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Dämonische Jahre

Pseudologia phantastica


E.A. Poes Geschichte vom Untergang des Hauses „Usher“ könnte beinah als prädestinierte Vorlage für meine Geschichte dienen.
Mit genauso viel Wahnsinn und Horror, jedoch auf einer anderen Ebene ist uns der Untergang beschert worden. Das Erlebte ist so umfangreich, dass ich weit ausholen muss, um nichts auszulassen und damit der Leser versteht, mit welchem Dämon wir es hier zu tun haben. Das Haus steht noch, noch. Aber eines Tages wird es nur eine Erinnerung sein, ein Stück aus der Vergangenheit, wie diese Erzählung. Ach, und bevor ich richtig beginne, sollte jeder darüber in Kenntnis gesetzt werden, was Pseudologia phantastica bedeutet und mit welcher Art von Auswirkungen die Menschen, die mit so einem kranken Lebewesen Tag für Tag behelligt werden, leben müssen. Der ganz normale Wahnsinn, den jeder kennt, ist harmloser Natur, aber alles andere ist eine fast unglaubliche Geschichte.
Hier ist ein Auszug aus wissenschaftlichen Ergebnissen. Eine plausible Erklärung des neurotischen Lügens, die aber leider nicht rechtzeitig erkennbar ist. Und schon gar nicht, wenn der Mensch, mit dem wir zu tun haben, bedeutsam ist. Wenn Liebe und Glück fliehen. Wenn die Familie zerbricht. Wenn Wut und Streit überhand gewinnen. Wenn das Vertrauen und der Glaube an Ehe und Familie wie kostbare Blumen verwelken. Wenn aus Liebe Hass wird.
Er verstand sich in der arglistigen Irreführung, der Vorspiegelung und Unterdrückung von Tatsachen, z. B. als Empfehlung von sich selbst unter einem anderen Namen. In perfekter Mimikry lebte er mit Narzissmus, Größenwahn, mit Lug und Trug. Hochstapelei als schöne Form der Kunst. In der Rubrik der ausgestorbenen Berufe wäre ihm sicher ein Ehrenplatz zuteil geworden. Betrüger verfügen über folgende, an sich erstrebenswerte Eigenschaften:

Überzeugtes Auftreten
Rhetorisches Geschick
Relevante Begriffssprache
Soziale Intelligenz
Einfühlungsvermögen
Menschen- und Systemkenntnisse
Leidenschaft zur Skrupellosigkeit
Empathische Regungen gegenüber den Opfern zwecks Ausnutzung deren Ängstlichkeit,                        Abhängigkeit, Entscheidungsschwäche, Autoritätsgläubigkeit, Kritikschwäche, Narzissmus,                          Dummheit und Gier.


