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Die
Nachtwanderin
Teil 2


(aus der Dark-Craving-Reihe)




© 2011 T. J. Hudspeth




Unruhig wälzte sich Mimma im Bett hin und her. Sie berührte ihren Hals und wischte sich den Schweiß ab. Es war unerträglich heiß geworden. Als sie es nicht mehr aushielt, riss sie sich die mit Schweiß getränkten Klamotten herunter. Nur noch mit ihrem Höschen bekleidet rollte sie sich auf ihren Bauch und wickelte die kühle Außenseite der Bettdecke um eines ihrer Beine. Erst jetzt bemerkte sie die hämmernden Kopfschmerzen und fasste sich an ihre Stirn. Ihre Schläfen pochten heftig. Sie versuchte den Schmerz weg zu massieren. Ihr Mund fühlte sich trocken an, doch sie schmeckte noch den bitteren Nachgeschmack von Alkohol. Mit ihrer Zunge versuchte sie ihre Lippen zu befeuchten, da diese durch den kaum vorhandenen Speichel im Mund, regelrecht zusammen pappten. Mimma ging in sich und überlegte, was in der Nacht zuvor passiert war, doch es fiel ihr schwer sich daran zu erinnern. Alles war sehr verschwommen. Sie erinnerte sich noch daran, dass sie mit Ardric in seinem Nachtclub war, doch der Rest verschwamm zu einer zähen Masse aus zu vielen Martinis und aufflackernden Lichtern. Jemand räusperte sich lautstark neben ihr. Plötzlich erinnerte sie sich wieder daran, wo sie sich befand. Erschrocken riss sie ihre Augen auf, griff hastig nach der Bettdecke und bedeckte ihren nackten Oberkörper damit. Ardric stand am Fußende des Bettes und grinste sie frech an. Nur mit einem Handtuch um seine Hüften geschlungen und nassen Haaren, wedelte er mit ihren Klamotten in der Hand herum, derer sich Mimma zuvor entledigt hatte.
„Wie lange stehst du hier schon?“, fragte Mimma ihn genervt und vergrub ihr Gesicht im Kopfkissen.
„Lange genug, wenn du das wissen willst!“, antwortete er ihr. Ardric wusste genau, dass Mimma wissen wollte, ob er sie schon wieder fast nackt gesehen hatte. Er genoss es Mimma immer wieder in Verlegenheit zu bringen. Ihm gefiel ihre menschliche Scham, die sie hatte, sobald es um ihren Körper ging. Mimma hob ihren Kopf und stierte auf Ardrics durchtrainierten Oberkörper. Seine Haut glänzte von den einzelnen Wasserperlen, die an ihm herunter tropften und betonten seine wie aus Stein gemeißelten Muskeln. Ihr Herzschlag beschleunigte sich ein wenig. Ardric konnte das hören und sah Mimma verschmitzt an. Die kleinen Wasserperlen schlängelten sich an seinem Körper hinunter, bis sie vom Handtuch, das wirklich tief saß, gestoppt und aufgesaugt wurden. Mimma biss sich auf ihre Unterlippe. Ardric räusperte sich erneut, doch nur, weil er wusste, dass Mimma sich sofort wieder zu schämen begann. Sie fühlte sich ertappt, doch versuchte sie sich nichts anmerken zu lassen.
„Wie spät ist es?“, fragte sie, denn im Schlafzimmer gab es weder Fenster noch eine Uhr.
„Du bist eine Langschläferin! Die Abenddämmerung hat bereits eingesetzt“, informierte Ardric sie. Mimma nahm Ardrics Aussage kaum war, denn die Hitze im Schlafzimmer trieb sie zu immer weiteren Schweißausbrüchen.
„Wieso ist es hier drin überhaupt so heiß?
Willst du mich grillen?“, fragte sie und fächerte sich mit einer Hand Luft zur Abkühlung zu.
„Ich weiß, dass ihr Frauen immer schnell friert, da dachte ich mir, dass ich es extra warm für dich hier drin mache“, gab er ihr zur Antwort.
„Ich mag es zwar gerne warm, aber ich wäre dir dankbar, wenn du die Temperatur etwas herunter drehst.
Warm ja, aber bitte keine Saune mehr!“, meinte Mimma. Plötzlich meldeten sich Mimmas Kopfschmerzen zurück. Sie schienen immer heftiger zu werden.
