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Langsam drücke ich die Türklinke zum Kinderzimmer herunter. Leise trete ich ein und gehe zum Nachttisch. Ich schalte die kleine Lampe an, die an einen tanzenden Bären erinnert. Ihr schummriges Licht erhellt ein wenig den nächtlichen Raum. Eine wohlige Wärme geht von ihr aus. Mit vorsichtigen Schritten nähere ich mich den beiden Wiegen, in denen meine kleinen Töchter schlafen. Jacqueline und Marie, unsere Zwillinge. Die Geburt war nicht einfach für meine Frau und sie musste auch noch drei Wochen danach im Krankenhaus bleiben. Jacqueline ist die Erstgeborene, während Marie erst 43 Minuten danach das Licht der Welt erblickte. Ich schaue sie minutenlang an und streichele sanft über ihre Köpfchen. Das ganze Leben liegt doch eigentlich noch vor ihnen. Dass sie nie sehen, wie Schnee vom Himmel fällt, den süßen Duft von Blumen in sich aufnehmen, herumtollen und einfach nur spielen und die Kindheit genießen. Der Gedanke daran, was ich gleich tun werde, macht mich traurig. Ich kann meine Tränen nicht mehr zurückhalten, auch wenn ich versuche stark zu sein. Langsam beuge ich mich zu den beiden herunter und gebe ihnen einen Kuss auf die Stirn. „Ich liebe dich, Jacqueline. Ich liebe dich, Marie. Es tut mir leid, aber ich muss es tun. Bitte vergebt mir…“ Da liegen sie so unschuldig, nichts ahnend von dem, was gleich passieren wird.

Vielleicht sollte ich aber erzählen, wie es dazu kommen konnte. Damit sie mich verstehen, dass ich keinen anderen Weg habe. Mein Name ist Samuel Abaddon1 Jones, ich bin 41 Jahre alt und von Beruf Astronom. Ich hatte schon früh meine Bestimmung gefunden. In meiner Kindheit hatte ich ein Faible für Sterne und entfernte Planeten. Ich stellte mir vor, wie ich den Weltraum in einer Rakete erkunde, andere Planeten bereise und eventuell ja doch fremde Lebensformen entdecke. Es liegt jetzt knapp zwei Jahre zurück, als das Schicksal eine ungeahnte Wendung in meinem Leben für mich parat hatte…

