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Schon als sie noch ein kleines Mädchen war, fuhr sie so gern mit dem Bus. Ihre Mutter brachte sie fast jeden Samstag bis zur Bushaltestelle und sprach dann mit dem Busfahrer, er möge gut auf sie aufpassen und sie bis zur Enthaltstelle in Mestlin im Auge behalten. Idas Eltern arbeiteten sehr viel, auch am Wochende, deshalb war es für sie immer ein großes Erlebnis zu Ihren Großeltern zu fahren.
Ida saß gern ganz vorn beim Busfahrer, dort hatte sie den besten Überblick, sie konnte aus dem Fenster schauen, sah die Dörfer, die Felder und die Wiesen. Hier sah sie immer wieder begeistert den Kuhherden nach und freute sich schon auf die vielen bunten Blumen, die sie ihrer Oma pflücken wird.
Noch dachte sie nicht an das Aussteigen in Mestlin und den damit verbundenen Anstrengungen, um zu ihrer Oma zu gelangen. Sie träumte während der Fahrt von ihren Abenteuern auf den Wiesen und Feldern. Kaum bemerkte sie, dass Fahrgäste ausstiegen oder einstiegen. Ihr war es egal, sie hatte den allerbesten Platz im Bus.
Dann hörte sie die Stimme des Busfahres neben sich sagen " Alle aussteigen, Endstation!" Ida nahm ihre kleine Tasche und machte sich auf den Weg zu ihrer Oma. Langsam stieg die Angst in ihr auf. Sie überlegte, welchen Weg gehe ich heute. Von den zwei Möglichkeiten, wählte sie den längeren, da sie hoffte, sie kommt unbeschadet bis zum Haus ihrer Großeltern. Aber schon von weitem sah sie, dass es nicht so sein wird. Sie ging den ganzen Weg zurück in der Hoffnung, der andere Weg ist heute besser. Als sich ihre Angst schon fast wieder gelegt hatte, sah sie aber auch auf diesem Weg das Unfassbare. Wie können diese Viecher nur so schnell sein? Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und ging mit schnellen Schritten die Straße entlang.Sie kam diesen Ungeheuern immer näher. Ihr Herz pochte immer lauter und der Schweiß rann ihr schon im Gesicht herunter. Sie fing an zu weinen. Die Tränen liefen, sie konnte nichts dagegen tun. Ihre Augen konnten kaum noch etwas sehen. Da waren sie, so viele! Ida hatte keine Zeit sie zu zählen. Da kam ihr auch schon ein Ganter entgegen gelaufen. Zischend, flatternd, aufgeregt schnatternd. Die anderen Gänse taten es ihm nach. Ida wollte rennen, einfach nur rennen. Doch sie stand wie angewurzelt vor diesem Ungetüm. Er war schon so nah bei ihr, dass er sie mit seinem Schnabel hätte berühren können. Ida nahm allen Mut zusammen und schlug mit ihrer Tasche umher, damit traf sie den Ganter so heftig, dass der taumelte. Das nutzte Ida und rannte. Die anderen Gänse standen dumm da und wußten nicht was geschah. Ihr Ganter mußte sich ertsmal erholen und das ging ziemlich schnell. Da war die ganze Gänseherrde auch schon hinter Ida her.
Jedesmal das gleiche Schauspiel. Ida lief so schnell ihre Beine sie tragen konnten und endlich sah sie das Haus ihrer Großeltern. Sie riß die Gartentür auf und schnell schloß sie diese wieder hinter sich. Kaum war sie im Hof, standen diese wilden Tiere auch schon vor dem Zaun und machten ein riesen Spektakel. Ida war völlig aus der Puste und ging mit zitternder Stimme, weichen Knien und Tränen überströmt ins Haus. Ihre Großeltern versuchten sie zu trösten und sagten ihr immer wieder, dass sie keine Angst haben muss vor den Gänsen. Aber das war wenig Trost für Ida, denn sie war nicht viel größer als diese schrecklich kreischenden Ungetüme.
