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Des Rabens Liebe



Mir war nicht ganz klar, warum mich mein kleiner schwarzer Freund mit den intelligenten Knopfaugen seit unserer letzten Begegnung fast jeden Abend, und dieses schon zu früher Stunde, besuchte. Ich wartete nun schon brennend darauf das Fenster zu öffnen, um dem Raben Einlass zu gewähren. Heute jedoch war es anders. Es klopfte an der Tür und als ich öffnete, flatterte mein geliebtes Tier in die Stube. Überrascht lief ich ihm nach und als der Vogel sich zu meinen Füßen setzte, schaute er mich eindrucksvoll an.
„Ein paar Augen hast du!“ Dieses Geständnis macht ich mit gedämpfter Stimme, dann aber hielt ich inne, als habe ich gemerkt, dass fortzufahren auch bedeutete, ein Geheimnis zu enthüllen, das ich für mich behalten wollte. Auf einer seltsamen Art und Weise war ich mit diesem Raben verbunden, so wie die Liebe zwei Menschen verbindet. Ich lächelte in mich hinein, vielleicht vor Freude, vielleicht, um sich gegen die leise Beklemmung zu wehren, die einen befällt, wenn man eine Liebesregung in seinem Inneren entdeckt. Mein Herz begann zu hämmern, dann schoss eine Hitzewelle durch meinen Körper und trieb mir eine leichte Röte ins Gesicht.
Mein Rabe hockte auf dem Zimmerboden und blickte mir mit einer gewissen Melancholie in die Augen. Eine Spur von Traurigkeit dämpfte die aufwallende Freude. So schwarz war er, und gerade dieses Schwarz möchte ich, so wie schwarzes Haar, tief dunkle Augen und dunkle Haut. Ich legte mich auf mein Bett, schloss die Augen und wartete darauf, dass der Rabe zu sprechen begann. Stattdessen bemerkte ich ein Gesicht, welches meinem so nahe kam. Ich spürte seinen Atem, seine Lippen auf meinen Mund, und den süßen Kuss, der nicht mehr war als ein Hauch.
„War das alles? Und wie geht es weiter?“ fragte ich sehnsuchtsvoll.
„Wir werden schon sehen wie es weitergeht“, entgegnete er.
Ich öffnete meine Augen und da stand er, er, den ich schon einmal sah. Als Schatten, so wie jetzt, vor langer Zeit, als er aus meinem Fenster flog und als mysteriöser Mann, bekleidet mit einem langen schwarzen Mantel, in der Dunkelheit verschwand.
Voller Hingabe sprach er: „Meine Erinnerung an Wände, die ich erbaute, sie stürzen ein, meine Kampfbereitschaft versiegt, meine Schreie verhallen. Ich fand einen Weg, stehe im rechten Licht, im Schutz deines Scheins. Jede Regel gebrochen, jedes Risiko genommen, die Unsicherheit gelöscht, egal wohin die Blicke schweifen umschlingt mich deine Gegenwart. Ich kann dich fühlen, deine rettende Insel sehen. Du bist der Halt, die Geborgenheit, geschrieben steht es, in deinem Gesicht. Das Grau der Sorgen verwischt, du, der Boden unter den Füßen, der Standhaftigkeit garantiert. Aus dem Dauerschlaf erwacht, bin ich nun frei für ein neues Leben.
Meine Liebe ist wie ein stiller Ort, ein Ort zum Schutz vor Unwetter, vor dem Sturm des Lebens.
Hier findest du Zuflucht und Wärme, in Zeiten der Mühe, in deiner Einsamkeit. Meine Liebe ist wie ein Fenster, wie eine offene Tür. Eine stete Einladung um Nähe zu spüren. Meine Liebe ist so weich wie die Wolken, so hart wie der Stahl, sie zeigt dir den Weg des Lebens, sie weist dir die Möglichkeit zu lieben, zu fühlen und zu glauben. Meine Liebe ist wie ein Ozean, mit Wogen der Konflikte, gefüllt mit Schmerz und voller Hoffnung. Ich bin das Feuer, das dich wärmt, der Donner, wenn es regnet, die schützende Hand vor geballter Wut. Das Wort, wenn dir die Stimme versagt, ich bin eine Insel in der offenen See. Ich lebe in dir, und meine Liebe verlässt dich nie. Träume wecken Erinnerungen, und diese Erinnerungen führen dich zu mir.“
Dann küsste er mich und ich fühlte die Liebe wachsen, die, die uns verbindet. Es war spät geworden. Wie sollte ich nur schlafen in dieser Nacht? Eine heiße Welle des Begehrens strömte durch meinen Körper und wer vermochte meine Pein zu lindern?
Mein geliebter Freund verschwand in der Gestalt eines Raben und ließ mich alleine zurück.

Impressum

Texte: Coverbild by Google
Tag der Veröffentlichung: 05.09.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Den Träumen und der Phantasie

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