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Da saß sie nun. Alleine an einem Tisch für zwei Personen, der wenn er aber für zwei Personen gedeckt war, doch als zu klein erschien. Ihr Haar war lang und schwarz und es fiel in weichen Wellen über ihre Schultern. Sie war nicht unbedingt die Person, die man als Schönheit bezeichnete, doch sie hatte etwas an sich. Bei längerer Betrachtung wurde sie nur noch interessanter. Ihre Augen waren mandelförmig und standen wie bei einem Raubtier weit auseinander. Sie waren bersteinfarben, leuchteten geradezu aus den zu stark geschminkten Augen heraus. Sie hatte etwas Wildes an sich, dass man ergründen wollte, doch man wusste schon im Voraus, dass man sich an ihr nur verletzen konnte und trotzdem zog es einen in ihren Bann. Ihre Augenbraun waren wie mit einem Lineal in einer geraden, feinen Linie gezogen, genau richtig für diese Art von Gesicht. Die Nase war klein und zierlich, man nahm sie eigentlich kaum war. Ihr Mund. Ihr Mund war rundlich und ziemlich groß mit sehr vollen Lippen, die heiße Versprechungen von sich gaben, die einen gestandenen Mann zum Winseln und Betteln bringen konnten. Von der Kleidung her war sie eher sehr unauffällig gekleidet. Schwarze Jucks, schwarze Röhrenjeans und ein schwarzes ärmelloses T-Shirt. Ihre weiße Haut wirkte durch diese triste Farbe fast durchsichtig. Ihre Achseln waren rasiert, was daraus schließen ließ, dass sie trotz ihres schlabberigen Outfits auf ihr Äußeres achtete. Durch die Rötung in ihren Achselhöhlen konnte ich daraus vermuten, dass sie die Rasur womöglich kurz nach Verlassen ihres Apartments gemacht haben musste. Ich konnte auch erkennen, dass sie keinen BH trug. Trotz ihrer eher knabenhaften und dünnen Gestalt, zeichnete sich ihr fülliger Busen eindeutig unter diesem schwarzen T-Shirt ab. Ihr musste kalt sein, denn ihre Brustwarzen waren steif, oder ihr war gerade ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen, weil sie vielleicht an etwas Schlimmes gedacht haben muss. Egal. Zu gerne würde ich zu ihr hingehen, ihr T-Shirt hochheben und mein Gesicht in dieser puren Erotik vergraben. Ja, sie strahlt pure Erotik aus, obwohl sie nicht diesem Klischee von einer vollbusigen, blauäugigen Blondine entsprach, die der Großteil der Männer ansprechend fand. Ich musste meine Gedanken auf einen anderen Pfad lenken. Ich durfte schließlich nicht meine Tarnung auffliegen lassen.
Ich saß etwa fünf Meter Luftlinie schräg von ihr an einem anderen Tisch entfernt, ebenfalls alleine. Allerdings war mein Tisch eigentlich für vier Personen gedacht. Ich kam mir deswegen doch ein bisschen lächerlich vor, wenn Gäste an mir vorbei liefen und mich beäugen, wie ich alleine mit meinem Bier aus der Flasche dasaß und als Alibi eine Zeitschrift über Autos, Motoren und Zubehör vor mir liegen hatte, obwohl mich dieses Thema in keinster Weise auch nur annähernd interessierte. Ich hatte eigentlich keinen Grund dafür mich so zu fühlen, war es ja schon Routine für mich alleine zu speisen. Das Bier ließ ich mir trotz meiner Arbeit langsam, Schluck für Schluck genüsslich die Kehle herunter laufen.

Heute Morgen stand ich in irgendwelchen weißen No-Name Boxershorts in meinem kleinen Bad und rasierte mich. Es war mal wieder an der Zeit, damit ich mich wieder unter die Menschen wagen konnte und dabei zumindest halbwegs zivilisiert aussah. Ich hatte meine Scheidung endgültig hinter mich gebracht. Wir waren Jung, gerade mit der Schule fertig und in die Arbeitswelt eingetaucht. Sie unterrichtete an einer Grundschule Deutsch und ich war neu in einer großen Firma, die sich auf Marketing spezialisiert hatte. Wir waren noch grün hinter den Ohren, gerade aus unseren Windeln herausgewachsen. Ich dachte es sei eine gute Idee gewesen sie zu heiraten. Ich wollte schließlich nur sie neben mir haben, bis an mein Lebensende und da war ich mir sicher mit meinen damals jungen und lebensunerfahrenen 22 Jahren. Jane war gerade 20 geworden, als wir uns das Jawort gaben. Durch unsere Ersparnisse und Zuschüssen von unseren Eltern, konnten wir uns ein kleines Häuschen mit Garten am Stadtrand kaufen. Es war unser Traum, dachte ich. Wie sich herausstellte, war es nur mein Traum. Nach 15 Jahren, meinerseits glücklichen Ehejahren sagte sie zu mir:
„Fynn, wir sind nicht mehr kompatibel“ - wie ich dieses Wort hasse – „wir haben uns in verschiedene Richtungen entwickelt und ich will noch leben.
Ich finde es ist besser, wenn wir die Scheidung einreichen und du solltest dir bis zur nächsten Woche eine eigene Bleibe suchen“, sagte sie damals zu mir und ich stand plötzlich vor den Scherben meiner Ehe.
In meinem Kopf drehte sich nur noch alles, hatte sie das tatsächlich gesagt? Scheidung? Wir und Scheidung? Es gab kein Wir mehr? Es gab nur noch Fynn und Jane, zwei nicht zusammengehörende Teile, die, auch wenn man es noch so sehr versuchte, nicht mehr zusammen passten. Ich versuchte mit ihr zu reden, fragte, ob es meine Schuld sei. Ich versprach ihr mich zu ändern, aber sie müsse mir nur sagen, was ihr an mir störte. Doch es half nichts. In meiner Verzweiflung drohte ich ihr unsere Tochter zu mir zu holen, das alleinige Sorgerecht einzuklagen. Sie blieb überraschenderweise ganz gelassen. Mit ruhigen und festen Worten nahm sie mir, ob gewollt oder ungewollt, meinen letzen Fetzen Ehre.
„Lilly ist nicht von dir.
Sie ist von jemand anderem!“, hatte sie mir geradewegs ins Gesicht gesagt. Ich wollte gerade ansetzen und fragen von wem sie denn dann sei, wenn nicht von mir, doch dann musste ich inne halten. Ich konnte in ihren Augen die Antwort schon selbst lesen. Jetzt wurde mir alles klar. Damals, als ich sie fragte mich zu ehelichen, bat sie um etwas Bedenkzeit, doch dann plötzlich drängte sie mich regelrecht zur Heirat. Kurz nach der Hochzeit eröffnete sie mir, dass wir Eltern werden würden. Ich hatte mich so gefreut, dass mir nicht mal nach der Geburt von Lilly ein Zweifel aufgekommen wäre. Ich hätte nur mal nachrechnen müssen, da hätte es mir auffallen müssen.
Ihr bester Freund, den sie von der Uni kannte, mit dem sie sich Nächte um die Ohren geschlagen hatte um zu lernen, war auch gleichzeitig der Vater von Lilly. Wie konnte ich nur so blind sein. Ich hatte ihr Vertraut.
Drei Tage später zog ich aus unserem Haus aus in mein jetziges Apartment. Das Viertel in das ich zog war bekannt für die Auswahl an Freudenhäusern und anderen absonderlichen Etablissement, die Dienstlichkeiten anboten, von denen ich noch nie zuvor etwas gehört hatte. Nachts sollte eine anständige Person nicht alleine durch die verschlungenen Gassen laufen, da man nie wusste welche Gestalt der Nacht da auf einen wartete. Aber der Preis war gut und es war bereits voll möbliert, deswegen nahm ich das Apartment. Wir einigten uns ohne Scheidungsanwälte. Sie gab mir eine kleine Abfindung für das gemeinsame Haus, ich kündigte meine Arbeit und verzog mich erst mal in mein Apartment, wie eine Schnecke in ihr Haus, wenn jemand ihre Fühler berührte. Auf eine große Scheidungsschlacht hatte ich keine Lust, denn ich wollte sie so wenig wie möglich sehen. Sie hatte mir meinen Traum zerstört und für mich gab es sowieso nichts zu hohlen. Das Haus vielleicht, aber das konnte ich Lilly nicht antun, auch nachdem ich wusste, dass sie nicht mein eigen Fleisch und Blut war. Genügend Zorn hatte ich in mir um dieses Ziel anzustreben, aber auch noch genügend Liebe für Lilly, um die Sache auf sich beruhen zu lassen. Ich hielt mich mit kleinen Gelegenheitsjobs über Wasser. Von dem Geld konnte eine einzelne Person gut leben. Meine liebste Arbeit war es, als Detektiv zu arbeiten.
Es waren nur Kleinigkeiten wie zum Beispiel den Ehepartner beim Betrug erwischen, solche Dinge eben. Die schmutzigen Dinge des Alltags, kleine Affären. Anfangs empfand ich es als erdrückend, wenn ich die Indizien dem Auftraggeber übergab und somit wusste, dass ich eine Beziehung zerstört hatte, weil ich die Beweise dazu erbrachte. Aber auf der anderen Seite hatte es auch etwas Befriedigendes, dass ich diese Macht hatte zu entscheiden, ob ich die Beweise weiterleitete, oder aber sagte, dass es nichts gab.

