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Kapitel 1

 

Meine Welt war völlig in Ordnung, bis sich meine leiblichen Großeltern dafür entschieden, mich als Erben einzusetzen. Ohne mein Wissen. Ich kannte die ja nicht mal. Ich bin ein Waisenkind, adoptiert von einer bäuerlichen Großfamilie, als ich acht war. Niemand hat sich für meine Herkunft interessiert, ich am wenigsten. Es war mir egal, wer meine Eltern waren, ob ich Großeltern, Onkel und Tanten hatte. Bis zu dem Tag, als ein Brief von einem Notar in meinem Postkasten lag.

Ich konnte es nicht wirklich fassen. Das alte Ehepaar Sailer war kurz hintereinander verstorben und ich bin offenbar der einzig lebende Verwandte. Bam! Das saß. Dabei bringt mich so ziemlich gar nichts aus dem Konzept. Das hier schon. Völlig. Ich habe bestimmt eine halbe Stunde auf den Brief gestarrt und mich gefragt, was ich machen soll. Wegwerfen und vergessen? Meine Eltern anrufen? Schließlich entschied ich mich meinen besten Freund Remi zu konsultieren. Stotternd erzählte ich von meinem Problem und er faselte etwas von Chancen, die ergriffen werden müssen, Schicksal und so ein Zeug. Eigentlich wollte ich hören, dass ich es vergessen sollte. Den Brief, die Leute und das Erbe, aber dann hätte ich jemand anderen anrufen müssen.

Und jetzt sitze ich in einem geliehenen Wagen, meine Mutter neben mir auf der Rückbank, Remi fährt und sein Lockenköpfchen plappert auf dem Beifahrersitz. Soll er ruhig, damit bleibt es mir erspart, sinnlose Unterhaltungen zu führen. Dass das Haus am Arsch der Welt liegt, hat der Notar nämlich verschwiegen. Ein untersetzter Mann in mittleren Jahren, aber er war freundlich, das muss man ihm lassen. Nicht zu aufdringlich und auch nicht von meinem vorlauten Mundwerk schockiert. Er könnte mir sympathisch sein, wäre da nicht die Tatsache, dass er in den höchsten Tönen von meinen Großeltern gesprochen hatte. Als würde mich das interessieren, wären sie so gute Menschen gewesen, hätten sie mir das Waisenhaus auch ersparen können, anstatt mir auf diesem Weg etwas Gutes zu tun. „Welcher Idiot würde das Erbe ausschlagen?“, hat Remi mich nach meinem ersten Termin bei dem Notar gefragt. Tja, ich, Patrick Witting. Aus falschem Stolz, Trotz und Dummheit. Meine Adoptiveltern haben mich schließlich bekehrt und objektiv betrachtet, hat jeder von ihnen recht. Nur ein Wahnsinniger würde auf das Haus und das Geld verzichten und wenn mir die Hütte nicht gefällt, wird sie eben verkauft.

„Das ist nicht nur ein Haus, das ist ein ganzes Anwesen“, sagt Remi fast andächtig, als er in der Einfahrt hält. Ein schmiedeeisernes Tor, an den gemauerten Pfosten prangt der Name meiner Großeltern und die Hausnummer. Das Haus selbst kann man noch nicht mal sehen. Wie soll sich ein Normalo wie ich, so ein Grundstück überhaupt leisten? Mit dem Haufen Kohle. Innerlich seufzend falle ich zurück. Zu viel, es ist eindeutig zu viel.

Remi fährt weiter und ich bin überrascht wie ordentlich alles wirkt. Die von Bäumen gesäumte Allee ist in tadellosem Zustand, der Rasen links und rechts gemäht und selbst die Büsche sind gestutzt. Und dann taucht auch schon das Haus auf. Villa trifft es wohl eher. In einem grausigen rosa gestrichen, das Weiß der Fenster, Türen und des Balkons hebt sich deutlich ab und der Eingangsbereich stinkt nach Geld. So wie ich jetzt auch.

Seufzend steige ich aus und sehe skeptisch auf meinen neuen Besitz. Zu protzig, zu groß und das ist erst der Anfang. Es gibt ein Zweithaus, einen riesigen Garten, einen Schuppen für die Geräte und sogar einen kleinen Stall. Wobei ich sicher bin, dass der Notar und ich eine ganz unterschiedliche Definition des Wortes klein haben.

„Da sind ja Säulen“, jubiliert Lockenköpfchen und hüpft aufgeregt auf die Treppe zum Haupteingang zu, um die Finger über den Stein gleiten zu lassen. Innerlich schüttle ich den Kopf, kann mich mit dem Gedanken nur schwer anfreunden, dass das alles jetzt mir gehört. Ich fühle mich hier nicht wohl, das bin nicht ich.

„Schließt du auf?“, lächelt Mum mich freundlich an und ich nicke. Ich bin nicht immer so stumm, eigentlich nie, aber ich gebe gerne zu, dass ich ziemlich überfordert bin. Da ist es mir nur recht, dass meine moralischen Stützen offenbar hin und weg sind, strahlen und durcheinander reden. Dank der akkuraten Beschriftung ist es ein Leichtes den passenden Schlüssel zu finden, ihn ins Schloss zu stecken und zu drehen. Mit einem leisen Klicken springt die Tür auf und ich verpasse ihr nur einen leichten Schubs, sodass der eine Flügel langsam aufgeht.

Der Anblick der Eingangshalle haut mich um. Weiße, halb gewendelte Treppen führen in den ersten Stock, ein paar vertrocknete Pflanzen stehen am Fuße der Treppe und eine feine Staubschicht hat sich über den alten Fliesenboden gelegt. Trotzdem kann man den Glanz erahnen.

