte mich ein wenig. „Hörst du mir überhaupt zu?“

 

Ich wischte seine Hand von meiner Schulter und fuhr mir über die Augen. Das ganze Wochenende war ich daheim gewesen und hatte über meine verkorkste Beziehung mit Silas nachgedacht. Es war ein schlafloses, von wirren Träumen heimgesuchtes Wochenende gewesen. Ich kam mir vor, als hätte ich den schlimmsten Tequilakater aller Zeiten und dabei hatte ich noch nicht einmal was getrunken. Meine Kopfschmerzen brachten mich gerade systematisch um. Die Welt war verdammt ungerecht.

 

„Bitte, Alex“, beschwichtigend hob ich die Hand und sah ihm in die misstrauischen, dunklen Augen. „Können wir später darüber reden? Ich hab da gerade keine Kraft für.“

 

Alex nickte schweigend und zusammen gingen wir zur Schule.

 

„Du warst wieder bei diesem Silas, oder?“, Alex klang über diese Erkenntnis gar nicht erfreut. „Du siehst danach immer so fertig aus, wenn du bei ihm warst.“

 

Genervt knirschte ich mit den Zähnen. „Können wir das bitte wirklich auf später verschieben? Mir platzt ernsthaft gleich der Kopf.“

 

Alex schüttelte den Kopf. Ich seufzte entnervt. Jetzt würde die Moralpredigt kommen.

 

„Ehrlich, Neven. Ich verstehe es nicht. Der Typ verletzt dich, nutzt dich aus. Du bist jedes Mal am Ende deiner Kräfte, wenn ihr euch getroffen habt und trotzdem gehst du immer wieder zu ihm hin“, Alex klang verzweifelt und ich blieb stehen, blickte in die dunklen Augen, die mich besorgt ansahen.

 

„Ich liebe ihn“, flüsterte ich erstickt. Alex legte einen Arm um mich und schirmte uns so von den Blicken ab, die mittlerweile auf uns lagen.

 

„Er ist ein Arsch“, meinte Alex trotzig, was mich trotz Herz- und Kopfschmerz an wenig kichern ließ. „Er hat dich nicht verdient. Du hättest was viel besseres haben können.“

 

„Du stehst ja leider nicht zur Verfügung“, meinte ich kichernd und wand mich aus seinem Arm.

 

Mit einem Grinsen ging Alex auf den Themawechsel ein. Mit den Augenbrauen wackelnd, wie ein Verbrecher in einem dieser zweitklassigen Westernfilme meinte er, „Diesen Astralkörper wird nie ein Mann berühren.“

 

Dabei wedelte er mit seiner Hand an seinem Körper auf und ab und verzog sein Gesicht arrogant, um mir dann anschließend durch meine blonden Haare zu wuscheln.

 

„Aber ganz ehrlich, Neven“, meinte er dann wieder ernster. „Wenn der Typ dich weiterhin so verletzt, dann werde ich ihm seinen verdammten Arsch aufreißen.“

 

Sanft lächelte ich Alex an und strich ihm dann dankbar über den Arm. Ich war froh, dass Alex an meiner Seite war. Er war der beste Freund, den man sich wünschen konnte. Alex schnappte sich lächelnd meinen Arm und zog mich mit sich.

 

„Und jetzt komm“, meinte Alex grinsend. „Die alte Dohrmeier freut sich sicher schon auf dich.“

 

Ich stöhnte entnervt auf. Wie ich Montage doch hasste.

 

 

~oOÖOo~

 

 

Mit einem erleichterten Seufzen ließ ich mich auf das warme Gras fallen und machte mich lang. Sonnenstrahlen kitzelten über meine Haut. Endlich zeigte sich die Sonne, nach dem der Winter nun endlich vorbei war. Wie hatte ich diese Wärme vermisst. Entspannt seufzte ich. Zum ersten Mal seit einer Woche fühlte ich mich wieder wohl.

 

Irgendwas hatte sich verändert, nach dem ich das letzte Mal mit Silas geschlafen hatte. Etwas war zersprungen und ich fragte mich, ob ich dadurch jetzt vielleicht klarer sah. Ich nahm Silas´ Ignoranz in der Schule deutlicher wahr, als vorher. Spürte den Schmerz viel schlimmer und auch das Eis um mein Herz schnitt immer tiefer. Silas hatte mir Nachrichten geschrieben, aber ich hatte sie alle ignoriert. Ich konnte so nicht weiter machen, obwohl ich genau wusste, dass ich nicht von ihm los kam. Ich war zu gefangen von ihm, war wie besessen. Und obwohl ich wusste, wie falsch diese Gefühle waren, da er meine nicht erwiderte, war da doch diese Hoffnung in mir, die noch geschürt wurde, wenn sich unsere Blicke trafen und ich den fragenden Ausdruck in seinen Augen sah. Silas´ Verhalten war verwirrend und ich ging langsam kaputt daran. Ich brauchte Abstand, brauchte diese selbst auferlegte Distanz. Ich hoffte, dass meine Gefühle dadurch klarer werden würden. Es ging so nicht weiter. Vielleicht hätte es nie beginnen sollen.

 

 

Müde drehte ich mich zur Seite. Mit gerunzelter Stirn pflückte ich die kleine, blaue Blume, die unweit von mir stand. Es war eine Kornblume. Meine Großmutter hatte immer gesagt, meine Augen würden sie an diese Pflanzen erinnern. Die Blüte war filigran und von intensiver Farbe. Sie sah zart und zerbrechlich aus, doch sie hielt die schlimmsten Stürme aus. Sie erinnerte mich an die erste Begegnung mit Silas. Die erste Begegnung, als er mich wirklich wahrgenommen hatte. Ich war damals spazieren gewesen, um nach einem Streit mit meinen Eltern wieder runter zu kommen. Der Streit war unwichtig gewesen, ich konnte mich heute noch nicht mal mehr daran erinnern, worüber er ging, als plötzlich eines dieser heftigen Sommergewitter den Himmel zu zog und es wie aus Gießkannen zu regnen begann. Ich war am Strand gewesen und war zu der kleinen Hütte gerannt, die sich unweit vom Strand befand.