„Du hast nicht zufällig etwas gegen Kopfschmerzen da?“, fragte Mimma mit schmerzverzehrten Gesicht und kniff ihre Augen zusammen.
„Da habe ich genau das richtige für dich“, sagte Ardric. Er ließ Mimmas Kleidung auf den Fußboden fallen und rannte blitzschnell die Treppen runter in die Küche. Es dauerte nur wenige Sekunden, da war er schon wieder zurück. In der Hand hielt er ein Glas mit einer durchsichtigen und rosafarbenen Flüssigkeit. Er hielt es ihr hin. Misstrauisch beäugte sie die rosa Flüssigkeit im Glas.
„Was ist das?“, wollte Mimma wissen.
„Willst du, dass deine Kopfschmerzen aufhören, oder willst du, dass sie noch schlimmer werden?“, fragte er und hielt ihr das Glas noch immer hin. Mimma hatte keine Zeit mehr mit Ardric zu diskutieren, denn ihre Kopfschmerzen schienen im Sekundentakt an Intensität zuzunehmen. Entschlossen griff sie nach dem Glas. Es war warm, doch sie überwand sich, die Flüssigkeit zu trinken, denn sie wollte nur noch, dass der stechende Schmerz in ihrem Kopf aufhörte zu wüten. Sie setzte das Glas an ihre Lippen an und schüttete die rosa Flüssigkeit ihre Kehle hinunter. Mimma schüttelte sich angewidert, als sie fühlte, wie die warme Flüssigkeit langsam ihre Kehle hinunter floss. Ihr kam der eiserne Geschmack sehr bekannt vor und dann wusste sie, was sie getrunken hatte. Es war warmes Wasser, mit ein paar Tropfen von Ardrics Blut vermischt.
„Igitt, du hättest mich zumindest vorwarnen können, dass das Blut ist!“, rief sie in Richtung Küche, da er sich daran machte, das geleerte Glas in die Spülmaschine zu räumen, denn er achtete peinlich genau auf Sauberkeit und Hygiene.
„Was schreist du denn so? Ich kann dich deutlich hören!“, gab Ardric belustigt von sich, denn er stand schon längst wieder neben ihr am Bett. Erschrocken zuckte Mimma zusammen.
„Mist! Kannst du das bitte unterlassen! Du hast mich gerade beinahe zu Tode erschreckt!“, schimpfte sie Ardric.
„Hab Nachsicht mit mir und rege dich nicht so auf.
Wenn du endlich eine von uns bist, wirst du dich bestimmt auch nicht zurück halten und deine Kräfte anwenden wann immer du die Möglichkeit dazu hast.
Und das mit dem Blut…
Deine Kopfschmerzen haben doch aufgehört“, meinte Ardric und machte sie darauf aufmerksam. Mimma hielt inne und bemerkte, dass er Recht hatte.
„So ekelhaft es auch ist, aber ich muss zugeben, dass Vampirblut ein All-Heilmittel zu sein scheint“, gestand Mimma. Ardric hatte sich bereits etwas angezogen, ohne, dass Mimma es bemerkt hatte. Er setzte sich neben ihr, an den Rand des Bettes. Nervös schluckte sie ein paar Mal und presste die Bettdecke fest an ihren Körper.
„Was ist gestern im Club passiert?“, fragte Ardric und sah sie streng an. Mimma überlegte.
„So genau weiß ich das nicht mehr“, antwortete sie. Dies schien Ardric nicht zu gefallen. Er sah Mimma böse an.
„Du musst dich erinnern!“, drängte er sie. Mimma strengte sich an, dann fielen ihr einzelne Fragmente ein.
„Ich saß alleine an der Bar und hab auf dich gewartet.
Dann kam diese unglaublich schöne Frau auf mich zu. Jinx!
Sie wusste nicht, dass ich eine Anwärterin bin und wollte mich hypnotisieren.
Jinx packte mich am Arm und vergrub ihre spitzen Fingernägel in meine Haut“, erinnerte sich Mimma und rieb über die Stelle. Es war kaum noch etwas davon zu sehen, nur noch ein paar gelb verblassende Flecke von den Druckstellen. Auch Ardric sah sich ihren Arm an und streichelte sanft mit seinen Fingerspitzen darüber. Sein Blick wirkte abwesend. So als ob ihn etwas ablenkte. Mimma fuhr fort und erzählte Ardric alles, woran sie sich noch erinnerte.
„Dann kam Elester.