Vorsichtig, als könnte mir irgendetwas passieren, betrete ich mein neues Heim und kaum, dass ich drin bin, stürzt die Meute herein und hat es eilig durch die Räume zu huschen und vor Begeisterung zu schreien.

Kopfschüttelnd wende ich mich nach rechts. Die erste Tür führt zu einer Garderobe, ein paar alte Mäntel hängen darin und es riecht muffig. Klasse, das wird eine Menge Arbeit. Hinter der nächsten Tür verbirgt sich eine wunderschöne Landhausküche. Das erste, das mir an diesem Haus tatsächlich gefällt. Sie ist riesig, in der Mitte ein Gasherd und darüber hängen Töpfe und Pfannen. Die dunkle Arbeitsplatte hebt sich deutlich von dem Weiß der Küchenmöbel ab und meine Finger hinterlassen Spuren im Staub. Auch die drei Fenster müssen geputzt werden, aber der Blick nach draußen ist atemberaubend. Eine weitläufige Wiese erstreckt sich über den Hügel und nur langsam sickert in mein Bewusstsein, dass das alles mir gehört. Oder vielleicht ist das Grundstück nur nicht umzäunt? Der Notar hat mit Zahlen nur so um sich geschmissen und Remi meinte es müsse riesig sein. Vielleicht hätte ich in Mathe besser aufpassen sollen, oder einfach mal googeln. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein einziges Grundstück derart riesig ist. Kopfschüttelnd wende ich mich der Hintertüre zu, zumindest halte ich sie dafür. Durch ein kleines Fenster im Türblatt, kann ich einen abgezäunten Gemüse- und Kräutergarten erkennen, der in einem wirklich erbärmlichen Zustand ist, aber mit ein bisschen Arbeit, kriegt man den bestimmt wieder hin. Das ist die Materie, in der ich mich wohl fühle, damit bin ich aufgewachsen.

„Pat? Wo steckst du?“, ruft Remi und ich kann das Lächeln in seiner Stimme hören.

„Küche!“

„Und wo ist die?“

„Eingang rechts, zweite Tür!“ Ich mache mich zurück in die Halle und treffe dort auf meinen besten Freund, der meinen Arm packt und mich hinter sich herzieht und im Wohnzimmer abrupt stehen bleibt. Geschmacklose Tapeten, abgewetzte Möbel und der hässlichste Teppich der Welt, lauern da auf mich.

„Das wird ein hartes Stück Arbeit“, seufze ich.

„Aber das hier ist traumhaft“, ruft Lockenköpchen und erscheint in der Tür, am anderen Ende des Raumes. Neugierig folge ich ihm und staune nicht schlecht, als sich eine riesige Bibliothek vor mir erstreckt. Ich bin zwar keine Leseratte, aber ich liebe das Flair des Raumes. Zwei Ohrensessel aus Leder, dazwischen ein kleines Tischchen, auf dem sich ein paar Bücher Stapeln. Durch die Fensterfront, die sich über die komplette Außenseite erstreckt, kann man auch die ersten Nebengebäude sehen.

„Darf ich?“, will Lockenköpfchen wissen und deutet auf einen der Stühle.

„Nur zu“, sage ich und wende mich zum Gehen. Verweilen kommt später, erst muss ich wissen, was mich da noch alles erwartet. Leider muss ich auch wieder durch das grausige Wohnzimmer, das wird als erstes verschwinden. Falls ich hier überhaupt einziehe. Verkaufen wäre noch immer eine Option.

„Ist das da das Zweithaus?“, will Remi wissen und deutet durch die Terrassentür nach draußen, auf das zitronengelbe Haus, das weit genug weg ist, um mich nicht ständig beobachtet zu fühlen.

„Dienstbotengebäude nannte es der Notar.“

„Dienstbotengebäude“, wiederholt Remi und ruckelt anzüglich mit den Augenbrauen.

„Hörst du wohl auf so schändlich zu denken, Christoph“, schimpft Mum, die sich völlig unbemerkt angeschlichen hat. „Ja, wirst du wohl aufhören“, ziehe ich ihn auf. „Hätte ich nicht meinen Kleinen, würden da jede Menge Dienstboten einziehen“, kichert er trotzdem und Mum verdreht genervt die Augen. „Du solltest dir das Esszimmer ansehen“, holt sie mich aus der Gefahrenzone Remi, packt mich am Arm und nimmt mich mit. Es liegt genau gegenüber der Garderobe, was mich ein bisschen irritiert. Ich würde es ja an die Küche angrenzen lassen. Halt! Ich kann es an die Küche angrenzen lassen. Vielleicht keine schlechte Idee.

„Schatz, stell dir nur vor, hier könntest du alle deine Geschwister auf einmal einladen“, scheinen Mum und ich den gleichen Gedanken zu haben. Wobei ich der Meinung bin, dass neben meiner Familie auch noch alle meine engen Freunde locker Platz hätten. „Jede Menge Putzarbeit“, murmelt Mum und inspiziert die Vitrinen. „Aber mit den Mädels sieht das Ruckzuck wieder wie neu aus.“

„Ich geh mal nach oben“, sage ich lächelnd, aber Mum registriert mich gar nicht. Total versunken im Pläneschmieden.

