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Dürre ergoss sich über das Land. Seit Jahren fiel kein Regen mehr, und die Menschen wussten nicht weiter. Die Äcker verdursteten in der glühend heißen Sonne, die unerbittlich ihre Arbeit tat, und Tag für Tag heißer zu brennen schien. Hunger und Not, so weit das Auge reichte, Rinder, die auf Pappestücken kauten, Kinder, die verzweifelt nach Wasser baten, flehten, schrien und weinten bis keine Flüssigkeit mehr zu Tränen werden konnte. Die Regierung hielt die wenigen Wasservorräte unter strengster Aufsicht, nach minutiösen Regelungsvorschriften wurde jede Wasserperle in durstige Kehlen getropft. Viele verließen das Land und suchten ihr Glück hinter Bergen, welche schon lange keine Wolken passieren ließen und unerbittlich das himmlische Blau aufrechterhielten, das himmlische Höllenblau, das der Teufel selbst an das Firmament gemalt hatte.
Eines Morgens, als die Sonne langsam aufging und wie gewohnt die Luft mit einer schier unerträglichen Hitze zu schwängern begann, streifte ein unbekannter Schatten über den staubigen Boden. Er gehörte einem Mann, der langsam aber zielsicher, Schritt um Schritt, auf den toten, vertrockneten Grund setzte. Ein halbzerfetzter Poncho in allen Regenbogenfarben, welche im Lauf der Zeit ihre Intensität verloren hatten und jetzt, bleich und matt, einen einheitlichen grau braunen Ton aufwiesen, bedeckten sein Leib, dazu ein schwarzer Zylinderhut, der plattgedrückt einer zerquetschten Ziehharmonika glich und mit ausgefransten Ecken und Flickstellen aufzutrumpfen wusste.
An einer Schnur, die der Fremde über die linke Schulter gespannt hatte, hing ein Beutel, der weder groß noch klein, weder schwer noch leicht war. Er verschmolz mit dem Erscheinungsbild des Mannes und wurde zu einem Teil seines Körpers, zu einem Buckel, zu einer Auswölbung, die viele Passanten dazu zwang, den Blick von ihm abzuwenden um nicht einen behinderten Menschen anzustarren, was sich nun mal nicht gehört.
In der Mitte der Stadt blieb der Mann stehen, legte seinen Beutel neben sich, streifte den Poncho ab und legte ihn sauber gefaltet neben den Beutel. Langsam kniete er sich nieder und begann, den Boden zu inspizieren. Sanft wischte er mit der Handfläche über den Asphalt und entfernte den gröbsten Staub. Mit einem weißen Stück Kreide setze er den ersten Strich, dem viele andere folgten, in allen Farben des Regenbogens, so intensiv, wie sie direkt nach einem Regenschauer scheinen, wenn die Sonne ihnen die Kraft ihrer Strahlen leiht.
Er setze Formen, formte Gebilde, strukturierte und unterteilte seine Figuren mit feinen Schattierungen und Umrissen. Sein Werk wurde immer größer und bunter und es weckte die Aufmerksamkeit der Leute, die daran vorbei gingen. Sie blieben stehen, schauten und staunten, ein Raunen ging durch die Volksschar, die fasziniert vom Treiben des Fremden, den Alltag zu vergessen schien. Meter für Meter wuchs sein Bild, bekam neue Facetten, bunte Details und markante Verzierungen. Keiner merkte, wie der Himmel langsam dunkler wurde, wie lang vermisste Wolken den Bann der Hitze durchbrachen und das himmlische Höllenblau verschwinden ließen. Alle starrten auf das Bild, auf den Mann, auf die Kreide, wie er sie gekonnt führte und mit ihr ein Gedicht aus Farben, ein Lied aus Formen und ein Kunstwerk aus dem Herzen schuf. Als er den letzten Strich vollführte und sich vom Boden erhob, fiel der erste Tropfen. Dem folgte ein zweiter dann ein dritter, bis es schüttete, in Strömen, sinnflutartiger Niederschlag prasselte auf das durstige Land. Die Menschen aber starrten weiter das Bild an, das nun seine Farbe verlor und von den Tränen des Himmels verwischt wurde. Der Mann hob seinen Beutel, nahm den Poncho und streifte ihn über seinen nassen Körper, drehte sich um und ging dahin, wo er hergekommen war. Die Menge tat einen Spalt auf durch den er schweigend schritt, von den Blicken der Menschen gestreift aber nicht getroffen. Ein kleines Mädchen kam ihm entgegen und rief: „Schade, dass dein schönes Bild weg ist. Nun wird es keiner sehen können und sich daran erfreuen. Du hast es ganz umsonst gemalt.“
Der Mann schaute das Mädchen an und sagte: “Mein Bild ist nicht weg, und umsonst war es auch nicht. Ihr werdet euch alle daran erinnern, und euch daran erfreuen, mit jedem Schluck Wasser, den ihr trinkt und mit jedem grünen Zweig, den das Land ab heute gebären wird.
Das wirkliche Bild ist unwichtig, denn es vergeht nach einer Zeit, das was zählt, ist das Bild in den Erinnerungen der Menschen. Das war mein Ziel, das ist das, was immer bleiben wird.“

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Bildmaterialien: http://www.google.de/imgres?q=schreibfeder&start=121&hl=de&sa=X&biw=1600&bih=799&addh=36&tbm=isch&prmd=imvns&tbnid=e8xB17E6Pu20zM:&imgrefurl=http://de.123rf.com/photo_7483670_eine-hand-schreiben-mit-einer-schreibfeder.html&docid=qKxHh6VC5XuuEM&imgurl=http://us.123rf.com/400wm/400/400/isaxar/isaxar1008/isaxar100800241/7483670-eine-hand-schreiben-mit-einer-schreibfeder.jpg&w=387&h=400&ei=5vHpT6TRIYzFswbauqWqDg&zoom=1&iact=hc&vpx=576&vpy=442&dur=1720&hovh=228&hovw=221&tx=98&ty=138&sig=101941855897684184661&page=4&tbnh=140&tbnw=135&ndsp=42&ved=1t:429,r:19,s:121,i:196
Tag der Veröffentlichung: 22.07.2012

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