Er rettete mich sozusagen vor Jinx und machte ihr klar wer ich bin.
Elester war so charmant und freundlich und aufmerksam gewesen.
Sobald mein Glas leer war, bestellte er mir einen neuen Drink nach.
Wir unterhielten uns angeregt über alles Mögliche.
Irgendwann wurde mir übel und ich wollte an die frische Luft. Er war so freundlich mich zu begleiten.
Und dann…mehr weiß ich nicht mehr“, sagte Mimma betrübt und beendete ihre Schilderung von letzter Nacht. Ardrics Blick sah noch immer abwesend aus. Er sog die warme Zimmerluft immer wieder geräuschvoll durch seine Nase ein, als ob er etwas riechen würde.
„Weißt du wie viel Glück du hattest!“, sagte er langsam und schwerfällig. Seine Augen nahmen eine gespenstische Starre an.
„Als ich dich holen wollte und nirgends im Club finden konnte, war ich außer mir vor Sorge. Ich konnte deinen Geruch kaum noch wahr nehmen.
Deine Duftspur endete vor dem Notausgang und als ich Elesters und Jinxs Geruch auch noch wahr nahm, rechnete ich mit dem Schlimmsten“, erzählte Ardric und machte eine kleine Pause. Er schloss seine Augen und atmete immer wieder übertrieben ein und aus.
„Ich kam gerade noch rechtzeitig, denn Elester war dabei gewesen seine Fangzähne in deinen Hals zu rammen!
Er wollte dich aussaugen, nur um mir eins auszuwischen!
Wäre ich nicht so um dein Befinden besorgt gewesen, hätte ich Elester noch an Ort und Stelle in Stücke gerissen!“, erklärte Ardric ihr schwer atmend. Aus seiner Kehle ertönte ein dumpfes Grollen. Hinter seinen halb geöffneten Lidern, konnte Mimma Ardrics lavafarbene Augen aufgeregt aufflackern sehen. Angespannt beobachtet sie Ardric, der wie ein lauernder Löwe neben ihr kauerte. Es war noch immer zu heiß und der Schweiß tropfte Mimma vom Nacken. Ihre langen Haare klebten an ihrem nackten Oberkörper fest. Ardric hob langsam seinen Kopf und sah Mimma direkt in ihre Augen. Sie hielt seinem bohrenden Blick stand und bewegte sich keinen Millimeter, denn sie ahnte nicht, was sein merkwürdiges Verhalten zu bedeuten hatte. Eine kleine Schweißperle tropfte von Mimmas Schlüsselbein. Ardric fing die herabtropfende Schweißperle mit seinem Daumen auf und führte seine Hand an seine Nase, um daran zu riechen. Geräuschvoll sog er den Geruch des Schweißes mit der Nase ein und atmete stöhnend durch den Mund wieder aus. Mit seiner Zungenspitze leckte er genüsslich Mimmas, nach salz schmeckenden Schweiß von seinem Daumen, als ob er von einem wohlmundenden Tropfen Wein kostete. Erneut stöhnte er genussvoll auf, als er sich ihren Geschmack auf der Zunge zergehen ließ. Mimma saß starr vor Angst da und beobachtete Ardric. Sie wagte es kaum zu atmen. So hatte sie ihn noch nicht erlebt. Er sah so aus, als ob er jeden Augenblick über sie herfallen würde.
„Mimma!“, keuchte er plötzlich auf. Seine Körpersprache verriet ihr, dass etwas nicht mit ihm stimmte.
„Es ist besser, wenn du dich duschen gehst.
Der Schweiß verstärkt deinen unwiderstehlichen Duft um ein Vielfaches und ich…
Ich kann mich kaum noch zurück halten und ich habe heute noch nichts getrunken.
So etwas habe ich noch nie zuvor erlebt!“, gab er kopfschüttelnd von sich. Sein Körper bebte vor Erregung. Er legte seinen Kopf in den Nacken. Seine Fangzähne kamen unwillkürlich zum Vorschein.
„Außerdem blutest du“, sagte er mit gepresster Stimme und leckte sich die Lippen. Mimma sah ihn entsetzt an. Sie konnte nirgends am Körper eine Wunde spüren, aus der Blut austrat. Doch plötzlich verstand sie, was Ardric damit meinte. Sie begann zu zittern, denn sie hatte Angst, dass Ardric die Kontrolle über sich verlieren könnte, wenn sie eine unbedachte Bewegung machte.