Oben finde ich mehrere Schlafzimmer, zwei Badezimmer, einen Wirtschaftsraum und ein Büro, dazu einen sagenhaften Ausblick über den Hügel. Von hier kann ich sogar erkennen, dass das Anwesen doch eingezäunt ist. Zu meinem Leidwesen, denn wie ich die ganze Fläche in Schuss halten soll, ist mir ein Rätsel. Ich kann einen Teil des Gartens sehen, der durch hohe Hecken vom restlichen Land getrennt ist, das Nebengebäude und einen kleinen Schuppen. Außerdem einen monströsen Teich und Stallungen. Ich muss das Teil schnellstmöglich loswerden. Selbst wenn ich hier Tag und Nacht schufte, kann ich es nicht mal annähernd schaffen es ordentlich zu halten und ich stehe nun mal auf Ordnung.

 

Aber außer mir, scheint keiner Bedenken zu haben. Während Lockenköpfchen mit Mum in der Bibliothek abhängt, genehmigen Remi und ich uns ein kühles Bier, auf der Terrasse.

„Es ist himmlisch“, schwärmt er und lässt den Blick über den verwilderten Garten schweifen.

„Eine Aufgabe, Herausforderung oder Bürde“, korrigiere ich ihn seufzend und klinge sogar für mich fremd. Ich halte nicht viel von jammern oder nörgeln und für gewöhnlich sehe ich stets das Positive, aber diese Situation ist nicht gewöhnlich. Remi sieht mich nachdenklich an und ich wappne mich schon mal für die schmerzhafte Wahrheit. Wir kennen uns schon viel zu lange, um nicht genau zu wissen, was in dem anderen vorgeht und wir scheuen uns auch nicht, es auszusprechen.

„Die Umstände sind eine Aufgabe, für dich jedenfalls.“

„Wäre es für dich anders?“, sage ich schnippisch. Ich glaube, am meisten ärgert mich, dass ich mich überhaupt darüber aufrege. Ich bin eigentlich ziemlich gelassen, versuche die wichtigen Dinge zu sehen, aber es will mir jetzt nicht gelingen.

„Das weißt du“, lächelt Remi und schlingt einen Arm um meine Schultern und dankbar lehne ich mich an ihn. Mein Fels, naja, fast. Jetzt teile ich ihn mit Lockenköpfchen und auch wenn ich Erik ins Herz geschlossen habe, fällt es mir nicht gerade leicht auf meinen besten Freund zu verzichten. „Es spielt doch keine Rolle, warum sie dich nie zu sich geholten haben, oder? Du hast eine wunderbare Familie abbekommen, liebende Eltern, schrullige Geschwister und du hast mich.“

„Und die Jungs“, grinse ich.

„Ja, die auch“, brummelt Remi. „Aber hauptsächlich mich.“

„Der Kleine tut dir und deinem Ego gar nicht gut“, giggle ich und werde mit einer Minikitzelattacke gefoltert.

„Er tut mir verdammt gut“, seufzt Remi und legt seinen Kopf gegen meinen.

„Ich weiß. Obwohl ich es noch nicht verwunden habe, dass gerade du den Mann fürs Leben findest.“

„Deiner kommt schon noch und wer weiß, wie lange es der Kleine noch mit mir aushält.“

„Nach einem Jahr wird er seine rosa Brille auch nicht mehr absetzen.“

„Hoffentlich, aber dafür bist du frei. Dieses Dienstbotenhaus geht mir nicht mehr aus dem Kopf“, grinst Remi und ich erliege seinem Versuch mich abzulenken. Es macht viel mehr Spaß mit ihm über meine möglichen Sexdiener zu fachsimpeln, als an das Haus samt den Umständen zu denken.

 

Und schon auf dem Nachhauseweg entschließe ich mich Hals über Kopf in die Herausforderung zu stürzen. Das Leben bürdet einem nur Lasten auf, die man auch stemmen kann. Mit diesem Mantra habe ich mich immer über Wasser gehalten, wenn es schwierig wurde und vielleicht wird es endlich Zeit mich mit diesen Themen auseinander zu setzen.

Den Abend mit den Jungs blase ich kurzerhand ab, schnappe mir zu Hause Stift und Papier und beginne zu zeichnen. Es sind nicht mehr als grobe Skizzen des Grundrisses und den Änderungen, die ich vornehmen will. Danach suche ich im Netz nach einem neuen Wagen, den ich unweigerlich brauchen werde, wenn ich das Projekt stemmen will und auch danach. Busverbindungen sind rar und für meinen Job muss ich flexibel bleiben. Obwohl, wenn ich darüber nachdenke, will ich den nicht wirklich behalten. Nachlässig setze ich diesen Punkt ebenfalls auf die To-Do-Liste, die rapide wächst. Aber ich krieg das hin, gemeinsam mit meinen Liebsten. Denn wenn ich eines gelernt habe, dann das ich meine Familie brauche. Die juristische und die Menschen, die ich einfach dazuzähle. Eine eingeschworene Gemeinschaft und ich weiß, dass ich mich auf sie verlassen kann, genau wie umgekehrt. Und am Ende der Plackerei steigt eine riesen Fete. Es wird großartig.

 

Kapitel 2


„Der hat Macken ohne Ende“, schüttelt Max, mein älterer Bruder den Kopf, als wir tags darauf einen der ausgesuchten Wagen ansehen. Viel geschlafen habe ich nicht, dafür verleiht mir das Gefühl jede Menge vorangebracht zu haben Flügel.

„Aber der Preis“, weise ich auf das günstige Angebot hin.

„Die Instandsetzung kostet bestimmt nochmal so viel, wenn es überhaupt reicht. Außerdem hast du es wohl nicht mehr nötig zu knausern.“

„Ich bin sparsam. Das Haus und die Renovierung verschlingen bestimmt Unsummen und ohne Job…“

„Du hast einen Job“, verengen sich Max‘ Augen zu Schlitzen. Ich hasse es, wenn er den älteren Bruder raushängen lässt, aber wenigstens habe ich nur zwei ältere Geschwister.