Ich hatte also seit 2 Wochen nichts mehr zu tun, die Scheidung war nach einem Jahr endlich offiziell und ich stand im Badezimmer vor dem kleinen Spiegel und rasierte mich, als es an der Tür klopfte. Ich legte den Einwegrasierer am Rande des Waschbeckens ab und wischte mir mit dem Handtuch, das auf der Ablage lag den Rasierschaum aus dem Gesicht. Als ich aus dem Badezimmer ging, nahm ich mir meinen Morgenmantel vom Haken, warf das Handtuch auf den geschlossenen Toilettendeckel, lief durch die Küche zum Flur und öffnete die Tür. Es stand niemand da. Ich machte einen Schritt in den Hausflur hinaus, schaute links und rechts und machte noch einen Schritt. Da trat ich auf etwas. Im ersten Moment erschrak ich und sprang mit einem Satz zurück. Da lag ein brauner, dick gefüllter und ziemlich zerknautschter Briefumschlag mit meinem Namen darauf auf meiner Fußmatte vor der Tür. Ich zögerte kurz, doch dann hob ich den Umschlag, der sich schwer anfühlte, vom Boden auf, vergewisserte mich, dass mich nicht doch jemand im Hausflur beobachtete und machte die Haustür leise zu. Ich hatte ein ungutes Gefühl, deswegen schloss ich sie ab und schob noch die Kette davor. Ich ging in die Küche und legte den Umschlag auf den Tisch. Dann ging ich ging zum Kühlschrank, nahm mir eine kühle Dose Bier aus dem neuen Sixpack, das ich mir am Vorabend noch am Kiosk bei mir um die Ecke holte heraus und mit einem Zischen öffnete ich sie, während ich zurück zum Tisch ging um mich auf einen der alten Holzstühle niederzulassen. Es war gerade Hochsommer und ziemlich heiß. Bei mir im Apartment staute sich die Hitze und mein Ventilator, den ich reparieren wollte, stand noch immer defekt neben dem Kühlschrank. Die Dose wurde außen sofort feucht und das kalte Kondenswasser tropfte mir auf meinen linken Oberschenkel, als ich das Bier in meinen Mund kippte und gierig den ersten Schluck nahm. Langsam ließ ich mir bewusst werden, wie das kühle Gebräu meine Mundhöhle verließ, die Speiseröhre hinunter ran und sich dann in meinem Magen ausbreitete. Für ein paar Sekunden verschaffte es mir Abkühlung, doch dann wurde es wieder warm. Meine Hände wurden von der Dose klebrig. Ich wischte sie mir an meinem Morgenmantel ab. Das Bier hinterließ einen herben Nachgeschmack, verlangte nach mehr. Ich leerte die Bierdose auf einen Zug und warf sie in den Mülleimer der gleich hinter meinem Stuhl neben einem schäbig aussehenden Schrank, der mein gesamtes Kücheninventar wie Teller, Besteck, Tassen, einige Schüsseln, zwei verschieden große Töpfe und eine stark verbraucht aussehende gusseiserne Pfanne, die ihrem Zweck diente, beinhaltete. Der Schrank genügte mir vollkommen. In der Küche stand noch mein Kühlschrank, der fast nur Bier und einige Lebensmittel wie Wurst, Eier, Käse, Butter und Brot und wie fast täglich, Überreste von irgendeinem Lieferservice, da ich nur selten kochte, zum Vorzeigen hatte. Im Eisfach lagen eine Tiefkühlpizza – Hawaii - und Eiswürfel. Zum Kochen hatte ich einen Backofen, der oben drauf 4 Herdplatten hatte, die auch schon sehr abgenutzt aussahen. Aber für mein sporadisches Kochverhalten war er völlig ausreichend. Ich hatte Hunger, also wärmte ich mir die Überreste vom Chinesen, die ich am Abend zuvor nicht mehr gegessen hatte, in meiner Mikrowelle auf, die im Gegensatz zu den anderen Möbeln nagelneu war. Die musste ich mir gönnen. Curryreis mit paniertem Schweinefleisch. Es hatte zwar keinen Biss und fast keinen Geschmack mehr, erfüllte aber seinen Zweck und stillte meinen nach fester Nahrung knurrenden Magen.
Mir war schon wieder viel zu heiß, dabei war es noch nicht einmal 10:00 Uhr morgens. Ich stand vom Tisch auf, sah mir noch einmal misstrauisch den Umschlag in der Mitte meines runden Holztisches an und begab mich dann ins Badezimmer um mich fertig zu rasieren. Ich schäumte mir wieder meine untere Gesichtshälfte ein, überall da, wo mein 2-wöchiger Bart mein 38-jähriges Gesicht überwucherte, nahm den Rasierer vom Waschbeckenrand und zog Bahn für Bahn den Schaum samt meiner Barthaare mit der Scharfen Rasierklinge ab. Nach jeder zweiter Wiederholung reinigte ich den Rasierer unter dem kalten Wasserstrahl. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich beim letzten Stück zu fest aufdrückte und mich in die Wange schnitt. Es dauerte ein paar Sekunden, doch dann lief mir das Blut über die Wange. Es brannte auch ein wenig. Ich nahm das Handtuch von der Toilette und drückte es eine Weile auf die blutige Stelle, bis es aufhörte und warf es zu Boden. Ich hatte das verlangen mich nochmals zu Duschen, obwohl ich das circa eine viertel Stunde vor meinem ersten Versuch mich zu rasieren, der durch das mysteriöse Klopfen und dem braunen Briefumschlag unterbrochen wurde, bereits getan hatte. Die Boxershort klebte regelrecht an mir, also zog ich sie aus, beförderte sie mit meinem Fuß in den Schmutzwäschekorb und ließ meinen Morgenmantel zu Boden fallen. Für meine 38 Lenze machte ich noch eine gute Figur. Zwar nicht durchtrainiert, aber schlank. Ich stieg in die Dusche und schob die durchsichtige Plexiglastür hinter mir zu. Sogleich drehte ich nur den Kaltwasserhahn auf. Für einen kurzen Augenblick zitterte und schüttelte sich mein Körper durch das eiskalte Wasser, das auf mich herab prasselte, doch dann gewöhnte ich mich an das kühle Nass und genoss den kurzen Kälteschock. Es brauchte nur kurz, dann hatten sich mein Körper und mein Kreislauf angepasst und fühlte sich herrlich an.
Wie ich so unter dem kühlenden Wasserstrahl stand, dachte ich über meine bisherigen Liebschaften seit meiner Scheidung nach.