Er besaß die Fähigkeit durch Selbstwertfabulation, wie ein Schauspieler in Rollen von Anschein, virtueller Wahrheit und Wirklichkeit zu schlüpfen. Weil mit Betrug, bis hin zur Sucht, ein euphorisches berauschendes Erfolgserlebnis verbunden ist. Eine Überspielung von Schein und Sein.
„Gute Betrüger“ haben eine eingehende Lebensführung, häufig soziale Konflikte, eine ausgeprägte emotionale Labilität, Stress und Versagensangst. Sie zeichnen sich aus, indem sie ihre Taten langfristig vorbereiten, Fähigkeit und Geduld besitzen den rechten Augenblick zu wählen, bzw. darauf zu warten und sich auch mit und in einem komplexen Tatgeschehen zu behaupten.
Mit einem geringen Schuldbewusstsein lässt sich das schlechte Gewissen überwinden und somit ist es ein leichtes, Profi zu werden. Ein scheinnaiver Charme lässt Damenherzen schneller schlagen, dadurch ist ein Unterschlupf stets sicher und Mundraub gewährt.
Nun, bis dieses Krankheitsbild klar erkennbar ist, vergeht viel Zeit, meistens Jahre. Es ist ein langer Reifungsprozess dem man unterliegt, und der sehr schwierig zu erkennen ist. Nur schade, dass der Betroffene sich weder als krank noch als Betroffener sieht, so dass er sich keiner Therapie unterziehen wird. Wer lässt sich schon gerne als neurotischer Lügner abstempeln?
Im Gegenteil, oft reagiert er mit Argwohn, empfindet die Vorhaltungen, ein Lügner und oder Spinner zu sein, als Beleidigung und als infame Unterstellung. Die Reaktionen darauf können verschiedener Art sein.
Er wird aggressiv, teilt mit groben Tiefschlägen aus, belächelt sein Gegenüber um Unsicherheit zu verbreiten, oder erfindet frecher Weise neue, plausible Erklärungen für sein Tun. Ein ewiger Kreislauf beginnt. Der Angehörige nimmt es zuerst nicht wahr. Dann will er es nicht wahr haben. Und zu guter Letzt hofft er, dass es nur eine Phase ist, dass das Erlebte ein böser Traum ist, ein baldiges Erwachen bevorsteht und sich das Leben wieder normalisiert.
Weit gefehlt. Sicherlich, es ändert sich, aber nicht zum Positiven. Wer gelernt hat mit einem Lügner zu leben, im besten Falle sich von ihm befreit hat, wird sein neu gewonnenes Leben sehr zu schätzen wissen. Jedoch bleibt ein fader Nachgeschmack. Schwierig gestaltet sich ein neuer Versuch der Partnerschaft.
Vertrauen, die Basis jeder Beziehung, ist nicht leicht zurückzugewinnen. Immer wieder ertappt man sich dabei dem anderen zu misstrauen. Man hegt Zweifel an der Beziehung, an sich, an dem neuen Partner.
Eine Hürde, die sicherlich übersprungen werden kann, jedoch benötigt der Springer viel Zeit und Mut, welches sein Gegenüber oft nicht besitzt. Die Angst erneut von einem Betrüger heimgesucht zu werden, wiegt schwer und lässt sich so schnell nicht abbauen.
Kinder, die mit solch einem Elternteil aufwachsen leiden extrem unter den falschen Versprechungen und immer wiederkehrenden Ausreden. Sie fühlen sich hin und her gerissen zwischen Wahrheit und Lüge. Kein Kind mag es, von seinem Vorbild regelmäßig enttäuscht zu werden. Auch unterliegt es dem Versuch, sich mit seinem Erdachten ein entsprechendes Umfeld zu gestalten. Der nächste neurotische Lügner wird gezüchtet.
Neurologen behaupten, dass das neurotische Lügen ein angeborener Defekt im Hirn sei, der aber nicht gleich im Kindesalter erkennbar ist. Oft bricht diese Störung wegen einem Traumata aus und wird aufgrund von weiteren damit verbundenen Schwierigkeiten geschürt. Ein kleiner Funke, der überspringt um das Feuer zu entfachen, bis hin zur lodernden, gefräßigen Flamme, die unter komplizierten Umständen, beziehungsweise nicht zu löschen ist. Selbst die Wissenschaft ist geneigt dem neurotischen Lügner zu unterliegen.
Nun, Wissenschaftler sind auch nur Menschen, die aber entscheiden dürfen, wann Wahrheit und wann Lüge in den Aussagen eines neurotischen Lügners zu finden ist.
Ein besserer Berater wäre da wohl eher ein Bauch. Menschen mit Intuition verfallen dem Betrüger nicht so leicht. Des Öfteren kann ein Bauchgefühl das Opfer vor bösen Überraschungen bewahren. In meinem Fall sprach mein Bauch sehr spät mit mir. Ich verschloss lange, viel zu lange meine Augen vor der Wahrheit.
Irgendetwas hielt mich davon ab, Konsequenzen aus all dem zu ziehen. In meinem Kopf waren nur unklare Gedanken, Gefühle ließen mich Karussell fahren und das Böse, dass mich umgab lachte mir täglich ins Gesicht. Neben Schlaflosigkeit wechselten sich Übelkeit und Bauchschmerzen ab, Kopfschmerzen wurden zu einem stetigen Begleiter und ein Dauerschnupfen belagerte meinen Körper. Ich fühlte mich, als wäre ich von einem Dämon besessen, den ich nicht abschütteln konnte.