„Ich hatte. Hab gestern noch das Kündigungsschreiben geschrieben und werde es nachher abgeben.“

„Du kannst doch nicht einfach so deine Arbeitsstelle aufgeben!“

„Kann und werde ich. Wollte mich ohnehin um etwas anderes kümmern.“

„Das macht man vorher, Mann, Pat, das ist so bescheuert! Was wenn du nichts anderes findest.“

„Wann war ich denn mal wirklich arbeitslos, hä?“

„Jetzt.“

„Eben und bis jetzt habe ich geschuftet wie ein Esel, die Stellen gekündigt und sofort etwas Neues gefunden. Daran wird sich jetzt nichts ändern.“

„Mit deiner Art kann ich nichts anfangen. Das ist verantwortungslos, Pat.“

„Ich bin nur für mich verantwortlich.“

„Du solltest Natalie ein besseres Vorbild sein.“

„Bin ich! Ich bin mir treu und werde mich nicht verbiegen, bloß weil man das von mir verlangt.“

„Kann ich helfen, meine Herrn?“, unterbricht uns ein Verkäufer.

„Dabei wohl nicht“, lächle ich aufgesetzt. Als hätte der Idiot nicht gehört, dass wir uns nicht wegen des Wagens kabbeln. Ich liebe meine Geschwister, aber manchmal sind sie echt anstrengend.

„Sie könnten unsere Gemüter beruhigen, indem sie uns diesen Schotthaufen mit einem fetten Rabatt überlassen“, ist Max unverschämt, aber der Verkäufer ist wohl an solche Kunden gewöhnt.

„Schrotthaufen ist das keiner. Kaum fünfzigtausend gelaufen, die Innenausstattung ist so gut wie neu, technisch haben wir ihn überholt.“

„Und die ganzen Rostlöcher? Nimmt mein Bruder seine Kumpels mit, verliert er sie womöglich während der Fahrt, weil sie einfach durch das Bodenblech fallen.“

„Na, na“, wiegelt der Verkäufer ab. „Nichts ist durchgerostet, oder wird es bald sein.“

„Nein? Wollen wir ihn uns auf der Hebebühne ansehen? Leihen Sie mir einen Schraubenschlüssel und ich zeige Ihnen, was ich meine.“

„Wenn Sie etwas Anspruchsvolleres suchen, haben wir hier noch einen Audi. Ein paar mehr Kilometer, aber gargengepflegt, nur ein Vorbesitzer“, führt uns der Verkäufer zu einem anderen Wagen. Der Preis ist etwas höher, aber ich werde mich ganz auf Max‘ Urteil verlassen. Als gelernter Mechaniker und Autospengler hat er davon einfach mehr Ahnung.

„Wie sieht es mit einer Probefahrt aus?“, will er nach einem Rundgang wissen.

„Ich hole die Schlüssel und Sie können sofort los.“

„Perfekt“, grinst Max breit und zwinkert mir zu, als wir dem Herrn folgen und den Papierkram erledigen. Ich lasse meinen Bruder ans Steuer, denn ich bin seit gut zehn Jahren nicht mehr gefahren. Für ein Auto gab es seit meinem Umzug in die Stadt keinen Anlass mehr. Ein paar Probestunden wären vielleicht nicht verkehrt, aber wir werden sehen. Zuerst brauche ich ein Auto.

„Fährt sich tadellos“, ist Max sich sicher. „Natürlich kann ich keine Garantie abgeben, aber ich denke, dieses Baby wird dir nicht viel Ärger bereiten. Außerdem hat er ein paar mehr PS, schadet bestimmt auch nicht, du könntest sogar Allrad dazu schalten. Ein Vorteil im Winter, sonst wirst du den Hügel bestimmt nicht hochkommen und die Karosserie scheint soweit in Ordnung.“

„Also kaufen.“

„Nein! Verhandeln, den Preis drücken. Du brauchst auf jeden Fall einen Satz passender Winterreifen dazu.“

„Dann verhandeln“, bin ich entschlossen und habe keine Ahnung, welche Punkte ich vorbringen soll. Ich verstehe überhaupt nichts von Autos und interessiere mich auch nicht dafür.

„Vorschlag: ich darf dem Händler den Gewinn schmälern, dafür verliere ich kein Wort mehr über die Jobsache.“

„Für wie lange?“, grinse ich.

„Du kennst mich viel zu gut“, lacht Max. „Aber ich werde mich zusammenreißen, ja?“

„Einverstanden, wenn du noch ein paar Fahrstunden drauflegst.“

„Brüder“, seufzt Max und nickt dann lächelnd. Er liebt es, wenn man seine Hilfe braucht, dabei lässt er nicht das besserwisserische Arschloch raushängen, sondern will wirklich helfen. Es ist eben schön und anstrengend eine so große Familie zu haben.


„Dass sich der gute Herr von und zu doch noch mal blicken lässt“, ätzt Mark abends im Köö, unser Stammlokal, außerdem der beste Billardschuppen in der ganzen Stadt.

„Eure Hoheit hat bestimmt besseres zu tun, als sich mit uns abzugeben“, bläst Robi ins gleiche Horn.

„Kommt mal wieder runter Jungs“, verdrehe ich die Augen. „Es gab wirklich einiges zu erledigen, aber heute können wir feiern.“

„Du zahlst?“, will Robi wissen.

„Wer denn sonst“, grinse ich und hab die Jungs wieder auf meiner Seite.

„Hast du Fotos von der Hütte? Remi und sein Kleiner haben in den höchsten Tönen geschwärmt“, ist Peter neugierig und ich schüttle bedauernd den Kopf. Daran hatte ich nicht gedacht.

