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Seite 6.....Die normalste Sache der Welt

Seite 21.....Ein schnelles Stell-dich-ein

Seite 33.....Was lange währt...




Die normalste Sache der Welt



Die Schwangerschaft war schon ziemlich weit fortgeschritten und ich bekam immer häufiger die sogenannten Vor- und Nachtwehen. Meine Füße hatte ich schon länger nicht mehr gesehen und wie man sich ohne Probleme hinsetzte war mir ein absolutes Rätsel. Immer wieder kam im Fernsehen, wie sehr sich ein bestimmtes Gemüse bemühte, die DDR mit der Bundesrepublik zusammen zu fügen. Während ich mich bemühte nachzuvollziehen, wie sich manche Frauen in der Schwangerschaft sonnen konnten. Für mich war es eine Sache der Übelkeit, Völlegefühl, des getreten werden und der immer wieder auftretenden Schmerzen durch sich – zu den unmöglichsten Zeiten - dehnende Mutterbänder. Meine Gesichtshaut war bis zur Unkenntlichkeit verpickelt und meine Haare sahen ständig aus als hätten sie eine Wäsche nötig. Auch der Blick in den Spiegel war ein muss - kein wollen.

Meine Schlafstätte war ein Sofa, welches aus mehreren Elementen zusammen gefügt war. Zum Schlafen schob ich zwei dieser Elemente auseinender und hängte meinen Bauch wie eine Schaukel in die so entstandene Lücke. In dieser Haltung bekam ich wenigstens ein paar Stunden Schlaf ohne durch das Hüpfen meiner noch ungeborenen Tochter, malträtiert zu werden. Sie fühlte sich sichtlich wohl in ihrem – Mama Beschäftigungstraining - und wollte auch zu den Schlafzeiten keine Ruhe geben. Mit dicken Rändern unter den Augen, Pickeln und meiner wundervollen Frisur musste ich den Frauenarzt aufsuchen. Ich war über die Zeit aber mein Mäuschen wollte nicht auf die Welt. Was ein Wunder: in diese Welt wäre ich sicher auch nicht gern geschlüpft. Zumal wir November hatten und es eisig draußen war. Um uns herum Umbruchstimmung...

Dann, endlich! Wir dachten es wäre soweit! Freitagabend und ich hatte regelmäßige Wehen - nach den Angaben meines Mannes. Vielleicht hätten wir uns doch lieber eine Stopuhr zugelegt. So verging die Nacht ohne das was passierte. Ich bekam, wie alle werdenden Mütter, tolle Ratschläge wie eine Geburt schneller herbei geführt werden kann. Also lief ich die Treppen rauf und runter, badete in so heißem Wasser das ich mich - einem Hummer ähnlich - aus der Badewanne hievte: Nichts passierte! Das Wochenende verging und die Nerven waren immer gespannter. In meiner sonnigen Stimmung hätte ich bestimmt jeden Rekord in Sachen Wiederspruch gebrochen.
Montags zeigte sich der Anfang einer wunderbaren Geburt.
Der Pfropf ging flöten. Freudig meldete ich mich – wie es mir im Vorfeld gesagt worden ist – im Krankenhaus. Dort winkte man aber beruhigend ab, mit den Worten: das dauert noch, ich könnte ja am Abend mal vorbeischauen um nachsehen zu lassen. Ich wartete also wieder. Immer ein kleines Ziehen im Rücken, das ich der Aufregung zuschrieb. Das Martyrium des Treppe auf und Treppe ab ging weiter. Auch erinnere ich mich gern an die lieben – ist es schon da – Anrufe, sowie – mach es dem Kind so unbequem wie möglich – Überlegungen meiner Familie und Freunde, die natürlich sofort wieder zunichte gemacht wurden. Denn das Kind hatte entweder gute Ohren oder einen ausgeprägten Sinn für gewisse Körperstellen, die mich alle fünf Minuten zur Toilette rennen ließen. Schön war der Gedanke an das liebe Baby im Arm und den reizvollen Vorlesestunden die auf mich warteten. Mit meinen eingeprägten Ratschlägen vertrieb ich mir die Zeit. Ich ermahnte meinen Sprössling sich zu beeilen, da ich sonst ein sehr unschönes Buch zu Ende lesen würde. Diese Drohung wurde mir mit einem sanften nachdrücklichen Tritt unter den Magen gedankt. Und ich schwor mir, sie keines Blickes zu würdigen, würde sie jemals zur Welt kommen.

Dienstag morgen sieben Uhr. Die Wehen wurden kräftiger. An Schlaf war nicht zu denken. Unruhig wie ich war, rief ich das Krankenhaus an. Dort wurde mir mit sanfter Stimme gesagt, ich solle mich doch erst mal zur Untersuchung einfinden. Wir fuhren wieder hin und ein sehr freundlicher Arzt begutachtete den Fortschritt, den meine Tochter machte. Das Startsignal! Es ging los! Erfreut ließ mein Mann mich samt den schon lange gepackten Utensilien im Krankenhaus. Ich überlegte, ob ich ihm vielleicht lästig gewesen sein könnte? Aber ich winkte ab und dachte mir, das er wohl nur ein Wenig übermüdet war. Ich konnte ihn gut verstehen. Gähnend wurde ich auf mein Zimmer gebracht. Ich legte mich ins Bett und schlief fast auf der Stelle ein. Eine halbe Stunde später weckte man mich zum CTG. CTG ist die Kurzform für Cardiotokograph (Herzton- Wehenschreiber). Damit fühlt man sich dann so richtig sicher. Der schnelle Herzton des Kindes beruhigt doch ungemein, während man selbst mit der Übelkeit ringt, da das Rückenliegen so ziemlich das Einzige ist, was man wirklich nicht verträgt. Heute ist das anders, heute darf die Frau - zum Teil - sogar schon rumlaufen. Welch Fortschritt! Die neueste Technik macht’s möglich. Aber vor 15 Jahren...