„Geh jetzt Mimma!
Ich werde dir nichts tun, aber du musst jetzt gehen, damit ich wieder einen klaren Kopf bekomme.
Geh!“, grollte er Mimma an, die noch immer starr, mit weit aufgerissenen Augen, auf dem Bett saß. Doch dann fasste sie sich wieder, denn sie verstand den Ernst der Lage. Vorsichtig zog sie die Bettdecke unter Ardrics Händen weg und wickelte sich damit ein. Ardric ließ sie nicht aus den Augen und zwang sich in einer Starre zu verharren, um nicht sein letztes Bisschen an Verstand von seinen Jagdinstinkten übermannen zu lassen. Er fletschte seine Zähne und versuchte nicht mehr Mimmas Duft einzuatmen. Mimma drehte sich nicht mehr um und beeilte sich das Schlafzimmer zu verlassen. Doch sie musste sich zwingen nicht zu schnell zu laufen, denn sie wollte nicht Ardrics Jagdinstinkt mit hastigen Bewegungen reizen. Ardric beobachte Mimma, wie sie die Treppen hinunter ging, bis sie aus seinem Blickfeld verschwunden war. Er wollte ihr nach laufen, doch er hatte noch genug Willenskraft in sich, um sich selbst davon abzuhalten. Dennoch verspürte er den Drang, seine Zähne in ihrem weichen Fleisch zu vergraben. Er nahm eines der Kopfkissen auf dem Mimma geschlafen hatte und presste es auf sein Gesicht. Ihr Duft war deutlich darauf zu riechen. Ardric stieß seine Fangzähne in das Kissen und zerfetzte den Seidenbezug, der ihm keinerlei Widerstand bot. Dann begann er wie ein Besessener das Bett abzuziehen, damit Mimmas Duft seine Sinne nicht mehr so benebeln konnte. Er hörte wie sie die Badezimmertür zu schlug. Erst als er das einrastende Geräusch des Türschnappers vernahm und er sich sicher war, dass Mimma die Tür abgesperrt hatte, ging er hinunter in die Küche und holte sich einen großen Müllsack, um die Bettwäsche hineinzustopfen. Er wollte Mimma sagen, dass er für eine Weile das Apartment verlassen wollte, doch er wusste, dass er sie bereits genug erschreckt hatte. Er warf sich den Müllsack über die Schulter und ging zum Fahrstuhl, denn er wollte die Bettwäsche schleunigst los werden. Als sich die Tür schloss und sich der Fahrstuhl in Bewegung setzte, war er erleichtert, denn mit jedem Stockwerk, an dem der Fahrstuhl vorbei kam, vergrößerte sich die Distanz zwischen ihm und Mimma. Obwohl er Blut vorrätig hatte, hatte er nur noch eines im Sinn gehabt. Er wollte jagen.

Mimma stieg in die riesige Dusche hinein und drehte den Wasserhahn auf. Das kalte Wasser prasselte auf sie herab. Zuerst bekam sie eine Gänsehaut, doch dann gewöhnte sich ihr Körper an die kühle Temperatur. Mimma senkte ihren Blick und sah wie sich eine rote Blutspur von der Innenseite ihres Oberschenkels, den Weg an ihrem Bein hinunter bahnte. Das war ihr völlig entfallen. An ihre monatliche Blutung hatte sie einfach nicht mehr gedacht. Ihr war es unangenehm, dass Ardric ihre Menstruation riechen konnte und sie wusste nicht, wie sie ihm nach dieser Aktion unter die Augen treten sollte. Sie hatte Angst, dass er sich ihr gegenüber nun jedes Mal so unkontrolliert und gefährlich benehmen könnte. Mimma sah sich in der großen Dusche um und entdeckte die Duschgels. Sie öffnete jede Tube, schnupperte daran und entschied sie für das, welches am stärksten Duftete und hoffte somit ihren eigenen Körpergeruch übertünchen zu können. Sie seifte sich mehrmals von Kopf bis Fuß ein, dann wusch sie alle Seifenrückstände von ihrem Körper und wickelte sich das Handtuch, das sie mit in die Dusche genommen hatte, um. Die Dusche war so groß, dass