Der Sex mit meiner Ex-Frau war meiner Meinung nach immer gut. Zwar nicht unbedingt leidenschaftlich und hemmungslos, aber konstant gut. Natürlich wusste ich nicht, wie sie ihn empfunden hatte. Mir kam es immer so vor, als ob es ihr recht gut gefallen hatte. Schließlich stöhnte sie immer und ihr Körper bäumte sich und windete sich unter mir, aber wahrscheinlich war das alles auch nur gespielt. Ich hatte auch schon Prostituierte. In meinem Viertel war ja sozusagen die Quelle. Anfangs schämte ich mich dafür zu bezahlen, doch irgendwann siegte das Verlangen nach fleischlicher Lust. Ich hatte gute und schlechte. Manche waren routiniert, spielten ihr Programm herunter, andere Mädchen waren wohl noch neu im Geschäft und wussten nicht so recht, was sie zu tun hatten. Diese sollten mich nur mit der Hand befriedigen, denn es war mir dann doch zuwider ihnen zu zeigen, was ich wollte und die meisten waren wohl auch froh, nicht mehr tun zu müssen. Ich wusste nie, wieso sich eine Frau prostituierte. Wurde sie gezwungen, brauchte sie das Geld, machte es ihr Spaß, oder war sie einfach nur geil aufs Vögeln? Sie sahen wie ganz normale Frauen aus, die auch jederzeit in einer Topführungsstelle hätten arbeiten können. Doch ich fragte nie nach. Ich kam in ihr Zimmer, sagte ihr was ich wollte, dann legten wir unsere Kleidung ab und fingen an. Danach bekam sie ihr Geld und ich sah sie nie wieder, da ich teilweise aus Scham nie dieselben Frauen wollte. Manchmal lernte ich aber einfach auch so Frauen in einer Bar kennen, die genauso einsam wie ich waren und die doch so kurze Nacht nicht alleine verbringen wollten. Man kam irgendwie ins Gespräch. Fragte nach Feuer für eine Zigarette, oder fragte gleich nach einer Zigarette. Man trank zusammen einiges und landete dann entweder bei ihr oder bei mir in der Kiste und verschwand im Morgengrauen. Doch eine werde ich nie vergessen ich würde sie gerne wieder sehen.

