Cover


Alexanders Stimmung sank weiter unter den Gefrierpunkt. Verdammt nochmal, er musste diesen Fall so schnell wie möglich abschließen, damit er Sophia endlich aus seinem Kopf bekam. Diese zierliche blonde Frau mit ihren verführerischen karamellfarbenen Augen strahlte, trotz ihrer meist legeren Kleidung, eine Eleganz und Anmut aus, die ihm den Atem raubte. Dazu kam, dass er in den letzten Tagen, als er ihre Vergangenheit durchforstete, von ihrem Heimaufenthalt erfahren hatte. Zur Hölle. Es machte ihn wahnsinnig. Er konnte einfach nicht herausfinden was damals genau passiert war. Die Akten waren unter Verschluss und ein befreundeter Richter, hatte ihm nur den Hinweis gegeben, dass es mit ihrem Stiefvater Probleme gab. Was hatte er ihr angetan? Wütend ballte er seine Hände zu Fäusten. Himmel, es konnte ihm doch eigentlich total egal sein. Er sollte sich auf seinen aktuellen Fall konzentrieren. Mehr nicht. Alles andere musste er einfach ausblenden. Er war 33 Jahre, ein erwachsener Mann. Frauen bedeuteten für ihn kurzes Vergnügen. Nicht mehr. Und so gedachte er es auch beizubehalten. Genervt fuhr er sich mit beiden Händen durch die Haare und verlies mit großen Schritten seine Villa.

 



Erleichtert sah ich auf meine Armbanduhr. Endlich war es fünf Uhr nachmittags. Arbeitsende. Und obwohl ich meinen Job als Teamassistentin, in dem kleinen Architekturbüro liebte, hatte ich heute einfach keinen Nerv mehr. Fluchtartig verließ ich den Schreibtisch, verabschiedete mich kurz von meinen Kollegen und fuhr auf die wie immer verstopfte Autobahn. München um diese Uhrzeit schnell hinter sich zu lassen, war so gut wie unmöglich. Seufzend reihte ich mich in die Autoschlange ein. Vereinzelt ertönten Hupgeräusche von frustrierten Menschen. „Als ob das irgendetwas helfen würde!“, grummelte ich vor mich hin und starrte gelangweilt durch die Windschutzscheibe.
Auf einmal sah ich vor mir einen roten Audi R8. „Shit!“ Adrenalin schoss mit 250km/h durch meinen Körper. „Verdammt! Er ist es. M-J 66.“ Es bestand kein Zweifel. Innerlich flehte ich Gott auf Knien an, dass Jan nicht in den Rückspiegel sah. Bitte, bitte. Gebannt beobachtete ich wie der Verkehr vor mir wieder in die Gänge kam. Flink schlängelte sich Jan von einer freien Lücke zur anderen, bis er wenige Sekunden später aus meinem Blickfeld verschwunden war.
Puh, das war knapp. Zischend ließ ich den Atem durch meine Zähne entweichen. Das Letzte was ich gebrauchen konnte, war eine Wiederholung der letzten Monate. Es waren die Schlimmsten meines bisherigen Lebens. Dabei hatte mit Jan alles so vielversprechend angefangen. Er war zwei Jahre älter als ich und für Außenstehende der perfekte Freund. Er sah nicht schlecht aus, hatte einen guten Job als Ingenieur bei AUDI und spielte auf Familienfeiern immer den liebenswerten Schwiegersohn. Nach einiger Zeit jedoch veränderte er sich. Er flippte wegen jeder Kleinigkeit aus und wurde handgreiflich. Außerdem machte er immer mehr Überstunden. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es an seiner neuen Assistentin lag. Tja. Zwanzig Jahre jung, viel Oberweite und ein kurzer Rock. Da schalteten die männlichen Gehirnzellen eben ab. Für mich war es ein Tiefschlag. Wäre meine beste Freundin Nani nicht gewesen und hätte mich mit Sack und Pack aus seiner Wohnung gezerrt, würde ich wahrscheinlich immer noch im Schlafzimmer in der Ecke kauern, um mir die Augen aus dem Kopf zu weinen. Sie war wirklich mein rettender Engel. Doch nach meinem Auszug fing die eigentliche Misere erst an. Mein Ex hatte sich in den Kopf gesetzt, unsere Trennung nicht zu akzeptieren. Er entwickelte sich zum irren Stalker. Es ging so weit, dass ich vor Gericht gehen musste. Erst die einstweilige Verfügung brachte ihn zur Vernunft. Obwohl ich ihn heute das erste Mal, seit drei Monaten wieder gesehen hatte, steckte mir die Angst immer noch tief in den Knochen. Die psychologische Betreuung von Frau Dr. Rheinfels half zwar, doch ganz hatte ich dieses Gefühl, beobachtet zu werden, noch nicht abstellen können.
Aggressive Hupgeräusche ließen mich aus meinem trüben Tagtraum aufschrecken. „Ist ja gut! Ich fahre schon!“
Zu Hause angekommen, bemerkte ich erleichtert, dass Nani bereits von der Uni zurück war. Ich hasste es alleine zu sein. Die Panikattacken hatte ich viel besser unter Kontrolle, seitdem meine Freundin und ich zusammen eine Wohnung gemietet hatten. Nani gab mir Geborgenheit und ihr unbeschwertes Wesen tat mir gut.
„Hey Süße, du bist schon da?“ Stürmisch fiel mir Nani um den Hals und zerrte mich in die kleine gemütliche Küche. Unsere Wohnung kurz vor den Toren München`s war nicht groß. Drei Zimmer, Küche, Bad. Für meinen Geschmack jedoch völlig ausreichend.
„Schön, dass du heute so früh dran bist. Ich habe nämlich beschlossen, dass deine dunkle Phase nun vorbei ist. Ab heute wirst du wieder am Leben teilnehmen!“
Verdutzt hob ich meine Augenbrauen. „Ähm, was ist vorbei? Ich…!“
„Sophia, du bist jetzt 29 Jahre und du führst das Leben einer alten Jungfer. Bitte sei mir nicht böse. Ich weiß, du hast in der letzten Zeit viel Mist erlebt, aber lass nicht zu, dass deine Vergangenheit dich gefangen hält.“
„Nani,…ich kann,….Ich habe Jan heute gesehen!“, stammelte ich.
Geschockt nahm meine Freundin meine Hand und zerrte mich auf die Esstischbank. „Was? Wo? Hat er dir was getan?“
Unruhig fing ich an mit meinem rechten Fuß zu wippen. „Er war im Auto vor mir…auf der Autobahn…er hat mich nicht gesehen.“ Meine Stimme war heiser.
„Meine Süße. Bist du okay?“ Tröstend strich mir Nani über den Arm.
War ich okay? Ich hatte keine Ahnung. Jan zu sehen hatte mich geschockt, das war sicher. Doch was ich erst jetzt wahrnahm: Die Panikattacke war ausgeblieben. Verwundert schüttelte ich meinen Kopf.
Die ernsthaft besorgte Stimme meiner Freundin riss mich aus meinen Gedanken. „Du bist nicht okay?“
Irritiert starrte ich Nani in ihre großen braunen Kulleraugen. „Ähm, doch mir geht es gut. Komischerweise.“
„Genial. Sophia, das ist erst der Anfang. Glaube mir, jetzt geht es wieder bergauf. Wir bringen wieder Schwung in dein Leben. Vielleicht solltest du auch deine blonden Haare abschneiden lassen, oder schwarz färben?“
Entgeistert fixierte ich Nanis Gesicht. „Was? Ich lasse mir meine Haare bestimmt nicht schwarz färben. Bist du irre?“
Doch das freche Blitzen in ihren Augen verriet sie. „Ich mache doch nur Witze. Aber um die Gunst der Stunde zu nutzen, werden wir jetzt ins StarFit düsen.“
„Ins Fitness Studio? Das ist doch nicht dein Ernst!“
„Oh doch! Und du kommst mit.“
„Bitte verschone mich damit! Ich konnte diesen Muki-Buden noch nie etwas Positives abgewinnen.“
Nani rollte mit den Augen: „Die Bewegung wird dir guttun. Nicht, dass du es nötig hättest. Ganz im Gegenteil, ein Paar Pfund mehr, würden nicht schaden. Aber ich denke der Sport wird dir helfen dich selbst wieder zu fühlen. Komm schon, lass es uns wenigstens versuchen!“
Was konnte ich dagegen noch sagen. Ich wusste, meine Freundin wollte nur mein Bestes. Deshalb biss ich in den sauren Apfel und gab nach.
Vierzig Minuten später standen wir beide vor dem neue IN –Studio Münchens. Hier gaben sich angeblich Stars und Sternchen die Türklinke in die Hand. Nun denn, auf in den Kampf.
Zuerst wurden wir beraten und eingestuft. Kurz darauf befanden wir uns in dem Kurs: Bauch, Beine, Po. Mann, war das anstrengend. Am liebsten hätte ich mich auf den Boden gelegt, um erschöpft Arme und Beine von mir zu strecken, doch ich wollte Nani nicht verärgern und machte gute Miene zum bösen Spiel. Aber Sport war definitiv nicht Meins. Als die Stunde endlich vorüber war, schickte ich einen Dankesgruß zum Himmel.
Nach der wohlverdienten Dusche, hievte ich mich erschöpft auf den Beifahrersitz. Gut, dass Natascha darauf bestanden hatte mit ihrem Mini zu fahren. Ich hätte nicht einmal die Kraft gehabt den ersten Gang einzulegen.
„Wow, das hat gut getan. Das machen wir jetzt jede Woche!“
Gott, stehe mir bei. Jede Woche?
„Sophia?“ Meine Freundin warf mir einen strengen Blick zu.
„Wenn es unbedingt sein muss!“ Genervt verzog ich mein Gesicht zu einer Grimasse. Sie wusste aber auch wie man jemanden fertig machen kann.
„Braves Mädchen. Du wirst sehen, wie gut dir der Sport tun wird. Vertrau` mir!“
„Mmmm! Wir werden sehen!“ Vielleicht hatte sie sogar Recht. Etwas Abwechslung tat mir wahrscheinlich gut. Die letzten Monate hatte ich nicht viel unternommen. Ich war nur in der Arbeit und zu Hause. Nicht mal zum Einkaufen konnte ich mich überwinden. Ohne meine Freundin wäre ich wohl oder übel verhungert.
„Sophia, hörst du eigentlich noch die Stimmen?“
Unruhig rutschte ich auf dem Sitz hin und her. „In letzter Zeit nicht mehr!“, gab ich leise von mir.
„Das ist gut. Siehst du, du machst Fortschritte. Deine letzte Panikattacke liegt auch schon einen Monat zurück.“ Aufmunternd zwinkerte Nani mir zu.
„Ja. Ich hoffe das bleibt so!“ murmelte ich nachdenklich.
Ich traute dem Frieden nicht ganz. Die Stimmen hatten mich echt aus der Bahn geworfen. Sie waren beängstigend. Genau genommen, hatte ich nur eine Stimme gehört. Die von Jan. Immer wenn er mir aufgelauert hatte und er sich in meiner Nähe befand, hörte ich seine Gedanken. Oder ich dachte wohl eher, seine Gedanken zu hören. Es war der reinste Horror. Die wöchentlichen Sitzungen bei meiner Ärztin halfen mir zwar, nicht komplett durchzudrehen, doch auch sie konnte mir mein Sorge verrückt zu werden, nicht nehmen. Ich hatte einfach wahnsinnige Angst durchzudrehen. Aber meine Freundin hatte Recht. Es ging mir wirklich besser.
Nach einer Weile legte Natascha Ihre derzeitige Lieblings-CD von Frida Gold ein. -WOVON SOLLEN WIR TRÄUMEN- Auf magische Weise zog mich dieser Titel in seinen Bann. -Woran können wir glauben? Wo führt das hin? Was kommt und bleibt? So wie wir sind...All die Hoffnung die war; Ist schon lang nicht mehr da. Schon wieder ne Nacht einfach vertan-

Ich ließ meine Gedanken schweifen. Wovon träumte ich eigentlich? Hatte ich noch Träume? Oder hatte ich mich durch Jan so verunsichern lassen, dass ich mein Leben nie mehr so unbeschwert führen konnte, wie früher? Aber war ich jemals wirklich unbeschwert? Nein. Dieses Gefühl wurde bereits in meiner Kindheit für immer zerstört. Doch ich hatte es satt, immer das Opfer zu sein. Wut krampfte sich in meinem Bauch zusammen und ich ballte meine Fäuste. Hatte ich nicht auch ein Recht auf etwas Glück?
Wieder durchdrang das Lied meine Gedanken. -Ich hab gesucht und gesucht. In den hintersten Ecken. Nach Augen, die mich interessieren-

Tja. Was suchte ich? Wahrscheinlich mich selbst. Und das schon mein Leben lang. Durch Isolation jedoch wurde das Ganze nicht besser. Nani hatte Recht. Ich musste wieder am Leben teilnehmen.
„Ähm, Sophia, ist alles okay? Du wirkst so nachdenklich!“
„Gehst du mit mir morgen Abend tanzen?“ fragte ich unsicher.
Hustende Geräusche drangen an mein Ohr. Erschrocken klopfte ich Natascha auf den Rücken. „Ist alles in Ordnung? Hast du dich verschluckt?“
Krächzend antwortete sie: „Wer bist du? Und was hast du mit Sophia gemacht?“

Je näher der besagte Abend rückte, desto mehr verkrampfte ich mich. War ich wirklich bereit dafür? Ich versuchte diese quälende Frage aus meinem Gedächtnis zu verbannen. Nervös sah ich auf meine Armbanduhr. Verdammt, schon halb zehn. Um zehn wollten wir losfahren. Wie von der Tarantel gestochen sprang ich unter die Dusche. Zehn Minuten später stand ich, in ein dickes weißes Handtuch gewickelt und mit nassen Haaren, vor meinem offenen Kleiderschrank. Ratlos betrachtete ich meine Klamotten.
„Hey Süße…“
Erschrocken zuckte ich zusammen. „Mann, Natascha. Schleich dich doch nicht so an!“
„Sorry!“
Ich seufzte. Irgendwann bekam ich noch einen Herzinfarkt wegen ihr. „Ich weiß nicht was ich anziehen soll!“ gab ich schmollend von mir.
Meine Freundin zwinkerte mir aufmunternd zu. „Das haben wir gleich. Lass mich mal sehen!“ Konzentriert ging Nani die Kleidungstücke durch. „Oh ja. Das ist es.“ Freudestrahlend hielt sie mir ein kurzes lila Seidenkleid vor die Nase. „Dazu die schwarzen Wildlederstiefel und die Haare trägst du offen.“
Ein dankbares Lächeln stahl sich auf meine Lippen. „Du siehst übrigens super aus!“, sagte ich grinsend. Natascha trug ein dunkelblaues Etuikleid, mit einem cognacfarbenen Gürtel und High Heels in derselben Farbe. Ihr dunkelbrauner Bob glänzte seidig und ihre großen braunen Augen strahlten Selbstbewusstsein aus. Ich hätte gern etwas mehr von ihr gehabt. In ihrem Denken gab es keine Grenzen.
„Ab mit dir ins Bad, deine Haare sind ja noch ganz nass.“ Meine Freundin verpasste mir einen Klaps auf den Hintern. „Du hast zehn Minuten!“, kommandierte sie streng.