Samstagabend 21 Uhr

Wieder einmal hatte ich nicht auf die Zeit geachtet und musste mich nun sputen, um zu meiner Frau nach Hause zu kommen. Ich griff schnell nach dem Telefonhörer. Es klingelte… „Hallo Susan? Ich bin es … Samuel …!“ Leicht verärgert meldet sich eine Frauenstimme auf der anderen Seite. „Wo bleibst du denn? Du hast versprochen schon vor einer Stunde nach Hause zu kommen…“ „Ja, mein Schatz, ich weiß, aber…“ „Nichts aber… ich habe uns etwas Schönes zu Essen gekocht und jetzt ist es kalt. Hast du vergessen, dass heute unser Jahrestag ist?“ Oh Mist, daran hatte ich wirklich nicht mehr gedacht. Fasziniert von den Sternen arbeitete ich gerade an einer vielleicht bahnbrechenden Entdeckung. „Es tut mir wirklich leid. Ich bin gleich bei dir. Ich beeile mich…“, dann legte ich den Hörer auf die Gabel und ging zum Auto. Als ich so über den schlecht beleuchteten Parkplatz schlenderte, hörte ich hinter mir ein komisches Geräusch. Ich drehte mich um und blickte in die Dunkelheit. „Ist da wer?“ Niemand gab mir eine Antwort und doch hatte ich das ungute Gefühl, beobachtet zu werden. Da! Wieder dieses Geräusch! Nur diesmal schien es näher gekommen zu sein. „Hallo? Ist da wer? Kommen Sie heraus…!“ Langsam stieg Angst in mir hoch und das Auto war noch gut hundert Meter von mir entfernt. Spielten mir meine Sinne einen Streich oder war da doch jemand, der mich verfolgte? Da hinten war doch eben ein Schatten… Nein, ich war sicher nur überarbeitet und brauchte mal eine Woche Urlaub. „Bleib stehen und nimm deine Hände hoch!“ Vor Schreck fuhr ich herum und war starr vor Angst. Aus dem Dunkel trat er hervor. Das Licht einer Laterne fiel auf ihn und da konnte ich es erkennen. Vor mir stand ein hochgewachsener Mann, Ende dreißig mit dunkelbraunem Haar. In seinen zittrigen Händen hielt er eine Waffe, deren Mündung genau auf mich gerichtet war. Er brauchte nur noch abdrücken und mein letztes Stündlein hätte geschlagen. Ich flehte den unbekannten Mann an. „Bitte nicht! Ich gebe Ihnen alles was Sie wollen! Hier mein Geld… meine Autoschlüssel… nehmen sie…!“ „Ich will dein verdammtes Geld nicht. Ich will dich Tod sehen! Du bist Schuld an allem… Du hast sie alle getötet… Ich hasse dich… für dieses Verbrechen musst du sterben…“ „Was?! Ich habe niemanden getötet! Sie sind verwirrt! Bitte nehmen sie die Waffe herunter!“ „Nein, das tue ich nicht. Ich werde abdrücken … ich … ich habe geschworen alles wieder in Ordnung zu bringen.“ „Waffe runter!“, tönte eine tiefe Stimme hinter meinem Angreifer, der jetzt sichtlich durcheinander war. „Nehmen sie jetzt langsam die Waffe herunter und legen sie sich auf den Boden!“ „Nein… Sie wissen ja nicht was Sie da tun…! Ich muss ihn erschießen!“ Langsam näherte sich sein Finger dem Abzug, den er bereit war durchzuziehen, um mich zu töten. Da geschah es… Drei Schüsse hallten durch die Nacht und durchbrachen die Stille. War ich jetzt getroffen? Nein, ich tastete mich ab. Dann schaute ich nach vorne und sah, wie der Angreifer vor mir tödlich getroffen zu Boden sackte. „Sir? Alles in Ordnung mit ihnen?“ „Äh, was ... wie!“ Einer der Officer faste mich am Arm und holte mich aus meiner Starre zurück in die Wirklichkeit. Ich stand immer noch unter Schock. „Ich fragte, ob alles in Ordnung mit ihnen ist?“ „Äh ja, mir ist nichts passiert.“ „Kannten sie diesen Mann? Haben sie ihn schon einmal gesehen?“ „Nein, tut mir Leid. Ich kenne ihn nicht.“ Immer noch fassungslos sagte ich: „Er wollte mich umbringen... Er hat nicht einmal mein Geld gewollt.“ Immer wieder schüttelte ich den Kopf. „Sollen wir einen Arzt für sie holen?“ „Nein, ist schon OK. Ich möchte jetzt erst einmal nach Hause.“ „In Ordnung... das kann ich verstehen. Geben sie bitte meinem Kollegen noch ihre Daten und kommen sie morgen bitte aufs Revier. Wir müssen noch ihre Aussage zu den Geschehnissen aufnehmen.“ „Ja Officer, das ist kein Problem.“ Ich ging zu seinem Kollegen und nannte ihm meinen Namen und meine Anschrift. „Bitte seien sie pünktlich um 11 Uhr auf dem Revier.“ Ich dankte dem Officer und ging zu meinem Wagen. Nach einer halben Stunde Autofahrt kam ich zu Hause an. Ich konnte meinen Haustürschlüssel nicht finden und klingelte. Meine Frau öffnete die Tür und machte mir im ersten Moment eine Szene, weil ich noch später heimgekommen bin. Nachdem ich ihr von dem Überfall berichtet hatte, verflog ihre anfängliche Wut. Sie nahm mich in ihre Arme, drückte mich ganz fest an sich heran. „Oh Samuel ... ich liebe dich. Wenn ich dich jemals verlieren würde. Ich möchte mir das gar nicht vorstellen.“ „Ich weiß… ich hatte auch Angst, dich niemals wieder zu sehen…“