Sie hieß Bell. Es war ein Samstag vor ungefähr 3 Wochen und es hatte schon den ganzen Tag geregnet. Als es dunkel wurde begab ich mich in meine Lieblingskneipe bei mir im Viertel, nur 10 Minuten zu Fuß von mir entfernt. Dort lief immer gute Jazzmusik aus der alten Zeit, von Frank Sinatra oder Nate King Cole, einer meiner Lieblingssolisten. Bei Nature Boy bekomme ich noch heute jedes Mal eine Gänsehaut.
Ich saß an der Bar, rauchte meine Marlboros und nippte an meinem doppelten Whisky on the rocks. Da kam sie herein. Sie trug einen engen grauen Bleistiftrock, eine weiße Bluse und darüber den dazugehörenden grauen Blazer. Ihre schwarzen gefährlich hoch aussehenden Lackpumps machten sich bei jedem Schritt auf dem Parkettboden bemerkbar, sodass sich jeder Mann in der Bar nach ihr umdrehte. Sie war verdammt heiß, hatte einen kurvigen Körper, der durch die enge Kleidung ja nicht zu übersehen war. Ihre tiefschwarzen Haare waren glatt und streng zu einem Zopf im Nacken gebunden. In der Hand hielt sie ein schwarzes kleines Täschchen, was wohl nicht allzu viel beinhalten konnte. Kreditkarten, Schlüssel, Lippenstift, etwas Bargeld und vielleicht auch noch Zigaretten. Sie sah sich kurz um und kam dann geradewegs auf mich zu uns setze sich neben mir auf einen freien Barhocker.
Sie sah mir kurz und intensiv in die Augen und fragte mich dann nach einer Zigarette und einem Schluck von meinem Whisky und das mit einer verdammt sexy Stimme. Ich war verblüfft, gab ihr aber anstandslos das, wonach sie mich bat. Nach einem tiefen Zug von der Marlboro, die ich ihr angesteckt hatte und meinem letzten Schluck vom Whisky stellte sie sich mir als Bell vor. Ich bestellte noch mal zwei Whiskys on the rocks während sie still neben mir saß, an ihrer Zigarette zog und den blauen Dunst erotisch aus ihrem Mund aufsteigen ließ. Wir sagten kein Wort, rauchten und tranken aber gemeinsam. Nachdem sie mit ihrer Marlboro fertig war, zog sie ihren Blazer aus und legte ihn auf den freien Hocker neben sich säuberlich hin, damit er keine Falten bekam. Ich steckte ihr noch eine an. Die Bluse verbarg nicht viel, denn sie war durch den Regen leicht durchsichtig geworden. Ich konnte erkennen, dass sie zwar einen BH trug, diese aber nicht ihre rosa Nippel bedeckte. Der BH drückte ihren Busen nur gekonnt hoch. Ich bekam einen Harten, was unter meiner etwas zu eng anliegenden Stoffhose nicht zu übersehen war. Auch ihr war es aufgefallen, dass ich entsprechend auf ihre Reize reagierte. Ihre roten Lippen umspielte ein kurzes Lächeln und ihre grünen Augen funkelten verheißungsvoll. Sie kippte sich ihren Whisky runter und stand vom Hocker auf. Ich folgte ihrem Beispiel und beglich die Rechnung. Sie nahm ihren Blazer und legte ihn ebenso säuberlich wie zuvor um ihren Arm. Langsam ging sie zum Ausgang und wieder schauten ihr alle Männer nach, nur dieses Mal war sie in Begleitung, denn ich folgte ihr, doch nicht ohne mir vorher mit meiner Jacke möglichst unauffällig den Schritt zu bedecken, schließlich wollte ich nicht, dass es den anderen Bargästen auffiel, dass sich mein bestes Stück bemerkbar machte. Draußen vor der Tür wartete Bell auf mich. Es regnete immer noch in Strömen. Bell drehte sich zu mir um und ich konnte genau sehen, wie der Regen ihre Bluse völlig durchweichte und somit alles freigab, was ich zuvor schon ansatzweise sehen konnte. Ich wollte sie berühren, doch sie wich mir aus, drehte sich erneut von mir weg und eilte im Regen los. Wie ein räudiger Hund folgte ich ihr durch mehrere kleine Gassen, vorbei an heruntergekommenen Häuserfassaden, bis ich selbst nicht mehr wusste wo genau wir uns befanden. Unser kleiner Fußmarsch durch den Regen musste so circa 15 bis 20 Minuten gedauert haben, dann blieb Bell in einer kleinen dunklen Seitengasse abrupt stehen. Gespannt blieb ich einige Schritte hinter ihr stehen und wartete darauf was als nächstes geschehen würde. Bell schlenderte langsam auf eine Tonne zu. Sie schob ihren engen Rock etwas hoch und setzte sich dann mit gespreizten Beinen darauf. Sie trug schwarze Strapse, aber kein Höschen. Ich konnte alles sehen. Ihr Brustkorb bebte auf und nieder. Sie musste also mindestens genauso geil sein wie ich es war. Langsam ging ich auf sie zu und umfasste ihre Schenkel. Sie fühlten sich fest an. Jetzt, als ich genau hinsah, konnte ich feststellen, dass sie nicht älter als 20 Jahre alt gewesen sein konnte. Auf jeden Fall alt genug um mich nicht strafbar zu machen. Ich küsste sie und fasste ihr unter ihren Rock. Sie stöhnte auf und drückte mir ihren vollen Busen entgegen. Ich konnte spüren wie sehr sie es wollte. Meine Hose platzte fast. Ich wollte gerade damit anfangen meinen Gürtel und meine Hose zu öffnen, als Bell mich von ihr wegdrückte und von der Tonne herunter rutschte. Verdutzt blieb ich stehen. Sollte es das etwa gewesen sein? Hatte sie es sich doch noch anders überlegt und machte jetzt einen Rückzieher? Bell kniete vor mir nieder, zog mir meinen Gürtel ganz aus der Hose heraus, knöpfte sie mit einer Hand auf und zog sie mir mit einer gekonnten Bewegung über meine Beine runter. Den Gürtel behielt sie in der Hand. Dann riss sie mir fast schon hastig meine Shorts runter und ebenso schnell nahm sie sich mit ihrem Mund meiner an. Ihr Zungenspiel war sehr geschickt. Es war bestimmt nicht das erste Mal für sie. Wir waren klatschnass. Es fröstelte mich ein wenig, da zu dem Regenschauer noch ein kalter Wind ging. Doch es störte mich nicht. Bell erhob sich vor mir wieder und legte mir meinen Gürtel um den Hals. Sie flüsterte mir mit rauer Stimme ins Ohr, dass ich ihr vertrauen sollte und fädelte die Lasche des Gürtels durch die Schnalle und zog leicht daran. Ich ließ sie gewähren, wollte mich auf ihr Spiel einlassen. Dann drehte sie sich um und streckte mir ihren prallen Hintern entgegen. Sie bat mich sie von hinten zu nehmen. So was hatte ich zuvor nie gemacht. Weder mit meiner Ex-Frau, Jane sagte immer, dass diese Art von Sex unanständig sei, noch mit einer der Prostituierten oder meiner anderen One-Night-Stands. In diesem Augenblick hätte ich alles getan. Ich drückte ihren Oberkörper auf die Tonne, packte ihren Hintern und stieß mit meinem fast berstenden Penis zu. Bell schrie auf, vor Schmerz, aber auch vor Lust. Mir war alles egal. Wieder stieß ich fest zu. Immer schneller und schneller. Ich war kurz davor mich zu ergießen, als Bell mir den Gürtel plötzlich fest zu zog. Ich bekam fast keine Luft mehr, doch ich wollte so knapp vor meinem Ziel nicht aufhören und aus irgendeinem Grund steigerte es sogar meine Extase. Ich fühlte wie mir das Blut in den Kopf stieg und konnte eine Art Rauschen vernehmen. Kein klarer Gedanke war mehr zu fassen. Bell drehte ihren Kopf um mir in die Augen zu schauen. Sie hatte plötzlich etwas Gruseliges an sich. Ich hatte das Gefühl, als ob sie versuchte mir mit Ihren Augen das Leben auszusaugen. Ich wurde beinahe Ohnmacht, als ich bemerkte, dass Bells Augen rot glühten. Mein Körper wurde plötzlich wie von Stromstößen durchzuckt und ich kam in ihr. Ich kam so heftig, dass ich es mit der Angst bekam und von ihr weg wollte. Endlich ließ sie den Gürtel los. Euphorie durchströmte jeden noch so kleinen Winkel in meinem Körper. Ich war noch dabei meine Sinne zu sammeln, als Bell hastig in ihrer kleinen Handtasche kramte und dann ein blutrotes Samttuch heraus nahm. Sie wischte sich hinten ab, wo ich gerade noch mein Sperma verteilt hatte. Plötzlich fiel mir auf, dass wir nicht verhütet hatten. Wie konnte ich nur so nachlässig sein. Ich hatte mir vielleicht etwas eingefangen. Wieder konnte ich beobachten, wie sie etwas fein säuberlich zusammenlegte, nämlich das Samttuch, welches sie sogleich in ihrer Tasche verschwinden ließ. Dann machte sie sich schnell zurecht, zupfte an ihrer Kleidung, strich sich mit den Händen übers Haar, das immer noch fest zusammengebunden war und hastete dann mit schnellen Schritten an mir vorbei, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen, noch sagte sie ein Wort zu mir. Ich stand noch mit heruntergelassenen Hosen da und war sprachlos. Ich sah ihr noch nach, bis sie aus der Gasse um eine Hausecke verschwand. Ich zog mich wieder an. Da fiel mir ein, dass ich doch gesehen hatte, wie Bells Augen rot aufglühten. Ich musste es mir aufgrund des Sauerstoffmangels eingebildet haben. Es hatte aufgehört zu regnen. Ich ging vor auf die Straße und schaute mich um. Es war schon dunkel und ich hatte keine Ahnung wo genau ich mich eigentlich befand. Gegenüber auf der anderen Straßenseite lag ein leer stehendes Fabrikgelände, dass ich irgendwo schon einmal gesehen hatte. Ich konnte es nur nicht mehr zuordnen. Rechts ein Stück die Straße runter stand ein Taxi. Ich ging hin und fuhr nach Hause. Seit dem habe ich Bell, wenn das überhaupt ihr richtiger Name war, nie mehr gesehen.