Der Türsteher vom 8seasons winkte uns durch.
„Süße, zappele nicht so. Entspann dich. Du siehst zum Anbeißen aus.“ Mahnend hob sie den Zeigefinger: „Denk daran wir sind hier, um uns zu amüsieren.“
Ich schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Dann nickte ich ihr zu.
Sofort nahm Nani meine Hand um mich an die Bar zu führen. Während sie bestellte, sog ich die Atmosphäre des Clubs in mich auf. Die Dunkelheit hüllte mich in einen schützenden Mantel, der mir Sicherheit gab.
„Hier. Ein Touch Down. Geht auf mich!“ Grinsend hielt mir Natascha den riesigen Cocktail vor die Nase.
Bereits nach wenigen Zügen, bemerkte ich die enthemmende Wirkung des Alkohols.
Nachdem das erste Glas geleert war, zerrte mich meine Freundin auf die Tanzfläche. Hier war die Hölle los. Der Bass wummerte, überall war Nebel und die Musik zog mich in ihren Bann.
Nach kurzer Zeit bemerkte ich, wie mich einige Männer mit großem Interesse beobachteten. Ich lachte. Verblüffender Weise machte es mir nichts aus. Mein Gehirn schlug nicht sofort den “Achtung-Männer-sind-böse-Alarm“, sondern ich konnte die Aufmerksamkeit genießen.
Auf einmal stupste mich meine Freundin an. „Geh mich kurz frisch machen. Kommst du mit?“, schrie sie über die Musik hinweg.
Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte einfach nur tanzen.
„Gut. Bin gleich wieder da. Nicht weglaufen.“
Berauscht bewegte ich mit zum Beat, als ich plötzlich eine drohende Stimme hörte. „SOPHIA, MEINE SCHÖNE!“
Irritiert sah ich mich um. Wer hatte das eben gesagt? Direkt neben mir waren nur Frauen und die Stimme gehörte eindeutig zu einem Mann.
Dann sah ich ihn. Sein eiskalter Blick bohrte sich, quer über Tanzfläche, in mein Gesicht. Oh Gott. Jan. Mein Herz schlug mir bis zum Hals.
„Ich habe dir prophezeit, dass du mir nicht entkommen wirst!“, hallte es in meinem Kopf.
Panik erfasste mich. Ich bekam kaum noch Luft. Der letzte Rest meines Gehirns, der noch funktionierte, befahl mir wegzulaufen. Doch mein Körper gehorchte nicht mehr. Ich spürte wie meine Knie nachgaben. Kurz bevor ich auf den Boden knallte, fingen mich starke Arme auf. Dann ging alles unfassbar schnell. Mein unbekannter Retter presste mich an seine muskulöse Brust und brachte mich fort. Erst als ich die kühle Luft spürte, bemerkte ich, dass wir den Club verlassen hatten.
„Atme Sophia!“ befahl eine tiefe samtene Stimme.
Ich versuchte zu gehorchen und konzentrierte mich darauf meine Atmung unter Kontrolle zu bringen.
„So ist es gut. Es kann dir nichts passieren. Ich werde auf dich aufpassen!“
Seine Worte beruhigten mich. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich in den Armen eines fremden Mannes lag. Trotzdem hatte ich mich noch nie so geborgen gefühlt. Seine Körperwärme schützte mich vor der kalten Oktobernacht und sein betörender Duft schenkte mir Seelenfrieden. Er roch nach der Reinheit des ersten Schnees.
Plötzlich durchbrach das hektische Klacken von Stöckelschuhen die Stille der Nacht.
„Sophia!“ kreischte Nani. „Was ist mir dir?“
Noch bevor ich meine Gedanken ordnen konnte, stand sie vor uns. Aufgebracht schlug sie auf den Arm des Unbekannten ein.
„Was hast du mit ihr gemacht! Wenn du ihr etwas angetan hast, wirst du dir wünschen, nie geboren worden zu sein. Lass sie sofort los!“
„Denkst du, du kannst selbst stehen?“ fragte er mich sanft, ohne meine hysterische Freundin weiter zu beachten.
Ich sah hoch und begegnete zum ersten Mal seinem Blick. Seinen smaragdgrünen Augen. Sie raubten mir den Atem. Er war wunderschön. Er hatte ein männlich markantes Gesicht, eine gerade Nase und dunkelbraune Haare. Fasziniert beobachtete ich seine sinnlichen Lippen.
„Was meinst du?“, flüsterte er.
Fragend fixierte ich wieder seine funkelnden Augen und zog meine Augenbrauen nach oben.
„Kann ich dich runter lassen?“, fragte er noch einmal mit Engelsgeduld.
Röte schoss in meine Wangen. Mann, war das peinlich. „Ähm,…ja…natürlich!“, keuchte ich verlegen.
Vorsichtig ließ er mich nach unten gleiten, bis ich wieder festen Boden unter meinen Füßen spürte.
Natascha war sofort bei mir, um unterstützend einen Arm um meine Taille zu legen. „Sophia, Süße, was ist da drinnen passiert? Du warst nicht mehr auf der Tanzfläche. Ich…!“
Vor meinem inneren Auge erschien das Bild von Jan. Sein eisiger Blick und die schreckliche Erkenntnis, dass ich seine Stimme wieder in meinem Kopf gehört hatte, jagten kalte Schauer über meinen Körper.
Liebevoll strich mir meine Freundin über die Wange. „Rede mit mir, Süße!“
Auf einmal räusperte sich der dunkelhaarige Unbekannte. „Sophia hatte einen Schwächeanfall. Ich habe sie an die frische Luft gebracht. Du solltest sie jetzt nach Hause bringen!“
Nani sah irritiert zwischen mir und dem Mann hin und her. „Schwächeanfall? Vielleicht hat ihr irgendjemand etwas in ihr Getränk getan. Wahrscheinlich warst du es sogar!“ Wütend zielte sie mit ihrem Zeigefinger auf den verblüfften Mann. „Natürlich. Doch leider bin ich ja aufgetaucht, bevor du sie verschleppen konntest!“, schrie sie ihn wütend an.
Ich räusperte mich. „Nani. Nein. Er hat mir geholfen. Es war….Jan…“, wisperte ich. Danach brach meine Stimme.
Natascha erstarrte. Nach einer kurzen Weile gewann sie jedoch ihre Fassung zurück. „Ich bringe dich nach Hause, Engelchen. Alles wird gut. Komm.“
Ob sie damit mich, oder sich selbst beruhigen wollte, konnte ich nicht sagen.
Auf dem Weg zum Parkplatz spürte ich plötzlich, wie kräftige, lange Finger mein Handgelenk umschlossen. Sofort hielt ich an und blickte in das wunderschöne Gesicht meines Retters.
„Sophia, hier ist meine Visitenkarte. Bitte nimm sie. Ich kann dir helfen. Vertrau mir!“
Verwundert sah ich ihn an. Was sollte das heißen und woher kannte er meinen Namen? Er hatte mich bei meinem Namen genannt, noch bevor Nani überhaupt in der Nähe war. Alle Alarmglocken in meinem Kopf begannen zu läuten. Halte dich von ihm fern. Doch ich konnte einfach keine Angst empfinden. Nicht vor ihm.

Zu Hause schnappte ich mir eine Schlaftablette und spülte sie schnell mit einem Glas Leitungswasser hinunter. Ich wollte nicht mehr über den heutigen Abend nachdenken. Der erschreckenden Wirklichkeit entfliehen. Weit weg in die Welt der Träume.

Höllische Kopfschmerzen empfingen mich am nächsten Morgen. Die Kombination von Alkohol und Schlaftabletten war nicht die Beste Entscheidung gewesen. Doch wahrscheinlich immer noch besser, als eine durchwachte Nacht voller Grübeleien, gespickt mit Panikattacken.
Erschlagen von den gestrigen Ereignissen, legte ich den Arm über meine Augen und atmete tief durch. Ich wusste, dass ich nun wieder am Anfang stand. Meine gesamten Fortschritte der letzten Monate, waren durch Jan`s Auftauchen, mit einem Schlag vernichtet worden. Allein bei dem Gedanken wieder jeden Tag zur Gesprächstherapie zu müssen, wurde mir übel. Was, wenn ich es nie schaffte meine Ängste zu überwinden? Oder schlimmer. Was, wenn Frau Dr. Rheinfels beschloss mich einliefern zu lassen?
Plötzlich schlichen sich die Worte des schönen Unbekannten in meinen Kopf. Sophia, hier ist meine Visitenkarte. Bitte nimm sie. Ich kann dir helfen. Vertrau mir! Oh, die Visitenkarte, wo hatte ich die? Ach ja, in meiner Tasche.
Wackelig bahnte ich mir den Weg, durch am Boden liegende Klamotten, zu meiner Tasche, die neben dem Schrank lag. Ah, verdammt, mein Kopf. Ich musste unbedingt ein Aspirin nehmen. Nach einigen Sekunden hielt ich die Visitenkarte vor mein Gesicht. Murmelnd las ich: „VanBergen Security Ltd., Alexander VanBergen, CEO, Schloss Allee, München.“ Verwundert ließ ich meinen Blick noch einmal, über die elegant geschwungene Schrift, gleiten. Security? Hieß das, er wollte mir seinen persönlichen Schutz anbieten? Und woher wusste er meinen Namen? Steckte er vielleicht sogar mit Jan unter einer Decke? Oder arbeitete er mit dem Gericht zusammen? Hatte er von dort seine Informationen? Mein Kopf rauchte. Ich wusste nicht recht was ich davon halten sollte. Wäre es klug, mich mit ihm in Verbindung zu setzen?
Nein. Ich wollte keinen Begleitschutz und ich wollte auch meine Therapie nicht noch einmal beginnen. Ich wollte einfach nur ein ruhiges Leben.

GOTT SEI DANK verliefen die nächsten Wochen ohne weitere ungeplante Zusammentreffen mit Jan. Gut, ich versuchte auch alle unnötigen Ausflüge zu vermeiden. Genau genommen verbrachte ich meine Zeit nur an zwei Orten. Zuhause und im Architekturbüro, vor welchem mich meine Freundin morgens absetzte und abends wieder abholte.

„Sophia, ich habe das Gefühl, dass dein Zustand wieder stabiler ist.“
Irritiert wand ich meinen Blick vom Fernseher ab und fixierte Nani. Sie saß neben mir auf der Coach und spielte mit einer braunen Haarsträhne.
„Ja. Ich denke schon“, erwiderte ich misstrauisch. Worauf wollte sie hinaus?
„Meine Mutter hat morgen Geburtstag. Sie feiert bei ihr zu Hause in Düsseldorf.“ Natascha stockte kurz, wartete meine Reaktion ab. Dann fuhr sie fort: „Ich müsste einmal übernachten.“
Das würde bedeuten, ich wäre die Nacht von Samstag auf Sonntag alleine. Mein Körper verspannte sich.
„Süße, du könntest doch mitkommen? Was hältst du davon?“
Kurz überschlug ich den Gedanken. Doch auf eine feiernde Gesellschaft hatte ich definitiv keine Lust. „Nein. Ich bleibe hier. Und du fährst zu deiner Mutter. Mach dir keine Sorgen. Ich komme schon klar.“
Natascha runzelte skeptisch die Stirn. „Ich kann auch hier bleiben!“, sagte sie sanft.
Natürlich wollte ich sie hier behalten, doch sie hatte bereits zu viele Opfer für mich erbracht. Deshalb durfte ich nicht so egoistisch sein. „Nani, du bist so lieb. Aber mir geht es gut. Bitte genieße die Zeit mit deiner Mutter.“