 

 

Doch schon die wenigen Meter hatten mich vollkommen durchnässt. Ich war froh, als ich die Hütte erreicht hatte und war hinein gestürmt. Ich weiß noch, wie ich erschrocken stehen geblieben war, als ich Silas dort auf dem Bett liegend gesehen hatte. Den Blick, den er mir zu geworfen hatte aus seinen dunklen Augen, werde ich nie vergessen. Wie er mich gemustert hatte, als ich wie ein begossener Pudel vor ihm stand. Ich war damals schon in ihn verliebt, kannte ihn, weil er der Kapitän des Basketballclub unserer Schule war. Er war bis dato die Versuchung meiner feuchten Träume gewesen, aber ich hatte nie erwartet, dass es mehr geben könnte. Wir hatten damals kaum ein Wort gewechselt, als er langsam, beinahe raubtierhaft auf mich zu gekommen war. Es war einer dieser magischen Momente, in denen die Zeit stehen blieb und man zu keiner Bewegung mehr fähig ist. Es kam von einem zum anderem und schon lag ich in seinen Armen. Silas war der Erste gewesen und bis jetzt auch der Einzige. Und ein Teil ganz tief drinnen in mir wünschte sich, dass es auch so blieb und dennoch war ich nicht so wirklichkeitsfremd um zu glauben, dass es auch so sein würde. Betrachtete ich es von der realistischen Seite bestand eine Chance von 0,1 Prozent, dass er ebenso für mich empfand, wie ich für ihn.

 

 

Seufzend ließ ich die kleine Blume sinken und drehte mich zurück auf den Rücken. Ich musste wirklich dringend auf andere Gedanken kommen. Müde schloss ich meine Augen und legte meinen Arm über meine Augen. Silas bereitete mir schlaflose Nächte. Meine Gedanken wirbelten nur um ihn und ich wusste einfach nicht, wie ich das beenden sollte. Es war wie in einem Teufelskreis. Einfach alles erinnerte mich an ihn. Aber am schlimmsten waren die Begegnungen in der Schule, wenn er umgeben von seinen Kumpels in der Ecke stand und mich ignorierte. Das tat so verdammt weh und es schnitt immer tiefer in meine Seele. Vielleicht war es wirklich besser, wenn sich unsere Wege jetzt trennen würden, bevor ich mein Herz noch mehr an ihn verlor.

 

 

Ich starrte in den blauen Himmel, der so weit und so endlos schien. Als Kind hatte ich immer davon geträumt, einfach in den Himmel zu steigen und auf einer dieser riesigen, flauschigen Wolken zu landen, um sich dort einzukuscheln. Wie naiv meine Träume damals waren, wie unschuldig. Ich musste grinsen. Wie sehnlichst man sich als Kind wünschte, man möge endlich erwachsen werden und jetzt lag ich hier, starrte in den Himmel und wünschte mir nichts sehnlicher, als meine kindliche Unschuld zurück zu bekommen.

 

 

„Hey, Nevie“, Alex tiefe Stimme riss mich aus den Gedanken und ich blickte zu ihm hoch, als er sich schwerfällig neben mir fallen ließ.

 

„Puh“, erleichtert stieß er die Luft aus und ich musste schmunzeln. „Endlich haben wir die Woche überstanden“

 

„Du lebst ja auch nur von einem Wochenende zum anderen“, kicherte ich leise und erwiderte seinen finsteren Blick gelassen. „Schon am Montag wünscht du dir, dass endlich Freitag ist.“

 

„Jaja“, meinte Alex finster und winkte ab.

 

Verwundert sah ich ihn an. Irgendetwas stimmte nicht mit Alex. Er hatte richtig schlechte Laune. Nicht weil ich ihn geärgert hatte – normalerweise reagierte mein Großer bei Neckereien anders. Es musste irgendwas passiert sein, was ihn so in Rage versetzte.

 

„Ist alles okay, Alex?“, fragte ich ihn deshalb und setzte mich auf, um ihn besser ansehen zu können. Aber Alex sah mich nicht an, sondern blickte starr auf einen Punkt neben. Es schien ihn wirklich sehr zu beschäftigen. Ich streckte die Hand aus und wollte ihm die Hand auf die Schulter legen, als er plötzlich den Kopf schüttelte und mich dann schmunzelnd ansah.

 

„Komm, lass uns zum Strand gehen“, meinte er dann nur und raffte sich auch. „Mir ist heute nicht so nach Menschen.“

 

Verwirrt blickte ich ihn an, ehe ich mich ebenfalls aufraffte und ihm folgte. Vielleicht würde er mir dort erzählen, was denn überhaupt los war, denn so kannte ich Alex gar nicht. Unser Weg verlief schweigend, was auch eher untypisch für Alex war – denn eigentlich war er eher eine Quasselstrippe. Aber es war okay. Ich wollte ihm die Zeit lassen, die er brauchte, auch wenn sich ein eigenartiges Gefühl in meinem Bauch breitmachte.

 

 

Zehn Minuten später sahen wir zwischen den Bäumen hindurch schon den Strand und das ungute Gefühl war beinahe sofort vergessen. Das Meer und der Strand hatten jedes Mal diese beruhigende Wirkung auf mich. Schon der Geruch von Salz und Wasser ließen dieses gewisse Gefühl der Freiheit in mir entstehen. Schnell näherten wir uns der kleinen Treppe, die zum Strand hinunter führte und ich wandte mich zu Alex, um ihn anzugrinsen, als er plötzlich stehen blieb.

 

„Ich werde diese miese Ratte umbringen“, zischte er sauer und ballte seine Hände zu Fäusten, so fest, dass seine Knöchel schon weiß hervor traten. „Ich werde ihn in Stücke reißen.“

 

Mit weit aufgerissenen Augen sah ich ihn an. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Alex war, obwohl er äußerlich nicht so wirkte, ein sehr friedliebender Mensch. Er mochte keine Gewalt und wollte an und für sich nur seine Ruhe haben. Jetzt, in diesem Moment drückte seine ganze Haltung eine solche Wut aus, dass ich unwillkürlich einen Schritt zurück wich. Mit einer gewissen Faszination betrachtete ich ihn. Obwohl sein Anblick mich bis zu einem gewissen Grad ängstigte, konnte ich doch meinen Blick nicht von ihm abwenden. Es war aufwühlend zu sehen, wie schnell sich seine Wandlung vollzog, wie schnell er dazu fähig war und obwohl ich wusste, dass er mir nie etwas tun würde, war es doch erstaunlich fest zu stellen, dass er zu so etwas fähig war.

 

 

Ein schrilles Kichern riss mich aus meiner stillen Betrachtung. Ich wollte den Blick wenden, um zu sehen, woher es kam, aber Alex große Gestalt schob sich vor mein Blickfeld.

 

„Lass uns lieber woanders lang gehen“, meinte er grinsend. Aber dieses schalkhafte Lächeln erreichte seine blauen Augen nicht, die vor Wut funkelnd, noch immer wirkten, als wären sie aus Stahl.