Das kalte Wasser lief mir über den Rücken. Ich seifte mich mit einem Stück Kernseife ein und ließ die Seifenreste vom Wasser wegspülen. Ich war schon immer der praktische Typ. So etwas wie Parfüm, Rasierwasser, Cremes, duftende Duschgels hatte ich mir nie selbst gekauft. Ich wusch mir sogar meine Haare mit Kernseife. Jane hatte mir zu Weihnachten oder zu meinen Geburtstagen immer mal wieder etwas gekauft, doch vergebens. Ich fühlte mich unwohl, wenn ich nicht mich selbst riechen konnte. Ab und zu legte ich etwas von dem Parfüm oder dem Rasierwasser auf, wenn Jane mich darum bettelte, doch ich war froh, wenn ich es am Abend in der Dusche wieder loswerden konnte. Oft genug bat ich Jane darum doch kein Parfüm für sich selbst zu nehmen, da sie so schon sehr gut roch, aber das fand sie ekelerregend und verhüllte ihr eigenes Ich unter einer chemisch zusammengebrauten Wolke.
Ich stieg aus der Dusche und hüllte mich wieder in meinen Bademantel. Dann trocknete ich mir meine Füße mit dem Handtuch ab, das auf dem Boden lag, welches ich zuvor für meinen blutenden Schnitt benötigt hatte und warf es dann zu meiner Boxershorts in den Schmutzwäschekorb. Ich ging aus dem Badezimmer nach rechts, links befand sich ja meine Küche, ein paar Schritte gerade aus und öffnete die Zimmertür zu meinem Schlafzimmer. Auch das war sehr karg eingerichtet. An der Wand gegenüber der Tür stand der Länge nach ein Doppelbett unter den beiden Fenstern. Zum Fußende hin an der linken Wand von der Zimmertür aus befand sich eine Holzkommode in der ich meine Unterhemden, Boxershorts und Socken verstaute. Oben drauf stand ein großer Flatscreen-Fernseher. Wieder ein Luxusartikel, den ich mir leisten wollte. An der rechten Zimmerwand befand sich in der Mitte ein größerer Kleiderschrank. Darin hingen meine Hosen – Jeans und Stoffhosen – zwei Anzüge, die ich noch von meiner Arbeit als Marketingassistent hatte, sozusagen ein Überbleibsel meiner alten Existenz. Und einige T-Shirts für den Sommer und ein paar Pullover für die kälteren Tage. Ich bevorzuge die mit
V-Ausschnitt. Unten auf dem Boden des Kleiderschrankes waren meine Schuhe. Drei Paar Sneakers, ein Paar eleganter Schuhe, die zu beiden Anzügen passten, man wusste schließlich nie, wann man so etwas vielleicht brauchen konnte und mehrere paar Mokassins aus Leder und Stoff, denn die trug ich am liebsten, weil man darin keine schwitzigen Füße bekam. Im Schrank hatte ich auch noch einen Karton verstaut, mit Erinnerungen aus meiner Ehe. Ich konnte die Fotos und noch andere Kleinigkeiten nicht wegwerfen, also hatte ich sie in dem Karton verstaut und mit reichlich Klebeband zugeklebt.
Ich nahm mir aus dem Kleiderschrank eine leichte dunkelbraune Stoffhose und ein graues T-Shirt und legte mir beides auf meinem Bett zurecht. Aus der Kommode nahm ich mir wieder eine dieser weißen No-Name Boxershorts heraus, die gab es in einem Sparpaket mit jeweils fünf Stück. Ich hatte mir drei Pakete davon gekauft. Sie waren günstig und aus 100-%-iger Baumwolle. Ich hatte es lieber wenn die Kleidung die ich an meinem Körper trug möglichst naturbelassen war. Dieses Polyesterzeug konnte ich nicht ausstehen. Darin fühlte ich mich auch wieder so eingeengt, wie, wenn ich Parfüm benützen musste. Schrecklich, einfach unnatürlich. Ich zog mich an, lief aus meinem Schlafzimmer ins Badezimmer um meinen Bademantel wieder an seinen Platz zu hängen und ging in die Küche, wo noch immer der braune Umschlag auf mich wartet. Wieder holte ich mir eine Dose Bier aus dem Kühlschrank und setzte mich an den Tisch. Neben dem Aschenbecher lagen meine Marlboros. Ich steckte mir eine an und machte die Dose auf. Nach einem kräftigen Schluck legte ich die Zigarette in den Aschenbecher und nahm den Umschlag in die Hand. Er fühlte sich recht normal an. Ich schüttelte ihn. Nichts. Also gab ich mir einen Ruck und öffnete ihn. Zum Vorschein kamen zwei daumendicke Geldbündel mit tausender Scheinen und ein mit vom Computer aus getippter und einmal zusammengefalteter DIN A 4 Zettel. Am Ende war ein Schlüssel mit einem Klebestreifen befestigt. Ich löste den Schlüssel und begutachtete ihn. Die Reide hatte sieben ecken und es war nichts eingraviert. Der Bart hatte nur ganz vorne drei gleichgroße Zacken. Ich begann mir den Brief durchzulesen:

Guten Tag Fynn,

du weißt nicht wer ich bin, aber das wirst du noch früh genug erfahren. Ich muss mich aus Sicherheitsgründen im Schatten bewegen, man darf mich nicht finden, sonst ist alles aus. DIE sind hinter mir her und DIE werden auch hinter dir her sein, gib also acht.

Ich hoffe das Geld genügt für die erste Woche.

Du sollst jemanden für mich überwachen.
Bitte begebe dich heute um 18:00 Uhr ins „Porter Steak House“. Dort habe ich schon einen Tisch auf deinen Namen resavieren lassen. Am Tisch wirst du dann weitere Anweisungen von mir auffinden. Stelle bitte nichts in Frage.
Du musst mir in dieser Sache vollkommen vertrauen, denn nur du kannst ES verhindern!

Ein Bote wird dir einmal wöchentlich ein Päckchen mit Geld vor die Tür legen. Aber auch er bleibt im Schatten, also versuche nicht ihm aufzulauern, denn du hast keine Chance.

Wenn es so weit ist, wirst du wissen für welche Tür du den Schlüssel nutzen kannst

Der Professor


Was war denn das jetzt? In meinem Kopf fing es an zu rattern. Was hatte das zu bedeuten? Sollte ich mich wirklich darauf einlassen? Ich hatte keine Ahnung wer mein Auftraggeber war. Außer seinem Pseudonym „Der Professor“ hatte ich keine Anhaltspunkte. Aber die Bezahlung war ziemlich gut und ich könnte wieder etwas Geld auf meinem Konto gebrauchen. Ob das hier mit dieser Bell von vor drei Wochen irgendetwas zu tun hatte? Doch so sehr ich auch nachdachte, ich konnte keine Verbindung zwischen meiner Begegnung mit Bell und diesem mysteriösen Professor herstellen. Ich beschloss, dass ich zumindest zu diesem Porter Steak House gehen konnte und dann immer noch entscheiden könnte, ob ich weiter machen wollte oder nicht. Den Schlüssel hängte ich an meinen Schlüsselbund, an dem sich auch der Schlüssel zu meiner Wohnungstüre und der Schlüssel für die Hauseingangstüre befanden. Ich sah auf die Uhr – erst 14:23 Uhr. Ich hatte also noch Zeit und beschloss einige Einkäufe zu erledigen, mein Bier wurde auch schon knapp. Ich nahm mir eine Stofftragetasche mit und verstaute darin mein Portmonai und als ich aus meiner Wohnungstür ging und mich versicherte, dass ich sie richtig abgesperrt hatte, verstaute ich meinen Wohnungsschlüssel auch in der Tragetasche. Unten auf der Straße überlegte ich kurz wo ich einkaufen wollte und entschied mich für den neueren Großmarkt, da bekam man alles, was das Herz begehrte. Ich machte mich auf den Weg. Ich fühlte mich beobachtet, aber das lag wohl an meiner Aufregung, was am Abend wohl passieren würde. Die Sonne brannte vom Himmel. Ich versuchte möglichst im Schatten der Häuserfassaden zu gehen. Die Luft war stickig und vom Gestank der Autos verpestet. Ich hatte das Gefühl nicht richtig atmen zu können. Auf den Straßen war viel los. Autofahrer hupten aggressiv, wenn der andere nicht in der ersten Sekunde bemerkte, dass die Ampel von rot auf grün umgeschaltet hatte. Mütter und Väter liefen mit ihren Zöglingen an der Hand herum. Manche quengelten, weil es ihnen zu heiß war und andere erzählten ganz aufgeregt was sie in der Schule neues gelernt hatten.

