Die Wasserpfeife
Seit jenem unvergesslichen Tag, an dem ich zum ersten Mal den Diwan des Kalifen besuchen durfte, hatte sich mein Leben vollkommen verändert. Von den Erzählungen über die Weisheit des Kalifen hörte auch ich, denn der Herr musste jeden Tag unzählige Fragen beantworten, die die Menschen in diesem Reich zu stellen pflegten. Er lobte seine Besucher und zeichnete sie mit einem freundlichen und ehrerbietigen Salam aus. Mal war es ein Steuereinnehmer, mal ein Hakim (arabisch – Arzt),
ein Kameltreiber oder Weihrauchhändler, der den weisen Herrscher um Rat bat.
Dann und wann kamen auch Frauen, die schüchtern und hinter einem Schleier verborgen, erfahren wollten, wie sie Glück, Freude und Reichtum erlangen konnten, oder allzu gerne das Geheimnis der Baraka (eine Gabe Allahs für künstlerische Fähigkeiten) kennen lernen wollten. Aber auch, wie man eine glückliche Ehefrau wird.
Der Kalif war stets bemüht mit Aufklärung und gutem Rat zu vermitteln, und die Fragenden nicht ohne eine befriedigende Antwort zu entlassen. Er half selbstlos und uneigennützig ohne Belohnung oder Gewinn. Sein Ertrag war der Erfolg und die Liebe der Menschen.
Von der Klugheit und von der Wesensart des Kalifen war ich sehr eingenommen und hoffte, dass er mir seine Aufmerksamkeit schenken würde.
Unterdessen schaute ich mich ein wenig im Diwan des Kalifen um, und mein Augenmerk fiel auf die schön geformte Shisha, die dort Mitten im Raume stand. Das blaue Glas war mit goldenem Zierrat und edlem Muster versehen. Das Mundstück schien kaum gebraucht zu sein, und der Schlauch schlängelte sich um den Bauch der Wasserpfeife, als würde er ihn umarmen.
Sie war nicht gefüllt und auch kein Tabak lag in ihrer Reichweite. Zu gerne hätte ich dieses Rauchgerät einmal ausprobiert, aber bislang konnte ich meine Neugierde unterdrücken.
Er sprach laut und deutlich, und ich erschrak, denn der Kalif war bereits an meine Seite getreten, um mich nach meinem Grund zu fragen, weshalb ich in seinen Diwan gekommen sei. Mein Blick hing an seinem Äußeren. Er war ein Mann von etwa fünfzig Jahren, mit dunkler Hautfarbe und weißem Bart.
Seine großen braunen Augen blitzten, als er meinen Blick erwiderte. Seine Kopfbedeckung bestand aus einem weißen Tuch, das mit einer geflochtenen Schnur eng um den Kopf gebunden war, und ihm eine majestätische Würde verlieh. Er wirkte wild, stolz und kühn, aber ebenso edelmütig, gastfreundlich und phantasievoll auf mich, wie alle arabischen Männer.
Mein Interesse an der Shisha erkannte er sofort und schüttelte verneinend den Kopf. „Nein“, begann er zu sprechen, „es ist ein Relikt aus alter Zeit und darf niemals mehr genutzt werden.“
Ich verstand diese Worte nicht und fragte nach dem Grund, denn es schien mir, als beherberge diese Shisha ein Geheimnis.
Der Kalif lud mich ein, an seiner Seite Platz zu nehmen, reichte mir eine Schale mit Feigen und Granatäpfel und einen Kelch mit Wasser. Dann erzählte er mir hingebungsvoll die Liebesgeschichte eines Sultans, der einen schweren Schicksalsschlag erlitten hatte.
Auf seinem schnellen Pferd durchstreifte er die heiße Wüste von morgens bis abends, nachts aber streckte er sich gerne unter dem Sternenhimmel aus und träumte von den Taten seine Vorväter, sang Lieder und erfreute sich an den schönen Frauen des Landes. In die schönste aller Frauen verliebte er sich untröstlich.
Yasmin, die Tochter des Scheichs Al-Billah, ein Mann der Wüste, der mächtig und stark war, eroberte sein Herz und die Liebe zu ihr, forderte das Schicksal heraus.