Als meine Freundin mich am nächsten Tag zum Abschied in eine herzliche Umarmung zog, hätte ich sie beinahe angefleht hier zu bleiben. Doch ich biss die Zähne zusammen.
„Mach es gut, Engelchen. Du weißt, du kannst mich jederzeit anrufen“, rief Natascha mir vom Auto aus zu.
Ich nickte. Unglücklich winkte ich ihr zu. Danach ging ich zurück in die Wohnung und schloss mit mulmigem Gefühl die Haustüre hinter mir ab.
So, was nun. Es war Samstagnachmittag. Irgendwie musste ich mich ablenken. Eine schnulzige DVD konnte nicht schaden.
In der Küche bereitete ich mir eine große Tasse heiße Schokolade zu und ging damit ins Wohnzimmer. Hmmm. Mal sehen welche Filme zur Auswahl standen. Neugierig durchwühlte ich das weiße Sideboard auf dem der Fernseher stand. Ich lächelte: „Oh ja. Perfekt. Liebe braucht keine Ferien. Einer meiner Favoriten.“ Ein gemütlicher DVD Nachmittag auf der Coach, mit einer dampfenden Tasse heißer Schokolade in der Hand und eingewickelt in eine kuschelige Decke, war jetzt genau das Richtige.
Der Film lenkte mich ab und ich wurde immer ruhiger. Die eine Nacht würde ich schon überstehen.
Nachdem der Film zu Ende war, beschloss ich zu lesen. Gerade, als ich mich vom Sofa erhob, um mir ein Buch aus meinem Zimmer zu holen, sah ich aus dem Augenwinkel einen Schatten an der Terrassentür vorbeihuschen. Ich erstarrte. Was war das? Ein Tier? Wieso mussten wir auch eine Wohnung im Erdgeschoß nehmen? Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Es war bestimmt ein Tier. Die Katze von Frau Stewens. Ja, ganz bestimmt. Es war die Katze von Frau Stewens.
Während ich diesen Satz in meinem Inneren, wie ein Mantra wiederholte, bewegte ich mich langsam auf die Terrassentüre zu. Ich würde einfach die Rollos herunter lassen. Mit zittrigen Händen machte ich mich daran, mich von der Außenwelt abzuschirmen.
Plötzlich hörte ich dumpfe Schritte. Mist. Es war jemand auf der Terrasse. Mein Puls schoss in schwindelerregende Höhen, während ich weiter das Rollo nach unten ließ. Jetzt bloß nicht durchdrehen. Vielleicht gab es eine ganz plausible Erklärung. Vielleicht…
„SOPHIA, WILLST DU MICH NICHT HEREIN BITTEN?“ fragte eine eisige Stimme, mit sarkastischem Unterton in meinem Kopf.
Ich zuckte zusammen. Oh nein, es war Jan. Er stand nicht mal einen Meter entfernt von mir auf der Terrasse. Kopflos stürzte ich in mein Zimmer. Ich musste die Polizei anrufen. Sofort. Ich brauchte mein Handy. Wo war das verdammte Ding bloß? Fieberhaft durchsuchte ich den Raum. Endlich fiel mir meine Handtasche am Boden neben dem Bett auf. Ich hatte mein Telefon bestimmt noch in der Tasche.
„WIE LANGE WILLST DU MICH DENN NOCH IN DER KÄLTE STEHEN LASSEN?“
Mit einem entsetzten Schrei fiel mir meine Tasche aus den Händen. Scheppernd verteilte sich der ganze Inhalt auf dem Parket.
Als ich Jan zynisch grinsend vor meinem Schlafzimmerfenster erblickte, schnappte ich schockiert nach Luft.
„KOMM SCHON BABY. STELL DICH NICHT SO AN.“
Dass er seinen Mund nicht einen Millimeter bewegte, sondern ich seine Worte wie immer nur in meinem Kopf hörte, steigerte meine Angst ins Unermessliche. Ich musste hier weg. Weg aus seinem Blickfeld. Verdammt, wo war bloß mein Handy? Fiebrig ließ ich meinen Blick über den Boden schweifen. Gott sei Dank. Es lag genau neben meinem rechten Fuß. Mit zitternden Knien beugte ich mich nach unten, um es aufzuheben, als die Visitenkarte von VanBergen Security Ltd in meine Augen stach. Ohne eine weitere Sekunde darüber nachzudenken schnappte ich Beides. Während ich zurück ins Wohnzimmer rannte, wählte ich verzweifelt seine Nummer.
„VanBergen!“ meldete sich eine tiefe geschäftsmäßige Männerstimme.
Ich war so erleichtert, dass ich schluchzte.
„Hallo, hier ist...!“ Meine Stimme streikte.
„Sophia, bist du das?“, fragte Alexander besorgt.
Ich schloss kurz die Augen und versuchte mich zu sammeln. Was jedoch nicht funktionierte. Ich zitterte wie Espenlaub.
„Jan, ist…!“ Wieder brach meine Stimme.
„Wo bist du, Sophia? Antworte mir!“ Alexander brüllte mich fast an.
Doch sein harter Ton brachte mich dazu, mich etwas zu fangen.
„Ich bin… zu Hause… Mühltalerstraße 4… in…“
Plötzlich war die Verbindung unterbrochen. Hatte er aufgelegt? Was hatte das zu bedeuten? Verzweifelt starrte ich auf das Display. Er hatte vor einigen Wochen doch gesagt, er könne mir helfen. Was er auch immer damit gemeint hatte.
Das leise Piepen meines Handy ließ mich zusammenzucken. Ängstlich las ich die Textnachricht. STEHE VOR DEINER HAUSTÜRE. ALEXANDER
Wieder und wieder überflog ich den Satz. War das eine Falle von Jan? Nervös verglich ich die Handynummer mit der Visitenkarte. Die Nummer stimmte überein. Gott stehe mir bei.
Unsicher verließ ich das Wohnzimmer und wankte mit zitternden Knien den Flur entlang, bis ich vor der Haustüre stand. Innerlich verfluchte ich, dass wir keinen Spion in der Türe hatten.
„Alexander?“ versuchte ich mit fester Stimme zu fragen.
Völlig außer Atem antwortete er: „Keine Angst. Ich bin hier.“
Nach diesen fünf Worten fiel mir ein zentnerschwerer Stein vom Herzen und ich riss die Tür auf.
Da stand er. Schwer atmend hob und senkte sich seine muskulöser Brustkorb. Seine grünen Augen strahlten eine Wildheit aus, die mich erschaudern ließ. Doch wie auch schon in München vor dem Club, fühlte ich mich in seiner Nähe sicher und beschützt.
Auf einmal gaben meine Beine nach. Erschöpft sank ich zu Boden.
„Hey. Alles ist gut“, hauchte er und zog mich hoch in seine starken Arme.
Aber mein Körper gehorchte mir nicht mehr. Es war alles zu viel. Der Ballast der letzten Monate stürzte in diesem Moment auf mich ein. Tränen liefen über meine Wangen und Krämpfe schüttelten meinen Körper.
Ohne zu zögern zog er die Haustüre hinter sich zu und trug mich auf seinen Händen den Flur entlang.
„Wo ist dein Zimmer?“ flüsterte er leise.
Mit bebenden Fingern zeigte ich ihm den Weg. Dort angekommen setzte er sich vorsichtig mit mir auf mein Bett und lehnte sich mit seinem Rücken gegen die Zimmerwand.
Seine Arme hielten mich immer noch fest umklammert. Beschützt lag ich in seinem Schoß, meine Wange an seine harte Brust gepresst.
Langsam bekam ich meinen Körper wieder unter Kontrolle. Mein Atem normalisierte sich und der Tränenfluss stoppte. Ob aus reiner Erschöpfung, oder ob es an Alexander lag, konnte ich nicht sagen. Vollkommen entkräftet fielen mir die Augen zu.
„So ist es gut. Ruh` dich aus. Ich werde auf dich aufpassen“, murmelte er beruhigend in mein Haar.

Alexander betrachtete die schlafende Sophia. Er hatte sie in ihr Bett gelegt, zugedeckt und sich selbst gegenüber auf das rote Stoffsofa gesetzt. Sie sah so zerbrechlich aus. Ihr Anblick weckte seinen Beschützerinstinkt. Tief in seinem Inneren wusste er, dass er sie besitzen wollte. Sie zu der Seinen machen wollte. Doch das kam nicht in Frage. Es stand schlichtweg nicht zur Diskussion. Nein. Er würde sich sein Leben lang, um die Firma kümmern. Das allein war sein Lebensinhalt. Obwohl die Sache mit Sophia, bereits jetzt schon über seinen Job hinausging. Seine Aufgabe bestand darin, die schwarzen Schafe seiner Rasse, zurück auf den richtigen Weg zu bringen. Doch das hätte sich in diesem Fall rein auf Jan beschränken müssen. Mit Sophia hätte er gar keinen Kontakt aufnehmen dürfen. Als er Jan im 8season observierte und er Sophia zutiefst verängstigt sah, konnte er nicht anders. Er musste ihr helfen. Erst hatte er sich eingeredet, dass er nur aus schlechtem Gewissen gehandelt hatte, weil er Jan nicht in den Griff bekam. Doch mittlerweile war er sich da nicht mehr so sicher. Sie faszinierte ihn. Auf eine Weise, die ihm Angst machte. Zur Hölle. Er musste aufpassen, dass diese Sache nicht aus dem Ruder lief.

 



Ein Klingeln weckte mich aus meinem unruhigen Schlaf. Orientierungslos linste ich auf meine Radiowecker, der auf dem kleinen weißen Nachttisch neben dem Bett stand. Die roten Zahlen verkündeten, es war vier Uhr morgens. Auf einmal verstummte das Klingeln.
„Chris!“ flüsterte Alexander. „Alles okay! Kümmere dich um Jan!“ Danach war das Gespräch beendet.
Schlaftrunken beobachtete ich Alexander, der sein Handy neben sich auf das Sofa legte. „Sorry. Ich wollte dich nicht wecken!“
Er wirkte angespannt. Nervös lächelnd erwiderte ich: „Ich denke, ich sollte mich lieber bei dir entschuldigen. Ähm… ich war gestern wohl ziemlich durch den Wind!“ Verlegen biss ich mir auf die Unterlippe und setzte mich auf.
Hatte ich gestern Abend in meiner Panik wirklich einen wildfremden oder zumindest fast wildfremden Typen angerufen? Der dann auch noch sofort zu meiner Rettung geeilt kam? Was lief hier?
Alexander fuhr sich mit beiden Händen durch seine zerzausten Haare. „Sophia, mach dir keine Gedanken. Ich mache nur meinen Job!“
„Job?“ fragte ich irritiert und umklammerte meine angewinkelten Knie. „Ach ja. Die Security Firma. Ähm, wie viel… Geld…!“
Sofort erhob sich Alexander. „Du schuldest mir keinen Cent.“, sagte er hart.
Verunsichert sah ich ihn an. Die Dunkelheit wurde nur durch das schwache Licht des Mondes und die leuchtenden Ziffern des Radioweckers durchbrochen. Doch allein die Silhouette dieses Mannes war zum Niederknien. Er sah aus wie ein junger Gott. Groß, athletisch und sein betörender Duft erfüllte mein kleines Schlafzimmer. Eine Mischung aus seinem herben Aftershave und der Reinheit des ersten Schnees.
Mit zwei großen Schritten kam er auf mich zu, um sich zu mir auf das Bett zusetzen. Sofort fiel mir der große Abstand auf, den er versuchte einzuhalten. Er wirkte fast unbeholfen, als er weitersprach. „Ich will kein Geld von dir! Ich will…! Er schluckte schwer, dann räusperte er sich. „Es ist so, meine Firma wurde beauftragt Jan zu beschatten. Ihn zur Vernunft zu bringen!“
Skeptisch sah ich ihn an. „Wer hat euch denn beauftragt?“
„Sophia, ich kann dir hier nicht allzu detaillierte Informationen geben. Nur so viel, dass wir Jan nicht in den Griff bekommen haben.“ Mit zusammengezogenen Augenbrauen starrte er mich an. „Was ich hier mache, verstößt gegen jede Regel!“ Seine Stimme war anklagend.
War er sauer auf mich? „Oh. Es tut mir leid!“ entgegnete ich kleinlaut.
„Nein. Du hast keine Schuld. Es ist nur… Ach shit!“ Wieder fuhr er sich mit beiden Händen durch seine Haare. „Ich werde dir helfen die Stimmen zu kontrollieren. Damit ist mein Part erledigt und jeder geht seiner Wege.“
Meine Kinnlade klappte nach unten, „Du weißt davon?“ keuchte ich verblüfft.
Alexander nickte.
„Woher?“ flüsterte ich beschämt.
„Hey!“ Tröstend legte er seine Hand auf mein Knie. Danach verfinsterte sich seine Miene wieder. „Ich weiß es, weil ich genauso bin wie Jan.“
Was sollte das bedeuten? Er war wie Jan? Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich Alexander überhaupt nicht kannte. Er war ein Fremder, auch wenn es sich nicht so angefühlt hatte, als er mich in seinen starken Armen hielt. „Du bist ein Stalker?“
„NEIN, ABER ICH BIN DASSELBE WESEN. ICH HABE DIESELBEN FÄHIGKEITEN.“

Erschrocken zuckte ich zusammen, als ich sah, dass Alexander seinen Mund nicht bewegt hatte und doch jedes einzelne seiner Worte laut in meinem Kopf hallte.
„BITTE HAB` KEINE ANGST. ICH KANN DICH LEHREN ES ZU KONTROLLIEREN.“
Fassungslos starrte ich ihn an. Würde dieser Horrortrip denn nie enden? Ich wollte diese Stimmen nicht mehr in meinem Kopf und ich wollte auch keine fadenscheinige Erklärung. Es gab keine vernünftige Erklärung dafür, außer dass ich langsam aber sicher den Verstand verlor.
Alexander rutschte etwas näher, um meine Hand zu nehmen. „Ich weiß, du denkst es liegt an dir. Aber ich kann dir versichern, das ist nicht der Fall. Ich weiß auch, dass du Fragen hast, doch die darf ich dir nicht beantworten. Das Einzige was ich für dich tun kann, ist dich zu lehren, die Stimmen zu kontrollieren.“
„Willst du mir damit sagen, ich bin gar nicht verrückt, sondern nur an den falschen Freund geraten, der zufällig die überirdische Fähigkeit besitzt, in die Köpfe anderer Menschen einzudringen?“ Wut sammelte sich in meinem Bauch. Wollte er mich verarschen? War Alexander vielleicht genauso irre wie Jan? Und ich holte ihn noch in meine Wohnung. Machten sie gemeinsame Sache? „Was willst du von mir?“ fauchte ich ihn an.