Ich erinnerte mich daran, dass Lilly ganz aufgeregt war, als sie eingeschult wurde. Zwei Nächte zuvor konnte sie nicht mehr richtig schlafen. Sie freute sich so sehr darauf, dass sie lesen und schreiben lernen würde und fühlte sich ein Stückchen erwachsener. Am Tag der Einschulung hielt sie ganz stolz ihre pinke Schultüte mit Pferden darauf in der Hand und auf dem Rücken hatte sie ihren pinken Schulranzen, ebenfalls mit Pferden darauf, geschnallt. Sie strahlte über das ganze Gesicht. Als Jane und ich sie drei Stunden später wieder abholten, sprach sie kein Wort mit uns. Ihr Strahlen und ihr Optimismus waren verschwunden und ihre Augen wirkten stumpf. Erst als wir Zuhause waren Rückte sie mit der Sprache heraus und erzählte uns was ihre kleine Seele bedrückte. Die Kinder aus der Stufe über ihr hatten die Neulinge gehänselt, darunter war auch sie. Sie hatten die Kleinen als Babies beschimpft und das hatte sich Lilly etwas zu sehr zu Herzen genommen. Sie wollte nie wieder in die Schule, doch nach längerem Einreden und der Überredungskunst von Jane hatte sie ihre Meinung doch noch einmal geändert. Am nächsten Morgen brachte Jane sie wieder zur Schule und redete mit der Lehrerin. Wie sie von ihr erfahren hatte, hatten sich fast alle Eltern über die gemeine Behandlung der älteren Kinder beklagt und die Lehrerin hatte die Kids bereits zu Seite genommen und ein ernstes Gespräch mit ihnen geführt. Sie versicherte Jane, dass das eigentlich jedes Jahr passierte und wahrscheinlich Lilly dann zu den Kindern gehörte, die die Neulinge ärgern würden. Dies sei wohl eine Art Tradition unter den Kindern auf der zweiten Stufe.
Wir hörten nie wieder von Lilly, dass sie gehänselt und geärgert worden sei und sie ging weiterhin mit diesem kindlichen Optimismus zur Schule.
Konnte das war sein oder täuschten mich meine Augen? Mein Herz machte einen Sprung vor lauter Aufregung. Da, auf der anderen Straßenseite stand eindeutig Bell an einem Zigarettenautomaten um sich eine neue Schachtel zu ziehen. Sie sah genauso aus wie an diesem besagten Abend. Sie trug das graue enge Kostüm mit der weißen Bluse und ihre Haare waren zu einem strengen Zopf im Nacken gebunden. Ich vergewisserte mich, dass kein Auto kam und rannte über die Straße zu ihr rüber. Ich tippte ihr auf die Schulter und nannte ihren Namen.
„Hey Bell, erkennst du mich, es muss gute drei Wochen her sein“, sagte ich freundlich. Sie starrte mich ausdruckslos an, verzog keine Miene. Ihren Augen wirkten leer.
„Weißt du nicht mehr wer ich bin?“, fragte ich sie. Sie starrte mich weiterhin ausdruckslos an. Müsste es ihr nicht viel zu heiß sein unter diesen warmen Klamotten? Sie hatte nicht mal einen leichten Film von Schweiß auf der Haut. Im Gegenteil, von ihr ging eine merkwürdige Kälte aus. Plötzlich sagte sie, dass sie nicht Bell hieße, ich sie verwechseln müsste und ging wie damals einfach an mir vorbei, also ob ich nicht existierte. Ich war mir sicher, dass es sie war. Vielleicht schämte sie sich einfach so sehr, weil sie sich so hatte gehen lassen, denn so etwas konnte man doch nicht einfach vergessen. Ich zumindest nicht. Ich schaute ihr noch kurz hinterher und ging dann selbst wieder meines Weges. Hier in den Straßen gab es fast monatlich Neueröffnungen von Boutiquen oder Restaurants und genauso schnell wie sie kamen machen sie auch Pleite. Das Einzige was hier konstant blieb, waren die kleinen Kioske, die es schon seit Jahre gab und ein paar Kneipen, die die verlorenen Seelen der Nacht beherbergten. Menschen, Frauen wie Männer, die einsam waren und ihren Schmerz und Kummer in Alkohol ertränkten und ihre Sinne mit einer Mixtur aus Zigarettenrauch, Schweißausdünstungen und einem Quäntchen Elend einnebelten. Auch Drogen, die man hier überall und in jeder Variation bekam, ließen dich für einen kurzen Moment alles vergessen. Manche kamen aus ihrem selbst geschaufelten Loch aus Selbstmitleid und Depressionen wieder heraus, andere hatten sich ihr Loch als Grab ausgesucht.
Endlich hatte ich den Großmarkt erreicht. Die elektronische Schiebetür öffnete sich und mir blies die kühlende Luft der Klimaanlage ins Gesicht. Welch Erleichterung. Hier waren viele Menschen zugange. Entweder um tatsächlich etwas einzukaufen, oder um der Hitze eine Weile zu entrinnen. Ich nahm mir einen Einkaufswagen und fing an die Gänge abzulaufen. Ich überlegte was genau ich brauchte, aber da es mir nicht eilte, ging ich erst mal zu der Bierabteilung, hatte der Großmarkt doch ein breites Sortiment an ausländischem Bier. Es gab Pils, Alt, Weizen, Kölsch, Schwarzbier, Berliner Weise und Guiness.
Ich hatte Bier schon immer gemocht, doch Jane konnte es nicht leiden, wenn sie mich küssen wollte und ich nach Bier roch und schmeckte. Ich hatte mich sehr zurück gehalten und vielleicht im Monat zwei Bier getrunken. Erst, nachdem wir uns getrennt hatten, konnte ich wieder meiner Leidenschaft frönen und Bier aus allen Herrgottsländern trinken.
Ich studierte eine Liste auf der alle Möglichen Biersorten aus den verschiedensten Ländern ausgeschrieben waren. Die Länder waren alphabetisch geordnet und bei manchen gab es auch noch eine Randnotiz dazu:


Åland - Stallhagen Pale
Albanien - Birra Korca
Belgien - Hoegaarden
Bosnien und Herzegowina - Tuzlanski Pilsner
Bulgarien - Zagorka Bier
Dänemark - Tuborg
Deutschland - Franziskaner
Estland - A. Le Coq
Färöer (zu Dänemark) -. Exportbier Gull
Finnland - Lapin Kulta (Gold aus Lappland)
Frankreich - Adelscott, Ancre
Griechenland - Mythos
Irland - Kilkenny
Island - Brauerei Ölgerdin Marke Egils Öl (Bierverbot erst 1989 aufgehoben!)
Isle of Man (britischer Kronbesitz) - Casteltown Ales
Italien - Birra Moretti
Jersey (britischer Kronbesitz) - Jersey Best
Kasachstan - Derbes
Kroatien - Bier Karlovacko Pivo
Lettland - Bauskas tum¨ais alus
Litauen - GUBERNIJOS STELLA
Luxemburg - Bofferding Lager Pils
Madeira (zu Portugal) - Coral
Malta - Farson Bier
Mazedonien - Pivara Skopje
Moldawien - Moldpivoprom
Monaco - Biere de Luxe - Albert Export Pils
Montenegro - Nik¨ic'ko pivo
Niederlande - Heinecken Lager Beer
Norwegen - Arendals
Österreich - Stiegl, Zipfer, Gösser, Murauer, Schremser, Weitra Märzen, uvm
Polen - Tyskie
Portugal - Cerveja Sagres
Rumänien - Bergenbier
Russland - Ostmark
San Marino - Prima Donna
Schweden - Pripps Blå
Schweiz - Hirnibräu
Serbien - Beogradsko Pivo
Slowakei - Topvar
Slowenien - Kratochwill Svetlo
Spanien - Naturbier
Svalbard (Spitzbergen) (zu Norwegen) - Mack Öl
Tschechien - Velkopopovický Kozel
Türkei - Efes Pilsen
Ungarn - Szalon
Ukraine - Slavutitsch
Weißrussland - Minskoe Pivo


Ich entschied mich für ein deutsches Bier, einen Bock, oder auch Bockbier genannt. Dazu gab es auch wieder einen Steckbrief, den ich mir genau durchlas:

Verbreitung: Dunkle Starkbiere besonders im Süden; helle (u.a. Maibock) stark im Norden

Biergattung: Starkbier

Stammwürze in
%: 16 und mehr

Alkoholgehalt in
% vol.: ca. 7

Bierart: untergärig als Bock und Doppelbock (u. a. – ator – Fastenbier in Bayern), obergärig als Weizenbock und Doppelweizenbock

Charakteristik: Vollmundig, goldfarben, goldbraun oder dunkelbraun

Brauprozess: Im Vergleich z. B. zu einem Pils wird beim Brauen mehr Malz eingesetzt, dadurch erhöht sich der Stammwürzegehalt

Geschickte: Kommt aus Norddeutschland, nämlich aus Einbeck bei Hannover, bekannt seit 1351; ab 1615 wurde es in München vom Einbecker Braumeister Elias Pilcher gebraut; aus „Ainpöckisch Bier“ wurde „Bockbier“

