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Ferris schlief, wenn ich schlief und war am späten Nachmittag aktiv, dann ließ ich ihn im Zimmer umher rennen. Er lies sich auch brav wieder einfangen. Ferris hatte ich mir von meinem Taschengeld gekauft. In der Zooabteilung des Kaufhauses. Im entsprechenden Licht betrachtet schimmerte sein silbergraues Fell eher bläulich. Der Hamsterkäfig stand neben den Kleiderschränken meiner Familie. Jeder, der frische Kleidung suchte, stürmte mein Zimmer. Mutter, Erwin und Beate, meine Schwester. Nie wusste ich, wann die Tür aufgerissen wurde. Erwin kam vor allem, wenn er Aufgaben zu verteilen hatte. Müll weg bringen, Wäsche sortieren. Wenn er rief, musste ich alles liegen lassen, sofort antreten. Folgte ich nicht, drohte er mir mit Essenentzug. Tagsüber döste Erwin vor dem Fernseher. Meine Schwester war oft unterwegs. Krafttraining, Karate, Leichtathletik. Erwin schlief meist schon, wenn sie nach Hause kam. War sie zu Hause, schloss sie sich in ihrer Kammer ein.
Mit Tieren konnte Beate umgehen. Ihr gehörte die Katze, ihr gehörten die Fische. Ihr brachte die Katze regelmäßig


Vögel, die meine Schwester unter ihrem Bett fand. Mutter musste die Beute entsorgen.
Brauchte ich eine Unterschrift, lugte ich durch einen Spalt der Belüftungsklappe unseres Kachelofens. Eine Klappe lies sich zum Wohnzimmer hin öffnen, eine zu meinem Zimmer und eine zum Flur. Waagerecht hatte ich die Wohnzimmercouch im Blick. Manchmal sah ich, wie Erwin meiner Mutter übers Haar strich, dann setzte ich mich sofort wieder an den Schreibtisch, wartete bis sie zur Toilette ging, um Mutter dann mein Arbeitsheft vorzulegen.
Wenn sie Sex hatten, schlossen sie zuvor die Ofenklappe. Ich hörte die Klappcouch knarren und Mutter keuchen. Einmal war ich zur Wohnzimmertür geschlichen. Ich spähte durchs Schlüsselloch, sah Erwins breitflächigen Bauch, die bloßen Brüste meiner Mutter. Erwin bewegte sich, er schien Mutter zu erdrücken.
„Wenn du einen Hamster hast, dann musst du auch den Käfig säubern.“ Mutter sah sich das Tier nicht an und fragte auch nicht nach dem Namen. Ich hatte Ferris nach einem Filmhelden benannt. Anstatt zur Schule zu gehen, schnappte er sich einen Ferrari, seine Freunde, besuchte ein Rugbyspiel, ein Luxusrestaurant und riss bei einer Parade das Mikrofon an sich.
Erwin wohnte seit einem Jahr bei uns. Mutter sagte, sie wolle eine größere Wohnung suchen. Wenn Mutter Nachtdienst hatte, kam Erwin spät abends nach Hause. Er polterte den Flur entlang. Ich hörte, wie er sich an der Tür abstütze. Ich hoffte, dass er das Bad fand und nicht in mein Zimmer stürzte. Meist fluchte er, wenn er nachts nach Hause kam. „Ich hab ihr doch gesagt, sie soll das Spülbecken trocken reiben, wenn sie abgewaschen hat! Schau dir das an! Scheiß Göre, der erzähl ich was!“ Ich hatte die Spüle trocken gerieben.
In der neuen Wohnung wäre mein Zimmer kleiner, die Kleiderschränke ständen dafür im Schlafzimmer. Ferris, ein Zimmer für uns allein. Ich träumte von einem Tisch, den ich mir in die Mitte des Zimmers stellte, darauf den Käfig, wie ich meinen Hamster ansah. Stundenlang.
Für die Wohnungsbesichtigung stand ich vor der Haustür. Pünktlich. Mutter hatte mir den Termin genannt und den Namen des Vormieters. Sie wollte gleich nach der Arbeit hinfahren und mir öffnen. Ich klingelte Sturm, klingelte, bis ich nicht mehr klingelte, bis ich mich auf den Bordstein vor das Haus setzte, wartete, mein Fahrrad aufschloss und zurück fuhr.
„Wir haben uns für die Wohnung entschieden“, sagte Mutter.
Bett und Schrank hatten in meinem Zimmer Platz. Der Schrank füllte eine Wand, das Bett die andere. Den Käfig stellte ich auf den Teppich.
Im Sommer war ich drei Wochen lang an der Nordsee. Gemeindefreizeit. Feuerquallen im Meer, Wespen an Land. Ich freute mich auf meinen Hamster. Mutter schrieb mir, eine Überraschung warte auf mich und ich solle mich recht artig bedanken.
Als ich zurückkam, fand ich ein Regal in meinem Zimmer an der Wand befestigt. Weiße Bretter, ein Plattenspieler darauf, und der Käfig stand in Augenhöhe. Der Hamster hatte rotbraunes Fell. Erst dachte ich, meine Schwester hatte ihn gefärbt. Sie wechselte jeden Monat ihre Haarfarbe. Der Hamster zerbiss ein Kabel. Nachts schleifte er seine Holzhütte durch den Käfig und versuchte sie umzustoßen. Er tollte im Rad und nagte an den Eisen- streben. Nach der dritten Nacht stellte ich den Käfig in Beates Zimmer.
Jahre später erfuhr ich, dass sie mit Ferris und ihren Freunden hinter dem Wohnblock im Gras gelegen hatte. Sie schwor, sie hätten stundenlang gesucht.

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Texte: Erschienen in Storyatella, Heft IV/2009 (c) bei der Autorin
Tag der Veröffentlichung: 30.12.2010

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