Nach einer unruhigen Nacht, in der mich Alpträume geplagt hatten, brach nun ein neuer Tag an. Ich hoffte das Erlebte endlich vergessen zu können, doch es stand noch der Termin auf dem Revier aus. Ich ahnte bereits jetzt schon, dass die Fragen alles in mir wieder aufwühlen würden. Schon gleich um 10 Uhr fuhr ich zum Revier, um die Sache schnell hinter mich zu bringen. Einer der Officer von letzter Nacht erklärte mir, dass man meinen Angreifer nicht identifizieren konnte. Deshalb gaben sie ihm den Namen John Doe ein Name, den unbekannte, nicht identifizierte Personen bekamen. Man stellte mir allerlei Fragen über John Doe. Ob ich ihn kannte, was er von mir wollte, usw. Jede dieser Fragen konnte ich immer nur mit dem gleichen Satz beantworten. “Es tut mir leid, ich kann es ihnen nicht sagen. Er sagte immer wieder, dass er mich töten wolle und so etwas wie‚ ich hätte sie alle umgebracht“. Überprüfen sie mich ruhig, ich habe nichts zu verbergen. Ich habe nie im Leben einer Fliege etwas zu leide getan. Ich kann ihnen nicht erklären, was dieser Mann damit gemeint haben könnte.“ Der Officer machte sich fleißig Notizen. Nach etwa 1 Stunde konnte ich das Revier dann endlich wieder verlassen. Ich brauchte jetzt erst einmal frische Luft. Es war ein schöner Tag. Die Sonne schien und wärmte mich, als ich so durch die Straßen schlenderte. Immer wieder ließ ich die gestrige Nacht Revue passieren. Die Worte meines Angreifers wollten mir einfach nicht aus dem Kopf gehen. Was hatte er damit nur gemeint? Wen sollte ich denn bitte schön umgebracht haben? Ich konnte oder wollte es einfach nicht verstehen. Als ich so durch kleine Gassen meinen Weg suchte, hatte ich immer wieder das Gefühl verfolgt zu werden. Erblicken konnte ich aber niemanden. Hatte ich mittlerweile Wahnvorstellungen? Reagierte ich jetzt so stark und vermutete hinter jedem der mir begegnete einen weiteren Angreifer? Ich wusste es nicht. Mittlerweile waren drei Wochen vergangen. Seit diesem Vorfall konnte ich nicht mehr richtig schlafen; wachte nachts schweißgebadet auf. Immer und immer wieder durchlebte ich diese Szene auf dem Parkplatz. Wie dieser Mann vor mir stand und die Waffe auf mich richtete. Ich sah genau in die Mündung der Waffe. Dann wiederholte er immer wieder diesen Satz: „Ich werde dich töten... du hast sie alle umgebracht ...“ Ein Schuss fällt und ich wache in meinem Bett auf. Neben mir liegt meine Frau und schläft. Was zum Henker meinte er nur damit? Mittlerweile stand ich kurz davor einen Psychiater aufzusuchen, wäre es nicht eine Woche später zu dieser schicksalshaften Begegnung gekommen, an der sich alles aufklären sollte.