Sonstiges: Saisonprodukt: Maibock, Weihnachtsbock, Fastenstarkbiere; in Bayern ist die Fastenstarkbierzeit die „5. Jahreszeit“; um Josephi (19 März) erfolgt in München der feierliche Salvator – Ansicht auf dem Nockherberg

Das war doch recht interessant zu erfahren, was für eine Geschichte dieses Bier hatte und welche Traditionen dahinter steckten. Ich nahm mir vier Flaschen und legte sie behutsam in den Einkaufswagen. Dann ging ich weiter die Gänge mit den Lebensmitteln ab. Ich nahm mir irgendein günstiges Päckchen Frühstücksflocken mit, dann holte ich mir eine H-Milch mit 1.5 % Fettgehalt. Wenn ich eine Milch mit mehr Fettgehalt zu mir nahm, wurde mir danach immer übel. Ich vertrug sie wohl nicht so gut wie die mit 1,5 %. Ich rollte den Wagen weiter durch die Gänge und nahm mir noch ein paar Kleinigkeiten mit. An der Kasse legte ich dann meine Ausbeute auf das Förderband. H-Milch, Frühstücksflocken, vier Flaschen Bockbier, drei verschiedene Mikrowellengerichte und Butter. Da ich mich bei den Lebensmitteln für günstige markenlose Produkte entschied, bezahlte ich unter $ 20. Dafür hatten die vier Flaschen Bock ihren Preis, doch das nahm ich für mein Laster gerne in Kauf. Draußen brütete noch immer eine Hitze, deswegen musste ich mich auf dem Rückweg zu mir nach Hause beeilen, damit die gefrorenen Mikrowellengerichte nicht auftauten und die Butter nicht schmolz. Zuhause angekommen verstaute ich meine Verpflegung, die so 3 – 4 Tage ausreichen sollte, je nachdem wie groß mein Hunger sein würde und ob ich auswärts äße oder mir etwas beim Lieferservice bestellte.
Gerne hätte ich mir ein Bock zur Abkühlung gegönnt, doch das war noch lauwarm, deswegen nahm ich mir wieder eine Dose aus meinem Sixpack heraus. Drei waren noch übrig. Aus dem Gefrierfach nahm ich mir noch schnell die Pizza Hawaii heraus. Den Backofen stellte ich auf 200 Grad Umluft ein und ließ in kurz vorheizen, bevor ich die Pizza hinein schob. 16:07 Uhr. Die Pizza musste also um 16:19 Uhr fertig sein, wenn man sich genau an die Backanleitung auf der Verpackung hielt. Zwölf Minuten bei 180 Grad Umluft auf mittlerer Schiene. Ich wollte mich gerade an den Tisch setzen und die Tageszeitung, die ich vom Briefkasten mitgenommen hatte, lesen, als mir ein sonderlicher Geruch in die Nase stieg. Schwefel? Ja, es war eindeutig Schwefel. Woher kam der Geruch nur? Ich ging in der Küche umher um ausfindig zu machen aus welcher Richtung er kam. Nichts. Ich schnüffelte weiter in Richtung Badezimmer, da wurde es immer stärker. Die Tür zum Badezimmer war zu. Ich war mir sicher, dass ich die Tür nicht geschlossen hatte. Ich wollte das der Wind überall durchziehen konnte, weil es doch so heiß war. Vorsichtig berührte ich den Runden Türknauf. Er war unnatürlich heiß. Ich nahm den Saum meines T-Shirts und öffnete vorsichtig die Tür. Mir kam feuchtwarme, stark nach Schwefel riechende Luft entgegen. Ich musste würgen und hustete und meine Augen tränten. Ich hielt mir mein T-Shirt vor den Mund um überhaupt einigermaßen atmen zu können. Mit entsetzen ging ich auf meine Duschwanne zu. Die durchsichtige Plexiglasschiebetür war zu, aber ich konnte deutlich erkennen, dass die wann voll mit einer schwarzen klebrigen Substanz war von der der Schwefelgeruch ausging. Ich schob die Tür auf.
Die Substanz blubberte und es stieg heißer Dampf auf. Was zum Teufel war hier nur los? Plötzlich entdeckte ich auf dem Spiegel eine Botschaft. Sie wurde mit der schwefelhaltigen Masse geschrieben:

„Wir beobachten dich!“

Waren das DIE von denen der Professor in seinem Brief an mich berichtet hatte? Was wollten DIE von mir? Ich hatte doch nichts getan! Wieso sollten DIE hinter mir her sein? Weder hatte ich viel Geld, noch irgendwelche besonderen Dinge in meinem Apartment. Selbst wenn, hätten DIE es doch dann schon mitgenommen. Ich rannte ins Schlafzimmer. Mein Fernseher war noch da. Ich sah mich um und bemerkte, dass die Tür des Kleiderschrankes offen stand. Ich schaute hinein und sah sofort, dass der Karton mit meinen Erinnerungsstücken aus meiner Ehe mit Jane verschwunden war. Was dachten DIE wohl, was sie darin finden würden? Wie sind DIE überhaupt hier rein gekommen. Die Tür war nicht aufgebrochen. Es gab nur einen Schlüssel und der hing an meinem Schlüsselbund und mein Apartment lag im zwölften Stock. Sie könnten also unmöglich hier hochgeklettert sein um sich dann durch eines meiner offenen Fenster Zutritt zu verschaffen. Ich war viel zu verwirrt, um über den Verlust meiner Erinnerungstücke zu trauern. Ich ging zurück ins Badezimmer und betätigte den Handgriff um den Abfluss der Duschwanne zu öffnen, damit diese widerliche Masse abfliesen konnte, zwar langsam, aber immerhin. Mit reichlich Toilettenpapier und einem Spiritusreiniger säuberte ich meinen Spiegel und entsorgte den Unrat schnell in der Toilette. Anschließend wusch ich mir für fünf Minuten die Hände, da ich das Gefühl hatte, dass diese schwefelhaltige Substanz überall an meinem Körper klebte. Plötzlich kam mir meine Pizza im Backofen wieder in die Gedanken. Ich warf kurz einen Blick auf meine Armbanduhr, ein Geschenk von Jane, während ich zurück in die Küche lief. 16:30 Uhr: Mist! Die Pizza war ziemlich dunkel, eigentlich nicht mehr genießbar, doch ich machte mich trotzdem daran sie zu essen. Knusprig. Schmeckte leicht angebrannt. Mein Appetit war nach diesem Erlebnis sowieso schon verschwunden. Ich entschied mich die Pizza in den Mülleimer zu werfen. Sollte sie doch verschimmeln. Den Bakterien schmeckte ohnehin alles, was organischer Art war. Nach diesem Vorfall war ich noch entschlossener zu erfahren was hier im Gange war, welche Rolle ich dabei spielte und wer DIE und der Professor waren.
Die restliche Zeit verbrachte ich mit fernsehen, dann machte ich mich auf den Weg und nahm mir ein Taxi zum Bestimmungsort. Um 18:00 Uhr betrat ich das Porter Steak House. Der Stein war ins Rollen gekommen.