Alexander hatte gewusst, dass es nicht leicht sein würde ihr zu helfen. Was zur Hölle, hatte er sich auch dabei gedacht. Sie war ein Mensch. Hatte keine Ahnung von der Koexistenz der Allecti. Und so sollte es auch bleiben. Aber wie sollte er ihr helfen, ohne seine Art zu verraten? Diese bescheuerte Idee war von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

 



„Ich will, dass es dir wieder besser geht!“ Seine Stimme war kalt. „Nimm es an, oder lass es bleiben. Aber entscheide dich jetzt!“
Völlig perplex starrte ich ihn an. Seine Augen blitzten wütend. Wieso war er auf einmal so gereizt, wenn er mir doch helfen wollte? Er machte mir Angst.
„Sophia, ich warte!“ knurrte er.
Tausend Gedanken schossen wie Pfeile durch meinen Kopf. Was sollte ich tun? Ich glaubte nicht an das Übersinnliche. Menschen konnten nicht, in die Köpfe von anderen, eindringen. Und eine andere Rasse gab es auch nicht. Anderseits, was hatte ich schon zu verlieren, wenn ich mir Alexanders Vorschlag anhörte. Schlimmer konnte es definitiv nicht mehr werden. „Ok!“, flüsterte ich. Unsicher starrte ich auf meine Hände.
„Gut!“ Er klang erleichtert. „Denkst du, du bist fit genug, um sofort zu beginnen?“
Verstohlen warf ich einen Blick auf meinen Radiowecker. 04:11 Uhr. Innerlich seufzte ich, aber letztendlich rang ich mich durch zu nicken.
Zwei Sekunden später erhob sich Alexander vom Bett, um das Licht neben der Zimmertür anzuschalten.
Ah, war das hell! Meine Netzhaut protestierte. Schützend legte ich den rechten Arm vor meine Augen.
„Steh auf!“ kommandierte er hart.
Wieso war er so unfreundlich? Während ich vom Bett krabbelte, stahl sich Alexanders vorherige Aussage in meinen Kopf. ICH MACHE NUR MEINEN JOB! Er machte also nur seinen Job? Da er Jan nicht in den Griff bekam, setzte er eben bei mir an, damit er diesen Fall endlich abschließen konnte. Komischerweise versetzte mir diese Erkenntnis einen Stich. Aber was hatte ich erwartet? Das er mein Ritter in der Not war, der auf einem weißen Pferd angaloppiert kam, um mich zu retten? Und sie lebten glücklich, bis an ihr Lebensende?
„Stell dich in die Mitte des Raumes und sieh mich an!“
Alexander stand einen Schritt von mir entfernt. Er sah atemberaubend aus in seiner tiefsitzenden verwaschenen Jeans und dem schlichten graue Sweatshirt, das sich über seine breiten Schultern spannte.
Verlegen sah ich zu ihm auf. Nie zuvor war ich mir so unzulänglich vorgekommen. Ich musste ein schreckliches Bild abgeben. Verheulte Augen, zerzaustes Haar, verschmierte Mascara. Na toll.
Alexander räusperte sich. „Ich werde jetzt in deinen Kopf eindringen! Versuche dich zu konzentrieren, meine Stimme zu verdrängen!“ „DU MUSST DICH KONZENTRIEREN!“
Sofort hörte ich ihn in mir und zuckte zusammen. Obwohl er es angekündigt hatte, war es ein Schock. Aber es bedeutete auch, dass ich nicht verrückt war.
Ohne jegliches Warnsignal verabschiedete sich mein Kreislauf in den Keller und ich knallte mit meinen Hintern auf den Holzboden.
„Zur Hölle, Sophia, was ist mit dir?“ Blitzschnell hob mich Alexander hoch und setzte mich auf die weiße Kommode neben dem Sofa. „Alles in Ordnung?“, fragte er besorgt.
Mein Mund verformte sich zu einem Grinsen.
„Was ist denn so witzig?“
„Monatelang dachte ich, ich sei verrückt. Dass ich bald eingeliefert werden würde.“
Er nickte grimmig. „Ich weiß! Es ist meine Schuld!“
„Nein, es ist Jan`s Schuld“, protestierte ich.
„Das sehe ich anders. Ich hatte die Verantwortung für diesen Fall.“ Minutenlang sah er mich mit seinen funkelnden smaragdgrünen Augen an.
Er verurteilte sich dafür, was mir passiert war.
Tröstend legte ich meine Hand auf seine kräftige Schulter und flüsterte: „Ich danke dir für deine Hilfe im Club und heute. Bitte gib dir nicht die Schuld für Jan`s Taten.“
Plötzlich spürte ich wie er mir sanft eine verirrte Haarsträhne hinter mein Ohr strich. Was hatte er vor? Mein Puls schnellte auf 180. Dieser Mann erweckte Gefühle in mir, die ich vorher nicht kannte. Allein diese leichte Berührung verursachte ein Kribbeln in meiner Magengegend. Und obwohl es mir Angst machte so zu empfinden, sehnte sich mein ganzer Körper nach seinen starken Händen.

Er musste sich beherrschen. Seine Hand von ihrer weichen Haut nehmen. Verdammt, wieso begehrte er diese zierliche Frau so? Seine Männlichkeit spannte in der Hose. Er brauchte sie. Niemals zuvor hatte er diese Intensität verspürt. Mit aller Kraft versuchte Alexander sich gegen den inneren Drang, ihr nahe sein zu wollen, zu wehren. Doch sein Blick wanderte bereits zu ihrem faszinierenden Mund. Er musste sie einfach kosten. Wie von Sinnen packte er Sophia und presste seinen Mund auf ihre vollen Lippen. Gott, sie fühlte sich so gut an. Gierig stieß er mit seinen Hüften ihre Beine auseinander, um sich noch enger an sie zu drängen. Am liebsten hätte er sie auf der Stelle genommen. Sophias leises Stöhnen, als er sich an ihrer Mitte rieb, machte das Ganze nicht leichter. Er wusste, wie er auf sie wirkte. Ihr Körper wollte ihn, doch es war nicht richtig sie zu nehmen. Nicht jetzt und auch nicht in Zukunft. Sie hatte schon zu viele schlechte Erfahrungen in ihrem Leben ertragen müssen. Dem musste er nicht die Krönung aufsetzen. Mit aller Kraft, die er noch aufbringen konnte, löst er sich von ihr.

 



Schweratmend, saß ich auf der Kommode und starrte Alexander an, der nun zwei Schritte von mir entfernt stand.
„Es tut mir leid. Es wird nicht wieder vorkommen!“, gab er heiser von sich.
Ich schluckte. Versuchte meinen rasenden Puls wieder unter Kontrolle zu bringen. Was war bloß los mit mir? Hätte ich wirklich mit Alexander geschlafen, wenn er nicht aufgehört hätte? Verstört schüttelte ich den Kopf. So war ich nicht. Niemals. Ich war äußerst verschlossen was andere Menschen anging. Hatte zu viel Angst verletzt zu werden. Selbst in einer festen Beziehung war ich sehr zurückhaltend, was Sex betraf. Meine Vergangenheit warf einen dunklen Schatten über körperliche Nähe. Doch in diesem Fall traute ich mir gerade selbst nicht mehr. Kurz zuvor hatte Alexander meine Furcht in Luft aufgelöst und meinen Körper in Brand gesteckt. Ich begehrte ihn mit einer Intensität, die die Erde zum Beben brachte. So erschreckend die Erkenntnis auch war, ja, ich hätte mit ihm geschlafen. Diese Einsicht traf mich wie ein harter Schlag in die Magengrube.
Unsicher rutschte ich von der Kommode, bis ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte. „Hast du eine Freundin?“ Oh Gott, hatte ich das jetzt wirklich laut ausgesprochen?
Überrascht hob Alexander seine Augenbrauen. „Nein. Ich bin kein Typ für feste Beziehungen!“, sagte er kühl.
Ich errötete. Klar. Wie blöd konnte man auch sein. Er war ein Bild von einem Mann. Er konnte jede haben, wieso dann nicht jede nehmen? Plötzlich wurde mir heiß. Jede? Mich wollte er nicht! Verlegen sah ich zu Boden. Doch ich konnte es ihm nicht verübeln. Mein Äußeres war allerhöchstens durchschnittlich. Damit gab sich so ein Mann natürlich nicht zufrieden. Warum einen rostigen Golf fahren, wenn man einen nagelneuen lackschwarzen Porsche 911 haben kann. Ein bitteres Auflachen entglitt meiner Kehle.
„Wieso lachst du?“ fragte er.
„Es ist nichts“, murmelte ich frustriert. „Lass uns einfach weiter machen! Ähm… also, dass mit der Stimmenkontrolle.“
Seine grünen Augen verengten sich. „Gut. Ich werde nun wieder in deinen Kopf eindringen und du versuchst mich abzuwehren!“
„Wie soll ich das machen?“
„Stell dir vor um deinen Körper verläuft ein leuchtender Ring, der dich schützt. Konzentriere dich auf ihn. Er darf nicht verschwinden.“
„Okay!“ Es war eine schöne Vorstellung, dass mich ein gold-leuchtender Ring umschloss, der mich vor allem beschützte. Vor meinem inneren Auge konnte ich ihn sehen. Er war wie ein riesiger Heiligenschein, der mich von der Außenwelt abschirmte und wärmte.
„Sehr gut!“
Irritiert fixierte ich VanBergen, der mich begeistert anstrahlte. Er wirkte so jung, wenn er lachte, so unbeschwert.
„Du hast meine Stimme abgewehrt“, fügte er erklärend hinzu.
„Was?“
„KONZENTRIERE DICH!“ hallte es in meinem Kopf.
Sofort besann ich mich wieder auf meinen rettenden Ring und die Stimme verschwand.
Er räusperte sich, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen. „Du weißt nun was du zu tun hast, falls Jan wieder in deiner Nähe auftauchen sollte. Es ist reine Konzentrationssache.“ Er klang wieder hart. Abweisend.
Ich nickte. „Vielen Dank!“ murmelte ich etwas eingeschüchtert.
„Du brauchst mir nicht zu danken. Ich mache nur meinen Job!“
Ach ja. Gut, dass er es immer wieder betonte. Da konnte ich wenigstens nicht vergessen, dass er dies nicht wegen mir machte.
„Sophia, ich werde dich jetzt verlassen. Falls es nochmal Zwischenfälle mit Jan geben sollte, kannst du dich gerne melden. Ansonsten wünsche ich dir ein schönes Leben!“ Ohne weitere Umschweife drehte er sich um und verließ die Wohnung.
Nach diesem Abschied, würde sogar ein Blinder verstehen, dass er absolut kein Interesse daran hatte mich wieder zu sehen. Ich schluckte schwer und lies mich erschöpft auf mein Bett fallen.

An diesem Tag erwachte ich erst gegen Mittag. Gedankenverloren lag ich in meinem Bett und starrte gegen die weiße Zimmerdecke. Wow. Dieser Alexander VanBergen war definitiv rettender Engel und verführerischer Teufel in einer Person. Gott. Diese Augen. Dieses Gesicht. Dieser Körper. Bestimmt gab es Frauen, die für eine Nacht mit ihm töten würden. Ich schüttelte meinen Kopf, um mich auf die wirklich wichtigen Ereignisse zu konzentrieren. Er hatte mir beigebracht die Stimmen aus meinem Kopf zu verbannen. Das war das Einzige was zählte. Es war der Schlüssel zu meinem neuen Leben. Innerlich betete ich nur, dass ich das auch bei Jan schaffen würde. Sollte ich warten, bis er wieder zum Angriff ansetzte? Nach einigen Sekunden war ich mir plötzlich sicher. Nein, ich würde zu ihm fahren, um mit der Vergangenheit endgültig abzuschließen.
Noch bevor ich es mir anders überlegen konnte, saß ich frisch geduscht und dick eingepackt in meinem Auto. Tapfer kämpfte ich meine immer wieder aufkeimende Angst nieder und stand zwanzig Minuten später vor Jan`s Haustüre.
Ich wusste, dass er zu Hause war, da sein protziger Audi R8 auf dem Bürgersteig parkte. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, doch ich erlaubte mir nicht umzukehren. Mit zittrigen Fingern drückte ich den Klingelknopf.
Als die Türe aufgerissen wurde, sah ich einen durchaus überraschten Jan vor mir, in einem sündhaft teuren Fitnessanzug von Bogner. Seine halblangen blonden Haare wie immer akkurat nach hinten gegelt. Ihn so nah vor mir zu sehen, jagte mir eiskalte Schauer über den Rücken. Am liebsten wäre ich weggelaufen, doch ich musste das jetzt durchziehen.
Frech grinste er mich an. „Na, sieh mal einer an, wer da vor meiner Tür steht!“
Ich brachte vor lauter Anspannung kein Wort heraus. Das Einzige was ich mir im Geiste immer wieder vorsagte war: Konzentriere dich auf den Ring. Konzentriere dich auf den Ring.
Auf einmal bemerkte ich das Jan verstummte. Oh Gott. Gleich würde er versuchen in meinen Geist einzudringen. Doch es geschah nichts. Rein gar nichts.
„So, wie ich sehe, hat dir VanBergen ein paar Tricks verraten!“, schnauzte mich Jan kühl an.
Er sah ziemlich sauer aus und genau das löste bei mir einen Lachanfall aus. Ich hatte endlich den Beweis, dass ich nicht verrückt war, obwohl Jan das in dieser Minute mit Sicherheit dachte. Mein Lachen war selbst in meinen Ohren viel zu grell. Aber es war mir egal. Mein Körper brauchte ein Ventil, um den psychischen Dauerstress der letzten Monate abzubauen und wenn dies durch hysterisches Gekicher geschah, hatte ich nichts dagegen.

Bereits auf dem Nachhauseweg fühlte ich mich so frei, wie noch nie in meinem Leben. War jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem ich endlich anfing mein eigenes Leben in die Hand zu nehmen? Mit 29 Jahren war das sicher keine Sekunde zu früh. Doch ich wusste natürlich auch, dass dies nicht von heute auf morgen möglich war. Die Vergangenheit würde mich noch etliche Male einholen. Aber ich war fest entschlossen endlich meinen Weg zu gehen.