Samstagabend 22:15 Uhr

Wieder einmal war es spät geworden und ich arbeitete immer noch in meinem Büro. Ohne es bewusst zu merken stürzte ich mich immer mehr in meine Arbeit und versuchte damit das Erlebte zu vergessen. Besser gesagt, ich versuchte es aus meinem Kopf zu verdrängen. Diesmal aber hatte ich meiner Frau Bescheid gegeben, dass ich später nach Hause kommen würde. Plötzlich klopfte es an meine Tür. Ich ging hin und öffnete sie. Vor mir stand eine Frau Anfang fünfzig mit langem, blondem Haar, sowie grünen Augen, die wie Smaragde funkelten. „Ja bitte?“ „Dürfte ich eintreten?“ Noch bevor ich irgendetwas erwidern konnte hatte sie mich auch schon zurück in mein Büro geschoben und schloss hinter sich die Tür. „Vielleicht sollte ich mich erst einmal vorstellen. Mein Name ist Aurelia Bennett.“ Ich schaute die Frau lange und intensiv an. Irgendwie kam sie mir bekannt vor. Ich konnte mir nur nicht erklären woher… „Mein Name ist...“ Da unterbrach sie mich auch schon. „Ich weiß, wer du bist...!“ „Äh, kennen wir uns? Sie kommen mir so bekannt vor...“ „Nein nicht direkt. Du kennst mich nicht, aber ich dich dafür umso genauer. Ich habe mir dich immer anders vorgestellt!“ Ich schaute Sie ungläubig an… Wie an jenem Abend auf dem Parkplatz stieg diese Angst wieder in mir auf. Ich wich hinter meinen Schreibtisch zurück. „Was wollen Sie von mir?“ Sie sagte kein Wort sondern holte aus ihrer Jackentasche eine Waffe heraus und richtete die Mündung auf mich. Von einem Moment auf den nächsten kam die Erinnerung an diese Nacht auf dem Parkplatz wieder zurück. Wieder stand ich völlig erstarrt und blickte in Richtung Waffe. „Bitte nicht ... wir können uns sicher einigen ... wollen sie Geld? Ich gebe ihnen was sie wollen. Nur bitte … schießen sie nicht.“ „Ich will kein Geld von dir. Ich muss dich töten... Ich muss es verhindern...“ „Was müssen Sie verhindern? So reden Sie doch! Der Mann vor ein paar Tagen, der mich töten wollte, hat so etwas Ähnliches erwähnt...“ „Ihn hatte man auch geschickt, doch leider hat er versagt. Deshalb bin ich jetzt hier um es zu Ende zu bringen...“ „Was wollen Sie zu Ende bringen? Erklären Sie es mir!“ Ich versuchte die Frau in ein Gespräch zu verwickeln um Zeit zu gewinnen. Es musste doch irgendeinen Ausweg aus dieser Situation geben. Nur welchen? ... „Sind sie verheiratet?“ „Ja das bin ich... aber das spielt keine Rolle... ich muss es tun...“ Ihre Hände fingen an zu zittern. „Ich ... ich kann es nicht. Nicht auf diese Weise...“ Gerade als ich dachte ich wäre gerettet kam sie mit schnellen Schritten auf mich zu und packte mich am Arm. „Du kommst mit mir. Ich werde es dir zeigen. Du hast ein Recht darauf alles zu erfahren.“ Sie schob ihren Ärmel nach oben und zum Vorschein kam eine recht ungewöhnlich anmutende Uhr, mit lauter Zahlen und Daten. Die Frau oder Aurelia, wie sie sich nannte, begann darauf einige Knöpfe zu drücken. „Wohin gehen wir...?“, fragte ich. „Nicht wohin...sondern wann...!“, war ihre Antwort. Da geschah auch schon das Unglaubliche. Wir wurden von einer großen blauen Lichtkugel umhüllt. Überall zuckten Blitze durch die Luft und vor meinen Augen verschwamm mein Büro.