Nach einer Tasse Kakao ging es Ida merklich besser und sie konnnte sich entspannt auf den Hof umschauen und Neues entdecken. So schlenderte sie über den Hof und pflückte einen Strauß Gänseblümchen, den sie dann der Oma in die Küche brachte. Ihr Opa hatte auf dem Hof zu tun. Er arbeitete im Stall, dort gab es Schweine, Hühner, Enten, sogar einen riesigen Bullen und auf dem Hof lebte auch ein großer schwarzer Hund, namens Rollfi. Hunde waren für Ida auch eine Schrecken. Aber Rollfi war angebunden und für den Moment ging von ihm keine Gefahr aus. Das Wochenende verlief wie viele andere auch. Sie liebte es bei ihren Großeltern zu sein. Dort hing sie ihren Träumen nach, beobachtete die Vögel, pflückte für alle Vasen im Haus Blumen und hatte viel Spaß mit ihrer Oma. Es war ein großes altes Bauernhaus. Auf der einen Seite waren die Zimmer - Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer und ein kleiner Flur, der zum Stall führte. Im Stall war es sehr unheimlich für Ida. Dort grunste und raunte es in allen Ecken. Besonders die riesige Bulle war sehr respekteinflössend. Aber wenn Ida auf die Toilette gehen mußte, war es nur möglich durch den Stall , dann über den Hof zum Toilettenhäuschen zu gelangen. Oder man konnte den anderen Weg wählen durch das ganze Haus, über den Hof und hinterm Stall war das Klohäuschen. Es kostete Ida viel Überwindung dorthin zu gehen. Wenn keiner in der Nähe war, hockte Ida sich ganz schnell im Stall hin. Vom Stall aus ging noch eine Holztreppe hinauf zum Heuboden. Dort wurde das Futter für die Tiere gelagert. Seltsame Geräusche kamen von dort oben, Ida hatte große Angst dort hinauf zu gehen. Nur ein paar Mal war sie mit den Großeltern oben. Es kam ihr riesig vor, unüberschaubar, soviel Heu und Stroh und viele Säcke voller Getreide und anderer Krimskram lagen dort umher oder hing an den Dachschrägen. Sie war am liebsten unten in der Küche, schaute ihrer Oma beim Kochen zu oder übernahm auch schon mal gern etwas. Es roch immer so schmackhaft und Ida freute sich jedesmal auf das gemeinsame Essen.Der Abend verlief eigentlich immer gleich. Nach dem Essen wurde alles abgeräumt und in die Schränke gestellt, der Herd geputzt und die Küche gefegt. Dann gingen alle zusammen in die kleine Wohnstube, dort stand ein runder Esstisch in der Mitte, drumherum vier Stühle. Rechts neben der Tür stand ein Sofa und vor dem einem Fenster standen zwei kleine Sessel und ein kleiner runder Tisch. An der linken Seite von der Tür stand ein großer Ofen, daneben ein gemütlicher Sessel, indem Ida´s Opa immer saß. Dann kam die Tür zum Schlafzimmer und daneben stand ein Radio auf einem kleinen Schränkchen. Neben dem Fenster gab es noch einen großen Schrank mit vielen Gläsern, Vasen, Schalen und so allerhand Kram, den Ida immer sehr interessant fand.