Zu Hause angekommen, lief Natascha mit besorgter Miene auf mich zu. „Sophia, wo warst du?“ Ihr Ton war vorwurfsvoll.
„Bei Jan!“, warf ich ihr herausfordernd entgegen.
Ihre Kinnlade klappte entsetzt nach unten. „Was?“
„Nani, ich musste es tun. Mich meiner Angst stellen.“
„Und?“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
„Ich habe es geschafft. Endlich kann ich das Kapitel Jan ad acta legen!“ Erst jetzt wurde mit bewusst, was ich getan hatte. Ich konnte es kaum noch fassen, wie selbstbewusst ich vor Jan getreten bin. Es hätte auch nach hinten losgehen können. Mein ganzer Körper bebte.
„Ich bin so stolz auf dich!“ Stürmisch umarmte mich meine Freundin. „Komm, ich mach uns jetzt erst einmal etwas zu essen. Du siehst ja noch dünner aus, als gestern früh.“
Oh, ich hatte in der ganzen Aufregung total vergessen
etwas zu mir zunehmen. Gut, dass meine Freundin auf mich achtgab. Genau genommen tat sie das seit meinem vierzehnten Lebensjahr, als ich einen Tag vor dem Geburtstag meines Stiefvaters, verstört bei ihr zu Hause aufgetaucht war. Sie war die einzige Konstante in meinem Leben. Sie gab mir den Halt, den eigentlich Eltern ihren Kindern geben sollten. Aber dieses dunkle Kapitel wollte und konnte ich heute nicht mehr angehen.
Dankbar schlang ich die köstlichen Rigatoni Arrabiata in mich hinein. Erst jetzt bemerkte ich wie ausgehungert ich war. Grinsend holte ich mir noch eine zweite Portion. „Du bist die beste Köchin der Welt!“

Die nächsten zwei Wochen gewann ich immer mehr an Sicherheit. Jan meldete sich kein einziges Mal und ich entschied wieder selbst in die Arbeit zu fahren. Es lief alles so gut, dass ich sogar wieder Lust auf Gesellschaft bekam. Zusammen mit meiner Freundin beschloss ich abends Tanzen zu gehen. Das letzte Mal steckte mir zwar noch etwas in den Gliedern, doch ich verdrängte diese Erinnerung.
Auch vor dem 8season kämpfte ich das mulmige Gefühl tapfer nieder.
Natascha betrachtete mich aufmerksam. „Alles okay bei dir?“
Unruhig nickte ich.
„Du weißt, wir können auch in einen anderen Club gehen!“
„Nein, wir gehen“, ich schluckte schwer, „hier rein!“
Nach einer Stunde im Club relaxte ich immer mehr. Jan war nicht anwesend. Erleichtert bestellte ich mir einen Cocktail, den ich mir zuvor bewusst verweigert hatte. Mit Promille im Blut, hätte ich seine Stimme bestimmt nicht abschirmen können. Aber nun konnte ich den Abend endlich genießen. „Komm lass uns auf die Tanzfläche gehen!“ schrie ich über den Lärmpegel hinweg.
Sofort verschmolzen wir mit der feiernden Masse. Ich genoss es mich zu bewegen. Es war Freiheit pur. Berauscht kletterte ich auf die Bühne, auf der normalerweise die Gogo-Tänzerinnen ihre Hüften schwangen und zerrte meine Freundin mit hoch.
Über beide Ohren strahlend, warf sie ihren Kopf in den Nacken. „Ich liebe dich, Süße!“ schrie sie über die tobende Menge hinweg.
Unsere kleine Tanzeinlage lockte die Männer in Scharen an. Einer gefiel mir sogar besonders gut und ich schenkte ihm einen längeren Blick.
Motiviert setzte sich mein Auserwählter in Bewegung. Vorsichtig hob er mich von der Bühne zu sich hinab auf die Tanzfläche.
Als seine Hände meine Hüften umschlossen, versteifte ich mich. Doch Nani grinste mir aufmunternd zu und es gelang mir mich wieder zu entspannen.
„Wie heißt du?“ raunte er in mein Ohr.
„Sophia, und du?“
„Marco!“
Mehr Worte brauchte es nicht. Wir tanzten, lachten und ich hatte einfach Spaß.
Nach einiger Zeit legte der DJ etwas langsamere Songs auf. Mit einem charmanten Lächeln zog mich Marco eng an sich.
Ungewollte Angst stieg in mir hoch. Es war mir zu nah. Viel zu nah und die schreckliche Erinnerung an meinen Stiefvater kam hoch. Hysterisch hämmerte ich mit beiden Fäusten auf ihn ein, um mich von ihm zu befreien.
Auf einmal spürte ich einen Ruck und Marco wurde grob von mir weggerissen. Fassungslos sah ich wie er hart auf dem Boden aufschlug. Kreischend sprangen drei tanzende Mädels zur Seite.
Erschrocken blickte ich in wild funkelnde Augen. „VanBergen!“ formte ich lautlos mit meinen Lippen. Ungläubig starrte ich ihn an, als er sich abrupt zu Marco umdrehte, der sich gerade vom Boden hochhievte. „Fass. Sie. Nie. Wieder. An. Oder dir wird danach die Hand fehlen, um jemals wieder irgendwen anfassen zu können.“
Das war das Letzte was ich noch verstehen konnte, da mich meine Freundin bereits zum Ausgang schob.
Draußen angekommen, packte mich Natascha an den Schultern. „Was zur Hölle, war da drinnen los?“
Abwehrend schüttelte ich den Kopf. „Bitte bring mich nach Hause!“, brachte ich heiser hervor.

Alexander war außer sich vor Wut. Am liebsten hätte er hier alles kurz und klein geschlagen. Vor allem wollte er diesen schmierigen Typen, der sich erdreistet hatte Sophia zu betatschen, in seine Schranken verweisen. Er musste raus hier, bevor er noch etwas tat, was er danach bereuen würde. Grob schob er eine Gruppe von jungen Männern zur Seite und verließ den Club. Dank der kühlen Nachtluft, gelang es ihm langsam wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Trotzdem blieb die Wut. Wie er sich eingestehen musste, auch die Wut auf sich selbst. Er ballte seine Hände zu Fäusten. Eindeutig gab es kein Wesen auf Erden, das bescheuerter war als er. Ein absolut beschissener Abend. Er hatte Jan beschattet, doch dieser hatte beschlossen, nachdem er Sophia im 8season gesehen hatte, den Club zu wechseln. Und genau das hätte er auch tun sollen. Gerade als er dies in die Tat umsetzen wollte, spürte er Sophias Panik. Sie brannte wie Säure in seinen Adern. Jedoch konnte Alexander diese Reaktion nicht nachvollziehen. Nur männliche Individuen seiner Art, die mit ihrer Geliebten intim wurden, konnten die Angst so intensiv fühlen. Er hatte weder mit ihr geschlafen, noch war sie seine Partnerin.

 

 



Während der Autofahrt sagte ich kein Wort und meine Freundin akzeptierte es. Ich war so mit mir selbst beschäftigt, dass ich zu Hause still schweigend in mein Zimmer ging.
Was war heute passiert? Warum hatte ich Angst gefühlt, als Marco mich in seine Arme zog? Er wollte nur tanzen. Wieso konnte ich die Vergangenheit nicht endlich ruhen lassen? Bittere Tränen der Wut, liefen mir über die Wangen. Verzweifelt warf ich mich auf mein Bett. Als ich die Augen schloss, sah ich Alexander im Geist vor mir. Wieso war er in dem Club? Verfolgte er mich? Dieser Mann war mir ein Rätsel. Er kam mir zu Hilfe. Jetzt schon zum zweiten Mal. Warum? Seinen Job hatte er mit Bravur abgeschlossen, indem er mich lehrte die Stimmen abzuschirmen. Ich rollte mit den Augen. Es war alles so unwirklich. Stimmen kontrollieren war nichts Alltägliches. Genau genommen, hatte ich es die letzten Wochen vorgezogen nicht darüber nachzudenken. Alexander jedoch, spukte fast jeden Tag durch meinen Kopf. Obwohl ich mich immer wieder daran erinnerte, dass dieser Mann kein Interesse an mir hatte. Außerdem, wie hatte er so schön gesagt: ICH BIN KEIN TYP FÜR FESTE BEZIEHUNGEN!
Plötzlich klingelte mein Handy. Ohne auf das Display zu sehen, fischte ich das Telefon aus meiner Hosentasche. „Hallo?“ sagte ich unsicher.
„Wie geht es dir?“ fragte eine besorgte Männerstimme.
Verwundert hob ich meine Augenbrauen und rappelte mich hoch. „Alexander?“
„Kann ich dich sehen?“
„Jetzt?“ fragte ich irritiert.
„Ja!“ Seine Stimme klang fordernd.
„Aber ich…!“
„Ich muss mit dir sprechen. Öffne dein Fenster!“ kommandierte er.
„Was?“ Verblüfft sah ich nach draußen.
Er stand tatsächlich davor. Mein Herz raste. Was wollte er?
„Sophia, bitte!“ Nach diesen beschwörenden Worten legte er auf.
Angespannt erhob ich mich vom Bett, um langsam zum Fenster zu gehen. Ich schluckte. Danach gehorchte ich seinem Befehl.
Anmutig schwang er sich durch das geöffnete Fenster und stand eine Sekunde später in voller Größe vor mir. „Du hast geweint!“
Es war keine Frage. Konnte er das in der Dunkelheit erkennen? Sah ich so schlimm aus? Verlegen senkte ich den Kopf, um auf meine Füße zu starren. „Wieso bist du hier?“ murmelte ich.
„Ich wollte sehen, dass du okay bist!“ antwortete er sanft, während er das Fenster hinter sich schloss.
„Wieso war dir das so wichtig?“ Verständnislos hob ich meinen Blick.
Seine Augenbrauen zogen sich nachdenklich zusammen. „Ich weiß es nicht. Das war es einfach! Es ist kompliziert.“ Zärtlich streichelte er mit seinem Daumen über meine Wange.
Schauer liefen über meinen Körper. „Bitte tu das nicht!“ hauchte ich. „Ich kann damit nicht umgehen!“
„Womit?“ fragte er mit tiefer Stimme.
Er raubte mir den Atem. „Alexander, ich habe eine Vergangenheit, die… ich… ich könnte es nicht noch einmal ertragen verletzt zu werden!“ Neue Tränen sammelten sich in meinen Augen.
„Hey“, flüsterte er eindringlich, „ich werde dich nicht verletzten. Vertrau mir!“

Gott stehe ihm bei. Diese Frau ging im unter die Haut. Er konnte es nicht mehr verleugnen. Er würde alles für sie tun. Sie beschützen, in seinen Armen halten. Immer für sie da sein. Als er sie in den Händen dieses Grabschers sah und ihre Panik fühlte, war er fast durchgedreht. Sie gehörte zu ihm. Er wollte dafür sorgen, dass sie endlich glücklich wurde. Wie er das anstellen sollte, wusste er nicht, doch er würde alles tun was in seiner Macht stand. Vorsichtig fing er an ihre Tränen weg zu küssen. Ihre Haut war so weich und sie duftete nach Vanille. Langsam bahnte er sich seinen Weg zu ihren sinnlichen Lippen. Himmel, sie erwiderte den Kuss. Gierig fing er an ihren süßen Mund mit seiner Zunge zu erkunden. Er musste aufpassen, sich zügeln. Auf keinen Fall wollte er zu weit gehen und sie überrumpeln. Das würde sie zerstören.

 



Alexander nahm mein Gesicht in beide Hände, um sich vorsichtig meinen Lippen zu entziehen. „Baby, lass es uns langsam angehen!“ keuchte er.
„Ich vertraue dir!“ Gott weiß, dass ich das tat. Alexander hatte meine Seele berührt.
Minutenlang fixierte er meine Augen. Er sah unsicher aus, irritiert. Gleichzeitig jedoch strahlte mir die tropische Hitze von purem Verlangen entgegen.
„Versprich mir, dass du es sagst, wenn es dir zu viel wird!“ bat er leise.
Ich nickte langsam.

Er war überwältigt. Diese Frau vertraute ihm, nach all den schlechten Erfahrungen, die sie in ihrem kurzen Leben mit Männern durchleben musste. Das zog ihm buchstäblich den Boden unter den Füßen weg. Und ihr Duft. Verdammt, sie wollte ihn. Doch er hatte auch Angst sie zu überfordern. Er musste sanft mit ihr sein.

 



