Eine Fatale Begegnung
Gut Ding will Weile haben, aber meine Geduld neigte sich dem Ende. Mindestens drei Mal am Tag schaute ich in den Postkasten, aber keiner dieser Briefe erreichte mich. Meine vielen Bewerbungen blieben bislang alle unbeantwortet.
Als die Türklingel mich aus meinen Gedanken aufschreckte, hockte ich tagträumerisch auf meinen Bett, meine Eltern waren berufstätig und nicht zu Hause, und mir fiel bei Leibe keine Story ein, die ich am nächsten Tag meinen Arbeitgeber vorlegen konnte.
So stürzte ich die Treppe hinunter, stolperte förmlich durch den Hausflur bis hin zur Tür.
Der Briefbote blickte verstohlen, als ich ihm so abgehetzt die Haustür öffnete, dann hielt er mir einen Umschlag entgegen. Bevor er auch nur ein Wort sagen konnte, entriss ich ihm den Brief, überflog die Buchstaben, starrte einen Moment lang auf die Adresse des Absenders, dann drückte ich den Brief erleichtert gegen meine Brust. Lachend teilte ich dem Boten mit, dass ich schon eine Ewigkeit darauf gewartet hätte, unterschrieb den Erhalt und ließ die Türe achtlos ins Schloss fallen.
So wie ich die Treppe hinunter eilte, so eilte ich sie wieder hinauf, zurück in mein Zimmer. Voller Vorfreude öffnete ich das Kuvert, um den Inhalt des Briefes entnehmen und lesen zu können.
Jetzt war meine Freude riesig, als ich las, dass meine Bewerbung positiv aufgenommen wurde und schon in der darauffolgenden Woche zu einem Vorstellungstermin anreisen durfte. Ein letzter kleiner Schritt vielleicht noch und dann endlich die langersehnte Stelle.
Ich quälte mich als junger Journalist bei der hiesigen Zeitung um Achtung und die Gunst der Leser.
Es passierte wenig hier in der Gegend, darum blieben meine Artikel uninteressant und langweilig.
Nun wollte ich mein Glück in einer größeren Stadt, bei einer bekannten Zeitung herausfordern. Etliche Kilometer von meiner Heimat entfernt.
Der besondere Tag nahte, jedoch war das Wetter seit Wochen so schlecht, dass es sicherlich viele Stunden dauern würde, bis ich mein ersehntes Ziel erreichte. Deshalb suchte ich vorab im Internet nach einer kleinen billigen Übernachtungsmöglichkeit, so dass ich keinen Zeitdruck im Nacken hatte, um pünktlich zu dem besagten Termin zu erscheinen. Leider waren in der Region die Preise derart hoch, dass ich überlegte, außerhalb der Stadt zu suchen. Manchmal wurde von Privatleuten ein leerstehendes Zimmer angeboten und ein Frühstück war meistens inklusiv. Bed and Breakfast, nach englischer Tradition. Genau das Richtige für mich, denn viel Geld verdiente ich noch nicht.
Am Tag meiner Abreise schüttete es vom Himmel, als ob sämtliche Engel gleichzeitig duschten. Die dunklen Wolken versprachen keine Besserung, darum musste ich noch mehr Zeit einplanen.
Der Herbst war ausgesprochen nass in diesem Jahr, so kletterten die Temperaturen am Tage gerade mal bis an die zehn Grad-Marke und Nachts musste bereits mit Bodenfrost gerechnet werden. Wirklich prächtige Aussichten für meine Reise. So startete ich mein altes Auto bei Tagesanbruch und fuhr andächtig ohne besondere Zwischenfälle all die vielen Kilometer.
Der Scheibenwischer, sowie das Radio sorgten für etwas Unterhaltung und an einer Tankstelle verschnaufte ich für ein paar Minuten bei einer scheußlich schmeckenden Tasse Kaffee.
Nun lag er vor mir, der Duft der Großstadt. Ich kurbelte die Seitenscheibe herunter, ließ den kalten Fahrtwind mein kinnlanges lockiges Haar wehen und atmete die frische Luft tief ein. Ein kleiner Muntermacher, der allerdings auch seine Tücken besaß, da man sich schnell eine Erkältung einfangen konnte. Ein paar Kilometer vor der Stadtgrenze bog ich von der Hauptstraße ab. Das kleine Örtchen, dass ich mir vor Antritt meiner Reise aussuchte, lag etwa zehn Kilometer abseits meiner Route und hier wollte ich nächtigen. Ausgeschlafen und frisch für die große Stunde, so stellte ich es mir vor, sollte es am nächsten Tag weitergehen.
Wirklich müde steuerte ich meinen Wagen die schmale Landstraße entlang. Hier schien die Welt bereits zu schlafen.
Niemand begegnete mir, die Wiesen waren verwaist, ab und zu tauchte ein verfallenes Haus am Straßenrand auf. Meine gruseligen Gedanken wischte ich beiseite, schließlich war ich ein real denkender Mensch, neigte aufgrund meines Berufsstandes zwar zur Übertreibung, aber dies ging wirklich zu weit.
Immerhin erreichte ich den Ortskern noch vor Einbruch der Nacht und siehe da, es gab doch noch bewohnbare Häuser in dieser öden Landschaft. Bed and Breakfast mehr wollte ich nicht.