nach einer guten dreiviertel Stunde, in der mich die nette Dame im weißen Kittel immer wieder auf die nächste Wehe aufmerksam machte, durfte ich zurück auf mein Zimmer. Erleichtert ließ ich mich aufs Bett nieder, schloss die Augen und versuchte noch ein wenig Schlaf zu erhaschen. Kaum 15 Minuten später ging die Tür auf. Ich fuhr aus dem Schlaf hoch und bekam den süßen Augenblick mit, in dem meine Bettnachbarin ihr Neugeborenes zum stillen bekam. Süßes Dingelchen, wo sich der Knopf zum abstellen befand konnte ich nicht erkennen aber es war augenblicklich ruhig. Wieder schloss ich meine Augen. Mit lustigen Bildern hinter den Lidern, hörte ich wie die Schwester das Neugeborene wieder abholte und die Tür mit einem sanften – siiiitttt – ins Schloss fiel. Bald hielt ich mein Baby auch im Arm und konnte genauso glücklich einschlafen wie meine Nachbarin. Das war der letzte Gedanke, bevor ich im Land der Träume ankam. Um zwei Uhr, mitten in der Nacht, bekamen wir eine Notfallmutti ins Zimmer. Trockengeburt! Aua! Nach einer Stunde war ruhe. Die Fastmutter war im Kreißsaal und im Zimmer wurde es still. Ein kräftiger Schmerz bemächtigte sich meiner. Aufgeschreckt durch diese ungewohnte Heftigkeit, kletterte ich aus dem Bett und fing an den Gang rauf und runter zu laufen. Die Nachtschwester beobachtete mich wie ein Adler seine Beute. Ich sah sie telefonieren und dann mit einem dieser Pappordner auf mich zukommen. ``CTG`` sagte sie in einem ganz ruhigen freundlichen Ton. Ich ging willenlos mit. Hauptsache es würde endlich soweit sein. Die Hebamme, die unten auf mich wartete, untersuchte mich, schloss den CTG an und wartete 30 Minuten. Nur um mir dann mitzuteilen: Es ist noch nicht soweit. Ein Zäpfchen damit ich schlafen konnte und ab ins Bett.

Mittlerweile hatten wir 5 Uhr am Morgen und ich sank selig in mein Bett. Nur schlafen, dachte ich. 6 Uhr kam die nette Schwester vom Vortag und wollte den Blutdruck und Fieber messen. Hilflos ließ ich es geschehen mit der Frage im Hinterkopf: soll ein Krankenhaus nicht für die Gesundheit zuständig sein? Schlaf ist gesund! Ich wollte schlafen! Kurze Zeit später holte sie das Fiebermesser wieder ab. Zufrieden grunzend schmiss sie mich aus dem Bett und legte neue Laken auf. Um mich herum kam Leben auf. Die Babys wurden gebracht und alle schienen glücklich den neuen Tag zu begrüßen. Nur ich nicht! So ging es den Tag über weiter. Wenn die Babys nicht kamen, dann kam das Essen und wenn es nicht das Essen war, musste ich zum CTG. Aber immerhin, der Muttermund öffnete sich. 5 cm. Ich fühlte mich trotz meiner dicken Ränder unter den Augen, wie eine Königin. Die Hebamme behandelte mich allerdings eher wie eine hoffnungsvolle Bettlerin. Was mir zeigte: Es war immer noch nicht soweit. Abends saß ich mit einigen Frauen von der Station beisammen. Wir spielten Karten und eine der Frauen sah immer wieder auf die Uhr. Irgendwann meinte sie, ich solle doch mal in den Kreißsaal gehen, nachsehen lassen. Aber ich winkte ab: Vorwehen! Sie konnte das, angesichts ihrer fast zerquetschten Hand, nicht so stehen lassen und schleifte mich zum Kreißsaal. Die Hebamme sah mich mitleidig an und schob mich ins Untersuchungszimmer.
Sie unterzog mich wieder einer etwas unangenehmeren Kontrolle und siehe da - 8 cm. Es ging los! Alle Notwendigkeiten wurden erledigt. Damals war es noch so etwas wie Ultraschall und Einlauf. Der Wehenschmerz wurde zeitweise fast unerträglich. Der Arzt - von dem ich später erfuhr, das es eine Frau war - kontrollierte regelmäßig meine Werte und blaffte mich wegen meinem schmerzverzerrten Stöhnen an: Was tun sie denn wenn es richtig los geht? Was wusste die denn schon, so ein Mannweib hat doch niemals ein Kind bekommen. Meine Antipathie wurde immer stärker. Sie setzte mir eine Kanüle und legte ein Winzpflaster zum befestigen unterhalb derselben. Irgendwann tauchte mein Mann auf. Er, der schon so viele Stunden geschlafen hatte! Ich war fast neidisch auf sein Aussehen. So ausgeruht und erholt. Um mich – so kam es mir vor - für diesen Gedanken zu bestrafen, kam die nächste Wehe. Bald hatte mich meine Tochter soweit und ich wollte die Periduralanästhesie! Kein Gedanke mehr an natürliche Geburt, an die Stärke, die ich noch vor ein paar Tagen hatte. Zusätzlich zu meinem Elend glaubte ich dass die mich da verdursten lassen wollten. Über die Geburt wäre kein trinken möglich – wurde mir gesagt.
Ausgedörrt und völlig am Ende durfte ich miterleben wie die Ärztin mir eine Kanüle nach der anderen legte. Denn ihre Winzpflaster hielten nicht auf meiner feuchten Haut. Sie verstand aber auch nicht, dass es preiswerter wäre, einmal ein etwas größeres Stück zu nehmen und um die Hand zu binden als ständig neue Kanülen zu verschwenden. Zumal ich mich schon fühlte wie ein Schweizer Käse. Um mich herum sahen alle aus, als hätten sie beim Metzger gearbeitet. Durch das heraus rutschen der Kanülen, schoss jedes Mal ein wenig Blut nach oben und spritze alles in meiner Umgebung voll. Irgendwie gönnte ich ihr das. Als sie mir im Geburtskanal etwas mit einer Spritze betäubte, wurde sie zu meinem Feindbild. Nicht nur das sie unverschämt und arrogant war, nein sie brachte auch noch Schmerzen! Ich hatte den Gedanken noch nicht ganz zu Ende gedacht da kam „schon“ der Anästhesist! Ein seufzen der Erleichterung entglitt meinen Lippen. Nicht wissend welche Tortur dieser nette Mensch für mich plante. Ich sollte mich auf den Bettrand setzen und mich dort krümmen. Ja, wie in Gottes Namen, sollte ich das denn vollbringen? Einen krummen Rücken machen war schon seit Wochen nicht mehr möglich! Ich tat ihm den Gefallen es zu versuchen und er jagte mir eine sehr lange Spritze in den Rücken. Wie gut das ich es nicht sah, ich spürte sie, das reichte! Ein wenig probierte er rum und meinte beiläufig: Ich wäre schon auf dem Weg nach Hause, wenn die junge Dame hier nicht wäre. Meine Zweifel wurden größer. Tat ich das Richtige? Wollte er sich jetzt an mir rächen, weil er nicht zu seinem wohlverdienten Schlaf kam? Ich hätte ihn verstanden!