sie es mit hinein nehmen konnte, ohne es dabei nass zu machen. Anschließend durchforstete sie sämtliche Schränke im Badezimmer und hoffte, dass Ardric daran gedacht hatte es zu besorgen. Und dann wurde sie tatsächlich in einem der Schränke fündig. Er war vollgestopft mit sämtlichen Hygieneartikeln, die man als Frau für solch einen Fall benötigte. Ardric hatte wirklich an alles gedacht. Die Auswahl war so immens, dass man damit einen kleinen Tante Emma Laden hätte bestücken können. Mimma bediente sich und griff zielsicher nach dem, was sie für am geeignetsten hielt. Anschließend putzte sie sich die Zähne und durchstöberte weiterhin alle Schränke, nur um zu sehen, was Ardric sonst noch für sie bereit hielt. Rasierer samt Rasierschaum, diverse bunte und dezente Nagellacke, allerhand Pflegemittel für die Haare, das Gesicht und den Körper und noch vieles mehr. Mimma war überrascht, dass Ardric so viel Ahnung davon hatte, was man als Frau benötigte. Sie spülte sich den Mund aus, doch sie konnte noch immer den leichten Hauch von Alkohol schmecken. Sie griff nach der giftgrünen Mundspülung und gurgelte einige Male damit. Endlich schmeckte sie in ihrem Mund nur noch den scharfen Geschmack von künstlicher Minze. Mimma wollte am liebsten überhaupt nicht mehr aus dem Badezimmer heraus kommen, doch sie konnte sich nicht ewig im Bad verschanzen, außerdem musste sie sich irgendwann etwas überziehen. Sie entdeckte einen Bademantel, der an der Wand hing. Er war weiß und roch nach frischer Wäsche. Sie schlüpfte hinein und wickelte sich fest ein. Dann schlich sie auf Zehenspitzen zur Tür und lauschte, ob sie etwas hören konnte. Sie presste ihr Ohr fest an das kühle und glatte Holz der Tür, doch alles was sie hörte, war ihr eigener Pulsschlag. Leise drehte sie den Schlüssel im Schloss herum und öffnete die Badezimmertür. Durch einen schmalen Spalt schaute sie, ob sie Ardric sehen konnte. Beinahe lautlos kam sie aus dem Badezimmer heraus und lief zur Treppe. Nur das rascheln ihres Bademantels war noch zu hören. Dabei achtete sie Aufmerksam auf jedes verdächtige Geräusch, doch Ardric war weder in der Küche, noch im Wohnzimmer zu sehen. Mimma vermutete, dass er noch immer im Schlafzimmer war. Sie traute sich keinen Fuß auf die Treppenstufen zu setzten.
„Ardric?“, flüsterte sie leise.
„Ardric, bist du da?“, fragte sie und hob die Lautstärke etwas an, doch sie bekam keine Antwort. Ihr Herz klopfte wie verrückt und das Blut rauschte in ihren Ohren. Mimma nahm ihren Mut zusammen und stieg die Treppenstufen zum Schlafzimmer hinauf. Oben angekommen war sie überrascht, Ardric nicht vorzufinden. Sie sah das abgezogene Bett und wusste, dass er das getan hatte, um ihren Geruch nicht mehr riechen zu müssen, zumindest nicht so intensiv. Mimma ging zum Kleiderschrank und suchte nach bequemer Kleidung. Sie wurde fündig und kramte einen zweiteiligen, hellgrauen Jogginganzug hervor. Schnell schlüpfte sie in die Hose und suchte sich noch ein legeres, einfarbiges T-shirt heraus. Anschließend suchte sie nach neuer Bettwäsche, um das Bett zu überziehen, schließlich war es ihr Schweiß gewesen, der Ardric beinahe um seinen Verstand gebracht hatte. Als sie fertig war, bemerkte Mimma, dass eines der Kissen fehlte. Sie sah unter dem Bett nach, doch dort war außer gähnender Leere nichts zu finden. Nur eine kleine Feder ließ Mimma vermuten, was mit dem Kissen geschehen war. Doch sie entschied sich nicht weiter darum zu kümmern.