Das alleinstehende Haus auf der linken Fahrbahnseite zog mich magisch an. Ohne zu überlegen hielt ich, betrachtete es eine Weile, dann entschied ich mich auszusteigen.
Nirgends war ein Hinweis, dass der Besitzer eine Übernachtungsmöglichkeit anbot, aber fragen kostete ja bekanntlich nichts. Gerade wollte ich klopfen, da ich vergebens nach einer Klingel suchte, öffnete sich die schwere Holztür quietschend wie von Geisterhand. Einen kurzen Moment wartete ich noch, dann aber stieß ich die Tür weiter auf, um in die Diele sehen zu können. Niemanden machte ich aus.
Plötzlich huschte eine schwarze Katze an mir vorbei. Ich erschrak heftig, musste dann doch schmunzeln, da diese Tier anscheinend die Tür geöffnet hatte. Und dann erblickte ich sie, die junge Frau, zart, schön und engelhaft, wie aus dem Nichts stand sie vor mir. Nicht verärgert oder erschrocken über mein unaufgefordertes Eindringen. Ganz im Gegenteil, freundlich war sie, lächelte süffisant, strich sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht und fragte neugierig nach meinem Anliegen.
Stutzend über eine derartige Höflichkeit berichtete ich mit wenigen Worten, wie ich in ihr Haus gelangt bin und bat um Entschuldigung.
Sie nickte, wies mir kurzer Hand den Weg in ein Kaminzimmer, forderte mich auf Platz zu nehmen und ließ mich eine Weile alleine zurück.
Der erste Eindruck, den ich hatte, ließ Unbehagen aufkommen. Es roch alt und muffig, irgendwie nach Leichenhalle und das wenige Licht, dass durch das kleine Fenster eindrang, erhellte meine Seele auch nicht gerade. Zwei schwere Sessel standen vor dem Kamin, getrennt durch ein antikes Holztischen und das Feuer im Kamin knisterte leise vor sich hin.
Überall standen ausgestopfte Tiere oder lagen positioniert auf den Boden. Katzen und Hunde verschiedener Rasse und Größe, aber auch verschiedenartige Vögel waren auf Ästen an den Wänden befestigt, die mich alle aus schwarzen leeren Augen anstarrten. Eine Eule machte einen besonders angriffslustigen Eindruck auf mich.
Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, dennoch ließ ich mich in einen dieser übergroßen Sessel nieder. Zwischenzeitlich hegte ich die Absicht einfach zu verschwinden, verwarf dann diesen Gedanken wieder, da er mir unhöflich erschien.
Schließlich betrat der Engel das Kaminzimmer, ein Tablett mit Tee und Kekse in den Händen haltend, lautlos schlich sie über den Boden, wie die Katze, die mir zuvor die Türe öffnete und jetzt ihre Freiheit genoss.
Mit einem Lächeln goss sie Tee in die Tassen und reichte mir den Teller mit dem Gebäck, dann gesellte die junge Frau sich zu mir. In dem großen Sessel wirkte sie verloren, mädchenhaft und unschuldig. Ohne ein Wort blickte sie mir in die Augen, dann musterte sie mich von oben bis unten, nickte bejahend, dass mir verriet, dass ich ihr gefiel. Ich fasste es als Kompliment auf und in meinem Gedanken sah ich mich bereits in ihrem Bett liegen.
Der blonde Engel forderte mich auf, den Tee zu trinken so lange er heiß wäre, sonst würde er seine Wirkung verfehlen. Die Wirkung, die sie auf mich hatte reichte eigentlich, um Hitze zu empfinden, dennoch schlürfte ich andächtig die Tasse leer.
Etwas schummrig wurde mir, aber ich vermutete es wäre die Müdigkeit und die Anstrengung der Reise gewesen, dass sich mein Blick trübte.
Auf einmal begann die Frau zu reden, sie erzählte von ihrem Großvater, in dessen Haus sie gezogen sei, als er verstarb. Sogar seine Kunst hätte sie übernommen und plante ein neues Projekt. Ihre Worte drangen gedämpft in meine Ohren. Antworten konnte ich nicht, meine Zunge war schwer und pelzig und die Augen forderten meine letzte Kraft, da ich sie nicht schließen wollte. Ich verlor aber diesen Kampf und fiel in einen langen, tiefen und hoffnungslosen Schlaf.
Als ich erwachte konnte ich mich nicht bewegen, meine Glieder waren steif, auch mein Kopf ließ sich nicht drehen, ich schaute stumm und mit starren Augen aus dem Fenster. Dort am Wegesrand parkte noch mein Auto, es war mit Schnee bedeckt und kein Blatt hing mehr an den Bäumen. Im Kamin knisterte ein Feuer, ich konnte es hören, ganz leise.
Ihre schwarze Katze schmiegte sich an meine Beine, ich fühlte sie, nur sehen konnte ich sie nicht. Bewegungslos starrte ich aus leeren schwarzen Augen vor mich hin.
Texte: Coverbild
copyrihgt by kammann - das alte kammannhaus
Tag der Veröffentlichung: 26.05.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
den wahren Engeln