Nach einiger Zeit des Wehenschmerzes und der Schmerzen im Rücken, wurde ich unsanft darauf aufmerksam gemacht: Das Mittel müsste schon längst wirken. Keine Besserung? Ich verneinte und schrie unter der nächsten Wehe auf. Der Arzt belächelte mich und meinte, ich wäre wohl eine sehr empfindliche Mutter. Was dachte der sich eigentlich? Neues Feindbild! Da dieses Feindbild sich aber schnell nach Hause zum schlafen entfernte, konnte ich es nicht lange aufrecht erhalten und meine Aggression wendete sich wieder der freundlichen Ärztin zu, die den neunten Zugang legte. Die Schmerzen wurden unerträglich und ich hörte die Hebamme wie sie rief: Nicht pressen! Auf keinen Fall! Ich fragte mich was sie damit meinte und wollte zur Toilette gehen. Aber 6 Hände hielten mich auf. Legten mich auf die Seite und die Stimme meines Mannes drang in mein Ohr: hecheln, du musst hecheln. Und schon hörte ich einen Hund, der mir die Geräusche des Hechelns näher brachte. Schon aus Verwunderung, einen Hund im Kreißsaal zu hören, tat ich wie mir geheißen. Wieder wurde ich rumgedreht, endlich konnte ich auch was tun. Ich sollte pressen. Das tat ich! Und wie ich presste! Mitten in der schönsten Pressorgie, rief die Hebamme wieder: Hecheln sie! Ich fiel aus allen Wolken. Wieder hecheln? Ja, wissen die denn was sie tun? Aber auch hier tat ich wie mir geheißen.
Ein lautes Geräusch drang zu mir. So als ob jemand ein Stück Wellpappe zerschneidet. Es schüttelte mich. Die Geburt dauerte in etwa noch eine Stunde. Dann war meine Tochter da! Oder waren es Zwei? Die Hebamme hielt zwei Kinder zum messen an deren Füßen hoch. Zumindest sah es für mich so aus. Ein Leises: Ach deshalb, es sind Zwillinge. Drang aus meinem geschwächten Mund und ich strahlte, obwohl mir nicht danach war. Komisch, warum waren mir die beiden linken Hände der Hebamme nicht früher aufgefallen? Und überhaupt; wieso hatte man mir zwei Kanülen gelegt? Die Hebamme hatte Schwierigkeiten meine Kleine zum Schreien zu bringen. Ja, die Schwangerschaft gibt Aufschluss auf den Charakter des Kindes. Mir kam ein herzliches Lachen hoch, das nur durch die Kraftlosigkeit und einem neuen, extremen Druck verhindert wurde. Kurz darauf kam die Nachgeburt zur Welt. Sie war wunderbar rund und alles dran. Mein Mann fühlte sich wie beim Italiener und dachte nur noch an Pizza. Während ich mir Sorgen um das viele Blut machte, in der dieses runde, Pizza ähnliche Ding schwamm. Ich schloss die Augen und hörte mein Baby schreien.
Fast im selben Augenblick machte sich die schon, in den Startlöchern liegende Milch bemerkbar. Mein Nachthemd wurde ganz nass. Verwundert schaute ich auf meine Oberweite, die schon seit mehreren Wochen anschwoll. Aber wieso floss die Milch jetzt schon raus? Die Hebamme lächelte als sie meinen Blick sah. Das könne passieren, meinte sie.
Aha, also Auslaufmodell!
Ich nahm mir vor, mich davor zu schützen. Aber ich hatte auch jetzt schon Zweifel, ob die Mühe lohnen würde. Mein Mann verabschiedete sich freundlich. Er wäre ja so müde nach dieser ereignisreichen Nacht und... diese Anstrengung!
Ich lächelte ihm verständnisvoll nach. Ja, anstrengend war sie gewesen. Ich zitterte immer noch. Deshalb konnte ich seine Erschöpfung gut nachvollziehen.
Merkwürdig, meine Müdigkeit war nicht mehr vorhanden. Sicher, ich war ziemlich fertig. So eine Geburt kostet ja nicht nur ein Lächeln. Aber ich war wach. Ich war davon überzeugt, kein Auge zumachen zu können. Zwischendurch eröffnete man mir, ein Dammschnitt wäre unerlässlich gewesen. Zumindest konnte ich mir nun das Wellpappengeräusch erklären, welches mich zwischendurch stutzig gemacht hatte. Während es nähte erklärte Feindbild Ärztin beiläufig, dass ich nun 7 Tag liegen müsse. -Wegen der fehlgeschlagenen Periduralanästhesie! Folgeschäden könnten auftreten. Folgeschäden? War ich nicht schon beschädigt genug?
Vor Kälte schlugen mir die Zähne aufeinander. Ich war erleichtert als die Schwester ein Bettwechsel verlangte. Kreißsaalbett gegen mein Zimmerbett. Ich durfte nicht aufstehen, weil Feindbild Anästhesist, die Spritze verkehrt gesetzt hatte. Wieder keimte der Gedanke – seine Rache - in mir auf. Aber zunächst war nur wichtig:
Sie ist da! Alles dran, auch der Apgar-Test verlief in allen 10 Punkten super und nicht zu vergessen die wärmende Decke in dem anderen Bett. Mit Schwung wurde ich auf mein Zimmerbett geworfen, wo eine liebenswürdige Frau meine Beine mit einem eiskalten Waschlappen abwischte. Vor Schreck wollte ich mich aufsetzen. Das laute "Nein" kam von der Frau mit dem kalten Lappen. Kein Aufsetzen! – wegen der Spritze. Ich erinnerte mich schwach.
Mir auch recht, blieb ich eben liegen. Ich bekam so was wie eine Matratze zwischen die Beine und eine, nicht gerade der neuesten Mode entsprechende, Netzhose an. Meine Tochter durfte 5 Minuten auf meinen Arm. 5 wundervolle Minuten, in denen ich sie ansah und jede Einzelheit in mich aufnahm. Vielleicht hält mich der Leser nun für verrückt, aber sie lächelte. Nein, sie strahlte! Dann kam sie neben mich in einen Glaskasten. Das Licht wurde gedämpft und wir bekamen ein wenig Ruhe. Nach 3 Stunden intensiver Stille, nur unterbrochen vom Schreien meiner Süßen, das lautstark aus der Glasvitrine neben mir ertönte, kam endlich die Schwester. Sie legte mir eine menge Verpackungsmüll aufs Bettende und schob mich fröhlich in Richtung Aufzug.
Nebenan brüllte zum Abschied die nächste Mutti.


