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Verkehrte Welt

 

Freitag. Endlich. Ich dachte wirklich, die Woche würde nie zu Ende gehen. Miesgelaunte Menschen, hysterische Chefin und unbrauchbare Technik.

„Kann nicht schlimmer werden“, sagte ich Dienstag zuversichtlich. Ich werde mich hüten, so etwas noch einmal zu behaupten. Mittwoch kündigte der Arbeitskollege und verabschiedete sich in den Krankenstand. Seither kämpfe ich alleine im Lager.

„Na gut“, werden Sie denken, „hat sie halt ein bisschen mehr Arbeit.“

Sie haben recht, das alleine wirft mich nicht aus der Bahn. Und als ich Mittwoch fertig und abgekämpft nach Hause kam, tat sich doch ein Lichtblick auf. Mein aktuelles Betthäschen wartete vor meiner Haustüre. Leider nicht, um mir im Bett Gesellschaft zu leisten – oder sonst wo – sondern um mir zu sagen, dass er mich liebt. Manchmal frage ich mich wo die ganzen Arschlöcher stecken. Die, die dich abschleppen und am nächsten Tag verschwunden sind, die dich nie mehr anrufen, außer sie haben Notstand. Wüsste ich nicht aus sicherer Quelle, dass es sie gibt, würde ich sie als fieses Gerücht abtun.

Donnerstag ging zu allem Überfluss mein heiß geliebter Stapler kaputt und voller Körpereinsatz war gefragt. Meinen Beitrag fürs Fitnesscenter kann ich mir sparen – nicht, dass ich jemals einen Fuß in eine solche Institution setzen würde.

Wenigstens heute gab es noch keine neue Hiobsbotschaft. Kann ich jetzt auch nicht mehr gebrauchen.

Beschwingt betrete ich unsere Stammkneipe und bestelle eine Flasche Bier für mich und ein Glas Weißwein für Cora. Noch vor Monaten trafen wir uns zu viert. Biene und Evi sind inzwischen verheiratet und haben an Freitagabenden etwas Besseres zu tun. Zu Hause auf der Couch Filme gucken und sicher keinen Sex. Bedauernswerte Geschöpfe.

„Sorry, dass ich zu spät bin“, keucht Cora und lässt sich frustriert auf den freien Stuhl nieder. Ihre Stirn legt sich auf die Tischplatte und sie atmet tief. Grinsend sehe ich ihr zu, wie sie ankommt. Cora ist aus Prinzip spät dran, obwohl ihr Tag bis zur letzten Minute durchgeplant ist. Oder gerade deswegen.

„Kein Ding. Erzähl, was gibt’s Neues?“

Cora richtet sich auf, zieht ihren Mantel aus und nimmt ihr Glas entgegen. Sie prostet mir kurz zu und stürzt es in einem Zug hinunter.

„So schlimm?“ grinse ich.

„Schlimmer“, antwortet sie und bestellt ein weiteres Glas, „Weißt du noch Heiko? Arschloch!“

Ich verkneife mir den neidischen Blick. Zuerst will ich wissen, welche Art Arschloch Heiko angehört.

„Verheiratet?“ frage ich, weil meine Freundin ein Händchen für gebundene Männer hat. Cora schüttelt den Kopf und nimmt ihr zweites Glas Wein entgegen.

„Geschieden, zwei Kinder. Zuvorkommend und überhaupt nicht aufdringlich. Ich meine, ich hab drei Mal bei ihm übernachtet und er hat nicht mal den Versuch gestartet mich flach zu legen. Da darf man sich doch Hoffnung machen, oder?“

Ich zucke bloß mit den Schultern, davon hab ich einfach keine Ahnung. Ich bin weder romantisch, noch verträumt.

„Egal. Vor ein paar Tagen hab ich ihn gefragt, was das zwischen uns ist und was daraus werden könnte. Sieh mich jetzt bloß nicht so an!“

„Ich seh' dich gar nicht an“, verteidige ich mich.