 

„Wieso?“, fragte ich. „Wir gehen einfach ganz schnell an denen vorbei und suchen uns dann ein anderes Plätzchen. Sonst müssten wir den ganzen Weg über die Klippen laufen.“

 

„Ja, aber mir ist jetzt eben nach einem Spaziergang.“

 

Alex packte mich am Arm. Nicht schmerzhaft, aber fest und er versuchte mich mit sich zu ziehen, als ein warmes Lachen ertönte, dass ich überall wieder erkennen würde. Mein ganze Körper erstarrte zu Stein, während ich die Augen zu kniff. Mein Kopf gauckelte mir Bilder vor, die ich nicht sehen wollte.

 

„Neven, wir sollten wirklich...“, fing Alex an und drängte mich zum Anfang der Treppe zurück, aber ich unterbrach ihn. „Nein, lass mich das sehen.“

 

Resigniert ließ er seine Arme sinken und trat einen Schritt zur Seite. Beinahe augenblicklich erschien das Bild, dass sich meine inneres Auge bereits ausgemalt hatte und doch konnte ich es nicht glauben, wollte es nicht glauben, obwohl es sich direkt vor meinen Augen abspielte.

 

„Nein...“, flüsterte ich erstickt und schwankte hin und her.

 

Ich hatte mir nie Hoffnungen gemacht, dass Silas meine Gefühle erwiderte, aber dieses Bild zu sehen, zerbrach mein Herz in tausend Stücke. Die Splitter stachen immer tiefer in meine Brust und unwillkürlich packte ich den Stoff meines Pullovers an genau der Stelle, an der eben noch mein Herz geschlagen hatte. Keuchend holte ich Luft, Tränen ließen meinen Blick verschwimmen und doch sah ich jedes einzelne Detail glasklar in meinem Kopf. Das blonde Mädchen, dass sich aufreizend an Silas presste und ihm einen leidenschaftlichen Kuss verpasste. Wie er in den Kuss hinein gegrinst hatte. Wie er sie näher sich zog, so dass sich ihre Körper in einer engen Umarmung befanden. Wie Silas´ Hände über ihren Körper wanderten. Die anderen lachten über diese Show und riefen, dass die beiden sich ein Zimmer suchen sollten, als sie sich lösten und die Blondine ihm irgendetwas ins Ohr flüsterte. Plötzlich hob sich sein Blick und er sah genau in meine Richtung. Ich konnte seinen glühenden Blick spüren, der über mich wanderte und verkrampfte mich. Ich konnte es nicht länger ertragen, wollte einfach nur hier weg und doch hielt mich sein Blick gefangen. Er konnte aus dieser Entfernung nicht sehen, dass ich weinte. Konnte nicht sehen, dass alles in mir gerade zerbrach und doch explodierte der Schmerz in mir, als ich sah, wie er grinste und schließlich die Hand der Blondine packte.

 

Ich hörte, wie er etwas seinen Freunden zu rief. Spürte, wie sich Alex Wut erneut steigerte, aber dafür hatte ich keine Kraft mehr. Wir gehen uns mal ein privateres Plätzchen suchen – und schon befanden sie sich auf den Weg zu der kleinen Hütte, die wir immer für unsere Treffen reserviert hatten. Wieder splitterte meine Herz, verlor erneut eisige Spitzen, die sich in meine Lungen bohrten. Ich hatte das Gefühl nicht mehr atmen zu können und ich hielt es hier einfach nicht länger aus. Ich spürte, wie sich mein Körper in Bewegung setzte, aber erst Augenblicke später nahm ich wahr, dass ich rannte. Alex rief mir irgendetwas hinter her, aber ich wollte es jetzt nicht hören. Wollte niemanden sehen, wollte nicht reden. Meine Gedanken wirbelten durcheinander, nichts war klar. Alles war kaputt und ich bezweifelte, dass es je wieder völlig heil werden würde.

 

 

Ich spürte den harten Asphalt unter meinen Füßen, der langsam einem steinigen Weg wich. Nahm war, wie der kühle Wind an mir riss. Bis ich endlich – endlich – den Geruch des Meeres wahrnehmen konnte. Immer weiter ging ich an den Rand der Klippe und blickte hinunter. Sah, wie das Wasser gegen die Wand aus Stein peitschte und das Meer dadurch aufschäumte. Genauso fühlte sich meine Inneres an – als würde alles, was ich gehofft hatte an scharfkantigen Felsen zerschnitten werden. Ich atmete noch immer keuchend und schloss die Augen.

 

Es war vorbei – endgültig. Hier würden sich unsere Wegen trennen. Es war längst Zeit gewesen, Silas zu vergessen. Und das hier, das würde der Anfang sein.

 

 

 

~oOÖOo~

 

 

 

Die Welt drehte sich weiter, die Zeit verging mit der gleichen Stetigkeit – ich hatte es auch nicht anders erwartet. Und doch fühlte es sich eigenartig an, nach so einem Bruch normal weiter zu leben. Sich ja nichts anmerken zu lassen. Sie nicht sehen zu lassen, dass alles schmerzte und jeder Atemzug sich wie Eis anfühlte, dass sich immer weiter in meiner Brust ausbreitete. Aber egal, wie schwer es mir fiel, ich versuchte meinen Alltag weiter zu leben. Und Alex stand mir bei, doch auch ihm konnte ich nicht zeigen, wie verwüstet es in mir aussah – ich wollte es doch selbst nicht wahrhaben. Ich hätte nie gedacht, dass ich so tiefen Schmerz fühlen würde, wenn es vorbei wäre, was auch immer ich mit Silas geteilt hatte. Dass ich ihn so tief geliebt hatte, wurde auch mir erst jetzt richtig klar. Dass ich ihn noch immer liebte... .

 

 

Meine Gedanken drehten sich im Kreis, standen still, nur um dann von neuem zu beginnen. Ich war wie ein Zombie, der eine Maske auf hatte, aber tief in meinem Inneren war alles zerstört und alles kaputt. Gleichzeitig hielt ich an meinem Entschluss fest: Ich hatte jede Nachricht von Silas ignoriert und nachdem er sogar versuchte hatte, mich anzurufen, hatte ich ihn blockiert. Es ging so nicht weiter. Ich brauchte Abstand von ihm, denn ich wusste, ich würde ihm nicht widerstehen können. Und deshalb versuchte ich alles, was mit ihm zu tun hatte, aus meinem Leben zu streichen. Deshalb war ich auch froh, dass bald Ferien waren. So musst ich Silas auch erstmal in der Schule nicht sehen.

 

 

Denn dadurch, dass ich ihn jetzt ignorierte, schien er mich endlich auch außerhalb unserer kleinen, lustvollen Welt wahrzunehmen. Immer öfter spürte ich seine dunklen Blicke auf mir, sah wie er mich aus blitzenden Augen beobachtete, wie er mich betrachtete. Es war ein eigenartiges Gefühl. Als wäre ich ihm vollkommen ausgeliefert, als könnte er bis in meine Seele blicken. Ich versuchte es zu ignorieren und doch wurde erneut das Pflänzchen der Hoffnung in mir gesäht, obwohl ich genau wusste, dass ich nichts anderes, als ein Spielzeug für ihn war.