*




Ein schnelles Stell-dich-ein



Es begab sich zu einer Zeit, als ich noch ein bisschen jünger war. Meine Tochter ging schon in den Kindergarten und ich brachte sie jeden Tag zu Fuß durch den großen Park dorthin. Morgens war es am schönsten. (Wenn es nicht gerade regnete oder schneite) Aber da musste ich halt durch. Schließlich wollte ich nicht, dass meine Tochter ohne soziale Kontakte dahin vegitierte. Auch wenn es Spielplätze gab (und das nicht wenige) aber leider waren die nicht gut besucht und außerdem konnte ich es nicht ertragen mich ständig über Windeln oder Tomatenpreise zu unterhalten. Also ging sie ganze Tage hin um wirklich genügend Kinderkontakte zu bekommen. Ich beschäftigte mich damit meinen Bauch zu pflegen. Ja, genau! Ich war wieder schwanger. Glücklich darüber beschwerte ich mich nicht mal als mir drei mal täglich schlecht wurde. Nein, ich ertrug auch die Kreislaufschwierigkeiten und meine anschwellenden Füße. Kurzfristig sah es aus als wollte mein Baby nicht bei mir bleiben. Aber das überlegte Es sich wieder und blieb dort wo es schön warm und gemütlich war.
Ich trug über den Winter. Es wurde immer kälter und vor allem schwieriger meine Tochter in den Kiga zu bringen. Der Park ähnelte einer Eisbahn, nur das ich keine Schlittschuhe nutzen konnte. Mein Töchterchen interessierte das nicht. Sie stapfte munter drauf los und amüsierte sich über meinen watscheligen Gang der durch mein geschlitter auf dem Eis hervorgerufen wurde. Ich wusste; das wird noch richtig lustig werden.
Die Monate vergingen ohne das ich nennenswerte Probleme hatte. Auch waren die Mutterbänder diesmal nicht so gemein wie bei der ersten Schwangerschaft. Ich überlegte schon ob es an der Zweitschwangerschaft lag, da kam mir der Gedanke; Mädchen sind gehässiger als Jungs. Es wird bestimmt ein Junge! Die Wetten innerhalb des Freundeskreises und der Familie waren schon lange im Gang und ich wollte keine falschen Hoffnungen wecken. Also wartete ich ab, bis der Arzt mir sagen konnte ob Es MIT oder OHNE war. Die ersten Strampelanzüge wurden schon geschenkt und man sah ihnen die Hoffnung derer an die sie mitbrachten. Rosa... sagte ich schon das Rosa nicht unbedingt meine Lieblingsfarbe ist? Türkis wäre da sicher angebrachter gewesen oder wenigstens etwas Buntes. Na ich wollte nicht nörgeln und tat meine Freude kund, wie es sich für eine brave werdende Mutter gehörte.
Es wurde langsam Sommer - zumindest nach den Wetterberichten! Draußen war es nicht besonders warm und ich war glücklich darüber. Meine Füße sahen aus als hätte ich sie unterspritzen lassen und wieder kam mir der Gedanke: Ob nun mein Körper zu 140% aus Wasser besteht? Es war kaum zu glauben, kleine runde Bälle mit kleinen Auswüchsen, sollten meine Füße darstellen. Nun, auch das würde vorbei gehen. So hoffte ich! Der Sommer - also die drei Wochen jährlich - wurde einfach nur heiß. Überall stöhnten die Menschen und manche fuhren sogar nackend mit der Bahn. Was für eine Berichterstattung in den Medien. Dabei konnte ich die Leute verstehen. Ohne Sonnenschirm und mindestens drei - vier mal duschen ging gar nichts. Der Bauch sah anders aus als bei der ersten Schwangerschaft. Er spannte auch mehr. Und so ging ich durch die Geschäfte mit einem Blick nach Kleidung für einen Jungen. Auch wenn ich nicht unbedingt an das Märchen mit dem spitzen Bauch für Jungs glaubte, so war in mir ein Gefühl nach Blau und Grün.
Ein wunderschönes kleines und altes Kinderbett ergatterte ich bei einer guten Bekannten, sowie die dazugehörige selbstgenähte Bettwäsche. Auch wenn sie Rosa war, ich liebte sie einfach. Liebevoll richtete ich die Kinderecke im Schlafzimmer ein. Ein Wickeltisch mit integrierter Badewanne in Blau und Türkis, es war himmlisch. Mit fortschreitender Schwangerschaft wurde auch mein Äußeres ein wenig unüberschaubar. Zumindest für mich! Als ich wieder einmal in unserem Einkaufszentrum durch die Passagen flanierte, sprach mich ein kleines Kind an: "Sie sind aber dick!" Die Überraschung war ihm anzumerken. So dicke Frauen gab es nicht oft. Die Mutter des so lieben und intelligenten Wesens versuchte die Situation zu retten: "Die Frau ist nicht dick sie bekommt ein Baby." Das Kind suchte kurz nach dem Scharnier zum aufklappen des Bauches und strahlte dann ihr Mutter an, nur um mit dem Hammer nach mir zu werfen: "Nein Mami, sie ist dick!" Ich lächelte freundlich und sah mich schon einmal nach einem gut geeigneten Gegenstand um, bei dem es sich auch um einen Unfall des Kindes hätte handeln können. Leider fand sich so schnell keiner und ich ging (zwar mit einem Lächeln) voller grausiger Gedanken weiter. Wieso gibt es Mütter, die es nicht schaffen, ihre Kinder aufzuklären? Sie musste doch wissen wie so etwas ist. Ich seufzte laut auf und rannte in Richtung Toilette. Mein kleines Monster in meinem Bauch trat mir ständig in die Blase und mir stand das Wasser schon in den Augen.
Ich schwor mich über solche Unerheblichkeiten nicht mehr aufzuregen und ließ den Tag langsam an mir vorüberziehen. Im Café schlürfte ich mir ein Milchshake und schlemmte ein leckeres Eis weg. Das hab ich mir verdient! Dachte ich noch als eine Horde Jugendlicher an mir vorbei zog. "Ey schau mal die Alte, die sollte weniger Eis essen." Selbst die Jugend wusste nicht was Schwanger bedeutet. Ich lachte den Jungen aus und er wurde ein bisschen sauer. Seine Kameraden standen um ihn rum und versuchten ihn aufzuklären. Es war eine Freude zu sehen, das es wenigstens ein paar Kid´s geschafft haben, der Evolution treu zu bleiben und sich zu entwickeln. Langsam schlenderte ich an den Klamottengeschäften vorbei ohne wirklich hinzusehen. Hätte mir ja sowieso nichts von gepasst. Bei der Pizzeria roch es herrlich und ich setzte mich an einen kleinen Tisch. Nein ich wollte gar keine Pizza, nur einen kleinen Salat. Der Kellner schwitzte als er mir meine Bestellung brachte. Ich verstand gar nicht warum? Was war bitte so schwer an einer Lasagne, einer Pizza und einem großen Salat mit Putenbruststreifen? Kopfschüttelnd saß ich da und fing an zu essen.