Der Scheich war gegen diese Verbindung und erlaubte es nicht, dass Yasmin sich mit dem jungen Arif verbündete. Er versprach das schöne Mädchen einem Perser, der wie er, ein Sohn der Wüste war, und Arif musste sich mit einer Niederlage abfinden. Doch zu groß war seine Liebe zu diesem Mädchen, dass er sie eines Tages überredete mit ihm zu fliehen. Da sie eine ebenso gute Reiterin war, wie die jungen Männer des Landes, stahl sie eines Nachts heimlich das schnellste Pferd ihres Vaters, und galoppierte durch die Dunkelheit. Nie zuvor war sie des Nachts alleine geritten und so verirrte sie sich in der Wüste. Viele Tage vergingen, viele Reiter spähten aus, doch jeder kehrte ohne gute Nachrichten zurück in das Lager von Scheich Al-Billah.
Der junge Sultan litt schwer unter diesen Verlust, er flehte um Vergebung und versprach dem Scheich, alles erdenkliche zu tun, um Yasmin zu finden.
Wie er so durch die Lande strich, traf er einen alten Armenier, der genüsslich eine Shisha rauchte.
Müde von den Strapazen setze er sich zu diesem Mann, der ihm freundlich seine Wasserpfeife anbot.
Der süßliche Geruch des Rauchs stieg dem jungen Sultan in die Nase und eine leichte Benommenheit machte sich bemerkbar. „Nimm einen kräftigen Zug, inhaliere den Rauch tief, schließe die Augen, lasse ihn ein bisschen in den Lungen und atmete ihn langsam wieder aus. Wenn du willst, versetzte dich zurück in die Vergangenheit, an den Ort deiner Wahl, an das Geschehen, welches du rückgängig machen, oder noch einmal erleben möchtest. Und es wird dir widerfahren.“
Der junge Mann war höchst erfreut und tat wie ihm geheißen. Er wünschte sich zurück in die Wüste, dort wo er Yasmin zum ersten Mal erblickte. Als er seine Augen öffnete, lag er unter den Sternenhimmel, und lauschte den Gesängen des Windes.
In der Ferne loderte ein Feuer und ohne zu überlegen, begab er sich auf den Weg in dieses Lager.
Dort angekommen, richteten sich alle Augen auf den gut gekleideten Mann. So wie er es schon einmal erlebte. Die Zeit wurde wahrhaftig zurückgedreht.
Yasmin trat aus dem Zelt, in dem Licht des Feuers strahlte ihre Schönheit wie die der aufgehenden Sonne, und Arif empfand ein Gefühl des Glücks und der Liebe, aber auch ein Hauch von Traurigkeit.
Er wusste, dass dies nicht noch einmal geschehen durfte, und so richtete er das Wort an den Scheich, der ihn als Gast willkommen hieß: „Oh Bruder der Araber, ich werde deine Gastfreundschaft schweren Herzen ablehnen, da es mich weiter zieht. Mein Vater, ein mächtiger Herrscher in einem fernen Lande erwartet mich.“
Arif verneigte sich, und verließ das Lager ohne auch nur einen Blick auf Yasmin zu werfen.
Er folgte seinen Spuren im Sand und hoffte, dass das Schicksal sich gewendet hatte.
Nach vielen hundert Meter in der Dunkelheit, huschten seltsame Gestalten über die Dünen, schwer bewaffnet und nicht in friedlicher Absicht kommend.
Man fand Arif am nächsten Morgen mit durchschnittener Kehle im heißen Sand der Wüste.
Der Kalif legte seine Hand auf meine Schulter und bemerkte: „Man möge das Schicksal annehmen, und das eigene auch.“
Geschichte der Wasserpfeifen
Die Wasserpfeife, heutzutage oft unter dem Begriff Shisha bekannt, findet ihren Ursprung vor circa 1000 Jahren in Indien. Ab dem 16. Jahrhundert gelangte die Shisha Kultur über den Iran zu den Osmanen, wo Sie sich als eine Art Gemeinschaftskultur entwickelte und auch bis heute Bestand hat. Die Popularität der Shisha verbreitete sich ebenfalls im Iran und übertrug sich von dort in weite Teile der arabischen Welt, wo sie auch bis heute ein wichtiger Bestandteil der der Kultur ist. Das gemeinsame Rauchen wurde und wird bis heute als Symbol der Gastfreundlichkeit angesehen. Letztendlich waren es auch die Osmanen, welche das heutige Aussehen der Wasserpfeife geprägt haben. Es gibt in der Aufbauweise natürlich individuelle Unterschiede zwischen den Nationen, die Funktionsweise blieb trotzdem gleich.In der Türkei wurde die Shisha in ihrer heutigen Erscheinungsform verbreitet. Von dort aus wurde sie in die westliche Welt exportiert, wo sie im 20. Jahrhundert auch als alternative Form des Tabakrauchens akzeptiert wurde.
Texte: Petra Ewering
Bildmaterialien: türkisch-history
Tag der Veröffentlichung: 08.11.2009
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