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Des Rabens Rose



Am nächsten Morgen stolperte ich in meinen grauen Alltag. Die nächtliche Reise mit meinem gefiederten Freund beschäftigte mich noch nahezu, so dass ich den mit blauen und grünen Facetten geschmückten Morgen nicht registrierte. Ich wandelte in einem mysteriösen Labyrinth, Gassen so klein und verwinkelt und der Duft von Rosenwasser mischte sich unter meinen verwirrten Gedanken. Es ist immer wieder Mystik, der ich begegne, immer wieder ein Rätsel und der Geruch des Mannes, der mich stets besuchte, jedoch nie länger verweilte als nur einen Augenblick um sich der Gefühle sicher zu sein, haftete in meinen Laken, wenn wir des Nachts unsere pulsierenden Körper aneinander schmiegten.
Überall der demütige und ergebene Geruch von intensivem Weihrauch. Diese Mixtur aus Moschus, Aloenholz, grünem Amber, Sandelholz, Algen und Myrrhe, gekocht mit Zuckersud, betäubend für den Geist. Voll Bitterkeit registrierte ich den Verlust meines Geliebten. Mit trauriger Sehnsucht und wässrigen Augen lebte ich wieder mein Leben, in der Hoffnung, auf die baldige Rückkehr des schwarzen Vogels.
Ich spürte noch seinen Schatten, sah die rosaroten Farben unserer Liebe, die er geschaffen hatte, eine traumhafte, mit viel Gefühl entstandene Wirkung der Zuneigung. Ich zerriss Stück für Stück und fühlte die bitter schmeckende Sehnsucht. Der Nachthimmel, der spektakuläre Schauplatz unseres gemeinsamen Tuns. Für ihn ist Dichtung und Erzählung eine rituelle Handlung, die die Pforten zu einer übersinnlichen Welt öffnet. Wenn mein Rabe seine Worte mit Weisheit und Feuer in mein Zimmer wirft, empfinde ich diese Worte tatsächlich als Träger magischer Kraft, er weckt den Glauben an Zauberei und an wiedergewonnene Liebe.
Ich versinke in ein von würziger Luft erfülltem Schlaraffenland. Dort weckt Bitterorange Erinnerungen, Majoran wirkt beruhigend, Ingwer bekämpft die Schwächen und all dies streut er ins Feuer, so dass ich den Rauch einatme.
Ich wollte zurück an den Ort Jenseits der Grenzen, zu ihm, mit ihm fliegen und tausend schwarze Federn regnen lassen. Der Tag schien unsagbar lang, doch auch solche Tage neigen sich dem Ende und der Abend schien wie der gestrige zu werden.
Mein Blick hing am Himmel, die ersten Sterne waren sichtbar und der Mond bemühte sich, die Sonne zu verdrängen.
Wie aus dem Nichts flatterte der Rabe plötzlich vor meinem Fenster hin und her und mit seinem krächzenden Ruf bat er um Einlass. Voller Freude öffnete ich ihm und überrascht stellte ich fest, dass er, wie bei seinem ersten Besuch damals, eine Rose im Schnabel trug. Mit großer Würde trat er auf mich zu, machte eine tiefe Verbeugung und sagte: „ Dein Abend sei glücklich.“
Dann hockte er vor mir auf dem Boden und starrte mich aus seinen tiefschwarzen Augen schweigend an. Nun war es an mir, zu reden und leise bedankte ich mich, hob ihn und die Rose auf, und drückte ihn wie immer vorsichtig an meine Brust. Die Rose legte ich beiseite, denn meine Aufmerksamkeit galt ihm, doch der Rabe wehrte sich und ich ließ ihn gewähren. Er flog durch das Zimmer und landete zielsicher auf meinem Bett.
Ich war erstaunt und glücklich zugleich, in ihm einen Mann von sehr verbindlichem Wesen zu sehen. Er war ein schöner Mann, von sehr regelmäßigen Gesichtszügen, schmaler leicht gebogener Nase, mit einem ebenmäßigem Mund und kleinen wohlgeformten Händen. Ich hätte ihn dem Aussehen nach ohne weiteres für einen Mauren gehalten.
Als ich nach seinen Namen fragte, lächelte er freundlich und seine schwarzen Augen ließen nicht von mir.
„Mein Name ist Raban Nabar“, sagte er mit einer markant männlich klingenden Stimme,
„es tut mir leid, dass ich mich jetzt er vorstelle, aber was ist schon ein Name? Wer dich beim Namen nennt, verlangt nur von dir.“
Beschämt setze ich mich zu ihm und antwortete: „Niemals verlange ich etwas von dir, das du nicht freiwillig zu geben vermagst.“
Er nahm meine Hände, küsste sie und dann reichte Raban mir die Rose, die achtlos beiseite lag.
„Sie ist wie du und sie erinnert mich an dich, egal wo ich bin.“
Seine Worte streichelten meine Seele, seine Nähe war wie Balsam und sein Kuss wie das Feuer, dass mich jedesmal verbrannte.
„Lass mich den Tau von dir meiner Rose küssen“ sprach er, „lass mich dein Beben spüren, meinen Blick über Seidenlandschaften wandern, mit Händen, die folgen. Dann sprießen kleine Knospen, die Dornen stechen nicht, Haut trinkt gierig Haut, atmet Zärtlichkeit, lass mich den Tau von dir, meiner Rose küssen.“
Was mir blieb war die edle Blume und jene köstlichen Erinnerungen, die einem in Gedächtnis bleiben, mit dem Reiz tiefer seelischer Eindrücke.

Impressum

Texte: Coverbild by Google (Linzenfrei Bilder)
Tag der Veröffentlichung: 17.11.2010

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Widmung:
Den Träumen und der Phantasie

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