Herrliches Wetter, kam mir in den Sinn. Ich könnte eigentlich einen kleinen Verdauungsspaziergang machen. So ging ich nach dem kleinen Imbiss in den schönen Park und schnappte die frische Luft auf. Das Café auf der anderen Seite hatte sicher geöffnet. Schon richtete sich mein Schritt nach meinen Gedanken. 14.00 Uhr, ich konnte noch einen kleinen Cappu trinken. Vielleicht eine Zeitung lesen oder das Buch was ich mitgenommen hatte. Also nahm ich an einem der runden Tische Platz und bestellte eine Tasse Cappu sowie ein Stück von dem schönen Kuchen der reichlich mit Marzipan verziert war. Als ich damit fertig war überlegte ich, wann der Arzt mir endlich ein Mittel gegen die ständige Übelkeit geben würde. Es war kaum auszuhalten. Leicht grün im Gesicht holte ich meine Tochter vom Kindergarten ab. Zurück ging es nur per Bus. Den Weg hätte ich niemals zu Fuß geschafft. Mein Kreislauf machte mal wieder Schwierigkeiten und außerdem hatte mein Mäuschen Hunger. Auch bei mir meldete sich so ein Bedürfnis nach Tomaten und Käse. Also beeilten wir uns nach Hause zu kommen und ich machte erst einmal ein opulentes Mal aus Spagetti in Käse-Sahne-Soße und einem schönen Salat aus Tomaten, Gurken sowie Schafskäse.
Ich hatte schon wieder zugenommen, wie mir meine Waage sagte. Das Kleine in mir hatte, wie es aussah, ein gutes Wachstum.
Der Sommer dauerte diesmal länger als die gewohnten drei Wochen und selbst im August war es noch warm aber erträglich. Der Termin für die Geburt rückte näher. Ich konnte es kaum noch erwarten. Trotz meiner wollüstig ausschweifenden Genussmittelverlustierung, hatte ich weniger zugenommen als in meiner ersten Schwangerschaft. Es musste ein Junge sein. Der Arzt den ich damals hatte, war sich nicht sicher denn das schnuckelige Ding in meinem Bauch, verkreuzte immer die kleinen Beinchen vor dem was es auszeichnete. Aber ein Ultraschallfoto schien Aufschluss zu geben. Ich konnte es sehen. Ein kleines Entchen mit Schnabel! Mein Arzt war zwar der Überzeugung, dies wäre doch eher etwas anderes aber das war mir egal. Ich wollte diesen Jungen und ließ mir das auch nicht nehmen. Meine Tochter war fasziniert von den Auswüchsen die mein Bauch manchmal annahm. Ja er hatte einen kräftigen Tritt, der kleine Mann. Stolz ließ ich bei jeder Gelegenheit den Bauch frei, so das mein Töchterchen immer zusehen konnte, wenn ihr kleiner Bruder wach war. Es beulte und zappelte und irgendwie schien mein Bauch sich zu bestimmten Zeiten in ein wogendes Meer zu verwandeln. Ich zeigte ihr immer wieder wo der Kopf und der Po war. Sie war schon ein ziemlich aufgeklärtes kleines Mäuschen und wusste schon Anfang der Schwangerschaft wie eine Geburt von Statten ging. Allerdings fing ich an zu Zweifeln ob das immer noch so war. Meine Mutter hatte ihr eine Steffipuppe gekauft, deren Bauch konnte man wegklappen. (Hier verstand ich was das Mädchen im Einkaufzentrum gesucht hatte) Auch meine Tochter meinte ca. eine Woche vor dem errechneten Termin: Mama wann sieht man denn wo der Bauch weggenommen wird? Ich sah sie fassungslos an und nahm meine Mutterpflichten in die Hand. Die Erklärung dauerte in Etwa drei Tage, denn immer wieder kam sie mit der Puppe angerannt und wollte mir zeigen wie es richtig gemacht wird. Mama du hast keine Ahnung ließ sie vernehmen. So geht das! Und ich resignierte. Nahm mir vor, nach der Geburt noch einmal das Thema auf den Tisch zu bringen. Die Vorwehen waren heftig! Das kannte ich gar nicht in der Form. Der Bauch senkte sich langsam Richtung Boden und wurde immer runder, wenn er auch immer noch recht Kugeligklein wirkte. Schnuffig - wie sich meine Freundin auszudrücken pflegte.
Es ging nun alles sehr schnell. Binnen von vier Tagen kam ich ins Krankenhaus...Wehen! Wie schon bei meinem Töchterchen, es konnte lange dauern! Wehen hm...Ja ich hatte Wehen aber ich merkte sie nicht! Mein Arzt sagte ich hätte Wehen und auch im Krankenhaus ließen sie sich nicht davon abbringen. Meine Schwester kam mich besuchen und war geschockt wie fertig ich war. Ich brummelte immer nur: Es ist noch nicht soweit. In Erinnerung an die erste Geburt, ging ich alle zwei Stunden zum CTG. Überraschenderweise war auch das Gerät davon überzeugt, dass ich Wehen hätte. Ich seufzte lautstark und konnte es nicht glauben. Ich fühlte nichts! Also ließ mich die Hebamme den Flur rauf und runter gehen und ganz viel Atmen. Mir war langweilig. Wie lange sollte das noch so gehen? Den Muttermund hatten sie auch noch nicht geprüft. Ich war völlig in meinen Gedanken als plötzlich ein Rucken durch meinen Körper ging. Die erste Wehe die ich spürte! Ich war fasziniert. Es ging tatsächlich los. Der Arzt war endlich da und meinte er müsse mich noch untersuchen. Also dackelte ich hinter ihm her und legte mich auf ein frisch bezogenes Bett. Aus dem ich nicht wieder aufstehen sollte bis das Kind da war. Der überraschte Ausruf des Arztes sagte alles. Auf einmal war die Hebamme und eine Schwester zugegen und alle versammelten sich um das Bett. Eine lange Spritze machte mich darauf aufmerksam: Nun wird es schmerzhaft werden!
Feindbild! Der Arzt spritzte, ich schrie und die Hebamme (übrigens die gleiche Hebamme wie bei der ersten Geburt) sagte zu mir das ich doch schon schlimmeres durchgestanden hätte. Feindbild erhob sich und kam zu mir ans Kopfende. Er legte seine Hände hinter meinen Rücken und hob den Oberkörper mit einem Ruck an. Ich bekam keine Luft mehr. Ich hatte wohl doch recht gehabt damals! Die wollten einen umbringen. Und wenn Gebärende keine Schmerzen hatte, so verschafften sie ihr welche! Ich spürte die Wehen heftiger werden und mittlerweile war auch mein Mann aufgetaucht. Er stand neben meinem Kopf als der Arzt mich dazu aufforderte mich auf die Seite zu legen. Das verursachte - dadurch das seine Hand noch da war wo eigentlich das Kind durch sollte, höllische Schmerzen. Ich sah neben meinem Kopf eine bestimmte Stelle von meinem Mann und es stiegen grausige Gedanken in mir hoch. Ich unterdrückte den Wunsch das zu tun was ich mir Bildlich und lebhaft vorstellte und konzentrierte mich auf das was Wichtig war.
Knapp 25 Minuten später war er da! Ein Prachtbursche und es hatte mich nicht mehr als ein Husten gekostet. Erstaunt dachte ich an die erste Geburt. Wie unterschiedlich das doch sein konnte. Es war unglaublich. Die Hebamme erledigte die üblichen Prozeduren und als sie ihn auf den Wickeltisch zum messen legte hörte sie den Ausdruck meines Erstaunens: So große Füße! Ich sah nur die Füße, der Rest des Babys lag so das ich keinen Blick drauf erhaschen konnte. Die Hebamme und auch der Kinderarzt waren sehr zufrieden und beglückwünschten mich zu diesem "strammen Jungen". Der Kleine Mann kam neben mich in mein Bett und ich erzählte ihm alles von seiner Schwester. Irgendwann schlief ich mit dem winzigen Bündel in meinen Armen ein. Es gab für mich nichts schöneres, nichts lieblicheres als dieses Baby und seine Finger waren so schmal und lang. Filigran würde ich sie beschreiben. Sein Gesicht war ebenmäßig und hatte keine - wie sonst so üblich - Knautschfalten. Er sah so toll aus! Und ich träumte von einer Zeit in der er mit seiner Schwester spielen konnte. - Wie sehr sich eine Mutter doch täuschen kann...