Nachdem sie den Bademantel wieder zurück ins Bad gebracht hatte, meldete sich ihr Magen lautknurrend bei ihr. Sie hatte Hunger. Im Kühlschrank befand sich einiges, womit sie sich hätte etwas zu Essen kochen können, doch sie hatte keine Lust zu kochen. Sie nahm sich nur einen Saft heraus und stillte somit vorerst ihren Hunger. Draußen hielt die Nacht bereits Einzug. Mimma betrachtete die hellerleuchtete Skyline und fragte sich, wo Ardric gerade steckte. Gerne hätte sie das Apartment verlassen, um durch die Stadt zu streifen, doch sie wusste, dass sie ohne einen Schlüssel für den Aufzug nicht fort konnte. Gelangweilt plusterte sie ihre Backen auf und stieß die darin angesammelte Luft geräuschvoll hervor. Da sie nichts anderes zu tun hatte, entschied sie sich Fern zu sehen. Sie machte es sich in der Mitte der riesigen Couch bequem und betätigte den On-Button auf der Fernbedienung. Es klickte einmal und sofort erschien ein Fernsehprogramm, auf dem es gefährlich zu ging. Irgendein Actionthriller, in dem gerade eine Schießerei die nächste jagte. Gelangweilt schaltete Mimma etliche Programme durch, doch die Sender schienen kein Ende zu nehmen. Von fast jedem Land der Erde, das Fernsehprogramme produzierte, schien etwas mit dabei zu sein. Sie hörte sich die verschiedenen Sprachen an, von denen sie keine einzige Verstand. Russisch, chinesisch, schwedisch, von allem war etwas dabei. Mimma wunderte sich ob Ardric all diese Sprachen verstand und womöglich sogar sprach. Möglich wäre es, denn er wanderte schon eine lange Zeit auf der Erde herum. Als Mimma zu einem lustigen Zeichentrickfilm kam sah sie ihn sich an, denn Cartoons mochte sie schon seit sie ein kleines Kind war. Doch irgendwann wurde sie auch davon gelangweilt. Dann kam ihr etwas in den Sinn. Sie rannte ins Badezimmer und holte sich einen Nagellack. Es war derselbe blutrote Farbton, den sie an Jinx Fingernägeln gesehen hatte. Obwohl Jinx sie aussaugen wollte, gefiel Mimma ihr aufreizender Stil. Zurück auf der Couch, lackierte sie zuerst ihre Zehennägel und dann ihre Fingernägel. Als sie fertig war begutachtete sie stolz ihr Werk und fand, dass ihr das Blutrot gut stand. Mimma musste nur noch abwarten bis alles getrocknet war. Abwechselnd pustete sie auf ihre Fingernägel und wedelte mit ihren Händen in der Luft herum, damit der Nagellack schneller trocknete, obwohl sie irgendwo einmal gelesen hatte, dass das überhaupt nichts nutzte. Doch sie machte es weiterhin, aus Gewohnheit.
Plötzlich hörte sie das Läuten des Fahrstuhls. Angespannt starrte sie auf den Aufzug und wartete darauf, dass sich die Tür öffnete. Sie wusste, dass es nur Ardric sein konnte, doch sie wusste nicht, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Abgesehen davon, dass sie nicht mehr schwitzte und die Luft im Apartment nicht mehr allzu sehr mit ihrem Duft tränkte, änderte das nichts an der Tatsache, dass sie noch immer blutete und Ardric das Blut riechen konnte. Ardric betrat das Apartment und sah Mimma, wie sie mit den Händen in der Luft und gespreizten Fingern auf der Couch saß.
„Was machst du da?
Wieso hebst du deine Hände so komisch hoch?“, wollte er wissen und stellte eine Plastiktüte auf den Küchentresen.
„Ich hab mir die Nägel lackiert“, meinte Mimma und beäugte neugierig die Plastiktüte.
„Ah du hast deine Sachen also alle entdeckt!
Blutrot. Die Farbe steht dir“, meinte er, um Mimma ein Kompliment zu machen.
„Was ist in der Tüte?“, fragte Mimma und nahm den Geruch von Essen war.
„Hast du Hunger?
Ich habe dir etwas vom Chinesen zum Essen mitgebracht“, sagte Ardric und zeigte auf die Tüte.
„Dieses Mal kein Luxusessen?“, frage Mimma spitz. Ardric grinste schwach.
„Nein, dieses Mal nur Fastfood, antwortete er ihr. Er bemerkte, dass Mimma ihm gegenüber sehr distanziert war und er konnte es ihr nicht verübeln. Sie nuckelte an ihrer Unterlippe, denn sie hatte bereits großen Appetit.
„Es ist gebratener Reis mit Gemüse und Süß-Sauer-Sauce“, sagte Ardric und wartete darauf, dass Mimma von der Couch aufstand, um sich das Essen zu holen. Doch sie schien zu zögern.
„Was ist?
Wenn du keinen Hunger hast, dann kann ich es auch in den Mülleimer werfen“, meinte Ardric, packte die Plastiktüte und war daran sie wegzuwerfen.