 

 

Es war alles stagniert. In dieser Sache gab es für mich kein Vor oder Zurück mehr – ich wollte einfach nur Ruhe haben und mich endlich von diesen Gefühlen lösen. Ich wusste einfach nicht, ob ich Silas noch länger auf Abstand halten konnte. Wir hatten keine Abmachung, was unsere „Beziehung“ betraf und obwohl er mich verletzt hatte, wollte ich ihn immer noch, verlangte es mich noch immer nach ihm. Ich verstand mich selbst nicht mehr – in mir herrschte ein einziges Chaos und ich hatte keine Ahnung, wie ich damit umgehen sollte.

 

 

Mit einem Seufzen schloss ich das Buch, in dem ich bis eben gelesen hatte. Beziehungsweise: Ich hatte es versucht. Die Buchstaben hatten keinen Sinn ergeben, waren vor meinen Augen verschwommen, so dass ich diesen einen Absatz immer und immer wieder gelesen hatte. Müde fuhr ich über meine Auge und blickte zur Uhr. Noch sechzig Minuten bis meine Freistunde endlich vorbei war. Manchmal hasste ich das Kurssystem unserer Schule. Ich meine, wer brauchte schon mitten im Unterricht eine Freistunde? Und da war Alex auch noch in anderen Kursen, so dass ich die meistens allein hinter mich bringen musste. Aber es half ja nichts. Es waren zum Glück erstmal nur noch zwei Wochen und da war schulfreie Zeit.

 

 

Seufzend schnappte ich meine Sachen und wühlte nach meinem MP3-Player, während ich auf den Ausgang der Schule zu strebte. Vielleicht würden mich frische Luft und Musik etwas von meinen Gedanken ablenken. Die Sonne strahlte mich an, als ich endlich draußen war. Sofort war ich ruhiger. Die Musik ballerte in meinen Ohren, als ich in die Richtung unserer alter Sporthalle wanderte. Sie sollte bald abgerissen werden, da sie baufällig war. Irgendwie mochte ich das alte Gebäude. Immer, wenn ich meine Ruhe brauchte, schlüpfte ich durch einen Spalt in der Tür und kletterte auf die Tribünenplätze, die man über eine alte Steintreppe erreichen konnte. Hier war es noch einigermaßen trocken und durch das große Fenster, dass kaputt geschlagen wurde,kam immer ein Schwung frische Luft herein. Vor einigen Jahren hatte ich mehrere Isomatten hier rauf gebracht, um es gemütlicher zu haben. Sie lagen noch immer da. Aber heute waren sie besetzt.

 

„Silas?“ Ausdruckslos sah ich ihn an, obwohl es in meinem Innerem brodelte. „Was machst du hier?“

 

Aus dunklen Augen sah er mich an, während er sich langsam erhob und auf mich zu kam. Unwillkürlich wich ich einen Schritt zurück und er stoppte.

 

„Ich will mit dir reden“, meinte er leise. Seine tiefe Stimme ließ einen heißkalten Schauer über meinen Rücken wandern. Ich verkrampfte mich.

 

„Ich glaube nicht, dass wir noch etwas zu bereden haben“, erwiderte ich und wollte mich abwenden.

Am liebsten hätte ich ihn an mich gerissen, so verführerisch sah er aus. Mein Körper spielte verrückt und ich wusste nicht mehr ein noch aus. Meine Selbstbeherrschung war an der Grenze, ich wusste nicht, wie lange ich in seiner Nähe durchhalten würde und deshalb musste ich gehen, sonst wäre alles zu spät.

 

Mit schnellen Schritten wollte ich fliehen, aber Silas folgte mir und packte mich am Arm.

 

„Was ist denn los, Neven?“, aus glühenden Augen sah er mich an. Mein Mund wurde staubtrocken und ich begann zu zittern. Seine ganze Nähe brachte mich immer weiter um den Verstand.

 

„Ich kann das nicht...“, flüsterte ich und riss mich los. Silas wollte mir folgen, aber wieder schüttelte ich ihn ab.

 

„Geh weg“, wehrte ich mich. „Fass mich jetzt nicht an.“

 

Fassungslos blickte Silas mich an, bis sich sein Gesicht verschloss. Sein ganzer Körper verkrampfte sich, seine Augen blitzten wütend und seine Hände ballten sich zu Fäusten. So fest, dass seine Knöchel schon weiß hervor traten.

 

„Was ist denn los mit dir“, fragte er rau. Die ganze Wut, die Silas verspürte, war in seinen Augen zu sehen. „Du ignorierst meine Nachrichten, blockierst mich sogar. Wenn du keinen Bock mehr auf mich hast, dann sag es einfach. Ich hab auf dein Rumgezicke keine Lust mehr.“

 

Wie, bitte? Er hatte keine Lust mehr auf mein Rumgezicke?! Irgendetwas platzte in mir und ich ging einen Schritt auf ihn zu. Meinen Rucksack ließ ich unbeachtet neben mir fallen. Mein gesamter Körper zitterte vor Wut.

 

„Hast du mal überlegt, dass es an dir legen könnte?“, zischte ich und kam ihm bedrohlich näher. Ich sah, wie sich seine Augen weiteten, ehe er sich zu Schlitzen verzog. Auch er kam mir näher, so dass ich seinen Geruch wahrnehmen konnte. Ein Schauer lief über meinen Rücken und ich erzitterte.

 

„Wir haben keine Abmachung“, raunte Silas wütend. „Das ist nur Sex. Ziemlich guter Sex, aber sonst nichts. Warum willst du daran jetzt etwas ändern?“

 

Sprachlos sah ich Silas an, der so kalt, so grausam vor mir stand.

 

„Glaubst du, ich weiß das nicht? Glaubst du wirklich es wäre mir nicht die ganze Zeit bewusst gewesen, was ich in Wirklichkeit für dich bin?“

 

Silas zuckte mit den Schulter. „Du kannst mir nicht sagen, dass du es nicht gewollt hast.“

 

Ich zuckte zurück und wandte ihm den Rücken zu, um mich an der Wand abzustützen, die die Zuschauer früher davor bewahrt hatte, hinunter zu fallen. Der Stein unter meinen Händen fühlte sich rau und steinig an. Spitze Steine schnitten in meine Hand und doch presste ich sie fester gegen die Mauer. Ich brauchte diesen Schmerz jetzt, um bei klarem Verstand zu bleiben. Meine Gefühle kämpften gegen einander. Auf der einen Seite war da Wut. Ich wollte Silas einfach stehen lassen, wollte ihn nie wieder sehen. Auf der anderen Seite war da Verlangen und Liebe. Ich wusste nicht, welche überwiegen sollte und doch wuchs da diese Art Zwang, mich in seine Arme zu werfen.