„Doch! Mit diesem…diesem…die-lernt‘s-nie-Blick!“

„Gar nicht. Ich seh’ dich höchstens so an, wie all die bekloppten Kerle, die sich eine ernsthafte Beziehung mit mir vorstellen können.“

„Ich hab nicht ewig Zeit, Lena“, übergeht sie meine Einleitung. Kein Thema, wenn’s sein muss hör ich Cora bis Mitte nächster Woche zu. Sie ist und bleibt meine allerbeste Freundin.

„Du bist 27, meine Güte. Du hast alle Zeit der Welt.“

„Aber ich will keine steinalte Mutter sein. Die meisten aus meiner Klasse haben bereits Kinder und sogar Biene übt schon fleißig.“

„Das tun wir auch“, grinse ich, zaubere aber kein Lächeln auf Coras Gesicht.

„Ernsthaft Lena, wenn das so weiter geht, werde ich überhaupt keine Kinder haben.“

„Sorry, aber dieser Kinderwahn ist mir absolut fremd. Was ist denn so toll daran? Ständig übermüdet, mit Babykotze auf den Klamotten und unterwegs mit einer Tasche, die mindestens eine Tonne wiegt.“

„Aber es gibt auch die guten Seiten!“

„Dann reiß dir ‘nen knackigen Kerl auf und lass dich schwängern“, schlage ich ihr scherzhaft vor.

„Darum geht’s doch gar nicht. Ich will einen richtigen Mann. Jemand der mich in den Arm nimmt, wenn es mir schlecht geht, der fragt wie mein Tag war, der einfach für mich da ist.“

„Dafür hab ich Lars.“

„Eine Katze ist kein Ersatz“, seufzt Cora.

„Stimmt. Lars ist viel besser, als ein Mann es jemals sein könnte. Er braucht bloß zwei Fast Food Mahlzeiten am Tag, ist stubenrein, sieht mich nicht vorwurfsvoll an, wenn ich länger aus war und fragt mich nie wo ich war.“

„Ja, ja, ich weiß, er wirft dir nicht vor, dass es nicht aufgeräumt ist. Lässt seinen Kram nicht irgendwo liegen, besetzt nie das Bad und quatscht nicht in jeden Film rein.“

„Genau. Und jetzt sagt mir jemand, dass man Männer braucht, wenn es Katzen gibt“, grinse ich und zum ersten Mal an diesem Abend lächelt Cora.

„Trotzdem“, seufzt sie gleich darauf, „Was hab ich schon erreicht in meinem Leben?“

„Du hast eine Ausbildung, ein regelmäßiges Einkommen, Freunde….“

„Ich meine sonst.“

„Och Süße, du machst es dir aber auch verdammt schwer.“ Ich nehme sie in den Arm und drücke sie kurz. Ich weiß genau, wie sehr sie sich eine eigene kleine Familie wünscht und wie dreckig es ihr bei jedem Arschloch geht.

„Was war bei dir denn los?“

Sie braucht Ablenkung? Kann sie haben. Viel zu viel gibt es diese Woche zu erzählen und mit Sicherheit kann Cora für ein paar Minuten ihr „tristes“ Leben vergessen.

„Es ist echt unfair, dass du ständig die Beziehungswilligen abkriegst“, seufzt sie, als ich ihr von meinem Betthäschen erzähle.

„Ich bin auch ziemlich neidisch auf deine Arschlochtypen. Wieso laufen die mir nie über den Weg?“

„Wir sollten unsere Männer tauschen. Die, die dir gefallen, schickst du zu mir und umgekehrt“, grinst sie teuflisch. Das dritte Glas Wein, scheint sie richtig locker gemacht zu haben.

„Würde vielleicht funktionieren, wenn wir uns ein bisschen ähnlich sehen würden“, gebe ich zu bedenken. Während Cora ein blonder, schlanker Engel ist, bin ich ein schwarzhaariger, üppiger Gnom. Es gibt sicher auch hübsche Gnome, oder? Hässlich bin ich nicht, nur zu kurz geraten.

„Dann müssen wir eben unser Leben ändern.“

Kopfschüttelnd bestelle ich eine weitere Flasche Bier. Ich muss unbedingt ihren Pegel erreichen. Scheint dort gar nicht so übel zu sein.

