Ein Schicksal stellvertretend für viele!
„Sie ist wie eine Rose“, so sagen die Alten, damals, als Aysha in einem kleinen Dorf, irgendwo in Anatolien geboren wurde. In ihrer Erinnerung ist nichts geblieben von dem Dorf, von dem Leben dort, nicht einmal der Name ihrer Geburtsstätte verblieb in ihrem Gedächtnis.
Dass Rosen bluten können, sagten die Alten nicht, aber die Rose Aysha blutete. Als kleines unschuldiges Mädchen zog sie ganz unverhofft mit ihren Eltern und drei älteren Brüdern in ein Land von Ungläubigen, weit entfernt der moslemischen Heimat, die wie ein Schatten über der Familie lag. Alles was die türkische Familie mitnahm war ihr Glaube und die Hoffnung auf ein besseres Leben.
Murat, das Familienoberhaupt herrschte streng nach alten Riten und erzog seine Kinder nach den Vorstellungen des Islams. Allah und der Koran waren allgegenwärtig, jedoch waren die Lehren des Propheten in den Köpfen der herrschsüchtigen Männer falsch verankert.
In dem verheißungsvollen Land, dass Murat wählte, lebten die Menschen ohne strenge religiöse Riten, Frauen trugen ihr Haar offen und unverhüllt, das Gesicht für jeden Mann frei erkennbar und auch die Beine waren nicht nur im Sommer unbedeckt. Hohe Schuhe, lackierte Fingernägel und Kosmetik in allen Varianten gehörten zum Alltag und die Freiheit schien grenzenlos. Eine Schande für einen streng gläubigen Moslem, wie Murat es war. Und dennoch war es das gelobte Land, in das moslemische Menschen migrierten, aufgenommen und versorgt wurden.
Bald schon erhielten sie eine schöne Wohnung, ausreichend für alle Familienmitglieder, Essen, Kleidung und Mobiliar inbegriffen. Auch fand Murat eine Arbeit, schnell schloss er Kontakte zu den türkischen Arbeitskollegen und war zufrieden mit dem, was er sich durch die Tätigkeit als Arbeiter in einer Fabrik verdiente. Ein paar Worte Deutsch waren nach kurzer Zeit erlernt und reichten, um sich auf niederem Niveau zu verständigen. Seiner Frau Gülcan war es nach moslemischer Sitte untersagt diese Sprache zu erlernen und sie durfte sich ausschließlich nur mit türkisch stämmigen Nachbarn unterhalten. Murats Söhne waren schulpflichtig und somit konnte er es nicht verhindern, dass sie mit deutschen Kindern Kontakt bekamen, auch, dass sie schnell und sicher die deutsche Sprache erlernten. Jedoch durften sie in heimischer Umgebung diese nicht anwenden. Für Aysha war das fatal, sie hatte das Alter um eingeschult zu werden noch nicht erreicht und wurde ausschließlich türkisch erzogen. Spielgefährten kannte sie nicht, denn ohne Aufsicht war es ihr untersagt die Wohnung zu verlassen. Da ihre Brüder immer weniger Zeit mit ihr verbrachten, presste sie ihre kleine süße Nase ganz nah an die Fensterscheibe, um den Kindern draußen beim Spielen zuzusehen. Manchmal durfte die Mutter mit ihr zum Spielplatz gehen, doch dann waren türkischen Nachbarn dabei, die ein Auge auf Aysha warfen. Wenn aber der Vater sie zum Einkaufen mitnahm, dann war es ein riesiger Spaß für das Kind, in den großen hellen Supermärkten all die wunderlichen Dinge zu bestaunen.
Zur Freude aller türkischstämmigen Menschen in der Gegend, eröffnete der Nachbar direkt von nebenan, ein türkisches Lebensmittelgeschäft, sogar in der Nähe ihrer Wohnung und damit bekam auch Gülcan etwas mehr von ihrer Umgebung zu Gesicht. Murat erlaubte seiner Frau nun einkaufen zu gehen und Gülcan nahm ihre kleine Tochter jedes Mal mit.
Die Söhne, Hakan, Erkan und Alikan waren nun auch nachmittags in der Schule, in der Koranschule. Es fand sich jemand, der seine Wohnung für das Koranlesen und für die Gebetsstunden zur Verfügung stellte.
Ein kleiner Kreis Gläubiger, der rasch wuchs und wie eine große Familie wirkte. Hier wurde nicht nur gebetet, sondern auch geplant und verhandelt. Es gab Feste, Mußestunden und diverse andere Begegnungen, um sich die türkische Heimat näher zu bringen.
Die Frauen waren in einem separaten Raum untergebracht, sie behüteten die kleinen Kinder, die heranreifenden Mädchen, die nach alter Tradition verschachert wurden. Oft waren sie erst gerade geboren, als man bestimmte, wer in naher
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Petra Ewering
Bildmaterialien: Blingee (blutende Rose) bearbeitet von Petra Ewering
Tag der Veröffentlichung: 08.01.2013
ISBN: 978-3-7396-0035-2
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Danke für dein Interesse, die Geschichte von Aysha ist teilweise fiktiv, teilweise nach wahrer Begebenheit. Ich veränderte Vieles, Einiges habe ich weggelassen, auch ist mir bewusst, dass es Klischee ist, weil nicht in jeder Familie so gehandelt wird. Und ändern können wir daran nichts, aber vielleicht ein bisschen Hilfe leisten, gewähren und für die geschädigten Frauen Einrichtungen schaffen. Für jede Problematik gibt es Heime und Häuser, in fast jeder Gemeinde, nur für diese Problematik nicht. Sicherlich sind viele der Frauen mit ihrer Kultur und Glauben zufrieden, aber die, die ausbrechen möchten, sollten auch eine Gelegenheit bekommen, und Schutz.