 

„Ja, ich habe es gewollt. Und es war okay. Aber jetzt ist es das nicht mehr“, flüsterte ich leise und doch wusste ich, dass Silas alles verstand. „Jetzt kann und will ich das nicht mehr. Ganz oder gar nicht. Für alles andere ist zuviel geschehen.“

 

Ich spürte, wie Silas hinter mich trat. Spürte die Hitze, die von seinem Körper ausging und seinen Atem, der über meinen nackten Hals fuhr. Eine Gänsehaut breitete sich über meinen ganzen Körper aus und Erregung durchfuhr mich, wie ein heißer Lavastrom. Leise keuchte ich auf, als Silas meine Hüften packte und mich an sich presste.

 

„Ich kann dich nicht aufgeben“, wisperte er und verteilte sanfte Küsse auf meinem Hals. Federleicht waren sie, kaum eine richtige Berührung und doch versprachen sie soviel mehr. „Ich will dich zu sehr.“

 

Seine Hände strichen meinen Körper entlang, schlüpften unter meinen Pullover und streichelte sanft über meine nackte Haut. Ich erschauerte und drängte mich ihm entgegen.

 

„Warum?“, flüsterte ich. Meine Stimme klang ganz belegt und mein Verstand verabschiedete sich allmählich, doch ich musste wissen, was er mit seinen Worten meinte. Hatte er doch Gefühle für mich? Oder war es doch nur ein Spiel für ihn?

 

Ich erhielt keine Antwort, spürte nur, wie seine langen, kühlen Finger mein Kinn streichelten, um es zur Seite zu ziehen, wo mich seine heißen Lippen erwarteten. Ich stöhnte in den Kuss, als mich die Erregung vollkommen packte und mich mit sich riss. Ich entwand mich seinem Griff und packte ihn dann am Kragen seiner Jacke, erneut krachten unsere Lippen aufeinander, während ich ihn zu den Isomatten dränge. Ich kann nicht mehr, ich muss ihn jetzt spüren, muss ihm so nah sein, wie möglich – wenigstens noch dieses eine Mal.

 

 

Ich zerre ihm sein Shirt über den Kopf und küsse die freigelegte Haut, umspiele seine Nippel mit meiner Zunge und grinse, als er heißer aufstöhnt. Er streift mir den Pullover über den Kopf und saugt an meiner empfindlichen Haut. Schauer der Erregung laufen über meinen gesamten Körper und ich kann einen leisen Schrei nicht unterdrücken, als ich seine Hand an meinem harten Glied spüre, wie er immer fester und schneller darüber streicht. Atemlos lasse ich mich gegen ihn sinken, sehe ihm in die lustverhangenen Augen, die mich stürmisch betrachteten. Etwas war anders in ihnen, sie strahlten ein Gefühl aus, dass ich noch nie bei ihnen gesehen hatte.

 

 

Silas schnappt nach meinen Lippen und erneut versinken wir in einem atemlosen Kuss, während er meine Hose öffnet. Hecktisch versucht er sie mir über den Hintern zu ziehen, gibt es aber auf, als er merkt, dass er nur zentimeterweise klappt. Mit einem harten Griff zieht er mich auf seinen Schoß, seine Umarmung ist verbrennend. In die Augen starrend, keuchen wir uns an, während auch er seine Hose öffnet, um seinen steifen Schwanz aus seiner Hose zu holen. Noch enger zieht er mich an sich und endlich berührten sich unsere Glieder. Zischend ziehe ich die Luft ein und keuche, als er sie packte und noch enger aneinander presst. Stirn an Stirn beginnt Silas sie zu reiben. Das Gefühl, das mich durchströmt ist unglaublich. Wir hatten uns schon so oft geliebt, aber nie mit einer solchen Intensität.

 

 

Stöhnend werfe ich den Kopf in den Nacken, als er sein Tempo beschleunigt und sich die Reibung dadurch erhöht. Mit der linken Hand umfasse nun auch ich unsere harten Glieder, um sie im gleichen Rhythmus zu reiben, während ich mit der anderen Hand in seine Haare greife und ihn zu mir ziehe. Der Kuss, den wir nun teilen, ist äußerst zärtlich, beinahe schon hauchzart und ein flatterndes Gefühl breitet sich in meinem Bauch aus, unsere Lust steigert sich erneut und Silas stöhnt leise auf. Das Gefühl der Lust wird immer drängender und baut sich wie eine Mauer in mir auf. Ich winde mich hin und her. Ein Versuch, die unaufhaltsame Welle aufzuhalten, doch es ist vergebens.

 

„Silas... Ich kann nicht mehr“, keuche ich und blicke ihn in die Augen, die mich ebenso glühend anstarren. Er verzieht kurz seinen Mund zu einem Grinsen, ehe auch er aufstöhnen muss.

 

„Dann komm“, flüstert er gegen meine Lippen und beschleunigt erneut sein Tempo.

 

Stöhnend verkralle ich mich in seiner Schulter. Hinterlasse blutige Striemen, was ihn aufstöhnen lässt. Immer unkoordinierter werden unsere Bewegungen, immer drängender das Gefühl unserer Lust. Und dann schwappt die Welle über und wir ergießen uns gleichzeitig und stöhnend. Keuchend starre ich ihn an, sanft erwidert er meinen Blick und ich schlucke. Langsam beugt er sich zu mir und sehnsuchtsvoll erwarte ich seinen Kuss, der mich mit seiner Sanftheit gerade zu überwältigt. Erneut schwillt dieses flatternde Gefühl in mir an, als er mit seiner anderen Hand kleine, hauchzarte Kreise über meinen Rücken streichen. Schwer lehne ich mich an ihn, ziehe seinen markanten Duft ein. Sanft küsse ich die Stellen, in die ich eben noch gekrallt hatte. Er zieht mich enger an sich, presst sich mir entgegen, so dass ich seinen Herzschlag wahrnehmen kann. Ich genieße unsere Umarmung – noch mehr, als die vorherigen Akt. Es bedeutet mir soviel ihm so nah sein zu können, ihn so zu spüren. Wir schweigen, aber es ist ein gutes Schweigen, ein friedliches.

 

 

Auf eine gewisse Weise ist das hier gerade einfach nur perfekt. Ich könnte noch ewig so sitzen. Ich wünschte die Zeit würde stehen bleiben, nur damit ich für immer in Silas Armen bleiben kann und spüre, wie sein Herz schlägt. Doch unser Frieden wird gestört, als ein schrilles Klingel den Moment in der Luft zerfetzt. Silas zieht sein Handy aus der Hosentasche.

