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Louise sah auf ihre todkranke Tochter. Sie sah glücklich und entspannt aus, wenn sie schlief. Sie setzte sich auf die Bettkante und strich ihr eine Strähne ihres bronzenen Haars aus dem Gesicht. Hope sah aus wie ein Engel, so wie ihre Haare sich um ihren Kopf lockten, doch mit ihren grünen Augen ähnelte sie eher einer Katze. Auch der Charakter war der einer Katze. Sie war so ein lebendiges und übermütiges Kind gewesen. Doch dann kam der Krebs und das Leben ihrer ganzen Familie war auf einen Schlag wie ausgewechselt. Vier Monate war das her. Eine Träne stahl sich aus ihrem Augenwinkel und sie wischte sie aufgebracht weg. Eine Hand legte sich sanft auf ihre Schulter. Sie konnte den Blick dieser blau-grünen Augen auf sich spüren. Louise wusste nicht, wie es weitergehen sollte, wenn Hope nicht mehr wäre. Sie konnte kein neues Kind kriegen. Nicht, weil sie Sven nicht liebte, sondern weil sie in dem Kind immer Hope sehen würde. Man hatte ihnen gesagt, dass man Hope nicht operieren könnte, weil es zu gefährlich wäre sie am Gehirn zu operieren. Es sei noch alles nicht ausgewachsen und eine Chemotherapie kam ebenfalls nicht in Frage. Sie konnten nur hoffen, dass der Tumor nicht schnell wuchs, sodass Hope noch ein paar Jahre leben konnte. Und es ging auch Bergauf. Sie hatte zwar Schmerzen und musste viel schlafen, doch noch war es nicht so schlimm, dass sich Organe oder Nerven ausschalteten. Ihr 28 jähriger Ehemann war mit seiner Pflege etwas hinterhergehinkt. Er hatte einen 3-Tage-Bart und die früher kurzen, braunen Haare, waren nun länger und standen in alle Himmelsrichtungen ab. Er war zwar muskulös, doch man sah ihm an, dass er nicht trainierte und nur geringe Mengen aß. Aber sie konnte sich nicht beschweren. Sie war schon immer schlank gewesen, doch nun sah sie eingefallen und alt aus. Statt 26 sah sie aus wie Mitte 30. Ihre Erdbeerblonden Locken sahen strapaziert und kaputt aus. Langsam stand sie auf und sah Sven in die Augen. Er nahm sie in die Arme und sie ließ ihren Tränen freien Lauf.

Sie hatte keine Kraft mehr, das sah Sven seiner Frau an. Die Krankheit von Hope hatte ihren Tribut gefordert. Das spürte auch er. Es war der 23. Dezember. Ein Tag vor Weihnachten und Hope hatte noch keinen Wunsch geäußert.
"Mama, was ist? Nicht traurig sein. Morgen ist Weihnachten."
Louise wischte sich die Tränen weg und ging zu ihrer Tochter. Sie streichelte ihr über die Wange und sah sie lächelnd an.
"Du hast uns noch gar nicht gesagt, was du dir wünschst."
Hope sah von ihm zu Louise und wieder zurück, bevor sie verlegen auf ihre ineinander verschränkten Hände sah.
"Ich möchte ein Engel sein. Die haben es gut. Keine Schmerzen. Und ich könnte auf euch aufpassen. Ein Schutzengel. Ich wäre immer bei euch."
Erschrocken sah Louise zu ihm, neue Tränen in den Augen.
"Das möchtest du nicht. Schlaf noch ein wenig. Wir wecken dich wenn es Abendessen gibt."
Louise war zu schockiert um zu sprechen, aber er sah ihr an, dass sie nicht reden wollte. Hope schoss die Augen und war in wenigen Minuten eingeschlafen. Langsam erhob Louise sich und taumelte aus dem Zimmer. Sven folgte ihr ins Wohnzimmer, wo sie sich auf das Sofa fallen ließ. Sie starrte ins Leere, nichts wirklich festgehalten. Ihre sonst so warmen, braunen Augen waren von tiefen Schmerzen erfasst. Sie sah ihre Tochter schon nicht mehr bei sich. Normalerweise weinte sie, wenn sie an Hopes Zukunft dachte, nicht so in diesem Augenblick. Das zeigte, dass etwas nicht stimmte. Louise hatte aufgegeben. Kampflos. Es zerriss sein Herz seine Frau so zu sehen. Aber er konnte es nicht ändern, auch wenn er es von ganzem Herzen wollte. Sven nahm Louise in den Arm und sie flüsterte: "Ich habe Angst."
Ruhig saßen sie da und ließen alles kommende an sich vorbeiziehen.

Hope hörte wie ihre Eltern sich unterhielten. Ihre Mutter weinte und ihr Vater versuchte zu trösten. Sie wusste, dass sie Schuld war. Aber das war ihr größter Wunsch. Und sie betete, dass er erfüllt würde. Die Schmerzen waren nicht auszuhalten und ihr kleiner Körper würde nicht mehr lange durchhalten. Sie konnte das nicht mit anhören, also hielt sie sich die Ohren zu und betete.

24.Dezember. Weihnachten. Dieses Jahr würde es traurig und schmerzvoll sein. Es war das wahrscheinlich letzte Weihnachten , dass sie zu dritt feiern würden. der Gedanke schmerzte Louise am Meisten. Hope hatte fast den ganzen Tag geschlafen und Sven und sie wollten Hope ihr Geschenk geben. Leise gingen sie rein und setzten sich auf das Bett. Hope öffnete die Augen. Diese kleine Bewegung kostete sie schon Kraft.
"Sieh mal Schatz, was der Weihnachtsmann dir gebracht hat."
Louise gab ihrer Tochter ein kleines Paket. Hope streckte ihre kleinen Ärmchen aus und packte es langsam aus. Sie holte den kleinen Schutzengel aus der Schachtel und besah ihn. Ihre Augen funkelten vor Freude.
"Es ist wunderschön."
Dann drückte sie den Engel beschützend an ihre Brust. Ein Lächeln saß in ihren Mundwinkeln und sie schloss langsam zum allerletzten Mal die Augen, nachdem sie flüsterte: "Ich hab euch lieb."

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 05.04.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch widme ich meinen Eltern und meiner Schwester ... Ihr seid Alles für mich

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