„Aber ihr könnt ja morgen alle vorbeikommen. Könnte eure Hilfe gebrauchen.“

„Er zahlt und schon können wir dafür schuften“, grinst Robi.

„Er zahlt so oder so, aber ich brauche wirklich Hilfe. Fachmännische.“

„Als würden wir dich hängen lassen“, klopft Mark mir auf die Schulter und bestätigt einmal mehr, was ich schon weiß: auf meine Familie ist eben Verlass.

„Wo stecken die Turteltauben eigentlich?“, will ich dann wissen, weil ich gehofft hatte, alle anzutreffen.

„Sind mit Marks Kleiner unterwegs, irgendwelche Besorgungen, hab nicht richtig zugehört, aber sie kommen nach.“

„Dann darf ich endlich gratulieren?“, will ich von Mark wissen, der mürrisch murmelt auf den Absatz umdreht. Das ist mir Antwort genug. Warum sind manche Menschen nur so verklemmt, wenn es darum geht, jemanden zu sagen, dass man sich in ihn verliebt hat? Vor allem wenn es so offensichtlich ist, dass es dem Anderen auch nicht anders geht. Seit einem guten Jahr tänzeln Trixi und Mark umeinander herum und kommen keinen Schritt weiter. An den Wochenenden sehen sie sich im Köö, während der Woche jeden Dienstag im Tattoostudio, um an Marks neuem Tattoo zu arbeiten. Wenn die so weitermachen, ist Marks Haut voller Farbe und Kuss hat er noch immer keinen bekommen. Dabei versuchen wir alle unser bestes die beiden endlich unter die Haube zu bringen, denn glücklich sind sie mit der Situation nicht. Kriegen wir auch regelmäßig zu spüren, nur ändern sie nichts daran. Wie sie das schaffen ist mir schleierhaft. Beide nicht auf den Mund gefallen, beide selbstbewusst, beide stehen mit beiden Beinen im Leben, aber hier versagen sie kläglich.

„Sag ihr doch einfach was Sache ist“, seufze ich neben Mark, dessen Blick immer wieder zur Türe schweift. So, als hätte er Angst Trixis Auftritt zu verpassen.

„Hab ich.“

„Hast du nicht.“

„Hab ich wohl. Sie will mich einfach besser kennen lernen.“

„Wie gut denn noch?“

„Ach, halt die Klappe“, murrt Mark.

„Vielleicht habe ich das viel zu lang.“

„Misch dich da nicht ein, ich krieg das schon hin.“

„So, dass ich es noch erlebe?“

„Bestimmt“, knurrt Mark, aber egal was er sagt, ich glaube ihm kein Wort. Trixi würde ihn nicht so lange hinhalten. Die Kleine hat Feuer und ist bestimmt vieles, aber nicht geduldig. Vielleicht muss ich richtig mitmischen, dass daraus noch was wird. Hat bei Erik und Remi ja auch ganz gut geklappt, wobei der Fall sich jetzt sogar als wesentlich einfacher entpuppt. Dabei dachte ich wirklich, Remi und Erik würden das nie hinkriegen. Aber die beiden waren ja irre schnell, wenn man einen Vergleich ziehen möchte.

Tatsächlich stürmt Trixi nur ein paar Minuten später strahlend durch die Tür und sucht den Raum zuerst nach Mark ab. Klar, die sind wahrscheinlich auch nur Freunde. Ich wünschte mir würde sich mal so eine Gelegenheit bieten, ohne zu zögern würde ich zugreifen. Man wäre ja irre es nicht zu tun.

„Hi Jungs“, grüßt sie uns beiläufig und stürzt sich dann regelrecht auf ihren Märchenprinzen. „Selber hi“, murmle ich kopfschüttelnd, während die anderen verhalten Kichern.

„Ich verspreche feierlich, sobald ich diese Erbschaftssache halbwegs geregelt habe, sperre ich die beiden in eines der Schlafzimmer und lasse sie erst raus, wenn sie endlich zur Besinnung gekommen sind.“

„Sie brauchen eben ein bisschen Zeit, bis sie soweit sind“, meint Erik und ich werfe ihm einen entrüsteten Blick zu.

„Die brauchen Sex“, giggelt Remi.

„Oder eine Ohrfeige“, werfe ich ein.

„Und wir kümmern uns besser, um unseren Kram“, mischt Robi mit und scheucht uns an den Billardtisch. Für den Moment ist es okay, aber meine Pläne setze ich immer um.


Den Vormittag verbringe ich damit, mich mit den Öffis zu meinem neuen Heim zu kämpfen und es ist tatsächlich eine Weltreise, wenn mal ein Bus fährt. Dabei haben wir den Weg gestern in läppischen zwanzig Minuten zurückgelegt. Was bin ich froh, wenn ich Montag mein neues, altes Auto abholen kann. Mit Robi habe ich bereits den Versicherungskram erledigt und Max gebeten den Wagen in seiner Mittagspause abzuholen. Alles läuft wie am Schnürchen und diese Tatsache gibt mir das Gefühl richtig gehandelt zu haben.

Die freie Zeit, die ich dank meiner Kündigung jetzt habe, kann ich voll und ganz in die Umbaumaßnahmen stecken. Zwar bin ich nicht der geborene Handwerker, aber die Arbeit ist mir nicht ganz fremd. Oft genug musste ich Dad früher helfen, dachte nicht, dass mir das jemals zugutekommen würde. Jetzt gilt es nur noch, das restliche Gelände mal abzugehen und zu sehen, was sich in der Scheune verbirgt und irgendwann werde ich mich bei meinen Mietern vorstellen müssen. Zwar hat der Notar alles rechtliche geregelt, aber ich möchte mir trotzdem ein Bild von dem Geschwisterpaar machen.