Eine freundlich aussehende Kellnerin kam auf mich zu. Ich nannte ihr meinen Namen und erwähnte, dass ich einen Tisch hätte resavieren lasse. Sie sah sich ihre Liste durch. Ich sah mich kurz um. Nichts Auffälliges. Es gab keinen Grund für mich nervös zu werden, doch ich wusste nicht was mich erwarten würde und wenn ich nervös wurde, bekam ich immer einen trockenen Hals und begann mich zu räuspern, wie auch in diesem Moment. Die Kellnerin schien meinen Namen gefunden zu haben und gab mir ein Zeichen ihr zu folgen. Ein Tisch für vier Personen. Würde etwa noch jemand zu mir stoßen? Die Kellnerin übergab mir noch eine Speisekarte und verschwand wieder um anderen Tätigkeiten nachzugehen. Die Speiskarte sah edel aus. Sie war in dunkelbraunen gegerbten Leder eingefasst und an den Rändern befand sich eine dunkelrote Samtbordüre. Als ich sie aufklappte bekam ich einen Schreck. Ein einmal in der Mitte zusammen gefaltetes DIN A4 Blatt mit meinem Namen darauf kam zum Vorschein. Ich schaute nach der Kellnerin, doch die benahm sich völlig normal, oder sie war eine gute Schauspielerin. Auch die anderen Gäste benahmen sich unauffällig. Ich öffnete den Zettel:

Hallo Fynn,

du hast dich also dafür entschieden. Du fragst dich bestimmt, ob die Kellnerin, die dir die Karte überreicht hatte, etwas damit zu tun hat. Nein!

Innerhalb der nächsten 10 Minuten wird eine Frau das Restaurant betreten. Sie wird schwarz und unauffällig gekleidet sein und sich an den Tisch neben der Eingangstüre setzen. Alleine.
Von diesem Zeitpunkt an sollst du sie beschatten, aber unter keinen Umständen darf sie dich bemerken. Niemals!

Ach noch was, bestelle dir bitte nur ein Guiness in der Flasche, sonst nichts.

Der Professor

Na toll, jetzt wurde mir auch noch vorgeschrieben, was ich trinken durfte und ob ich essen durfte, oder nicht. Den Brief faltete ich so klein zusammen, dass er in meine hintere Hosentasche passte. Bei der Kellnerin bestellte ich ein Guiness in der Flasche und beobachtete sie genau, als sie es mir an den Tisch brachte. Hatte sie etwa den gleichen seelenlosen Blick wie Bell, als ich sie heute Nachmittag zufällig getroffen hatte? Nein, das war nur Einbildung. Freundlich wie zuvor, öffnete sie vor meinen Augen die Flasche und stellte sie auf einen Untersetzer ab. Ein neuer Gast kam herein. Eine Frau, dunkel gekleidet, wie sie der Professor beschrieben hatte. Die Kellnerin brachte sie zu dem besagten Tisch. Das musste sie sein.

Ich blätterte in der Zeitschrift, die ich mir vom Zeitungsständer geholt hatte und nippte an meinem Bier. Die Frau winkte die Kellnerin zu sich heran, anscheinend wusste sie, was sie sich bestellen wollte. Ich konnte nichts verstehen, aber der Wortabtausch war nur sehr kurz, es konnte also nichts Explizites gewesen sein. Etwa zehn bis zwölf Minuten später kam die Kellnerin mit einer Suppe und einem Glas Pils zurück. Allem Anschein nach löffelte die Fremde nur Suppenbrühe. Ich konnte weder Suppennudeln, noch Gemüse, oder sonst etwas erkennen, nur pure Brühe. Es konnte sich um Hühnerbrühe, Gemüsebrühe, fette Brühe, oder aber auch um Rinderbouillon handeln. Vielleicht lag ich aber ganz falsch und es war noch mal eine ganz andere Art von Brühe, die ich einfach nicht kannte. In der Welt der kulinarischen Genüsse gab es noch so Vieles, was mein Gaumen nicht kannte, noch was mir zu Ohren kam. Mit der linken Hand löffelte sie langsam ihre Suppe, während sie in Gedanken versunken mit dem Zeigefinger ihrer Rechten Hand ein Muster in den Tisch zeichnete. Gelegentlich legte sie den Löffel ab und nahm einen Schluck von ihrem Pils. Sie schien wohl alle Zeit der Welt zu haben, da sie sich nicht einmal ansatzweise zu beeilen versuchte. Ich hatte das Gefühl, dass sie hier schon öfters alleine eine Mahlzeit zu sich genommen hatte. Ich kannte das Verhalten schließlich von mir selbst.

Anfangs, als ich von Jane getrennt war und ohne Begleitung in einem Restaurant etwas gegessen hatte, kam ich mir albern vor alleine an einem Tisch zu sitzen, während um mich herum Pärchen, die miteinander turtelten, oder ganze Familien, die miteinander schäkerten, zu Tisch waren. Ich sah mich immer wieder angespannt und hektisch um, oder versuchte mich hinter einer Zeitung, die im Restaurant ausgelegt waren, oder einem selbst mitgebrachtem Buch zu verstecken. Doch irgendwann wurde ich gelassener und Interessierte mich nicht mehr für das Treiben um mich herum. Ich aß, was ich bestellt hatte und hing meinen Gedanken nach.

Ihrem Aussehen nach, musste die Fremde zum Teil zumindest Japanerin sein. Dies konnte ich aus der typischen Form der Augen erkennen und auch an den hohen Wangenknochen. Den anderen Teil konnte ich nicht genau definieren. Der Subtilität ihrer ganzen Erscheinung nach, vermutete ich, dass sie womöglich noch französische Wurzeln hatte oder zumindest Vorfahren aus den westlichen Regionen von Europa. Zudem sie alleine hier im Restaurant speiste und ich auch keinen Ehering erblicken konnte, mutmaßte ich, dass sie ledig war. Sie machte auf mich auch keinen sehr kontaktfreudigen Eindruck; eher einsiedlerisch. Ich versuchte ihr alter zu schätzen. Schwierig. Ihr Hautbild war makellos, keine Falte war zu erkennen. Ihre Gemütsart strahlte Ruhe, Wissen und Gelegtheit aus. Sie war kein junger Hüpfer mehr, der noch nicht wusste, was er oder sie vom Leben eigentlich wollte. Sie wusste genau was sie wollte, wo ihr Platz im Leben war. Sie stand mit festen Beinen voll im Leben. Was sie wollte, bekam sie auch, ohne wenn und aber. Ich schätzte sie auf Anfang 30. Ihr Wesen strahlte zwar all diese Attribute der Weltgewandtheit aus, doch ihr jugendliches und im Gegensatz dazu wiederum reifes und weibliches Erscheinungsbild ließ keine andere Vermutung zu. Ich wollte mehr über sie erfahren und das würde ich auch, denn schließlich hatte ich den Auftrag bekommen sie zu beschatten. Mein Magen fing an zu knurren, gerne hätte ich mir etwas zu essen bestellt, doch ich wollte mich an die Spielregeln halten. Welche Gründe es wohl hatte, dass ich nur ein Guiness bestellen durfte, konnte ich mir nicht vorstellen. Ein merkwürdig metallischer Geschmack machte sich in meinem Mundraum breit. Ich versuchte ihn mit dem Biergeschmack zu übertünchen und trank das Bier in einem Zug leer. Doch es wurde nur noch schlimmer. Übelkeit stieg in mir auf. Ich hatte das Gefühl mich übergeben zu müssen. Was war das? Ich stand auf um den sanitären Bereich des Restaurants aufzusuchen. Ich ging zügig an der Kellnerin vorbei und folgte der Beschilderung zum WC. Ich musste eine Wendeltreppe hinuntersteigen und dann links befand sich das Herren-WC. Gleich am Eingang rechts waren zwei Pissoirs und dahinter in einer Einbuchtung befanden sich ebenfalls zwei Toilettenkabinen. Ich verschwand in der rechten und Erbrach mich in die Toilettenschüssel.

Das letzte Mal, als ich mich übergeben musste, war in der Ehe mit Jane. Wir waren gerade sechs Jahre verheiratet und feierten die Einschulung von Lilly in einem Restaurant ihrer Wahl. Für ihre gerade erst jungen sechs Jahre, hatte sie eine gute Wahl getroffen. Indisch.


© T. J. Hudspeth 2011

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 14.04.2011

Alle Rechte vorbehalten

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