*





Was lange währt...



wird endlich gut! Sagt man so in seinem jugendlichen Leichtsinn. Ja es gab sie: Die dritte Schwangerschaft nebst einer absolut erfrischenden Geburt! Manch Einer mag nun entsetzt sein und sagen: Hey zwei Kinder reichen doch völlig! Aber ich wollte eben noch ein Kind. Und ja es war eine Bilderbuch Schwangerschaft. Mit allem Darum und Daran. Sogar mit einem Mann der sich kümmerte. Ich schrie nach Cheeseburger und er fuhr los und holte einen. Allerdings immer nur dann, wenn er auch Hunger auf Fastfood hatte. Das nenne ich einen höchst selbstlosen Akt der Liebe. Morgens bekam ich Marmeladenbrote und am Abend Tomatenbrote (wegen der Folsäure). Er schüttete mir Tee oder auch ab und zu einen Kaffee auf und brachte mich regelmäßig zum Arzt. Sogar die Ultraschallaufnahmen interessierten ihn. Ich war hin und weg von diesem Mann. Auch durfte ich nichts Schweres heben. Er schleppte die Tüten und ließ mich, während er die Treppen rauf und runter rannte, langsam hochgehen. Immer, wenn er an mir vorbeikam, bekam ich einen Kuss. Und ich war überrascht dass er schneller fertig war als ich, die ich doch nur die Treppen hoch schleichen musste.

Wenn mein Mann einkaufen ging, holte er alles Mögliche was Schwangere so angeblich essen. Ich lebte im Schlaraffenland! Und da soll Frau nicht zunehmen. Was denken sich die Ärzte eigentlich, wenn sie so etwas sagen? Ich verstand nicht wieso ich immer wieder von meinem Arzt schimpfe bekam. Sie haben zuviel zugenommen! Das muss sich ändern! Und ich stand da, seufzte und sprach artig: Ja, ich werde darauf achten. Was natürlich nicht einzuhalten war. Kindermilchschnitten und Pinguin und die leckeren Tomatenbrote, hatten es mir angetan. Gemeinsam futterten wir in abwechselnden Anfällen. Ich glaubte schon mein Mann wäre mit mir gemeinsam schwanger. Meine Ängste stellten sich allerdings als Trugschluss raus und ich konnte unbekümmert weiter mit meinem Mann schlemmen.
Bis zur nächsten Untersuchung, die ich immer schweren Herzens antrat.
Ich wusste ja, ich hatte gesündigt. Mein schlechtes Gewissen hielt mich jedoch nicht davon ab, dem Naschdrang meiner geliebten anderen Hälfte nachzugeben.

Und wie nicht anders zu erwarten wuchs mein Bauch stetig. Die Erdanziehung wurde überlistet und der Bauch wuchs nicht nach unten, sondern nach vorn. Bei den üblichen Untersuchungen hörten wir den Herzschlag und irgendwie kam er uns schon ein bisschen merkwürdig vor. Auch der Arzt schaute etwas besorgter und meinte das wird sich wohl wieder auswachsen und normalisieren. Er überwies mich gleichzeitig ins Krankenhaus zum so genannten „Dopplern“ und das machte uns misstrauisch. Wenn alles nicht so schlimm war, wieso dann Krankenhaus? Meine Gedanken schweiften zu diversen Filmen in denen grüne Kekse hergestellt oder ähnliche Bösartigkeiten mit Menschen vollzogen wurden. Allein schon aus Sorge, gingen wir gemeinsam zu dem Termin. Dort wurden wir für alle Ängste und Widrigkeiten entschädigt.

Es war einfach faszinierend. Das komplette Abbild unseres Kindes. Unsere Tochter, wie wir unschwer erkennen konnten. Sogar die Form der Nase und die Wangen, waren zu sehen. Der Mund! Es gab nicht ein Detail, das nicht zu erkennen gewesen wäre. Hier lernte ich dann die Eigenschaften eines Dopplers kennen. Er zeigte Foto ähnlich, wie das Baby aussah und auch welche Probleme es am Herzen hatte. Allerdings beruhigte uns der Arzt. Es würde sich auswachsen meinte er. Der hat gut reden. Und wieder einmal dachte ich daran, wie ich die Schwangerschaft bemerkt hatte. Angefangen hatte es mit unserem Auto. Ja sie lesen richtig! Mit dem Auto fing alles an!

Es war ein Nieseltag. Also ein Tag an dem es regnete und auch nicht. Also, es kam schon Wasser vom Himmel aber so sprühend und fein, das ich es nicht als Regen bezeichnen konnte. Wir fuhren von Freunden nach Hause und unser Auto hielt zunächst noch mit. Aber auch Autos können launisch sein. Irgendwann, nicht allzu weit von unserem Wohnort entfernt, muckte es. Es wurde lauter und lauter. Wir hofften noch nach Hause zu kommen aber der Wagen machte uns einen Strich durch die Rechnung. Er fing an zu Qualmen. Nein nicht etwa Weiß, weil Feuchtigkeit auf den Motor gekommen wäre. Nein, nein! Er qualmte Schwarz! Und kurz darauf verstarb der Motor mit einem lauten Peng! Wir hatten Glück im Unglück und der Wagen hielt ca. 50 Meter von einer gut besuchten Schwimmhalle entfernt, die über einen großen Parkplatz verfügte. Wir wollten den Wagen nicht auf der gut befahrenen Straße stehen lassen, zumal meine beiden Kleinen – meine Tochter und mein Sohn - darin saßen. Also, rafften wir uns auf und schoben ihn die kurze Strecke zum Parkplatz. Ein leichtes Ziehen machte sich bei mir bemerkbar. Ich versuchte es zu ignorieren aber als es einen niedrigen Hang hoch ging, machte mir das Ziehen doch sehr zu schaffen. Ein letztes Stückchen noch und der Wagen mit samt der kostbaren Fracht war in Sicherheit. Leise vor mich hin murmelnd setze ich mich auf den Beifahrersitz und fragte mich was das sein könnte. Mein Mann sah mich etwas belustigt an und fragte: Na? Schon aus der Puste? Das war doch wieder mal ganz typisch Mann. Kaum schnaufte die Frau ein bisschen, da wurde ihr gleich unterstellt aus der Puste zu sein. Leicht belustigt erwiderte ich ihm das es noch andere Dinge im Universum gab die eine Frau so mitnahmen. Nach meinen Schilderungen war er sofort dafür zum Arzt zu gehen. Meine Gedanken schweiften ab. Was, wäre wenn? Ja was wäre, wenn ich Schwanger wäre? Beunruhigt wartete ich, bis uns mein Schwager den wir informiert hatten holen kam. Kurz darauf schleppte er uns in Richtung Heimat. Ich wünschte mir nur noch eine heiße Tasse Kaffee und eine warme Decke. Aber mein Mann ließ das erst gar nicht zu. Er stellte das Telefon neben mich und wollte unbedingt einen Termin beim Doc. Seufzend nahm ich den Hörer und schilderte der Arzthelferin die ich kurz darauf am Telefon hatte mein Problem.