Ich schiebe das Tor einen Spalt breit auf, schlüpfe hindurch und laufe die Einfahrt hoch. Wenn der Rasen getrimmt ist, muss hier irgendwo ein Rasenmäher versteckt sein. Ein ziemlich großer, wenn man die Fläche bedenkt. Doch bevor ich mich auf die Suche mache, betrete ich mein Haus erneut. Es sieht noch genauso aus, wie beim letzten Besuch, bis auf den aufgewirbelten Staub an manchen Stellen, allerdings finde ich es nicht mehr ganz so erdrückend. Schon jetzt kann ich sehen, wie es später aussehen wird und bin mir sicher, dass ich mich hier wohlfühlen werde. Großeltern hin oder her, wen kümmerts? Remi hat recht. Ich habe und hatte alles was ich brauche. Jetzt sogar mit eigenem Besitz.

Ich laufe durch die Räume, öffne alle Fenster und zum Schluss die beiden Flügel zur Terrasse. Sie ist ziemlich gut erhalten, nur der Garten ist ein echtes Trauerspiel. Unkraut wuchert zwischen bunten Blumen, die Büsche sehen verwahrlost aus und die Vogeltränke ist total verschmutzt. Gemeinsam mit dem Gemüsegarten wird das ein hartes Stück Arbeit, aber ich kann das Endergebnis bereits vor mir sehen und daraus schöpfe ich Kraft.

Durch das kleine Tor zwischen den Hecken wage ich mich weiter, nähere mich dem Nebenhaus, habe aber nicht vor, meine Mieter jetzt schon kennen zu lernen. Ich will mir nur den Teich ansehen, auch wenn ich keine Ahnung davon habe. Das grünliche Wasser kann aber unmöglich normal sein, sieht jedenfalls nicht sehr appetitlich aus. Bestimmt gibt es dafür einen Professionisten, nachher werde ich mal das Internet unsicher machen.

Ich laufe den Weg entlang, der den sanften Hügel hinabführt, genau auf die Stallungen zu, die mit jedem Schritt größer erscheinen. Dass hier mal Pferde gehalten wurden, leuchtet bei der riesigen Weidefläche absolut ein, aber das ist bestimmt schon viele Jahre her. Mit einem Ruck schiebe ich das große Tor auf und staune nicht schlecht. Eine überdimensionale Abstellkammer erstreckt sich vor mir, unterteilt von den einzelnen Pferdeboxen. Möbel, Bücher, Schallplatten, Uhren, Lampen, auf den ersten Blick das reinste Chaos. Um das alles wegzuschaffen brauche ich bestimmt mehrere Container. Wird zwar auf die Liste kommen, aber ganz weit unten. Verwendung habe ich ohnehin keine dafür, also auch keinen Stress.

„Sie müssen Herr Witting sein“, erschreckt mich eine viel zu hohe und süßlich klingende Stimme und als ich mich umdrehe, bestätigt sich das Bild, das sich in meinem Kopf bereits zusammengesetzt hat. Eine junge, aufgedonnerte Frau steht mit falschem Lächeln vor mir. „Ich bin Carola Steinmeier. Mein Bruder und ich bewohnen das Nebengebäude.“

„Schön Sie kennen zu lernen“, sage ich kühl und schüttle die zierliche Hand. Die Parfümwolke trifft mich mit einem Schlag und mir wird übel. Alles an dieser Person stößt mich ab und das liegt nicht daran, dass ich Männer bevorzuge. „Ich wollte mich kommende Woche bei Ihnen vorstellen, aber Sie haben mich wohl früher gefunden.“

„Zufällig habe ich Sie gesehen und dachte mir, das ist eine günstige Gelegenheit“, neugierig späht sie an mir vorbei, aber ich dränge sie charmant nach draußen. Mit ein bisschen Glück bin ich die Frau los, ohne ihr die Meinung sagen zu müssen.

„Zweifellos“, ächze ich und schließe das Tor, ehe ich absperre. „Allerdings habe ich nicht viel Zeit zu plaudern. Ich will mir das Grundstück ansehen und abschätzen wie viel Arbeit ich investieren muss.“

„Dann müssen Sie uns unbedingt besuchen. Es ist schon so lange nichts mehr an diesem Haus getan worden. Man will ja nichts sagen, wenn der Vermieter bei so schlechter Verfassung ist, aber langsam ist es unzumutbar.“

„Ich verspreche, ich werde es mir gleich morgen ansehen.“

„Kommen Sie doch gleich. Cedrik ist noch auf Geschäftsreise und wäre sicher glücklich, wenn die Mängel behoben sind, wenn er zurück ist.“

„Cedrik ist ihr Bruder?“

„Ja wer denn sonst? Er ist sehr pingelig bei solchen Dingen, besser, Sie kümmern sich sofort darum.“ Mit ihren klimpernden Wimpern wird sie bei mir nicht weit kommen, das weiß die Gute allerdings nicht. Abgesehen davon, dass ich so affektierte Leute nicht ausstehen kann.

„Ich bin sicher, Carola, dass morgen früh genug ist. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen möchten.“ Aufgeregt schnappt sie nach Luft und ich lasse sie einfach stehen. Soll sie doch denken, was sie will, ich lege keinen Wert auf die Meinung solcher Menschen.

„Sie sind wirklich sehr unhöflich, Herr Witting“, ruft sie mir nach.

„Das hat man mir schon des Öfteren unterstellt“, sage ich mehr zu mir, als zu ihr. Kümmert es mich? Nicht im Geringsten.

