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Ausgelebt



In Filmen und Romanen begegnen wir ihnen, den Liebhabern, die zu Täter werden. Im realen Leben wird niemand mit einem Schlage zum Mörder.
Lange hatte Luis darüber nachgedacht, er war sich sicher, dass seine Geliebte so wie er fühlte.
In seinem Hirn brodelte es und seine bislang ungestellten Fragen blieben unbeantwortet.
„Wie wird es danach sein? Können wir uns dann noch in die Augen schauen? Werden die Gewissensbisse uns bis in alle Ewigkeit verfolgen?“
Also machten sie so weiter wie bisher.
Dieses Leben war ungerecht, denn Luis liebte Hanna wirklich. Aber deswegen konnte er Till nicht einfach ermorden. Schließlich waren sie seit Jahren die besten Freunde und als Till Hanna heiratete, war Luis sein Trauzeuge. Er schritt langsam den Gehweg entlang, die Einladung passte ihm überhaupt nicht, aber Till wollte mit ihm auf seine neue Idee anstoßen. Einfallsreich war er, ohne Zweifel. Auch lebte er sehr gut davon. Immerhin leisteten sich beide ein großes Haus. Als Architekt hatte Till viele seiner guten Einfälle hier kreativ umgesetzt.
Vor der Haustür wartete Luis ziemlich lange, bis er auf die Klingel drückte.
Als Hanna ihren Geliebten erblickte, warf sie sich ihm um den Hals. Dann seufzte sie mitleidsvoll und schluchzte: „Luis, es ist so schrecklich, wenn du wüsstest was passiert ist.“
Luis atmete tief, dann sagte er angsterfüllt: „Weiß Till...“ Bevor er den Satz beenden konnte, winkte Hanna ab, doch sie konnte vor lauter Aufregung nicht reden. „Was ist denn los, komm, sag schon“, forderte Luis nervös. Dann fragte er entsetzt: „Ist Till tot?“
Hanna schüttelte den Kopf: „Nein, noch nicht, aber es ist sicher, dass er sterben wird.“
Eine unerwartete Lösung, die Luis Freude statt Trauer ins Herz trieb. „Was ist denn passiert?“ wollte er wissen.
Hanna holte tief Luft, dann sprudelte es auch ihr heraus: „Till hatte einen Herzanfall. Ich telefonierte zwar sofort mit der Klinik, die auch unverzüglich einen Arzt schickte, aber der machte mir wenig Hoffnung, auch fuhr der Krankenwagen ohne Till wieder fort, weil er nicht mehr transportfähig ist. Nun liegt Till im Schlafzimmer und wartet auf sein Ende.“
Ein bisschen seltsam fühlte sich Luis dann doch, als er mit Hanna das Schlafzimmer betrat.
Da lag sein bester Freund, bleich und dem Tode geweiht. Diesen Tag hatte er sich so oft gewünscht und nun schien sein größter Wunsch in Erfüllung zu gehen.
Luis trat an das Bett, setzte sich auf die Kante, nahm Tills Hand und legte eine Trauermiene auf. Hanna ließ die beiden Männer alleine.
In diesem Moment öffnete Till die Augen, starrte seinem langjährigen Freund ins Gesicht und begann angestrengt zu reden. „Mein Bester, ich muss dir etwas abverlangen, aber bitte erzähle Hanna nichts davon. In meinem Schreibtisch ist ein kleines Kästchen, in dem befinden sich Liebesbriefe und Fotos. Ich habe Hanna betrogen. Bitte vernichte dieses Beweise, wenn ich gestorben bin. Verbrenne alles, damit nichts davon erhalten bleibt. Sollte ich aber überleben, so gib mir das Kästchen zurück.“
Luis gab sein Versprechen und tätschelte die kalte Hand seines Freundes.
Es dauerte nur noch wenige Minuten, dann verstarb Till.
Als Till aus dem Hause getragen wurde und Hanna ihren toten Ehemann bis zum Leichenwagen begleitete, suchte Luis im Schreibtisch nach dem besagten Objekt. Er fand es verschlossen vor. Der Inhalt interessierte ihn überhaupt nicht. Luis stopfte das Kästchen in die große Innentasche seines Mantels, den er sich lässig über den Arm warf und verabschiedete sich unverzüglich von Hanna.
Nachdem sie sich versicherte, dass er ihr beistand ließ sie ihren Geliebten gehen.
Luis eilte nach Hause, denn er wollte so schnell wie möglich dieses Kästchen loswerden. Hanna sollte nichts von alledem erfahren. Auch sollte Till nicht als treuloser Gatte in ihrer Erinnerung bleiben.
Luis stürmte in die Diele, hier befand sich ein großer Kamin, in dem er sofort ein Feuer entfachte.
Als das Holz lodernd brannte, warf er mit einem breiten Grinsen das Kästchen in die Flammen.
Die Explosion war im Umkreis von einigen Kilometern zu hören. In der nahen Umgebung barsten in den Häusern und Autos die Fensterscheiben. Die Feuerwehr suchte zwei Tage, um die Leiche von Luis in den Trümmern zu finden. Er lag unter all dem Schutt und eingestürztem Mauerwerk begraben.
Die Ursache war eindeutig. Jedoch konnte sich niemand das Motiv erklären. Am allerwenigsten Hanna.

Impressum

Texte: Coverbild Fotosearch schwarze Rose
Tag der Veröffentlichung: 07.03.2011

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