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Liebe ist....

Die Schreie um mich herum tosten wie ein Sturm. Schwerter, Kugeln, alles, womit man kämpfen konnte, wurde eingesetzt. „Vorwärts!“, brüllte ich meine Männer an. Die Stärke meiner Truppe hatte rapide abgenommen, als wir uns den königlichen Gemächern näherten.

Wir wateten durch ein Meer aus Blut. Blut, überall Blut. Es floss sturzbachartig von den Treppen und verteilte sich auf den Fluren, kroch in jedes Zimmer, in jeden Raum. Und immer wieder Schläge, Schüsse,  Schreie. Mich hatten zu diesem Zeitpunkt wohl schon tausend Kugeln oder mehr verfehlt.

Wir kämpften uns quälend, langsam durch die Korridore zum Thronsaal. Säule für Säule, schneller kamen wir nicht voran. Bei jedem Vorstoß zischten Kugeln und Pfeile nur Millimeter an meinem Kopf vorbei. Männer und Frauen meiner Truppen gingen neben mir zu Boden.

Unseren Feinden, mit denen wir noch gestern nichtsahnend zusammensaßen, tranken, spielten und rauchten, erging es nicht anders. Auch sie fielen, Einer nach dem Anderen. Der Strom aus Blut schwoll immer mehr an, wurde immer reißender.

Warum geschah das ganze? Wegen mir! Gott, verdammt, nochmal, wegen MIR! Ich schätzte unseren König nie. Schon weit vor seiner Krönung wusste ich, dass es erfolglose Jahre für das Volk und die ganze Nation werden würden. Ich schmiedete Pläne, ihn zu stürzen. Ich hatte in der Theorie alles zusammen, sogar einen mehr als fähigen Nachfolger. Ich hatte Männer, Soldaten, die Besten. Fast alles war gegeben, nur der entscheidende Punkt fehlte. Das Volk! Eine Revolution gegen den Willen des Volkes war zum scheitern verurteilt.

Doch auch hier hatte ich einen Plan. Die mächtigste Frau im Staat war die Kronprinzessin, die Verlobte des Königs. Sie hatte sich schon vor längerer Zeit in mich verliebt und ich mich in sie, unsterblich. Das Volk liebte sie, es verehrte sie, vielleicht sogar noch mehr als ich. So wurde sie zum Werkzeug meines Willens. Sie hatte nie vor, den König zu heiraten, denn sie war verliebt in mich, den Oberbefehlshaber der Streitkräfte.

Der König im Spiel verraten durch die abtrünnige Dame, die dem Turm gefallen will. Ich begann Beweise für ihre Liebe zu verlangen. Einen nach dem Anderen erbrachte sie. Ich wurde immer gieriger. Sie wollte mir beweisen, dass sie es wert war geliebt zu werden.

Was war ich doch ein Narr, ein blinder Narr! Den letzten Beweis sollte sie erbringen, indem sie das Volk gegen ihren Verlobten aufhetzte. Sie tat es. Sie tat es aus Liebe zu mir, um mir zu beweisen, dass sie es wert ist, von mir geliebt zu werden.

Ich war so unglaublich dumm! Nun stand ich im Thronsaal, kämpfend, mit Schwert und Revolver. Ich schlachtete die Leibwachen des Königs und die königstreuen Bürger ab. Der Turm und die Dame wollen den König stürzen und die Bauern müssen bluten. Ein ungerechtes Spiel. Der Lärm der Schlacht war unerträglich. Immer wieder Gewehrsalven, Pfeilhagel und Blut, überall.

Im Kampf drehte ich den Kopf. Sie kam zu mir, meine Königin und sie lächelte. Ihr weißes Kleid fast gänzlich mit Blut bedeckt. Sie rannte, so schnell sie konnte. Es tat mir so unendlich Leid, sie in dieses Chaos hineingezogen zu haben. Sie kam mir immer näher. Ich hatte das Kämpfen eingestellt, bereit sie in die Arme zu schließen. Unsere Hände waren nur noch Millimeter voneinander entfernt.

Ein Knall, lauter als jedes Geräusch, um uns herum. Sie fiel. Ihre Augen verdreht, das Lächeln, wie zu Eis erstarrt. Sie fiel in meine Arme. Meine Waffen schlugen klirrend auf den blutverschmierten Boden.

Ich hatte sie aufgefangen, war in die Hocke gegangen und hielt sie in meinen Armen. „ICH LIEBE DICH“, hatte sie geschrien, als sie gefallen war. Unter ihrem Haar floss ein Rinnsal aus Blut hervor. Kopfschuss. Sie war tot. Gestorben in meinen Armen. Ihr Körper wurde schlaff und reglos, keine Wärme ging mehr von ihr aus. SIE WAR TOT!!!!

Ich nahm nichts um mich herum mehr wahr. Ich küsste ihre Stirn, drückte sie an mich und flüsterte: „Ich liebe dich auch.“ Mir wurde plötzlich eiskalt. Alles in mir schien zu gefrieren. Noch immer presste ich ihren toten Leib an mich. Ich wiegte sie in meinen Armen und weinte.

Dann, ein dumpfer Schlag. Eine Kugel hatte mich an der linken Schulter getroffen. Mir wurde heiß. „HALTET EIN!“, schrie ich meinen Männern zu. „LEGT DIE WAFFEN NIEDER!“ Ein zweiter Schlag, diesmal drang die Kugel zwischen die unteren Rippen. Dennoch spürte ich keinen körperlichen Schmerz. „ES IST VORBEI! LEGT EURE WAFFEN NIEDER!“ Mit letzter Kraft brüllte ich durch den Thronsaal.

Ein dritter Schlag. Dieser Schuss durchbohrte mein Herz. Ich nahm nur noch wahr, dass der Schlachtenlärm aufgehört hatte. Es war vorbei. Ich konnte mich nicht mehr regen, meine Augen fielen zu, es wurde schwarz um mich herum. Mein Ende war gekommen.

Ich sah den Tunnel, das Licht, folgte ihm. Und plötzlich stand sie vor mir, meine Königin. Sie strahlte. Kein Blut befleckte mehr ihr weißes Kleid, kein Schmerz war mehr auf ihrem Gesicht zu sehen. Mit wenigen Schritten war ich bei ihr. Wir waren vereint. Dennoch ließ mich eine Frage nicht los: „Warum werde ich nicht bestraft?“ Als hätte sie die Frage in meinem Kopf gehört sagte sie mit ruhiger Stimme: „Menschen kann niemand beherrschen, denn sie werden von ihren Gefühlen beherrscht. Du hast auf Deine gehört, ich hörte auf meine. Im Grunde haben wir alles richtig gemacht. Liebe ist.... seinen wahren Gefühlen zu folgen.“

 

 

 

 

 

Falco- Orcus aves, Leipzig 27.09.2013

Impressum

Texte: Falco- Orcus aves
Lektorat: Steffi Biesianczyk
Tag der Veröffentlichung: 10.10.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle Liebenden, denn sie machen Fehler. Die Fehler, die die Liebe erst perfekt macht.

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