Als ich wieder klar sehen konnte, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Aurelia musste mich stützen, damit ich nicht umkippte. „Wo sind wir...?“, fragte ich sie abermals. „Ich habe dir doch schon gesagt, dass wir den Ort nicht verlassen haben. Wir sind immer noch an der Stelle, an dem sich dein Büro befunden hat.“ „Nein das kann nicht sein. Das ist nicht wahr. Du lügst!“ „Es ist leider die Wahrheit. Ich lüge nicht ... Wir befinden uns im Jahr 2212. 200 Jahre nach deiner Zeit. Alles was du siehst ist wahr. So leid es mir tut.“ Ich schaute mich zu allen Seiten um, doch wollte ich meinen Augen nicht trauen. Das kann doch nicht wirklich passiert sein. Ich sah überall nur Ruinen, zerstörte Gebäude ... alles lag in Schutt und Asche. Nirgends waren Menschen oder Tiere zu sehen. Wir waren ganz alleine. „Was ist geschehen?“ „Vor ca. 200 Jahren landeten Lebewesen eines fernen Planeten auf der Erde. Es waren Forscher, die Kontakt zu den Menschen suchten. Sie kamen in Frieden und wollten nichts Böses. Was aber keiner hatte ahnen können war, dass es auf dem Planeten einen Menschen gab, der einen einmaligen genetischen Defekt aufwies. Mikroben des außerirdischen Raumschiffs reagierten mit ihm und es entwickelte sich ein absolut tödlicher Virus, der fast die gesamte Menschheit vernichtet hatte. Nur wenige Menschen bildeten Antikörper gegen diesen Virus und konnten so überleben. Neben den Folgen des Virus kam es auch noch zu Plünderungen und letztendlich zu Anarchie. Regierungen wurden in kürzester Zeit gestürzt und die Militärs waren machtlos. Die Menschen starben qualvoll an den Folgen der Seuche. Die letzten Überlebenden flüchteten nach Australien.“ Ich war geschockt und stand wie in Trance neben Aurelia und hörte ihr zu. „Die Außerirdischen wollten helfen, da die Seuche erst durch Mikroben Ihres Planeten ausgelöst worden ist. Sie versorgten die letzten Überlebenden der Menschheit mit Informationen und außerirdischer Technologie, damit ihr Fortbestand gesichert werden konnte. Es dauerte fast 200 Jahre bis unsere Wissenschaftler eine Möglichkeit fanden, durch die Zeit zu reisen. Der Ältestenrat fällte in langen Beratungen die Entscheidung, etwas gegen das Geschehene zu unternehmen. Jemand sollte zurück durch die Zeit reisen, um den Menschen mit dem Gendefekt zu finden. Er müsste eliminiert werden, bevor er Kontakt mit den Außerirdischen aufnehmen würde. Das Risiko eines Paradoxon sollte in Kauf genommen werden.“ „Ja, aber was hat das Ganze mit mir zu tun?“ „Hast du es immer noch nicht verstanden? Du bist der, den wir suchen … Du hast den Gendefekt und wirst die Seuche auslösen, sobald die Außerirdischen auf der Erde landen. Wir wurden ausgeschickt um dich zu töten und die Vernichtung der Menschheit aufzuhalten. Nachdem der Erste von uns gescheitert war, sollte ich seinen Platz einnehmen.“ „Der Mann von dem Parkplatz …“ Jetzt verstand ich die Zusammenhänge. „Warum zeigst du mir das alles? Was willst du von mir? Was soll ich tun?“ Aurelia senkte den Kopf bevor sie mir tief in die Augen schaute. „Ich will, dass du stirbst …“

Da stand ich nun inmitten von Ruinen und Aurelia wollte von mir, dass ich sterbe… Das sagte sie mir so direkt ins Gesicht. Ich war wie vor den Kopf gestoßen. „Weißt du, was du da von mir verlangst?“ „Oh ja das weiß ich sehr wohl. Denn dein Schicksal ist eng mit dem meinem verbunden … Ur - Ur - Ur -Ur – Großvater. Ja genauso ist es. Daher glaubtest du auch mich zu kennen. Wir sind miteinander verwandt … Doch in dem Moment, wo du stirbst, wird auch mein Leben zu Ende gehen. Die Geschichte wird sich dann hoffentlich verändern und alles nimmt eine andere Wendung. Es kann sein, dass meine Eltern nie geboren werden … folglich werde auch ich nie geboren. Sicher gibt es noch die minimale Chance, dass ich … nein … erfahren würde ich es doch nie. Ich dachte, wenn ich den Job übernehme, dann könnten wir uns von der Schuld, die seit 200 Jahren auf unserer Familie lastet, wieder reinwaschen. Aber ich kann es nicht … ich kann nicht meinen Ur - Ur - Ur -Ur – Großvater kaltblütig erschießen. Ich war die letzte Hoffnung der Menschheit und ich habe versagt…“ „Du musst mich nicht töten, was ist wenn ich hier bleibe … in dieser Zeit?“ „Das ist nicht möglich, denn in einem Jahr wird deine Frau Zwillinge zur Welt bringen, die die Linie unserer Familie begründen. Du musst zurück…“ Aurelia packte mich am Arm und betätigte einige Knöpfe an ihrer Uhr. Erneut wurden wir von blauem Licht umhüllt und Blitze zuckten durch die Luft. Die Welt um uns herum begann zu verschwimmen. Mir wurde schwindelig und Aurelia stützte mich ein weiteres Mal. „So jetzt bist du wieder daheim. Ich werde dich jetzt gleich verlassen. Für immer … Du brauchst also keine Angst haben, dass wir noch einmal erscheinen werden. Die Energie für die Reisen durch die Zeit ist nach meiner Rückkehr in meine Zeit aufgebraucht. Bevor wir wieder genügend Energie haben werden, werden weitere 100 Jahre vergehen, doch dann haben wir das Zeitfenster, um die Geschichte noch zu ändern, verpasst. Es liegt jetzt ganz allein an Dir. Für welchen Weg du dich auch entscheiden wirst … Du hast es in der Hand, ob die Menschheit eine Chance zum Überleben bekommt. Ich möchte dir noch etwas geben.“ Aurelia reicht Samuel eine kleine blaue Pille. „Was ist das?“ „Es geht dann ganz schnell. Du wirst keine Schmerzen haben…“ „Ich verstehe…“ „Ich werde dich jetzt verlassen. Die Zukunft liegt jetzt in deinen Händen. Triff eine weise Entscheidung.“ Aurelia wollte gerade die Zahlen in ihre Uhr eingeben, als ich eine Eingebung hatte. „Warte … noch nicht! Hast du vielleicht eine Familienchronik für mich?“ „Was willst du damit?“ „Ich möchte wissen, wie sich unsere Familie entwickeln würde. Bitte, hast du so etwas?“ Aurelia überlegte kurz. „Ja, warte einen Moment.“ Sie ging zu einem meiner Computer und koppelte ihre Uhr an. In Windeseile schaffte es Aurelia, Daten von ihrer Uhr auf meinen Computer zu überspielen. Dann zeigte sie auf den Bildschirm. „Hier ist der Stammbaum unserer Familie. Ich wünsche dir alles Gute. Wir werden uns nie wieder sehen…“ Aurelia winkte mir zum Abschied, bevor sie in einem blauen Lichtkegel für immer verschwand…