 

„Baby?“, fragt er leise und ich erstarre. Langsam löst er sich von mir und ich lasse es willenlos geschehen. Wie ein Zombie richte ich meine Sachen, während Silas das Telefonat führt, dabei sogar leise auflacht.

 

„Ich dich auch“, raunt er leise. Geradezu verführerisch in sein Handy und wieder zerbricht etwas in mir. Hatte ich wirklich geglaubt, dass das hier was bedeutet? Voller Selbstekel verkralle ich meine Hand in den Stoff meines Pullovers und stehe leise auf. Er beendet das Telefonat und zieht mich fragend an, als ich meinen Rucksack hoch hebe.

 

„Du willst schon gehen“, fragt er geradezu erstaunt. „Es war doch gerade so schön.“

 

Hart lache ich auf und blicke ihn kalt an, versuche meine Maske aufrecht zu erhalten, auch wenn alles in mir brannte, wie Feuer.

 

„Ich will, dass du mich ab jetzt in Ruhe lässt“, meine Stimme klingt kälter als Eis und ich sehe, wie er einen Schritt zurück taumelt. „Das mit uns ist jetzt vorbei. Es hätte nie beginnen sollen. Ich weiß nicht einmal, warum ich dich liebe, wo du mir doch immer wieder zeigst, dass ich nichts anderes für dich bin, als dein dreckiges, kleines Spielzeug, das man einmal benutzt und dann vergisst.“

 

„Aber Neven...“, erneut unterbreche ich ihn, denn sonst wäre ich am Ende. „Spar dir deine Worte, Silas. Behalt sie für dein Baby.“

 

Und dann gehe ich, verlasse das Gebäude und die Schule. Ich habe keine Kraft mehr. Es war endgültig vorbei. Mein Innerstes fühlte sich taub und eiskalt an und ich fragte mich, ob es je wieder anders fühlen würde, wie in diesem einen Moment, als mein Herz zerbrach.

 

 

~oOÖOo~

 

 

Es war laut und stickig. Frustriert starrte ich auf die Bierflasche in meiner Hand und seufzte. Ich hätte nicht herkommen sollen. Lauter fröhliche Leute um mich herum war eigentlich nicht das, was ich jetzt gebrauchen konnte. Alex hatte mich überredet auf diese Kellerparty unseres Jahrgangs zu gehen, damit ich mich nicht so verkroch, aber ich fühlte mich hier absolut nicht wohl.

 

 

Mit einem Seufzen stellte ich meine Flasche auf den Tisch. Vielleicht sollte ich einfach gehen. Ich könnte Alex eine SMS schreiben und dann einfach abhauen. Ich fühlte mich hier einfach nicht vor und Silas in der Ecke stehend zu sehen, das Blondchen an seinem Hals hängend und zu mir starrend, trug nicht gerade zu meinem Wohlbefinden bei. Ich zückte mein Handy. 0: 35 Uhr zeigte mir das Display und ich seufzte. Wir waren schon seit zwei Stunden da und ich bis jetzt nur auf dieser Couch gesessen und an meinem Bier genuckelt, während ich – mal wieder – über Silas nachgedacht hatte. Seine unmittelbare Nähe brachte mich einfach um den Verstand. Ich war einfach nicht zurechnungsfähig in seiner Nähe. Schon allein sein Anblick versetzte meinen Körper in Aufruhr und der Wunsch, das Blondchen von ihm weg zu stoßen und mich in seine Arme zu werfen, wurde fast übermächtig. Ich verkrampfte meine Hände und stand auf. Es war definitiv, Zeit zu gehen.

 

 

Mit wackeligen Beinen dränge ich mich durch die Menge und stütze mich an der Wand ab, um dann unaufmerksam um die Ecke zu biegen. Noch in der Bewegung merke ich, wie ich gegen jemanden stoße.

 

„Oh Gott!“, rufe ich aus und fasse nach den Händen des Jungen, den ich so eben umgerannt hatte. „Tut mir sehr Leid! Ich habe dich nicht gesehen.“

 

Der Junge lächelt mich nur an und ich muss unwillkürlich zurück lächeln. Irgendwie ist er wirklich niedlich.

 

„Ach, kein Problem“, meint er und klopft sich den imaginären Staub von seiner engsitzenden Jeans. „Alles noch heil.“

 

Ich nicke und lächle nochmal entschuldigend, um mich dann zum Gehen zu wenden, aber die Stimme des Jungen hält mich zurück.

 

„Willst du schon gehen?“ Ich wende mich zu ihm und nicke.

 

„Ist nicht so meine Welt. Das hier“, meine ich und weise auf die Leute, die lachend oder tanzend in der Ecke stehen. Schmollend sieht mich der Junge an und meint, „Schade, ich hätte dich gerne näher kennen gelernt.“

 

Ich schlucke und winde mich. Spüre, wie meine Wangen sich röten. Außer Silas hatte sich bis jetzt noch nie jemand für mich interessiert. Jetzt diese ungeteilte Aufmerksamkeit zu bekommen, machte mich verlegen. Plötzlich kam er mir näher und grinste dabei. Unwillkürlich weiche ich einen Schritt zurück, spüre aber schon die Wand in meinem Rücken. Ich schlucke trocken und kralle mich in die steinerne Wand. Irgendwie ist mir die ganze Situation unangenehm.

 

„Ich würde mich wirklich freuen, wenn du bleiben würdest“, haucht er und kommt mir noch näher. Am liebsten würde ich in die Wand eintauchen oder einfach verschwinden, aber so nehme ich meinen Mut zusammen und drücke ihn ein wenig von mir weg. Unverbindlich lächle ich ihn an.

 

„Ich glaube, das ist keine so gute Idee“, erkläre ich und will mich an ihm vorbei drängen, aber er packt meine Hand, die auf seiner Schulter liegt und verschränkt sie mit seiner Hand.

 

„Ach, komm sei nicht so schüchtern“, er drängt mich zurück an die Wand. Ich versuche ihn zurück zu schubsen, aber er ist stärker, als er aussieht. „Wir hätten sicher ne Menge Spaß zusammen.“

 

Langsam werde ich wütend und versuche, ihn von mir zu stoßen, aber er packt meine Handgelenke. Fast schmerzhaft zische ich auf und zum ersten Mal überkommt mich das Gefühl der Angst. Wieder kommt er mir näher und ich nehme die Alkoholfahne war, die ihn umgibt. Ich winde mich und versuche meine Handgelenke aus seinem festen Griff zu winden, aber er hält mich zu fest.