Ja ein Ziehen sagte ich ihr und das ich mir vorkam als wäre ich gefüllt. Schnell gab sie mir einen Termin für den nächsten Nachmittag und wünschte mir noch einen schönen Tag. Natürlich ging ich am Tag darauf nicht alleine zum Arzt.
Mein Mann begleitete mich und hatte mir fürsorglich wie er war, ein kleines Stoffschäfchen geschenkt. Zur Beruhigung wie er meinte. Und natürlich zum Trost, falls es nicht das Erhoffte war. Ich wurde mit dem üblichen Töpfchen zur Toilette geschickt und man wartete auf meine erfolgreiche Abgabe desselben. Wie üblich war ich kurz vorher schon dort gewesen, dabei hätte ich es doch wissen müssen. Aber was raus muss, muss eben raus. Ich seufzte auf und ging mit hängendem Kopf auf die Toilette. Nach 10 Minuten, kam ich strahlend wieder und drückte der Helferin das Töpfchen in die Hand. Sie verschwand umgehend und kam mit einem kleinen weißen Plättchen wieder. Der Schwangerschaftsersttest! Sie schüttelte den Kopf und zog die zweite Arzthelferin zu Rate. Beide grübelten über dem Plättchen. Zeigte es nun einen Streifen oder nicht oder war das nur eine Schattenbildung? Ich durfte auch mal schauen und mein Herz hüpfte hoch. Klar war da ein Streifen. OK, er war nicht gut ausgeprägt. Aber immerhin, er war da! Die Helferinnen sahen mich leicht besorgt an aber sagten nichts weiter. Ich ging zu meinem Mann und erzählte die frohe Botschaft und auch er konnte nicht an sich halten. Er bestätigte mir das er mich liebte und hielt mich fest umschlungen.

Gemeinsam gingen wir zum Arzt in den Behandlungsraum. Erst wurde wie üblich gequatscht. Wibbelnd vor Aufregung sah ich ihn aufmerksam an und dachte mir nur: Ja, nun werde fertig! Ich will die Bestätigung. Endlich befreite er mich aus der Ungewissheit und wir gingen zu dem Stuhl der Stühle. Ultraschall ist was Tolles, nur wenn sich etwas versteckt, dann nutzt auch der Ultraschall nicht viel. Er suchte und suchte. Alles toll aufgebaut aber kein Kind zu sehen. Er runzelte die Stirn, ich drückte die Hand meines Mannes und er sah fasziniert auf das Bild, welches sich immer wieder veränderte. Und da! Ganz plötzlich sahen wir etwas! Auch dem Arzt war es nicht entgangen. Er suchte die Stelle wieder und ganz winzig in eine tiefe Falte gebettet lag das kleine Etwas das ein Kind werden wollte. Frühschwangerschaft hörte ich ihn murmeln. Höchstens sechste Woche. Ich rechnete nach. Nein das konnte gar nicht sein. Entweder 8te oder 4te aber für 4te war es schon zu groß. Leichte Panik machte sich in mir breit. Ärzte, die Götter in Weiß! Und doch können sie einem nicht mal die Sorgen nehmen. Allerdings war ich trotz allem frohen Mutes und stapfte nach dem ganzen Gedönse mit Mutterpass und Blutabnahme gemeinsam mit meinem Mann nach Hause.

Dort erwarteten mich meine anderen kleinen Krümel. Der kleine Knirps stand mit dem dicken Windelpo vor mir und strahlte mich an. Mama war wieder da! Glücklich schmiegte er sich an mein Bein und meine Große stand strahlend vor mir und erwartete die Nachricht. Nachdem wir ihr gesagt hatten, sie bekäme noch ein Geschwisterchen freute sie sich als wäre es ihr eigenes Kind. Und das mit 6 Jahren. Ich schmunzelte bei dem Gedanken an meinen Winzmops mit einem Baby im Arm. Sie hatte schon ne menge Geld mit ihrem Brüderchen verdient. Immer, wenn ich nicht hinsah, nahm sie einen ihrer kleinen Freunde mit zu uns nach oben und zeigte ihn. Dafür bekam sie von dem jeweiligen Kind 20 Pfennige. Als mir das klar wurde nahm ich sie zur Seite und fragte sie was das solle. Die Antwort war einfach und schlicht: Mama was soll ich denn sonst mit ihm machen? Er kann ja noch gar nicht richtig spielen. So kann ich mir wenigstens was für ihn kaufen. Das nenne ich Kinderlogik, dachte ich innerlich lachend. Ihr Gesicht war Gold wert als ich ihr sagte es müsse nun Schluss damit sein. Aber sie hielt sich dran.

Von Anfang an wollte sie ein Schwesterchen. Sie wollte jemanden mit dem sie Barbie spielen konnte. Und sie hing mir den ganzen Tag in den Ohren; Mama bitte mach eine Schwester für mich. Mein Sohn hielt sich raus, er war auch noch zu klein um wirklich Wünsche in der Form äußern zu können. Aber, wenn hätte ich bestimmt zu hören bekommen; nein, ich will einen Bruder. Denn Einig sind die Beiden sich so gut wie nie. Der Bauch wurde mit den Wochen immer Größer (auch wenn er nie die Größe der ersten Schwangerschaft erreichte) und die Kinder schauten immer faszinierter auf das beulen. Mit dem Kopf lag meine Tochter auf meinem Bauch um ihr Schwesterchen zu hören und manchmal trat es gegen ihr Ohr. Dann rief sie aus; Mama es will mir was sagen! Das sind Morsezeichen! Was für eine Vorstellung! Morsezeichen, ja warum eigentlich nicht? Ich grinste und gab meiner Tochter einen dicken Kuss.