Fast ehrfürchtig fing er wieder an mich zu küssen. Er wanderte von meinen Lippen hinab zu meinem Hals. Mit flinken Fingern öffnete er meine weiße Seidenbluse und lies sie achtlos zu Boden fallen. Kurze Zeit später entfernte er meinen schlichten weißen BH und seine Lippen liebkosten sanft meine Brüste.
Ich schluckte schwer, als er vor mir auf die Knie sank und sich sein verführerischer Mund weiter seinen Weg nach Süden bahnte. Er ließ sich unendlich viel Zeit jeden Zentimeter meines Körpers mit seinen Lippen zu erkunden. Gänsehaut überflutete mich, während er gemächlich den Reißverschluss meiner Jeans nach unten gleiten ließ.
Ich biss mir auf meine Unterlippe, um ein Stöhnen zu unterdrücken. Diesen wunderschönen Mann so vor mir zu sehen, erregte mich zutiefst. Es war überwältigend. Niemals zuvor hatte ich so empfunden. Die Intensität meiner Gefühle erschreckte mich.
Vorsichtig ließ er meine Hose zusammen mit dem Slip an meinen Beinen hinabgleiten.
„Steig` aus deiner Hose, Baby!“ Seine Stimme war ein verführerisches Flüstern.
Sofort gehorchte ich diesem sanften Befehl, doch danach fühlte ich mich verletzlich und unsicher. Ich stand splitternackt vor einem griechischen Gott und ich gehörte bestimmt nicht zu den Frauen, die er gewohnt war.
„Ich…!“ Meine verunsicherte Stimme war kaum zu hören.
„Du bist wunderschön!“ hauchte er fasziniert. Seine leuchtenden Augen wanderten über meinen Körper, bis unsere Blicke sich trafen. Langsam streichelte er mit seinem Zeigefinger meine Innenschenkel entlang.
Scharf atmete ich ein und schloss meine Augen.
Plötzlich spürte ich, wie er mich an meiner intimsten Stelle küsste. .
Geschockt riss ich meine Augen auf. Machte einen Schritt rückwärts. Doch seine kräftigen Hände umschlossen blitzschnell meine Oberschenkel. Hielten mich an Ort und Stelle. Erbarmungslos brachte er seinen Mund wieder an seine vorherige Position und fing an mich mit seiner Zunge zu berühren.
„Ah!“ Es war mir peinlich, dass er mich dort küsste, doch es fühlte sich zu gut an, um ihn darum zu bitten aufzuhören.
„Öffne deine Beine etwas für mich!“ keuchte er erregt. Zu meiner eigenen Überraschung folgte ich seiner Aufforderung ohne jedes Zögern.
„Ah….Alexander…!“ Ich versteifte mich, als er vorsichtig einen Finger in mich einführte. Plötzlich brachen alle Dämme und kleine erlösende Krämpfe durchzuckten mich. Keuchend krallte ich mich in seine Schultern. Was machte dieser faszinierende Mann nur mit mir?
Mit einer fließenden Bewegung erhob er sich, um mich in seine beschützenden Arme zu ziehen.
Auf einmal verschwand mein Hochgefühl. Meine Stimmung ging über in etwas, das ich weder einordnen, noch kontrollieren konnte. Tränen liefen über meine Wangen.
„Hey, was ist mit dir? Bin ich zu weit gegangen?“ fragte Alexander geschockt und drückte mich noch fester an sich.
„Ich weiß… nicht“, schluchzte ich in sein Ohr, „ja… nein… es ist… ich wusste nicht, dass es… so sein kann!“
Verblüfft wich er einen Schritt zurück. „Hattest du noch nie einen Orgasmus?“
Himmel, war das peinlich. Verlegen schüttelte ich den Kopf.
„Aber Jan…!“ Er stockte. „Hat es mit deiner Vergangenheit zu tun!“
Sofort versteifte ich mich.
Ohne auf meine Antwort zu warten, hob er mich hoch und legte mich auf mein Bett. Fürsorglich wickelte er die dicke Daunendecke um meinen nackten Körper. Danach legte er sich, immer noch komplett bekleidet, neben mich. Er drehte sich zu mir, stützte den Kopf mit seinem Arm ab und küsste zärtlich meine Stirn. „Sophia, ich möchte dir niemals wehtun. Aber dafür muss ich auch deine Ängste kennen.“
Wortlos lag ich neben ihm. Ich konnte nicht darüber sprechen. Nur sehr wenige Menschen wussten etwas von meiner Kindheit. Und den genauen Vorfall kannten nur mein Stiefvater und ich.
Mit gerunzelter Stirn nahm er meine Hand, um sie zu küssen. „Baby, ich weiß, dass du mit 14 Jahren freiwillig in ein Heim gegangen bist!“ Seine Stimme war leise.
Meine Miene fror ein. „Woher weißt du das!“ wisperte ich.
Abermals küsste er meine Hand. Es fühlte sich an wie eine stille Entschuldigung. „Als sich das Problem mit Jan nicht lösen ließ, musste ich mir eine andere Taktik überlegen. Ich entschied mich dafür, bei dir anzusetzen. Erkundete deine Lebensumstände, sowie deine Vergangenheit. Eigentlich wollte ich dich nur lehren die Stimmen zu kontrollieren und danach aus deinem Leben verschwinden.“ Er ballte seine freie Hand zu einer Faust. „Sophia, das schwöre ich dir. Mein Plan war, dich nie wieder zu treffen.“
„Warum hast du dich nicht an deinen Plan gehalten!“ sagte ich vorwurfsvoll und setzte mich auf.
Alexander sah verletzt aus. Zwei Sekunden später erhob er sich, um zum Fenster zu gehen. Er stand mit dem Rücken zu mir, beide Hände am Fensterbrett abgestützt. „Ich konnte nicht. Verdammt. Du hast angefangen mir etwas zu bedeuten.“ Wütend schlug er mit der Faust auf. „Ich wollte das nicht. Niemals. Doch als ich dich in den Armen dieses Grabschers sah und ich deine Panik in meinen Adern spürte...“
„Du hast meine Panik in deinen Adern gespürt?“
Er drehte sich zu mir um, blieb aber weiter am Fenster stehen. „Ja. Es ist eine Fähigkeit, die wir Allecti entwickeln, wenn wir unserer Lebenspartnerin gefunden haben. Eigentlich tritt sie erst auf, nachdem wir das erste Mal mit ihr geschlafen haben.“
Mein Herz setzte ein Schlag aus. Wie würde es wohl sein mit ihm zu schlafen? Verlegen biss ich mir auf die Unterlippe.
„Aber wir haben doch nicht… Ähm…!“
„Ja. Und es ist äußerst selten, dass diese Fähigkeit schon davor auftritt. Noch dazu bei Menschenfrauen.“
Langsam drangen seine Worte in mein Bewusstsein. Allecti? Menschenfrauen? Was war er?
Anmutig setzte sich Alexander in Bewegung und kam mit langen Schritten auf mich zu. Er beugte sich zu mir, um mir einen keuschen Kuss auf die Stirn zu drücken. „Schlaf gut meine Schöne! Wir sollten das Ganze für heute beenden! Du solltest dich ausruhen!“ Kurze Zeit später hörte ich das Knarren der Wohnungstür. Er ließ mich zurück mit all den unbeantworteten Fragen.

„Möchtest du noch Rührei?“ Nani stand am Herd und holte sich gerade ihre zweite Portion.
„Danke, ich bin papp-satt.“
Während sie langsam mit ihrem vollen Teller zurück an den Küchentisch schlenderte, beäugte sie mich aufmerksam.
„Was ist mit diesem VanBergen?“ Ihre kaffeebraunen Augen verengten sich.
Röte schoss in mein Gesicht. Hatte sie uns gestern gehört?
„Sophia, es kommt mir alles etwas seltsam vor. Er mischt sich, für einen Fremden, viel zu sehr in dein Leben ein.“
„So fremd ist er gar nicht“, murmelte ich.
Natascha stoppte die mit Rührei beladene Gabel, kurz vor ihrem Mund. „Wie meinst du das?“
„Er war hier, als du bei deiner Mutter warst!“ sagte ich leise und trank schnell einen Schluck Kakao.
Klirrend fiel Natascha die Gabel aus der Hand und das Rührei verteilte sich auf dem grauen Fliesenboden. „Über Nacht?“
Ich nickte verlegen. „Gestern auch!“
Meine Freundin schüttelte den Kopf. „Du kennst ihn doch gar nicht! Hast du aus deiner Vergangenheit nichts gelernt?“ schrie sie mich aufgebracht an.
„Du hast doch gesagt, ich soll wieder anfangen zu leben!“ fauchte ich wütend.
„Aber doch nicht so!“ Geladen stand sie auf. „Du warst alleine. Er hätte dir alles Mögliche antun können!“
So würde das zu nichts führen. Kurz schloss ich meine Augen, um mich zu sammeln. „An dem Abend als du in Düsseldorf warst, stand Jan auf unserer Terrasse.“
Nani erstarrte.
„Ich hatte Panik, wollte die Polizei anrufen. Während ich nach meinem Handy suchte, fiel mir die Visitenkarte von Alexander in die Hände. Es war eine Kurzschlusshandlung. Ich rief ihn an, ohne darüber nachzudenken.“ Meine Stimme zitterte. „VanBergen kam sofort und Jan verschwand. Danach bin ich komplett zusammengebrochen.“
„Es tut mir so leid!“ hauchte Natascha. „Ich hätte dich niemals alleine lassen dürfen.“
„Nein. Du hast keine Schuld. Du hast so viel für mich getan!“, versicherte ich ihr. „Immer bist du in den letzten Jahren an meiner Seite gewesen.“

Meine Freundin räusperte sich. „Aber ich…“
„Nein, Nani. Du kannst mich nicht rund um die Uhr beschützen.“
Nach einem tiefen Seufzer nickte sie. „Ich weiß. Bitte erzähl weiter. Was war mit VanBergen?“
„Ähm… Ohne ihn… Er war… meine Rettung! Er blieb bei mir. Hielt mich fest, bis ich mich wieder beruhigt hatte.“
„Er hat dich fest gehalten?“ fragte Nani mit erstickter Stimme. „Hast du das ertragen?“
„Seltsamerweise ja. Genauso wie das erste Mal im 8season und… gestern Nacht.“ Röte stieg in meine Wangen.
Nataschas Augen wurden groß. „Du hast doch gestern nicht mit ihm…!“
Verlegen fiel ich ihr ins Wort. „Nein.“ Ich stockte. „Aber er hat mich… berührt… und es… war… schön!“
Ernst sah sie mich an. „Sophia, ich freue mich wahnsinnig für dich. Alleine der Fortschritt, dass ein Mann dich umarmen kann, ohne dass du Angstzustände bekommst, war das Ganze schon wert. Aber bitte sei vorsichtig. Du kennst ihn noch nicht lange.“
Plötzlich klingelte mein Handy. „Bin gleich wieder da!“ Schnell rannte ich in mein Schlafzimmer. „Hallo?“
„Hi!“
Sofort wusste ich, dass es VanBergen war. Seine tiefe verführerische Stimme, ließ meine Knie weich werden. Nervös trat ich von einem Bein auf das Andere. „Ähm… hi!“ sagte ich nach einer gefühlten Ewigkeit.
„Würdest du heute Abend mit mir Essen gehen?“ Er klang unsicher. „Ich denke, ich bin dir einige Antworten schuldig!“
Gott stehe mir bei. Ja. „Gerne“, sagte ich schüchtern.
„Gut, dann hole ich dich um acht ab!“

Punkt 20:00 Uhr hallte der melodische Ton der Türglocke durch die Wohnung. Er war da. Kribbelig warf ich einen letzten Blick in den Badspiegel und strich mein knielanges Strickkleid glatt. Der warme Karamellton spiegelte meine Augenfarbe wieder. Schnell sprang ich in meine warmen hochhackigen Stiefel, zog meinen schokobraunen Daunenmantel über und hauchte Natascha einen Abschiedskuss auf die Wange.
Bevor ich weiter zur Wohnungstür huschen konnte, hielt sie mich am Arm fest. „Versprich mir, dass du auf dich aufpasst!“
„Mach ich!“ Eine kurze letzte Umarmung und ich öffnete die Tür.
Da stand er. Mein Herz setzte einen Schlag aus. Sein Anblick war atemberaubend. In seinem schmal geschnittenen schwarzen Anzug und weißem Hemd, das er am Kragen offen trug, sah er aus wie der Junior Boss eines Weltkonzerns.
„Hey!“ raunte er mit dunkler Stimme.
„Hey!“ erwiderte ich leise.
Seine Lippen verformten sich zu einem Lächeln. „Bereit für einen schönen Abend?“
Ich nickte.

Alexander entführte mich in ein schickes Restaurant in der Innenstadt Münchens.
Fasziniert beobachtete ich den Kellner, der sofort herbei eilte, als er uns erblickte. Fast unterwürfig führte er uns an den besten Tisch etwas abseits. So wie der sich verhielt war mir sofort klar, dass Herr VanBergen kein unbekannter Gast hier war. Ob er schon mit vielen Frauen hier gegessen hatte? Ungewollte Eifersucht schoss, wie glühende Lava, durch meinen Körper.
„Alles in Ordnung?“ Alexander beäugte mich unsicher.
Ich räusperte mich. „Ja, alles bestens!“ Mit aller Kraft verdrängte ich meine trüben Gedanken. Um mich abzulenken konzentrierte ich mich auf meine Umgebung. Das Ambiente in diesem Lokal war traumhaft. Gedämpftes Licht, dunkler Parkettboden, weiße Tischdecken und dunkle Holzstühle mit beigen Lederpolstern. Das Essen hier würde ein halbes Vermögen kosten.
„Ähm… wir hätten auch in ein günstigeres Restaurant gehen können“, sagte ich kleinlaut.
Aufmunternd zwinkerte Alexander mir zu. „Das kann ich mir gerade noch leisten!“
Sofort wurde ich rot. Ich wollte ihn nicht darauf ansprechen, ob er Geld hatte oder nicht. Materielle Dinge hatten in meinem Leben noch nie oberste Priorität.