Jeder suchte sich einen gemütlichen Platz. Der Opa stellte das Radio an und alle lauschten gespannt auf die Nachrichten oder auf die Musik und wenn Ida Glück hatte, durfte sie auch die Hörspiele zu Ende hören. Meistens aber hörten sie die Musik an und wenn der Opa es erlaubte, durfte Ida in der Stube tanzen. Das Glücksgefühl war perfekt wenn es am Abend auch noch etwas zu naschen gab. Ida wußte immer genau, wann. Ihre Oma gab dann dem Opa ein Zeichen, der ging in die Schlafstube und holte aus einem Karton auf dem Schrank eine Schokolade. Das war für Ida besonders toll, den nicht nur die Schokolade schmeckte bei ihrer Oma besonders, nein, der Opa bastelte aus dem Silberpapier immer lustige Figuren oder auch mal Becherchen, aus denen sie dann tranken. Das war ein riesen Spaß, denn sie wußten nie, ob die Becher auch dicht hielten. Später mußte Ida dann ins Bett. Sie versuchte, es so weit wie möglich nach hinten hinauszuzögern. Im Schlafzimmer war es nämlich ein weinig gruselig. Ida schlief gleich neben der Tür auf einen Sofa. Da es nicht so oft benutzt wurde, das Fenster meistens offen stand und am Haus die Weinranken überall entlang rankten, sah Ida immer ersteinmal unter das Kopfkissen und unter die Bettdecke. Nicht selten fand sie da die richtig dicken Spinnen mit den schwarzen langen Beinen und den dicken schwarzen Körpern. Dann gab es ein riesen Geschrei und der Opa mußte nun die Tierchen entsorgen. Mit einem muhlmigen Gefühl kroch Ida dann in das Bett und versuchte so schnell es ging zu schlafen. Denn wenn ihre Großeltern zu Bett kamen, war es zu spät . Der Opa schlief sofort ein und ein lautes Schnarchkonzert begann und endete erst am frühen Morgen wenn er wieder aufstand. Erst gegen Morgen schlief dann auch Ida ein, jedenfalls war ihr Gefühl so. Dann erwachte sie erst, wenn die Sonne schon hoch stand und ihre die Nase kitzelte. Ida sprang schnell aus dem Bett und versuchte jedesmal an den Karton mit den Süßigkeiten zu gelangen. Aber vergebens, sie war zu klein und sie mußte ja auch sehr leise sein, ohne Stuhl gelang es ihr aber nicht. So ging sie dann im Schlafanzug in die Küche und frühstückte, meistens allein. Denn der Opa war schon entweder im Stall, auf dem Feld oder im Garten. Die Oma war damit beschäftigt, das Essen vorzubereiten.Der Sonntag verging immer so schnell, das Ida kaum merkte, dass es abends war. Sie mußte zum Bus. Da die Großeltern wußten, das Ida große Angst vor den Gänsen hat, brachten sie Ida zur Bushaltestelle und sagten dem Busfahrer:" Achten sie bitte gut auf die Kleine. In Parchim wird sie von ihrer Mutter abgeholt." Ida genoss die Rückfahrt genau wie die Hinfahrt. Sie saß wieder auf ihrem Lieblingsplatz und konnte so alles gut überschauen. Noch viele Jahre besuchte sie die Großeltern und erlebte so viele schöne Stunden. Die Großeltern leben schon viele Jahre nicht mehr,aber Ida erinnert sich gern an diese Zeit.
Nun ist sie selbst schon Oma. Sie lebt in einer großen Stadt und fährt täglich mit dem Bus oder mit der Bahn. Wenn sie dann im Bus sitzt, kommen die Erinnerungen an ihre Kindheit und sie beginnt zu träumen. Sie schaut aus dem Fenster und sieht die vielen Menschen, Häuser, Straßen und manchmal auch die Wildgänse, die in der Stadt auf den Wiesen leben. Keiner dieser Gänse stört sich um die vielen Menschen drumherum. Auch die Menschen bleiben nur ab und an stehen und staunen, dass die Gänse so ruhig in der Stadt leben. Manchmal legen sie sogar den Strassenverkehr lahm, dann müssen extra Polizisten kommen und die Gänse wieder auf die Grünflächen leiten.

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Texte: Alle Rechte bei Evelin Hoop Nachdruck oder Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen einer schriftlichen Zustimmung des Autors, 2009
Tag der Veröffentlichung: 17.07.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
für meine Oma

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