„Als Vermieter sind sie verpflichtet“, keucht es da knapp hinter mir. Seufzend bleibe ich stehen und drehe mich um. In ihren entsetzlich hohen Stöckelschuhen rennt sie mir mit winzigen Schritten nach. Wenn sie mich jetzt schon für unhöflich hält, wird sie sich noch wundern. „Sie sind verpflichtet sich umgehend um die Mängel zu kümmern“, schnauft sie schwer und bleibt viel zu knapp vor mir stehen. Ich mache einen Schritt zurück, um wieder Luft zu kriegen. „Ich bin sicher, dass Montagmorgen umgehend ist.“

„Ist es nicht. Sie hätten sich bereits bei Ihrem ersten Besuch darum kümmern müssen, aber anscheinend schieben Sie das lieber vor sich her. Was macht es schon, dass Ihre Mieter in einer Bruchbude wohnen müssen. Das ist eine Zumutung!“

„Eine Zumutung, meine Liebe, sind Sie. Es ist Sonntag, was denken Sie was ich heute noch ausrichten kann? Ich werde morgen gleich als erstes bei Ihnen vorbeischauen und dann können Sie mich gerne über die Mängel aufklären“, lächle ich gestellt.

„Das wird Ihnen noch leidtun. Cedrik sieht es nicht gerne, wenn man mich nicht ernst nimmt“, keift sie und rauscht ab. Meinen bösen Kommentar verkneife ich mir, die Frau ist aufgebracht genug. Auf ihren Bruder bin ich allerdings gespannt, bestimmt auch so ein Schnösel. Sollen sie nur kommen, mein Leben machen die beiden mir sicher nicht zur Hölle, denn das Haus lässt sich leicht an angenehmere Zeitgenossen vermieten.


Die Stunden verrinnen viel zu schnell, erst recht, seit die Jungs aufgetaucht sind. Wie kleine Kinder sind sie durch das Haus gelaufen, haben bestaunt, geplant und gestritten. Getoppt nur noch von meiner ganzen Familie, die sich einfach selbst eingeladen hat. Ich befürchte ja, dass das nun öfter der Fall sein wird, aber das Chaos bin ich ja aus meiner Kindheit gewöhnt. Sie werden mich schon nicht jeden Tag belagern und mit guten und weniger guten Ratschlägen zur Seite stehen.

Am Ende verziehe ich mich mit Dad und Mark in die Küche, um meine Pläne mit ihnen zu besprechen. Dad, als Tausendsassa und Mark, als Bauleiter scheinen mir kompetent genug, um mich bei endgültigen Planung zu unterstützen.

„Ich würde das Wohnzimmer lassen wo es ist, außer du heißt deine Gäste willkommen und führst sie geradewegs ins Esszimmer.“

„Das war der Plan“, gebe ich gegenüber Mark zu.

„Mit einer kleinen Bar wird das sicher großartig“, ist Dad begeistert.

„Es würde sich natürlich anbieten, weil du einen direkten Zugang zur Küche haben könntest“, hisst Mark die Segel. „Als Alternative könntest du die Bibliothek in einen anderen Raum verlegen, die Wand wegreißen und einen Wohn-Essbereich draus machen. Die Fensterfront in der Bibliothek ist der Wahnsinn, wäre schade, wenn sie so versteckt bliebe.“

„So lange man sie wegreißen kann“, wirft Dad ein und Mark tut mir allmählich leid. Es ist nicht einfach mit uns Wittings.

„Sicher kann ich es erst sagen, wenn ich die alten Pläne habe, aber ich glaube nicht, dass sie statisch relevant ist und selbst wenn, eine Unterfangung und alles ist gut. Bleibt immer noch die Frage, was wir mit den Leitungen machen.“

„Bestimmt haben die Hausherren Buch über die Umbauten geführt, Patrick.“

„Dann werde ich doch noch stöbern müssen, lieber wäre es mir ich könnte das alte Zeug einfach in einen Container werfen und müsste es nie wieder sehen.“

„Ein Haus ist eine Verantwortung“, belehrt mich Dad und ich nicke seufzend. Verstecken gilt wohl nicht.

„Und ich würde nicht alles unbesehen in den Müll befördern, vielleicht verbergen sich hier richtige Schätze, damit könntest du dir einen Teil des Umbaus finanzieren.“

„Eine Truhe voller Goldmünzen“, grinse ich.

„Möbel, alte Uhren, Geschirr.“

„Du kennst dich damit aus?“

„Nein“, lacht Mark und schüttelt heftig den Kopf, „allerdings habe ich da eine Adresse für dich. Eine Entrümpelungsfirma. Tessa ist recht neu im Geschäft, kostengünstig und effizient. Ihr Vater betreibt einen Antiquitätenladen, der kauft, was sie ausgräbt.“

„Tessa?“, will ich neugierig wissen und Mark grinst breiter.

„Ein Mann genießt und schweigt.“

„Ich dachte du und Beatrix…“, mischt Dad sich ein und mustert Mark genau. Woher ich das zwanghafte Kuppeln habe, brauche ich mich wohl nicht mehr zu fragen.

„Ist kompliziert“, meint Mark wortkarg und Dad sieht fragend zu mir.

„Sie stehen aufeinander, kriegen es aber irgendwie nicht hin“, erkläre ich lapidar.

„Na, das macht ihr Jungs besser unter euch aus. Der alte Kauz scheint nur zu stören“, zwinkert Dad und lässt uns alleine.