Als ich erkannte, dass ich endlich etwas gegen diesen Unhold unternehmen musste, schützte er sich, indem ich mich mit Scheuklappen ausstaffierte, da Unsicherheit und Scham nicht zu überwinden waren. Es begann eine lange Tortur von Demütigungen, Beleidigungen, Unterstellungen, und nicht enden wollenden Streitigkeiten bis hin zu Handgreiflichkeiten.
Macht und Gehorsam lag an der Tagesordnung, Praktiken von Strafen für die Kinder folgten und meine schützende Hand wurde brutal verdreht. Seine Taktiken beherrschte er präzise und gewissenhaft, schließlich fand er als Soldat genug Stoff in der Kaserne. Wir waren wie Rekruten, die gedrillt und gebrochen wurden. Unsagbar viele Hürden die meine Kinder und ich zu überwinden hatten, doch ich wusste, da ich stark sein musste, dass irgendwann die letzte Hürde genommen ist.
Schließlich zog ich in Erwägung, eine Räumungsklage zu erwirken. Der Dämon in mir verursachte mir nun auch noch ein schlechtes Gewissen, aber mit Hilfe von Freunden bewahrte ich Haltung und zog die Trennung durch. Er verließ uns, auch weil er musste, doch wir waren nun Opfer von Hinterhältigkeiten und heimlichen Attacken. Seine Aggressionen und Zerstörungswut nahmen immer neue Formen und Ausmaße an, so dass ich Angst vor jeden neuen Tag hatte. Wir waren schutzlos und scheuten jede Konfrontation.
Meiner Tochter fehlte es an Geduld und die Hoffnung auf Besserung war schnell verflogen. Mein damals kleiner Sohn begriff die Lage noch nicht, was ein großer Vorteil für mich war. Denn ich brauchte sehr viel Zeit und Nerven für die zusätzlichen Schwierigkeiten, in die mich meine Tochter brachte. Er litt erst später, aber viel zu viele Jahre unter den krankhaften Eigenschaften seines Vaters. Sie entschied sich früh gegen ihn, aber leider auch gegen mich und verließ das Haus noch bevor die Volljährigkeit erreicht wurde. Eine zusätzliche Belastung war das für mich, da ich nicht loslassen konnte. Zudem wurde mir jede Art von Hilfe untersagt, auch nahe Verwandte konnten mit dieser Situation nicht umgehen. Schuld hatte ich und das wurde mir ständig wieder vermittelt. Alles was ist tat war falsch und auch meine neuen Entscheidungen fanden keinen Anklang. Die Trennungsjahre waren Jahre von Niederschlägen und Verzweiflung. Nicht nur der Rosenkrieg um Inventar, Kinder und Finanzen machten mein Leben zur Hölle, sondern auch die Wege zu den Ämtern, da mir der Kindesunterhalt verweigert wurde. Prozesse folgten, doch die Gerichtsbarkeit half mir nicht. Ein erhobener Zeigefinger und Verurteilungen auf Bewährung waren das Äußerste, das als Strafe verhängt wurde. Seine wechselnden Freundinnen halfen ihm im Kampf gegen mich und so verstärkten sich die Schwierigkeiten. Nichts wurde unterlassen um mir mein Leben zu versauern. Endlose Versuche mich zu Verzweiflungstaten zu drängen wurden unternommen. Gemeinheiten und böse Spiele folgten, in denen ich der Verlierer sein sollte. Viele qualvolle Jahre sollten vergehen, Jahre die mir oft den Boden unter den Füßen wegnahmen, doch ich bin nie so tief gefallen, dass ich mich nicht aus eigener Kraft wieder aus dem Loch, in das ich fiel, herausziehen konnte. Tränen hatte ich keine mehr, ich war leergeweint, leer wie eine Hülle, die nur noch funktionierte um sich wenigstens ein bisschen über Wasser zu halten. Das Böse gewann nicht die Oberhand über mich. Ich wehrte mich so gut ich konnte, auch wenn Blessuren, Schmerzen und tiefe Wunden zurückblieben.
Nach all den Jahren des Alleinseins, finanzieller Krisen und Probleme, die nicht zu umgehen waren, habe ich Rückgrat bewahrt. Ich habe mich nicht von Unmut und Lebensmüdigkeit einholen lassen, obwohl mir manchmal sehr nach einem Dauerschlaf war. Die Sehnsucht nach Erholung, nach Gemeinsamkeit und nach einer starken Hand, die mich vor weiteren Tiefschlägen schützt, begleitete mich auf den langen Weg durch diese Hölle.                    Dann endlich verspürte ich diese Lebenslust, diese Lebensfreude und ich genoss meine neu gewonnene Lebensqualität in vollen Zügen. All die bösen Träume waren verschwunden, der Dämon hatte das Weite gesucht. Meine Kinder erblühten und blühen in einer neu gewonnenen Lebenssituation, wie es besser nicht hätte sein können. Nach langer Zeit konnte ich mich mit viel Geduld in einem anderen Leben von dieser Vergangenheit trennen. Dafür bin ich endlos glücklich und dankbar.


Wissenschaftlich Anmerkungen wurden von Wikipedia entnommen.

 

 

Impressum

Texte: Petra Ewering
Bildmaterialien: Petra Ewering
Tag der Veröffentlichung: 10.12.2012

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