„Jetz mal ernshaft“, lallt Cora, „das klappt bestimmt.“

Ich brauche etwas Härteres als Bier. Ich brauche Schnaps in rauen Mengen, die Frau ist weiter weg, als ich dachte.

„Ich werd' zur Schlampe und du zur Romantikerin“, führt Cora weiter aus und es kostet Kraft nicht loszulachen. Ich schütte den Schnaps in mich hinein und bete, dass er bald wirkt.

„So machen wir das“, murmelt sie und kramt einen Kugelschreiber aus ihrer Tasche.

„Damit werden wir nichts ändern“, versuche ich die Vernünftige zu sein. Fällt mir schwer, ist nicht meine Rolle.

„Sicher. Kellner? Noch einen Schnaps für die Lady, ja? Bitte!“

Cora kritzelt auf der Serviette herum und ich gönne mir ein zweites Glas Schnaps. Herrlich warm breitet er sich in meinem Magen aus und ich merke wie mir das Zeug zu Kopf steigt. Plötzlich klingt Coras Vorschlag gar nicht mehr so abwegig, warum also nicht?

Cora schnappt sich die zweite Serviette und beschreibt auch sie mit ihrer schnörkeligen Handschrift. Anschließend bestellt sie zwei Kurze und zwingt mich, zu unterschreiben. Ich bin betrunken genug, um ihr den Gefallen zu tun, obwohl ich ihre Handschrift nicht mehr lesen kann, die bewegt sich einfach zu schnell. Ich kritzle meinen Namen darunter und packe sie in meine Handtasche. Bis morgen, haben wir es beide vergessen und leben weiter unser Leben.

 

Habe ich erwähnt, dass ich Trinkgelage verabscheue? Ab und zu mal ein Bier ist okay. Welcher Teufel hatte mich geritten, den Schnaps zu trinken?

Stöhnend verabreiche ich meinem Körper eine weitere Kopfschmerztablette und rolle mich wieder auf dem Sofa ein. Lars, mein Kater, spielt Wärmflasche und kuschelt sich an meinen Bauch. Echt! Wer braucht schon einen Mann? Der würde sich jetzt höchstens über mich lustig machen und sich nicht rührend um mich kümmern. Oder er wäre zu fürsorglich. Nein danke, ich bin mit meinem Kater völlig zufrieden und er mit mir. Schnurrend grinst er mich an. Wir sind glücklich.

Mein Handy vibriert und nervt mich heute schon zum dritten Mal. Wird Zeit, dass ich den Störenfried zu recht weise.

Süße! Dein Leben ist genial! Der Kerl ist traumhaft! Melde dich! C

 

Was schwafelt sie denn da? Mein Leben ist gerade die Hölle, nach der Ausschweifung gestern. Langsam rapple ich mich hoch und versuche mich zu erinnern. Cora hatte mich jedenfalls ganz schön abgefüllt. Nicht, dass ich abgeneigt gewesen wäre. Hin und wieder durfte auch ein Ausrutscher sein.

 

Was heißt mein Leben? Welcher Kerl? Hä? L

 

Guck in deine Tasche! Der Muskelprotz, den du mir empfohlen hast. Hammer. Melde mich nachher nochmal. C

 

Hä? Ich war noch kein bisschen schlauer. Ich empfehle keine Kerle, ich schleppe sie ab. Und Cora nimmt doch auch keinen mit nach Hause. Verkehrte Welt.

Trotz der Übelkeit und der Müdigkeit quäle ich mich in den Flur und suche in meiner Handtasche nach Beweisen. Es dauert auch nicht lange bis ich die Serviette mit meiner Unterschrift darauf finde.

 

Ich, Magdalena Gruber, habe mit meiner besten Freundin, Cornelia Ahrens, beschlossen mein Leben zu ändern. Ich werde auf den Mann meines Lebens warten und gesittet warten, wie es sich gehört.

 

Pft! Das glaubt sie doch selber nicht. Gesittet warten? Himmel, wie betrunken war Cora gewesen und ich

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 28.09.2014
ISBN: 978-3-7368-4321-9

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