Das Essen war ein Traum. Wir bestellten ein drei Gänge-Menu. Vorspeise: Hummercremesuppe mit Sherry; Hautspeise: Seezunge in Weißweinsoße mit leichtem Gemüsebukett; Nachspeise: weiße Mousse au Chocolat mit Himbeeren. Dazu ein leichter Weißwein, der sich obwohl er leicht war, bei mir schon etwas bemerkbar machte.
Gedankenverloren betrachtete ich Alexander. Er war mir bereits jetzt schon so unwahrscheinlich vertraut. Allein der samtige Klang seiner tiefen Stimme berauschte mich.
„Noch etwas Wein?“ Verwirrt starrte ich den Kellner an, der geduldig seine Frage noch einmal wiederholte. „Darf ich Ihnen nachschenken?“
Ein verlegenes Lächeln huschte über meine Lippen. „Äh. Nein danke.“ Der Alkohol hatte sowieso schon mehr als gewollt die Kontrolle übernommen. Jetzt hieß es ihm das Kommando lieber wieder abzunehmen. Doch ich wusste nur zu gut, dass nicht allein der Wein mich verändert hatte. Allein die Gegenwart dieses Mannes verursachte bei mir den stetigen Abbau von Schüchternheit, Vernunft und Angst. Ich war Zeit meines Lebens immer vernünftig und zurückhaltend gewesen. Eher das Mauerblümchen. Die Schüchterne. Doch Alexander VanBergen nahm mir all meine Ängste. Als ob es sie nie gegeben hätte. Als ob ich endlich den Puls des Lebens fühlen würde. Ich fühlte mich. Es war schön, doch gleichzeitig auch verwirrend.
„Hast du noch Lust auf einen Absacker? Im oberen Stockwerk gibt es eine Bar.“
„Wieso nicht!“
Als wir den Aufzug verließen, begrüßte uns gedämpfte Musik. Die Bar war komplett aus Glas gefertigt. Der atemberaubende Ausblick zog mich in seinen Bann. Tausend Lichter erhellten die Nacht und ließen München für uns strahlen. .
„Wow!“ gab ich begeistert von mir.
„Freut mich, dass es dir gefällt.“ Alexander lächelte zufrieden, doch nachdem wir es uns in einer ruhigen Ecke auf den roten Ledersofas bequem gemacht hatten, bemerkte ich plötzlich, dass er sich verspannte.
„Sophia, ich habe dich heute um dieses Treffen gebeten, weil ich möchte, dass du erfährst was ich bin.“
Mit großen Augen starrte ich in sein ernstes Gesicht.
„Ich möchte, dass du alles weißt und selbst entscheidest, ob du damit leben könntest, bevor…!“ Wut blitzte urplötzlich in seinen smaragdgrünen Augen auf. „Ach Verdammt. Ich habe noch nie so für jemanden empfunden“, schleuderte er mir anklagend entgegen.
Erschrocken über seinen plötzlichen Stimmungswandel rutschte ich instinktiv etwas von ihm weg.
Sofort hatte er sich wieder im Griff. Vorsichtig nahm er meine Hand, um sie sanft zu küssen. „Hey! Ich wollte dich nicht erschrecken. Es ist nur so. Es ist alles so neu für mich. Nie wollte ich eine feste Partnerin haben. Kurze, unverbindliche Abenteuer, ja, aber nicht mehr!“
Ich schluckte hart. Wäre ich dazu bereit, nur um wenigstens einen kleinen Teil von ihm haben zu können?
Er klang heiser. „Doch durch dich hat sich alles
verändert.“ Wieder küsste er meinen Handrücken. Diesmal fordernder. Wohlige Schauer überrollten meinen Körper.
„Sophia, ich will dich auf eine Art, die ich nie für möglich gehalten hätte. So intensiv dass es mir Angst macht.“ Kurz hielt er inne. „Und ich weiß, dass du mich auf die gleiche Weise begehrst!“
Meine Mundwinkel fielen nach unten. Er wusste wirklich wie er mich verlegen machen konnte. „Du weißt das?“ keuchte ich leise.
Er nickte fast unmerklich, ohne mich eine einzige Sekunde aus dem Bann seines glühenden Blickes zu entlassen. „Meine Art ist den Menschen sehr ähnlich, doch einige Fähigkeiten unterscheiden uns von euch. Eine davon ist, dass wir es riechen können, wenn uns Frauen begehren.“
Mein Unterkiefer klappte nach unten. “Was? Das ist doch nicht dein Ernst!“ So etwas war nicht möglich.
„Doch. Das ist es. Wie du bereits weißt, ist dies nicht die einzige Fähigkeit.“
„Die Stimmen und die Gabe meine Panik zu fühlen!“ Bei dem Gedanken daran, wurde ich unruhig.
Alexander fuhr sich mit seiner freien Hand nervös durch seine Haare. „Außerdem sind wir euch körperlich überlegen. Das ermöglicht uns schnell von einem Ort zum anderen zu gelangen!“
Aufmerksam beobachtete er meine Reaktion.
„Darum konntest du so schnell bei mir sein, als Jan auf meiner Terrasse stand.“ Ich entzog ihm meine Hand. Es war mir auf einmal alles zu viel. Konnte es das überhaupt geben? Diese Rasse? Die Allecti? Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Wieso konnte er kein normaler Mensch sein? Ich wollte einfach einen ganz normalen Mann an meiner Seite. Mein Kopf dröhnte von den vielen unfassbaren Informationen.
Geknickt starrte er mich an. „Sophia, bitte sprich mit mir. Ich weiß es ist schwer zu begreifen, aber…“
„Nein. Bitte, lass es.“ Jedes weitere Wort würde mich nur noch mehr verwirren. „Ich muss gehen.“ Ich brauchte dringend Abstand.
Eine gefühlte Ewigkeit schwieg er. Er sah verletzt aus. Doch ich konnte ihm nichts sagen, was ihn erleichtert hätte.
„Gut. Ich fahre dich nach Hause!“, sagte er rau.
„Nein. Ich werde mir ein Taxi nehmen. Bitte lass mich in Ruhe.“ Sofort sprang ich auf, um zum Aufzug zu laufen.
„Sophia!“ rief mir Alexander geschockt hinterher. Doch ich wusste, dass er erst zahlen musste und diesen Vorsprung nutzte ich.
So schnell es mit meinen hochhackigen Stiefeln möglich war, stürzte ich im Erdgeschoss aus dem Fahrstuhl, quer durch das Restaurant, hinaus in die eisige Novembernacht. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich meinen Mantel zurückgelassen hatte. Verdammt, mein Handy war in dem Mantel. Auch das noch.
Blindlings bog ich in eine Seitenstraße ein. Dort war eine Gruppe von Jugendlichen, die laut lachten und scherzten. Vielleicht konnte mir einer von ihnen ein Handy leihen.
Gerade als ich um einen Anruf bitten wollte, umschlossen eisige Finger mein Handgelenk. Erschrocken zuckte ich zusammen. „Aaaalexander, ich….!“
„Na, mit mir hättest du wohl nicht gerechnet? Hat dein feiner Herr VanBergen dich gelangweilt? Oder warum hat sich euer Treffen so schnell aufgelöst?“ Hämisch grinste mich Jan an.
Nach dem ersten Schock versuchte ich mich zu konzentrieren. Er durfte auf keinen Fall wieder in meinen Kopf eindringen.
„Süße, spare dir deine Kräfte. Glaube mir, es gibt ganz andere Wege mich an dir zu rächen!“
Er klang so kalt, dass mir die Außentemperaturen dagegen hochsommerlich vorkamen. Rächen? Was meinte er damit? Weil ich ihn verlassen hatte?
Ohne weitere Erklärungen schleifte er mich grob mit sich in einen dunklen Hinterhof. „Wir wollen doch kein Publikum haben!“
„Was willst du von mir?“ keuchte ich ängstlich.
Abrupt blieb er stehen und presste mich mit seinem massigen Körper gegen eine Hauswand. Der Rauputz stach schmerzhaft in meinen Rücken.
„Du checkst es wohl immer noch nicht, oder?“
Angewidert drehte ich mein Gesicht zur Seite. Er stank nach Alkohol.
Mit roher Gewalt packte er mein Kinn. „Sieh mich an, wenn ich mit dir spreche!" Seine blauen Augen waren geweitet. Es lag ein Ausdruck des blanken Wahnsinns in ihnen. Wie damals in den Augen meines… Stiefvaters. Aber…
„Du. Hast. Ihn. Mir. Weggenommen.“, knurrte er.
„Was?“ Ich verstand nicht.
Brutal rammte er sein Knie in meinen Bauch.
„Ah!“ Schmerzverzerrt krümmte ich mich, doch erbarmungslos presste er mich wieder zurück an die Mauer, beide Hände in meine Schultern gekrallt.
Urplötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Die kochende Wut, wurde zu… War es Trauer?
„Er hat dich mehr geliebt als mich. Immer wenn er bei mir war, erzählte er mir wie schön du bist. Dass er dich liebt!“
Langsam dämmerte es mir. Mein Stiefvater hatte von seinem Sohn erzählt. Doch ich hatte ihn nie kennengelernt.
„Bist du Ralfs Sohn?“, würgte ich unter Schmerzen hervor.
Sofort gewann Jan`s Wut wieder die Oberhand. Drohend grinste er mich an. „Oh, da ist ja jemand von der Schnellspanntruppe. Wie konnte er nur so eine dämliche Schlampe, mir vorziehen? Wie konnte er dich so lieben?“
Lieben? Ich konnte es nicht begreifen. Allein der Gedanke daran, wie Ralf jeden Abend in mein Zimmer kam, ließ mich würgen. In aller Deutlichkeit sah ich diesen kleinen schmierigen Typen vor mir. Er roch nach Zigarren und Whisky. Seine Stimme ein atemloses Stöhnen. Gott, ich konnte es noch heute spüren, wie er mich an sich presste und mir ins Ohr flüsterte, dass er mich liebte. Wie er seinen schwitzenden Körper an mir rieb und sagte er würde sich zum Geburtstag wünschen, dass ich ihn streichle.
Ich übergab mich. Gerade noch rechtzeitig löste Jan sich von mir.
Als ich mich wieder langsam aufrichtete, empfing mich eine schallende Ohrfeige, so dass ich zwei Meter durch die Luft geschleudert wurde. Hart schlug meine rechte Gesichtshälfte auf dem Asphalt auf. Ich wollte mich aufrappeln, doch alles drehte sich. Ich schmeckte Blut auf meiner Zunge. In der Ferne vernahm ich einen Schrei. Ich kannte diese Stimme. Sie war mir vertraut. Aber mein Körper hatte keine Kraft mehr. Dichter Nebel umfing mich, bis letztendlich alles vor meinen Augen verschwamm.

PIEP.PIEP.PIEP.
Dieser Ton sollte endlich aufhören. Ich wollte schlafen. Einfach nur schlafen.
PIEP.PIEP.PIEP.
Meine Augenlieder waren so schwer wie Mehlsäcke. Alles schmerzte. Ah!
„Sie bewegt sich!“
War das Nani? Wieso war sie in meinem Zimmer? Ich wollte doch nur schlafen. Unbeholfen versuchte ich meinen Arm zu heben. Ich liebte sie, aber sie sollte später wieder kommen.
PIEP.PIEP.PIEP.
Dieser verdammte Ton. Er sollte aufhören.
„Nein. Süße. Beweg dich nicht. Du reißt dir sonst die Infusionsnadel aus dem Arm.“ Natascha hörte sich müde an.
Infusionsnadel? Kriechend bahnte sich diese Information in mein Gehirn.
PIEP.PIEP.PIEP.
Langsam drängte ich meine schweren Augenlider nach oben. Wo war ich? Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis meine Augen sich an das grelle Neonlicht gewöhnten. Blinzelnd nahm ich meine Umgebung war. Der sterile Raum war mit weißen Kacheln gefliest. An meinem Körper hingen Schläuche. War ich im Krankenhaus? Was war passiert? Hatte ich einen Unfall? Tausend Bilder schossen in einer atemberaubenden Geschwindigkeit durch meinen malträtierten Kopf. Alexander vor meiner Haustür. Das Restaurant. Die Bar. Sein Geständnis. Meine Flucht. Jan.
Ich schnappte nach Luft und hörte gleichzeitig wie das nervige Piepen immer schneller wurde. Es schwoll zu einem ohrenbetäubenden Geräusch an. Es war unerträglich. Ich musste hier weg.
Am Rande bekam ich mit, dass meine Freundin, nach einem Arzt schreiend, aus dem Zimmer lief.
Auf einmal spürte ich wie zwei starke Hände mein Gesicht umschlossen. „Sophia. Sieh mich an. Alles ist gut!“
Alexander? Irritiert starrte ich in sein Gesicht. Er war hier? Unverständlicherweise war er wie Balsam für meine Seele. Allein durch seine Berührung entspannte sich mein Körper. Mein Herzschlag normalisierte sich.
„So ist es gut, Baby. Ruh dich aus. Ich passe auf dich auf.“
Als ob mein Geist diesem Mann hörig war, glitt ich zurück in den willkommenen Schlaf.

Ich hatte keine Ahnung wie lange ich geschlafen hatte.
„Meine Süße, wie geht es dir?“ flüsterte eine Frauenstimme.
„Nani!“ krächzte ich.
Fürsorglich hielt mir meine Freundin ein Glas Wasser an den Mund. „Trink erst einmal etwas!“ Unterstützend legte sie ihre Hand in meinen Nacken.
Gierig ließ ich das kühle Nass meine Kehle hinunter fließen. Ich war am Verdursten.
Das hat gut getan! Dankbar verzogen sich meine Lippen zu einem zaghaften Lächeln. Doch sofort bereute ich, dass ich meine Gesichtszüge verändert hatte. „Au!“
„Soll ich den Arzt rufen? Hast du starke Schmerzen?“
Herr im Himmel, die hatte ich. Doch ich biss tapfer die Zähne zusammen. „Nein. Es geht schon“, presste ich hervor und versucht mich zu entspannen. Doch die Gedanken an meinen Ex ließen dies nicht zu. „Weißt du was mit Jan ist?“
Nataschas Miene verdunkelte sich. „Der hat bekommen was er verdient!“
„Das heißt?“, fragte ich unsicher.
„Erst eine Tracht Prügel und demnächst wird er eingewiesen. Dieses Schwein!“
Ich schluckte hart. „Alexander?“
Nani nickte. „Ja. Er hat dich gefunden! Und da ich bei der Polizei aussagen musste, habe ich auch Jan gesehen. Ein Wunder, dass er überlebt hat. VanBergen muss total ausgerastet sein.“
„Wo ist Alexander?“ Ich verspürte einen Stich in meinem Herzen. Wieso war er nicht bei mir. Er hatte es versprochen.
„Er ist im Aufenthaltsraum. Die Polizei wollte ihn noch einmal befragen.“
Ein Gefühl der Erleichterung machte sich breit. Er war nicht gegangen.
Nani räusperte sich. „Ähm Sophia, VanBergen ist echt in Ordnung. Ich denke du bedeutest ihm wirklich etwas. Er hat die letzten 36 Stunden keinen einzigen Schritt aus diesem Zimmer gemacht. Die Krankenschwester wollte dich über Nacht festbinden, da du so unruhig warst. Sie hatte Angst, du würdest dir die Infusionsnadel aus dem Arm reißen. Doch VanBergen hat solange mit ihr diskutiert, bis sie einlenkte. Er hat Wache gehalten und auf dich aufgepasst.“
Zu tiefst bewegt von ihren Worten, füllten sich meine Augen mit Tränen. „Und ich bin vor ihm weggelaufen!“
„Was?“ Verdutzt hob meine Freundin ihre Augenbrauen.
Ich schluchzte. „Es war so ein schöner Abend. Doch am Ende wurde mir alles zu viel. Dieser Mann ist wie ein gewaltiger Strom, der dich mit sich reißt. Ich hatte Angst. Angst vor meinen intensiven Gefühlen für ihn. Ich hatte Panik.“
„Ist schon gut, Süße!“ Sanft strich mir Natascha über die Haare, als unsere Aufmerksamkeit auf die sich öffnende Tür gelenkt wurde.
Alexander sah müde aus. Erschöpft. Doch sogar in diesem Zustand war er noch atemberaubend schön. Anmutig bewegte er sich auf mich zu, während seine smaragdgrünen Augen mich skeptisch musterten. Ohne seinen intensiven Blick auch nur eine einzige Sekunde von mir abzulassen, bat er meine Freundin uns zehn Minuten allein zu lassen. Dass sie dieser Anweisung ohne Widerworte folgte, konnte ich kaum glauben. Doch sie tat es. Wahrscheinlich hatte er diese Wirkung auf alle Frauen.
Regungslos stand er neben meinem Bett. Sein Gesichtsausdruck war hart. Ich wollte ihm so viel sagen, mich bedanken, ihn um Verzeihung bitte, aber mir fehlten die Worte. Wo sollte ich anfangen?
Alexander schüttelte den Kopf. „Sophia, ich weiß nicht was in mich gefahren ist. Niemals hätte ich dir erzählen dürfen was ich bin.“ Resigniert fuhr er sich mit der Hand über sein Kinn. „Es tut mir unendlich leid.“
Man konnte buchstäblich sehen, wie seine Selbstzweifel ihn verschlangen. Wie Feuer trockenes Stroh.
„Es ist meine Schuld, dass es so weit gekommen ist. Verdammt, er hätte dich beinahe umgebracht!“ Er brüllte fast.
Erschrocken zuckte ich zusammen. „Au!“ Heftige Schmerzen durchzogen meinen Körper. Es gab keine Stelle, die nicht wehtat.
Sofort drehte Alexander auf dem Absatz und lief zur Tür. . „Bitte nicht…!“ stöhnte ich.
Abrupt hielt er inne. „Du brauchst Schmerzmittel!“
Vorsichtig schüttelte ich den Kopf. „Nein. Ich brauche dich!“, flüsterte ich und wurde rot. Es war mir unangenehm. Ich war es nicht gewohnt so etwas auszusprechen. Doch ich wusste, dass es die Wahrheit war. „Es tut mir leid, dass ich weggelaufen bin. In diesem Augenblick war mir einfach alles zu viel. Erst dachte ich es ist, weil du kein Mensch bist, aber jetzt weiß ich, dass es die Angst vor meinen eigenen Gefühlen war.“
Nachdenklich, als ob er meine Worte nicht verstanden hätte, kam Alexander zurück.
„Ich habe mich noch nie in meinem Leben, zu einem Mann so unausweichlich hingezogen gefühlt. In diesem Moment konnte ich es einfach nicht mehr ertragen.“
Vorsichtig setzte er sich auf mein Bett. „Heißt das, du könntest damit leben, dass ich… anders bin?“ Der Hoffnungsschimmer, der nun in seinen Augen lag war zum niederknien.
Ich schluckte. „Ich denke schon.“