Im hier und jetzt…

Ich löschte das Licht im Kinderzimmer, ging zurück ins Wohnzimmer und setzte mich vor den Kamin. Meiner Frau hatte ich all die Zeit über nichts von meinen Erlebnissen erzählt. Wer würde mir denn schon glauben. Außerirdische landen auf der Erde und eine Seuche vernichtet das Leben auf unserem Planeten. Man hätte mich umgehend in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Nein, das konnte ich nicht zulassen. Zudem hatte Aurelia Recht behalten. Meine Frau bekam Zwillinge. Dennoch hatte ich meine Entscheidung bereits seit langem getroffen. Die Menschheit sollte eine zweite Chance bekommen. Aber auch meiner Familie wollte ich eine Chance auf Leben geben. Ich verfasste einen Abschiedsbrief, der alles erklären sollte. Ich bat meine Familie um Verzeihung für das was ich getan habe. Sie sollten mich auch nicht als Verrückten abstempeln, sondern die von mir beschriebenen Ereignisse abwarten. Sollten diese Geschehnisse nicht eintreten, könnten sie mich verfluchen. Aber wenn ich Recht behalten würde, sollten sie den zweiten Brief öffnen und versuchen, den darin enthaltenen Anweisungen zu folgen. Im zweiten Brief hatte ich den Stammbaum unserer Familie hinterlegt. Ich wollte wenigstens versuchen Aurelia eine Möglichkeit zur Existenz geben. Ich wusste nicht ob es klappen würde, ob ich das Schicksal überlisten konnte. Doch wenigstens wollte ich es versuchen…

Jetzt heißt es „Leben oder Sterben“. Doch für die Menschheit heißt es „Sterben um zu leben“. Was hatte Aurelia noch zu mir gesagt? Die Zukunft liegt in deinen Händen. Ja, und damit hatte sie Recht. Ich hielt die blaue Pille, die sie mir gegeben hatte, jetzt in meinen Händen. Völlig schmerzfrei würde ich einschlafen. Der Anfang vom Ende für mich, aber eine bessere Zukunft für meine Familie. In dieser Gewissheit schluckte ich die Pille herunter…

Ende
1 Abaddon - biblisch, Bedeutet in Hebräisch "Vernichtung, Zerstörung"
2 Barnabas - biblischer Name aramäischer Herkunft (Bedeutung: barnabia = „Sohn der (tröstenden) Weissagung“.
3 Mira - griechisch: das Schicksal

Impressum

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Tag der Veröffentlichung: 01.07.2012

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