Des Rabens Erinnerung
Da mein treuer gefiederter Freund seit seinem letzten Besuch mir nicht wieder erschien, quälten mich sehnsuchtsvolle Gedanken und Träume, in denen er stets an meinem Fenster klopfte und um Einlass bat. Wie in all den Nächten zuvor, träumte ich auch in jener Nacht von ihm.
Das einfache Licht des Kerzenscheins erstrahlte so sanft für mich. Es machte mich schwach und ließ längst Vergangenes erneut aufleben. Scheinbar Vergessenes fand wieder seinen Platz in meinem Kopf. All diese Momente mit ihm, diese Gedanken, die zurückkehrten, zurück an den Ort der Gemeinsamkeit, um die Vergangenheit leben zu lassen.
Er redete mit mir, der Rabe, der einst mein Leben bestimmte. Diese Stimme, sie rief nach mir.. Jemand rief nach mir, rief mich bei meinem Namen. Ich schwankte, stürzte, ohne Sinn und Verstand in den Abgrund vergangener Momente. Seine Augen, sie funkelten, sein Schnabel, schwarz, der sich öffnete, jedoch keinen Laut hervorbrachte. Ich lachte, leise, ich drehte mich im Kreis, mein Blick gefangen an seinem. Er zog mich in seinen Bann, und auch er wirbelte umher. Er entführte mich aus meiner Welt, ließ mich die seine betreten. Der Rabe, er rief mich, rief mich mit meinem Namen. Diese Stimme, sie marterte mein Gehirn, sie war erhaben, so wie die Liebe auf ihrer eigenen Weise.
Gehe nicht wieder fort, wir beginnen noch einmal erneut. Die Liebe ist eine Geschichte, die nach Fortsetzung lechzt. Mein schwarzer Rabe, seine Augen, der Glanz, der ihn umgab. Niemand vermochte es, die Magie seines Seins zu enträtseln.
Er rief mich, er rief mich bei meinem Namen. Tanzte mit mir, lachte mit mir, bohrte sich in mein Herz und verblieb darin.
Dann antwortete er, der Schatten an der Wand, sein langer schwarzer Mantel wehte im lauen Nachtwind und seine Stimme war wie eine wundersame Melodie: „Die Liebe, sie ist nur ein befremdendes Gefühl, so süß wie die Sünde, an der du aber den Rest deines Lebens zu schlucken hast. Sie ist bitter wie der Schmerz, der dich durchbohrt, wenn du Ausschau hältst nach jemanden, dem du vertrauen kannst. Oder sie ist nüchtern, damit jede Narbe deiner Seele sichtbar bleibt. Aber auch eingerostet, wie der Glaube daran, sie zähmen zu können. Sie ist wie die Nacht, finster und mystisch, wie die Geräusche, die dich in Angst versetzen. Und hell wie die Sonne, die dich mit ihren Strahlen erwärmt damit du dich geborgen fühlst. Vielleicht ist sie ein feindseliger Zustand, der Kampfbereitschaft signalisiert, dich stärkt für die Liebe. Liebe mich, wo immer du bist.“ Dann verstummte die Stimme und der Schatten verschwand wie gekommen, zurück blieb der Mantel, den ich aufhob und mir über die Schultern legte. Eine wohlige Wärme stieg in mir auf, meine Gedanken und Träume waren gereinigt.
Da nun der Rabe gegangen war, blieb die Liebe tief in meinem Herzen verwahrt, eine Liebe die von der Erinnerung zehrte.
Texte: Coverbild by Google
Tag der Veröffentlichung: 30.09.2010
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Widmung:
Den Täumen und der Phantasie