Es dauerte zwei Wochen, bis ich endlich das Krankenhaus verlassen durfte und drei Weitere bis Alexander und Nani mir keine Bettruhe mehr verordneten. Einerseits war es unendlich süß, wie sich beide um mich sorgten, andererseits nervte es mich. Vor allem Alexander übertrieb es maßlos. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte ich nicht einmal allein auf die Toilette gedurft.
Trotz seiner extremen Überfürsorglichkeit, liebte ich diesen Mann heiß und innig. Er war ein Geschenk Gottes. Niemals zuvor in meinem Leben war ich fähig gewesen, solch intensive Gefühle für einen Mann zu entwickeln. Ich ertappte mich sogar immer öfter dabei, wie ich mir vorstellte mit ihm zu schlafen. Was mir bei keinem Mann vorher passiert war. Ich hatte nie viel Wert auf körperliche Nähe gelegt. Es war für mich immer schwierig, aufgrund meiner Vergangenheit. Bis jetzt hatte ich auch nur mit einem Mann geschlafen. Mit Jan. Es hatte mich jedes Mal große Überwindung gekostet. Um es für mich erträglicher zu machen, trank ich meistens vorher Alkohol, oder nahm Beruhigungsmittel. Doch bei Alexander war alles anders. Ich begehrte ihn, ohne das es Angst in mir auslöste. Mein Körper sehnte sich nach seinen Berührungen. Aber bis heute vermied mein anbetungswürdiger Freund jeden zu intensiven körperlichen Kontakt. Klar, er küsste mich, zog mich in seine starken Arme und schlief jede Nacht neben mir. Trotzdem nagte dieser dunkle Gedanke, dass er mich nicht auf dieselbe Weise begehrte, fortwährend an mir.

„Ich würde dir heute gerne zeigen, wo ich wohne!“
Verschlafen linste ich durch meine schweren Lider. Alexander lag neben mir in meinem Bett. Während er an die Decke starrte fragte er gutgelaunt: „Was hältst du davon?“
Oh, er war immer in so schrecklich guter Stimmung am Morgen. Doch sein Angebot interessierte mich und erhellte auch mein morgendliches Gemüt.
Sarkastisch entgegnete ich: „Du lässt mich heute wirklich aus dem Haus? Und das schon nach drei Wochen?“
Er grinste. „Wenn du vorher artig frühstückst!“

„Wow!“ mehr viel mir nicht ein, als wir langsam in die Hofeinfahrt rollen. Ok, das Wort Hofeinfahrt war wohl nicht ganz angemessen. Parkanlage traf es wahrscheinlich eher. . Fasziniert kletterte ich aus dem Wagen, um die alte Stadtvilla näher betrachten zu können. Das imposante Gebäude wirkte durch die großen Fensterflächen leicht und edel. „Ähm… du bist reich?“, stotterte ich.
Alexander schmunzelte spitzbübisch. „Sagen wir mal so, es gibt Leute, denen geht es schlechter!“
Finstere Gedanken bahnten sich wieder ihren Weg in mein Inneres. Hielt er deswegen Abstand zu mir, weil ich nicht standesgemäß war?
„Ist alles okay?“ Skeptisch beäugte er mich.
„Hmm!“
„Sophia, was ist mit dir? Ist es Jan, der dich beschäftigt?“ Behutsam nahm er meine Hände in seine.
Ich schüttelte meinen Kopf und sah in sein besorgtes Gesicht. „Nein. Seitdem ich weiß, wie grauenhaft seine Kindheit war, wie Ralf ihn durch seine Schläge und Misshandlungen traumatisiert hat, kann ich sein Verhalten mir gegenüber besser verstehen.“
„Du bist unglaublich!“ hauchte er, während er mich sanft auf die Stirn küsste.
„Außerdem besteht Hoffnung, dass die Therapie ihm hilft. Ich denke er hat sein Problem erkannt.“
Alexander atmete tief durch. „Du bist unverbesserlich, Mutter Theresa!“

Die Hausführung war absolut beeindruckend. Helle beige Töne von Wänden und Möbeln harmonierten mit dem honigfarbenen rustikalen Dielenboden. Auf Anhieb fühlte ich mich wohl. Um ehrlich zu sein fühlte ich mich sogar zu Hause, als ob ich endlich angekommen wäre. „Wohnst du hier ganz alleine?“
Er nickte. „Ja. Ich habe dieses Juwel vor circa vier Jahren entdeckt und mich sofort verliebt. Zusammen mit Fachleuten habe ich alles restauriert und einige Umbauten vorgenommen. Ich liebe es, Altes mit Neuem zu verbinden.“ Stolz klopfte er mit der flachen Hand gegen die Flurwand.
Das Glitzern in seinen Augen war überwältigend. Es war hinreißend ihn so begeistert zu sehen. Ohne zu überlegen gab ich meinen Gefühlen nach und fing an ihn stürmisch zu küssen.
Überrascht hielt er kurz inne. Doch dann erwiderte er meinen Kuss. Zärtlich hielt er mich in seinen starken Armen. Sanft fing seine Zunge an meinen Mund zu erkunden. . Sofort schoss Begierde wie ein glühender Feuerball durch meinen Körper. Ich vergrub meine Finger in seinen Haaren und drängte mich noch enger an seinen muskulösen Körper.
„Hey!“ murmelte er leise und schob mich mit sanftem Druck von sich. „Lass es uns langsam angehen!“
Verletzt über seine fortwährende Ablehnung, starrte ich auf den Boden. „Du… findest mich nicht… begehrenswert“, flüsterte ich.
Perplex über meine heftige Reaktion erwiderte er: „Nein Sophia, so ist es bestimmt nicht! Du kannst Dir gar nicht vorstellen wie schwer es mir bis jetzt gefallen ist…“ Er stockte. „Ich will dich mehr, als alles andere auf dieser Welt. Aber ich habe Angst dich zu überfordern, nach allem was du erlebt hast. Sophia, ich will dich nicht verlieren und ich will sicher gehen, dass du wirklich bereit dafür bist.“
„Ich sehne mich nach dir.“, gab ich verlegen zu, während ich mir auf die Unterlippe biss.
Liebevoll strich er mir über das Haar. „Komm mit mir!“
Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als er mich die Treppe nach oben führte. Was hatte er vor?
Wenige Minuten später befanden wir uns in seinem riesigen Schlafzimmer. Die schweren grauen Vorhänge schufen eine angenehme gedämpfte Atmosphäre. Mein Blick wanderte durch das Zimmer. Ich liebte seinen Einrichtungsstil. Auch hier blieb er seinem Geschmack treu. Alter knorriger Dielenboden, hochmoderner schwarzer Glasschrank und dazu passendes schwarzes Bett.
Der Duft von frisch gewaschener Bettwäsche und seinem herben Aftershave erfüllten den Raum. Ich beobachtete wie Alexander leise die Tür hinter sich schloss. Allein sein Anblick ließ meine Knie schwach werden. Konnte es wirklich sein, dass dieser Mann mich wollte? Wie in Zeitlupe zog er mich an sich. „Du weißt, dass wir das jetzt nicht tun müssen.“ Seine Stimme war ein raues Flüstern. „Lass mich dich so berühren wie letztes Mal! Mit dem Rest lassen wir uns noch Zeit!“ Er senkte sein wunderschönes Gesicht und starrte mich eine Ewigkeit an.
Ich konnte durch seine smaragdgrünen Augen seinen inneren Kampf erkennen. Doch diesen einen Kampf, würde ich ihn nicht gewinnen lassen, egal mit welcher gewaltigen Kraft er sich auch dagegen stemmte. Ich liebte ihn mehr, als mein eigenes Leben. Und ich wollte ihn. Ganz. Vorsichtig fing ich an ihn zu küssen. Ich wanderte von seinen vollen Lippen hinab zu seinem Hals. Mit zitternden Fingern öffnete ich sein Hemd, bis sein perfekt geformter Oberkörper nackt zum Vorschein kam. Es raubte mir fast den Atem, so schön war er. Ich konnte nicht anders, als mit meinen Fingerspitzen über seine muskulöse Brust zu streichen. Seine Haut war fest und glatt. Zärtlich liebkoste ich mit meinem Mund seine Brustwarzen.
Alexander stöhnte leise. „Bitte, Sophia, lass es uns beenden, solange ich noch dazu fähig bin.“ Angespannt ballte er seine Hände zu Fäusten. .
Doch ich konnte und wollte nicht aufhören. Die Angst, die vor einigen Wochen mein ständiger Begleiter war, hatte dieser Mann in Luft aufgelöst. Eine unaufhaltbare Macht zog mich immer näher zu ihm. Ich wusste es war richtig und es war unvermeidlich. Ohne jede Scheu bahnte ich mir begierig weiter den Weg, glitt langsam hinab zu seiner Hüfte und streichelte sanft über seine riesige Erektion. „Ja, du willst es auch!“ hauchte ich.

Alexander schloss seine leuchtend grünen Augen. Angespannt zog er seine Augenbrauen zusammen. „Tu das nicht!“ Doch eine Unendlichkeit später übermannte ihn seine Lust. Blitzschnell zog er mich zu sich hoch. Zügellose Leidenschaft blitzte in seinem Blick. Ungeduldig streifte er mir meinen Pullover über den Kopf und fing an mich zu küssen. Seine Küsse waren fordernd, hart. Neugierig erforschte seine Zunge meinen Mund und spreizte meine Lippen.
Überwältigt von seiner Begierde, klammerte ich mich an ihn. Ein Stöhnen entwich meiner Kehle, als er mir die restlichen Kleidungsstücke vom Leib riss, als wären sie aus dünnem Seidenpapier.

Alexander blieb fast die Luft weg, als er sie so vor sich sah. Und obwohl er immer noch versuchte, an seiner eisernen Selbstbeherrschung festzuhalten, wusste er, dass er bereits verloren hatte. Er musste sie einfach spüren. Mit zitternden Händen fuhr er die festen Rundungen ihrer Brust nach. Himmel, er brauchte sie. Jetzt. In rasender Geschwindigkeit hob er sie hoch, wickelte ihre göttlichen Beine um seine Hüfte und drängte sie an die Tür. Ihr erschrockenes Aufkeuchen stachelte ihn nur noch mehr an. Blitzschnell befreite er seine pochende Männlichkeit. „Ich will dich so sehr!“ Alexander ließ seine rechte Hand vorsichtig hinab zu ihrer empfindlichsten Stelle gleiten. Sie fühlte sich so gut an und sie war bereit für ihn. Er wurde fast wahnsinnig vor Begierde. Als Sophia begann schwerer zu atmen und ihre Hüfte seiner Hand noch mehr entgegendrängte, verlor er fast seinen Verstand. Schnell zog er seine Hand zurück und drang mit einem einzigen gewaltigen Stoß tief in sie ein.

 




Ein kurzer stechender Schmerz durchzog mich. Sofort hielt er inne. „Nein. Bitte, hör nicht auf. Ich brauche Dich.“ keuchte ich. Ich wollte ihn spüren. Alexander nahm mich mit tiefen rhythmischen Stößen. Erregt krallte ich meine Fingernägel in seinen Rücken. Noch niemals hatte ein Mann mir ein derartig überwältigendes Gefühl geschenkt. Ich gab mich ihm ganz hin und mein Stöhnen wurde immer lauter. Sein hartes Glied füllte mich ganz aus. Gierig nahm mein Körper seine harten Stöße in sich auf. Alexander entführte mich an einen hellleuchtenden Ort, von dem ich nie wieder zurückkehren wollte. Plötzlich überrollte mich eine Welle der Lust. Überwältigt schrie ich seinen Namen. Auch Alexander konnte nicht mehr an sich halten. Ein letzter gewaltiger Stoß und ich spürte wie auch er seinen Höhepunkt fand.

Mitten in der Nacht erwachte ich ihn Alexanders beschützenden Armen. Er schlief tief und fest. Sein gleichmäßiger Atem war beruhigend. Sanft küsste ich ihn auf die Stirn und betrachtete dankbar den Mann, der mir ein neues Leben geschenkt hatte. Er hatte mir geholfen mit meiner Vergangenheit abzuschließen. Die unendlich tiefe Liebe, die ich für Alexander empfand konnte ich nicht in Worte fassen. Tränen des Glücks liefen über meine Wangen. Unbeholfen versuchte ich sie mit der Bettdecke wegzuwischen.
„Hey Baby. Was ist mit dir?“ flüsterte eine schlaftrunkene Stimme.
„Sorry. Ich wollte dich nicht wecken.“, schniefte ich.
Sanft strich er mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr. Sein Gesichtsausdruck war ernst. „War es gestern zu viel für dich?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Baby, warum weinst du?“ er klang besorgt.
„Weil ich dich so unglaublich liebe!“
Ehrfürchtig nahm er mein Gesicht in seine Hände. „Und ich dich! Für immer!“

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Tag der Veröffentlichung: 09.08.2012

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