Cover

Alte Zeiten




Auf einem Tischchen alt und farblos,
zwei Tücher artig lagen.
„Einst hatt' ich bess're Zeiten“,
hört' man das Eine sagen.
„Die Damenwelt lag mir zu Füßen,
so wurd' ich als Modell berühmt,
die attraktivste Frau trug mich,
sie liebte es geblühmt.“
Dann sprach das Gegenüber:
„Ach, ich war das schönste Kleid“,
ich war in vielen großen Städten,
wie wunderbar war diese Zeit.
Man trug mich aus als Abendrobe,
gekauft im feinsten Laden,
auf jedem Fest war ich der Hit,
bestaunt von all' den Damen.“
Das and're Tuch sprach süffisant:
„Ich war ein kleines Höschen,
mit Spitze war ich zart besetzt,
mein Muster war ein Röschen.
Ich könnt' so manches Liedchen singen,
gar wild waren die Zeiten,
das Kleid im Schranke längst verstaut,
hinfort die Eitelkeiten.
So war ich stets die letzte Hülle,
die abends von den Hüften fiel,
ich hab' so manche Hand genossen
und auch so manches Liebesspiel.
Ich ward in wilder Kampfeslust,
einfach herab gerissen,
von Männerhänden grob und stark,
auf den Boden dann geschmissen.
Ich ertrug es ganz lasziv,
und sah gelassen zu,
als sie sich ihrer Lust hingab,
dann selig schlief im Nu.
Auch ich war eine wilde Rose,
ich war der Vorhang vor dem Ziel,
hübsch gemustert und adrett,
so nachgiebig, bevor ich fiel.
Wir dienen heute nur zum Putzen,
obwohl wir waren edle Sachen,
wenn es doch nicht so traurig wäre,
würde ich jetzt lauthals lachen.“

Impressum

Texte: Petra Ewering
Bildmaterialien: b34ba8d1c954896bpants
Tag der Veröffentlichung: 12.06.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Den guten alten Zeiten

Nächste Seite
Seite 1 /