 

„Komm schon, Süßer“, säuselt er und ich verziehe angeekelt das Gesicht, was er gar nicht wahrzunehmen scheint. Verzweifelt wehre ich mich gegen seinen Griff, als jemand hinter dem Kerl auftaucht. Erleichtert seufze ich auf, als ich sehe, wie wütend Silas Augen funkeln.

 

„Ben, ich glaube, deine Anwesenheit ist nicht länger erwünscht“, ganz kalt klingt seine Stimme. Mir läuft ein Schauer über den Rücken.

 

„Ah, halt dich da raus, Silas“, grinst Ben höhnisch und presst mich wieder enger an die Wand, so fest, dass mir die Luft aus den Lungen gepresst wird. „Er will es doch.“

 

Ich sehe, wie sich die Wut in Silas steigert, doch er versucht sie zu unterdrücken und reißt Ben an der Schulter zurück. Ben schreit kurz auf und verliert das Gleichgewicht, aufgrund des großen Schwungs, den Silas auf ihn ausübt. Er fällt gegen Silas, richtet sich aber sofort wieder auf.

 

„Sag mal, was fällt dir eigentlich ein“, zischt Ben und packt nun ebenfalls Silas Schultern. „Das hier geht dich gar nichts an.“

 

Wieder blitzen Silas Augen auf und ich halte den Atem an, als er leise raunt, „Und wie mich das was angeht. Du lässt ihn in Ruhe oder du bekommst es mit mir zu tun.“

 

Ben lacht höhnisch und stößt Silas von sich. „Jetzt sag nicht, dass du auf den stehst.“

 

Wieder lacht Ben auf, als sich Silas Körper verkrampft. Diese Szene, die sich hier gerade abspielt, ist gerade zu grotesk. Ich kann es nicht glauben. Viel wahrscheinlicher wäre doch, dass ich irgendwo in der Ecke lag und träumte und doch wirkte alles so verdammt real, dass sich mein Magen zu einem Eisklumpen zusammen zog, als Ben höhnisch meint, „Der Stockhetero Silas steht auf unseren kleinen Neven. Hast du ihn schon gefickt? Ist er gut?“

 

Ich sehe, wie Silas zusammen zuckt. Sein Hand ballt sich zu einer Faust und er zischt, „Halt den Mund!“

 

„Dann ist es also wahr?“, lacht Ben und kann sich kaum noch halten. „Du gaukelst uns allen vor, du wärst ein Mustermensch und in Wahrheit bist du eine feige Schwuchtel.“

 

Noch bevor irgendjemand reagieren kann, rast Silas Faust auf Ben zu und kracht auf sein Gesicht. Zu schnell, als dass ich es wirklich begreifen kann, wälzen sich die beiden am Boden. Verkeilt ineinander. In wenigen Sekunden füllt sich der Flur mit allerlei Schaulustigen, die die beiden auch noch anfeuern. In der Menge treffen sich meine Augen mit Alecs und er drängt sich nach vorn. Mit einem Blick schätzt er die Situation ein und schnappt sich Ben, der sich gegen Alecs Griff nicht wehren kann.

 

„Hey, lass mich los“, schreit Ben auf und zappelt in Alecs Armen, aber der packt ihn nur fester und bringt ihn zu Tür.

 

Ich sehe zu Silas, der unten am Boden sitzt. Die Haut auf seiner rechten Wange ist geplatzt und es blutet leicht, aber sonst scheint er nicht verletzt zu sein. Langsam hocke ich mich vor ihn und sehe ihn an.

 

„Danke“, flüstere ich leise und strecke meine Hand nach ihm aus. Aus dunklen Augen sieht er mich an, ein regelrechter Gefühlssturm tobt in ihnen. Ohne ein Wort ergreift er meine Hand und ich ziehe ihn nach oben. Schweigend suchen wir uns den Weg in die Küche und ich befeuchte ein Taschentuch, während er sich auf einen Stuhl niederlässt. Sanft packe ich sein Kinn und beginne, das Blut mit dem Taschentuch abzutupfen. Er zischt leise auf, bleibt dann aber still und beobachtet mich aus dunklen Augen. Nervös zapple ich hin und her, beiße mir unbewusst auf die Lippen und versuche, mich auf seine Verletzung zu konzentrieren, aber er packt mein Handgelenk.

 

„Neven“, flüstert er leise, ich schlucke trocken und blicke ihn an. „Es tut mir Leid.“

 

Ich nicke nur und will weiter machen, aber er hält mich nur fester. Ich weiche seinen Augen aus.

 

„Bitte, sieh mich an“, raunt er leise und ich folge seine Bitte. Mein Atem stockt, als ich die Gefühle in seinen Augen wahrnehme. „Ich will dich nicht verlieren.“

 

Tränen steigen mir in die Augen und ich wende mich von ihm ab. Planlos und verzweifelt, was ich jetzt sagen soll. Langsam gehe ich zum Mülleimer und werfe das feuchte, blutige Taschentuch hinein.

 

„Neven...“, fleht er beinahe schon. „Bitte, rede mit mir.“

 

Kurz schließe ich die Augen und versuche, mir über meine Gefühle klar zu werden, die ein einziges Chaos sind. Nichts ergibt Sinn und doch weiß ich, dass ich es nicht noch einmal durchmachen kann, nur ein Spielzeug für ihn zu sein.

 

„Für wie lange?“, wispere ich und drehe mich zu ihm. Er sitzt vollkommen verloren auf dem Stuhl, es schmerzt mich ihn so zu sehen. „Für wie lange würdest du zu mir stehen? Für wie lange würdest du mich richtig wahrnehmen?“

 

Bei jedem meiner Worte zuckt er zusammen und sieht mich dann verzweifelt an.

 

„Ich will nichts Halbes, Silas“, sage ich fest und gehe auf ihn zu. „Ich will alles. Und ich will die alles geben. Ich kann so nicht mehr weitermachen.“

 

Sanft küsse ich seine Stirn und wende mich von ihm ab, um die Küche zu verlassen, erst seine Worte stoppen mich.

 

„Und wenn ich dich auch ganz will?“, flüstert er.

 

„Dafür ist es zu spät“, erstickt schluchze ich auf. „Viel zu spät. Lebwohl, Silas.“

 

Dann verlasse ich fluchtartig die Küche. Ich keuche und versuche, wieder zu mir zu finden, aber Tränen lassen meine Sicht verschwimmen.

 

„Komm, Neven“, plötzlich ist Alex an meiner Seite. Stützt mich. „Ich bringe dich nach Hause.“

 

Und ich lasse es willenlos geschehen.

 

 

~

 

 

„Neven...?!“

 

Die Stimme klang wie aus weiter Ferne. Grummelt zog ich mir die Bettdecke über den Kopf und wollte weiterschlafen. Mein Kopf war immer noch schwer vom Schlaf.