„Nein halt! Ich esse es ja!“, motzte Mimma ihn an. Dieser Ton gefiel Ardric, denn sie hörte sich an wie die freche Mimma, die selbst in einer Gefahrensituation niemals den Mund hielt. Doch noch immer saß sie reglos auf der Couch. Ardric neigte seinen Kopf zur Seite und sah Mimma fragend an. Obwohl ihr Magen laut knurrte und sie bereits sagte, dass sie das Essen wollte, konnte sie sich einfach nicht dazu durchringen aufzustehen.
„Na komm endlich!
Ich werde dich bestimmt nicht bedienen!“, maulte Ardric sie an. Mimma stand von der Couch auf und machte ein paar Schritte, doch dann blieb sie stehen und sah Ardric misstrauisch an.
„Es ist nur….
Ich…ähm…ich blute immer noch und ich….ich weiß nicht, ob du…naja du weißt schon!“, stammelte Mimma beschämt herum. Endlich verstand Ardric Mimmas Verhalten.
„Oh, deswegen brauchst du dir keine Gedanken mehr zu machen.
Das habe ich geregelt.
Ich bin sozusagen wieder klar im Kopf“, versicherte er Mimma und sah sie freundlich an. Mimma war nicht allzu sehr davon überzeugt, doch ihr Hunger war größer. Entschlossen ging sie zum Küchentresen und setzte sich auf einen der Hocker, dann holte sie die Pappschachtel aus der Plastiktüte und begann hastig zu essen. Sie schlang regelrecht, denn sie war völlig ausgehungert gewesen. Ardric setzte sich neben Mimma auf einen Hocker und beobachtete sie beim Essen. Sofort rückte sie samt ihrem Hocker von Ardric weg. Überrascht sah er sie an, doch nur kurz, dann griff er entschlossen nach ihrem Hocker und zog sie zu sich heran.
„Schon gut ich habe verstanden!
Du wirst mich nicht anfallen!“, meckerte sie mit vollem Mund und widmete sich weiterhin ihrem Essen. Ardric grinste zufrieden in sich hinein. Ohne dass Mimma es merkte, schnupperte er an ihr. Er fand ihren Geruch noch immer sehr verlockend, doch er hatte sich im Griff. Dann fiel ihm ein, dass Mimma ihre tägliche Dosis an Blut noch nicht erhalten hatte. Er stand auf und holte sich ein Glas, dann setzte er sich wieder neben Mimma auf den Hocker. Mimma ließ sich von Ardric nicht beirren. Wie ein hungriges Tier verschlang sie weiterhin das Essen. Ardric machte sich daran den linken Ärmel seines Hemdes hochzukrempeln. Langsam und präzise schlug er den Ärmel einige Male um, bis sein gesamter Unterarm frei war. Mimma tat weiterhin so, als ob sie von alledem nichts mitbekam. Ardric fuhr seine Fangzähne aus und grollte dabei leise. Mimma zuckte bei diesem Geräusch zusammen und schob sich hastig eine volle Gabel in den Mund. Genüsslich biss sich Ardric in den Arm, bis das Blut heraustropfte. Er hielt das Glas darunter und fing das Blut auf. Doch durch den unsauberen Biss, spritze das Blut unkontrolliert heraus und bekleckerte das Glas. Das Blut floss über den Rand des Glases auf Ardrics Hand und bildete auf dem Küchentresen, neben Mimma, eine kleine Blutlache. Als das Glas voll genug war, donnerte er es vor Mimmas Augen auf den Tresen, sodass das Blut darin überschwappte und auf dem Pappkarton ihres Essens einige Spritzer landeten. Angeekelt ließ Mimma ihre Gabel fallen und starrte Ardric wütend an. Er grinste zufrieden und leckte sich genüsslich das Blut vom Arm. Dann stand er auf, ging zum Spülbecken und kam mit einem feuchten Lappen in der Hand zurück, um das verkleckerte Blut auf dem Küchentresen zu beseitigen.
„Was soll dieses Theater?“, zischte Mimma Ardric an. Ardric nahm den Lappen und warf ihn in den Mülleimer, als er fertig

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: copyright 2011 T. J. Hudspeth
Bildmaterialien: http://www.flickr.com/people/francapicc/
Tag der Veröffentlichung: 27.12.2011
ISBN: 978-3-86479-069-0

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