„Die Bäder oben, hast du gut hingekriegt, würde ich nichts dran machen, aber vielleicht…“

„Du lenkst vom Thema ab“, weise ich auf das offensichtliche hin, gehe zum Kühlschrank und hole uns zwei Bier heraus, ehe ich mich auf die Anrichte setze und Mark eine Flasche hinhalte.

„Ich brauche keine Hilfe, du hingegen schon“, murrt Mark und deutet auf die Pläne.

„Wie lange träumst du jetzt schon von ihr? Nein, sag nichts. Wenn ich nur davon ausgehe, seit wann es für mich offensichtlich war, dann etwa sechs oder sieben Jahre. Du brauchst dringend Hilfe.“

„Neun und danke, aber ich kriege das schon selbst auf die Reihe. Irgendwann“, fügt er leiser hinzu.

„Wenn ihr alt und grau seid, vielleicht. Sag ihr doch einfach was Sache ist.“

„So einfach ist das nicht, Pat. Sie ist kein Kerl, sondern eine Frau, da kann ich nicht einfach ankommen und sagen, ich steh schon eine halbe Ewigkeit auf dich, wollen wir’s mal versuchen?“

„Sie ist kein Kerl, aber es ist Trixi. Besser du machst es einfach, statt kompliziert.“

Sie macht es kompliziert, Mann“, seufzt Mark und reibt sich müde über die Augen. Ich halte die Klappe und warte einfach, bis er von selbst erzählt. Mark etwas aus der Nase zu ziehen ist unmöglich, wenn er nicht reden will, tut er es auch nicht. „Sie erzählt ständig von ihren Dates, mies meistens, aber nicht immer und sie behauptet, dass sie ihren Traummann noch nicht gefunden hat. Was soll ich da denn machen? Sie kennt mich doch jetzt schon ein Weilchen, vielleicht bilde ich mir alles ein und wir würden gar nicht zusammenpassen.“

„Um das beurteilen zu können müsstest du es versuchen.“

„Alleine ziemlich blöd“, brummt Mark.

„Also doch Hilfe“, stelle ich breit grinsend fest. Irgendwie werde ich das schon noch in meinen Terminkalender unterbringen, während ich mich um mein neues zu Hause kümmere.

„Du bist viel zu direkt, Pat.“

„Stimmt und genau deshalb bin ich der beste Mann für den Job.“

„Halt dich raus, bitte.“

„Und mir eure Leidensminen noch länger ansehen?“

„Mach die Augen zu. Ich schaff das schon!“

„Okay, lass uns einen Deal machen. Schaffst du es, bis ich hier meine Einweihungsparty gebe, vergessen wir dieses Gespräch, falls nicht, schubse ich Trixi in deine Arme.“

„Wie lange?“

„Je nachdem wie schnell ich bin. Ein paar Wochen, denke ich.“

„Deal“, grinst Mark und wir besiegeln unseren Pakt mit unserem Handschlag aus Kindertagen. Ein Punkt abgehakt, fehlen nur noch geschätzte 279 andere.


Montagmorgen wieder der Spießroutenlauf mit den Öffis, aber dieses Mal bin ich vorbereitet. Nicht auf den Weg an sich, sondern ich bin voll bepackt mit meinen Sachen, die ich unbedingt brauche. W-Lan Router, Notebook, Klamotten zum Wechseln, Kulturbeutel, Handtücher und ein Schlafsack. Schon die letzten Tage haben gezeigt, dass ich mich das Grundstück ganz schön fordert und wenn ich keinen Bock habe, abends in meine Wohnung zu fahren, kann ich zumindest eine Nacht dort schlafen. Besser ich gewöhne mich schon mal dran, schließlich werde ich die nächsten paar Jahre dort verbringen.

Meine Taschen parke ich in der Halle, nehme das Notizbuch und mache mich sofort zu den Steinmeiers auf. Nicht mein Lieblingsweg, aber ich bringe unangenehme Dinge lieber gleich hinter mich. Das Nebengebäude ist extra eingezäunt und ebenfalls von dichten Hecken umgeben, aber anders als mein Haus, liegt es inmitten des Gartens. Von der Haustüre aus, kann ich das kleine Carport sehen und eine extra Einfahrt. Wie lange es wohl dauert, bis ich mein ganzes Grundstück kenne?

„Herr Witting“, sagt Carola spitz, als sie mir die Tür endlich öffnet.

„Einen wunderschönen guten Morgen, Frau Steinmeier“, lasse ich mir meine Laune sicher nicht von diesem Persönchen nehmen.

„Schön, dass Sie endlich Zeit gefunden haben.“ Sie dreht sich um und ich lasse mich einfach selbst hinein. Von wegen Bruchbude, sieht besser aus, als mein Haus. Ich folge der Prinzessin den Flur entlang in eine großzügige Wohnküche. „Das Parkett ist total zerkratzt. Es muss abgeschliffen und neu versiegelt werden und da an der Wand sind Risse.“

„In der Küche tropft der Wasserhahn und der Badewannenabfluss ist verstopft. Die Fassade gehört auch mal wieder gestrichen und wie Sie sicher bemerkt haben, sind die Rasensteine auf dem Weg zum Haus locker. Außerdem…“

„Haben Sie auch echte Mängel? Denn ich bin nicht der Hausmeister, sondern ihr Vermieter. Über die Risse in der Wand können wir reden, da werde ich einen Fachmann hinzuziehen, aber ich bin weder für tropfende Wasserhähne, noch für verstopfte Abflussrohre zuständig.“ Was bin ich froh, mich vergangene Nacht noch mit den Grundregeln der Vermietung auseinander gesetzt zu haben.

„Und wofür dann? Mein Geld nehmen Sie, aber

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 12.02.2017
ISBN: 978-3-7438-2669-4

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