 

„Neven...! Komm schon, wach auf!“ Ich identifizierte die Stimme als Alex´. Nur langsam krochen die Erinnerungen des gestrigen Abends in meine Gedanken. Ben... Silas... die Schlägerei... die Szene in der Küche. Schwer seufzte ich auf und rieb mir die Augen. Alex hatte mich nach Hause gebracht und war geblieben, um mich zu trösten, doch ich hatte einfach nur in mein Bett gewollt und obwohl ich nicht sofort eingeschlafen war, hatte ich mir jeden Gedanken über Silas verboten. Gebracht hatte es nicht viel, denn jetzt fiel mir ein, wovon meine verwirrenden Träume gehandelt hatten.

 

Erneut rüttelte Alex an mir. „Neven, komm schon. Ich muss dir was zeigen!“

 

Alex Aufregung machte mich nicht unbedingt wacher und doch setzte ich mich auf und sah ihn verschlafen an.

 

„Wie spät ist es?“, fragte ich müde. Ich konnte ihn kaum erkennen, weil meine Augen noch ganz klein vom Schlaf waren.

 

„Halb elf, aber das ist jetzt egal“, schrie Alex fast. Er riss mich aus dem Bett. Ich wackelte mehr, als dass ich ging hinter ihm her. Kurz vor dem Fenster blieben wir stehen. Erwartungsvoll sah Alex mich an. „Da, schau raus.“

 

Ich sah ihn skeptisch an und ging im Kopf die Möglichkeiten durch, wann er in der letzten Nacht seinen Verstand verloren hatte. Schließlich gab ich mir einen Ruck und sah aus dem Fenster, auch wenn ich nicht erwartete, etwas Interessantes zu sehen. Noch müde nahm ich das Bild, dass sich unter meinem Fenster auf der asphaltierten Straße befand gar nicht richtig wahr. Erst nach und nach schlossen sich die Details zu einem ganzen Bild und mir schossen die Tränen in die Augen. Das Bild zeigte Kornblumen in verschiedenem Blau. Sie waren mit einer solchen Liebe zum Detail gemalt, dass mir Schauer über den Rücken liefen aber am wichtigsten waren die Wörter, die sich als Schriftzug quer durchs Bild zogen. Ich liebe dich, Silas.

 

 

Tränen liefen über meine Wangen. Ich war vollkommen überfordert, wusste nicht wohin mit meinen Gefühlen und schluchzte auf. Alex nahm mich in den Arm, drückte mich fest an seine Brust und ließ mich weinen. Ich ließ alles raus. All den Schmerz, all die Hoffnung, all die Angst. Ich wusste nicht, wie lange wir so standen, aber irgendwann versiegten die Tränen und ich sah erneut auf das Bild hinunter.

 

„Und jetzt?“, fragte ich leise. „Was mache ich jetzt?“

 

„Was sagt dir dein Herz?“

 

Ich sah Alex an und horchte in mich hinein, „Ich habe Angst, dass das wieder nur ein Spiel ist, aber am liebsten wäre es mir, wenn er jetzt hier bei mir wäre.“

 

Alex lächelte mich an, „Dann geh zu ihm und sag, was du fühlst.“

 

„Wirklich?“, fragte ich. „Und was, wenn er mich wieder verletzt?“

 

„Das ist das Risiko, dass wir eingehen, wenn wir uns verlieben“, flüsterte Alex und streichelte über meinen Rücken. „Und wenn er dir wehtut, brech ich ihm die Knochen.“

 

Schelmisch grinste Alex mich an und ich musste kichern, obwohl noch immer Tränen in meinen Augen schwammen.

 

„Ich bin so froh, dass es dich gibt“, flüsterte ich zu Alex.

 

„Ich auch“, lächelte er und winkte da ab. „Und jetzt zieh dich an und geh zu ihm.“

 

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen, schlüpfte in Turnschuhe und nahm meine Jacke vom Regal. Schon wenige Augenblicke später war ich auf der Straße und rannte zum Strand. Mein Herz klopfte wild und ich spürte die Aufregung, die stetig in mir wuchs. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, aber ich würde ihm eine Chance geben. Die letzte.

 

 

Endlich sah ich den Strand und ging vorsichtig die Treppen hinunter, die noch feucht vom Tau waren. Unten angekommen, wandte ich mich dem Weg der Hütte zu, aber da sah ich ihn schon. Lässig stand er am Wasser, die Hände in den Taschen seiner engen Jeans vergraben, starrte er hinaus auf wildschäumende Meer. Er sah so verletzlich aus und gleichzeitig so stark. Langsam näherte ich mich ihm, erst als ich direkt hinter ihm stand, gab ich einen Laut von mir.

 

„Hallo, Silas“, sagte ich leise, sofort wirbelte er zu mir herum. Er sah müde aus und die Verletzung an seiner Wange war angeschwollen, aber seine Augen strahlten vor Glück.

 

„Neven, du bist hier.“

 

Er überwand die wenigen Schritte zu mir und griff nach meinen Händen. Ich bemerkte, dass an seinen noch die Farbe der Kreide klebte, mit denen er das Bild auf die Straße gemalt hatte.

 

„Nach gestern hab ich gedacht, ich hätte dich für immer verloren“, flüsterte er und lehnte seine Stirn an meine.

 

„Warum Kornblumen?“, wollte ich wissen und mein Herz verdreifachte sein Tempo vor lauter Aufregung.

 

Silas errötete ein wenig und ich musste schmunzelnd. Das war eine Seite, die ich an ihm gar nicht kannte.

 

„Weil mich ihre Farbe an deine Augen erinnert“, flüsterte er rau und schluckte. „Ich habe noch nie solche Augen, wie deine gesehen. Sie verfolgen mich sogar im Schlaf.“

 

Erneut spürte ich Tränen, die meine Wangen hinunter liefen. Ich umfasse sein Gesicht und sehe ihm in die Augen.

 

„Ich werde nicht teilen“, wispere ich und spüre, wie ein Schauer durch ihn hindurch läuft. „Alles oder nichts.“

 

Silas nickt und seine Lippen bilden Worte, die mir so unendlich viel bedeuten. Ich liebe dich.

 

Ich lächle ihn an, versinke in seinen Augen und wispere an seinen Lippen, „Ich dich auch.“

 

Dann verschmelzen unsere Lippen endlich zu dem lang ersehnten Kuss und es ist das erste Mal, dass ich spüre, wie wichtig ich ihm bin.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ENDE

Impressum

Texte: Alles meins^^
Tag der Veröffentlichung: 12.04.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle, die so sehnlichst darauf gewartet haben. Danke für eure Unterstützung

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