Die Schwangerschaft wurde nur von der Sorge überschattet, was das für ein Nebengeräusch bei den Herztönen war. Ansonsten war alles normal und prima. Als sich die Zeit dem Ende zuneigte wurde mein Mann von jeder meiner Bewegungen wach. Ich drehte mich und er rief: Geht es los? Er schlief sehr schlecht. Und dann kam sie, die Nacht!
Und mein Mann wurde nicht wach.
Die Nächte vorher hatte er so schlecht geschlafen, das er vor Erschöpfung fest schlief. Der Schmerz ließ mich laut aufstöhnen und ich rüttelte am Bein meines Mannes. Verschlafen drehte er sich um, schaute mich an und mit einem Schlag war er hellwach. Nahm mich in den Arm und drückte mich. Alles war vorbereitet. Meine Tasche schon lange gepackt und auch unsere Helfer waren informiert. Eine Freundin nahm die Kinder und meine Schwester sollte bei der Geburt dabei sein. Ich freute mich, ihr diese Erfahrung geben zu können. Alles in allem dauerte es eine halbe Stunde bis die Kinder abgeholt, meine Schwester da und wir auf dem Weg ins Krankenhaus waren. Irgendwann auf dem Weg riss ich während einer Wehe den Haltegriff über der Tür ab an dem ich mich festhielt. Endlich, das Krankenhaus kam in Sichtweite. Jede Bewegung löste eine Wehe aus. Das kannte ich noch nicht. Es war höllisch! Wir kamen zu den Kreissälen und klingelten an der Tür. Eine der Hebammen öffnete uns die Tür und schickte uns in einen Raum zur Untersuchung. Dort sah ich die Hebamme, die mein Kind entbinden sollte. Der Schock stand mir im Gesicht geschrieben. Eine russische Gefängniswärterin, war mein erster Gedanke. Die Haare eng an den Kopf zu einem Dutt gemacht, ein Gesicht ohne Regung und eine sehr füllige Figur. Kein Lächeln, kein freundliches Wort. Sie zeigte mit einer herrischen Handbewegung auf die Liege und ihre Mimik bedeutete mir das Wort: Sofort! Ohne Widerspruch legte ich mich hin. Voller Angst und Misstrauen. Auch meine Schwester und mein Mann, waren ziemlich erschrocken bei dem Anblick. Meine Hoffnung war der Wechsel um sechs Uhr. Eine Stunde noch! Sie untersuchte mich und befand; der Muttermund ist schon fünf Zentimeter auf. Ich bekam auf mein Verlangen eine Periduralanästhesie und diesmal funktionierte sie sogar... ich hatte erst einmal Ruhe. Einen Druck verspürte ich aber der war nicht mehr schmerzhaft. So ließ sich eine Geburt durchstehen befand ich und spielte mit meinem Mann ein Runde Karten, um mich abzulenken. Allerdings währte das nicht lange. Ein schmerzhaftes Ziehen zeigte mir an, jetzt ist es soweit. Die Hebamme kontrollierte noch einmal den Muttermund und in dem Moment ging die Tür auf. Schichtwechsel der Hebammen! Und wer kam rein? Ja, genau die Hebamme die ich auch bei den beiden anderen Geburten gehabt hatte. Ich strahlte über das ganze Gesicht und fiel ihr um den Hals als sie in meine Reichweite kam. Die Gefängniswärterin verabschiedete sich noch und ging mit einem miesepetrigen Gesicht die Tür raus. Ein Aufatmen war im Kreißsaal zu hören. Mein Mann, meine Schwester und ich waren uns wohl einig!

Die Luft blieb mir bei der nächsten Wehe weg und es wurde endlich ein Arzt gerufen. An der einen Hand meine Schwester und an der anderen meinen Mann, durchlebte ich die Geburt wie in einem Film. Ich hörte wie die Ärztin nach einem Sender verlangte und das Gesicht meines Mannes sagte mir; das sieht nicht gut aus! Was die Hebamme mit mir anstellte, kann ich nur als Aerobic bezeichnen. Ich sollte auf dem Bett hin und her krabbeln, was schon ohne Geburt auf weichen Matratzen recht anstrengend ist. Danach kam der Befehl: „Wieder hinlegen.“ Und zum guten Schluss legten sie ein Laken auf die Erde und ich sollte vor dem Bett niederknien. Beten, dachte ich, wie die Jungfrau Maria kam ich mir vor. Nur dass ich keine Jungfrau mehr war. Zumindest darin war ich mir sicher.
Ich machte alles was sie sagten. Die Kleine in meinem Bauch hatte einen extrem starken Willen und sie wollte nicht zum Licht.
Sie hielt sich krampfhaft in meinen Eingeweiden fest. Den Schmerzen nach zu urteilen, krallte sie sich mit ihren Fingernägeln fest.
Durch das Laken, auf dem ich kniete, rutschte ich seitlich weg.
Das Bein meines Mannes hinter mir spürend seufzte ich leise: „ich rutsche weg.“ Mein Mann lachte „ Nein, das kannst du nicht, ich habe mein Bein hinter dir.“ In mir explodierte ein Lachen aber raus lassen konnte ich es wegen der nächsten Wehe nicht. Es kam nur ein gequältes Aufstöhnen raus. Die Sorge, dass ich bald auf dem Kopf meines Kindes sitzen würde, machte einem urkomischen Gedanken Platz, es war wie eine Karikatur, von dem was da gerade passierte.
Irgendwann durfte ich wieder ins Bett. Eine Qual war es, mich auf den richtigen Platz zu legen und das alles mit einem Sender und damit einer langen Antenne, am rechten Bein.

Dann endlich! Ich spürte einen enorm starken Druck und jauchzte: „Es ist soweit ich muss pressen.“ Die Hebamme, die ein Tuch über mich gelegt hatte, schlug es zurück und meinte nur: „Nein, es ist noch nicht soweit. Das ist nur ein Malörchen.“ Knallrot vor Scham hoffte ich, die Erde möge sich unter mir auftun aber wie voraus zu sehen, tat sie mir den Gefallen nicht.
Und wieder kehrte Frieden im Kreißsaal ein. Die Ärztin, zwischendurch hinausgegangen, kam nun mit einer Meute von angehenden Ärzten wieder ins Zimmer. Kurz wurde ich gefragt ob das OK geht und schon zeigte sie der werdenden Ärztemeute wie ich beschaffen war. Nun müsste man meinen es wäre peinlich gewesen, aber um ehrlich zu sein interessierte es mich nicht sonderlich. Ich wollte nur das der Knubbel in meinem Bauch raus kam und ich keine Schmerzen mehr spürte. Die Kleine tat mir den Gefallen und ich rief: Jetzt kann ich wirklich nicht mehr! Die Hebamme schlug wieder das Tuch zurück und endlich kam Hektik auf. Alle gingen auf ihre Plätze, wo sie die Geburt gut einsehen konnten. Meine Hebamme klopfte mir beruhigend auf den Schenkel und ließ mich Hecheln. Hecheln? Jetzt wo es endlich losging? Aber ich hechelte und hechelte. Pressen! Ich presste und kaum hatten „wir“ damit angefangen, spürte ich wie es in mir rutschte. Die Schmerzen waren durch das Pressen weitgehend weg und ich war froh, etwas tun zu können. Erleichterung stand in meinem Gesicht geschrieben – Schmerz, in dem von meiner Schwester. Ich lockerte schnell den Griff meiner Hand aber da ich mich ganz auf das Geschehen konzentrieren musste, dauerte es nicht lang und ihr Gesicht wurde etwas blass. Sie blieb tapfer! Und wenn ich ihre Hand brechen würde, sie wollte stark bleiben und die ganze Geburt sehen und wohl auch die Schmerzen zumindest zum kleinen Teil, spüren.
Mein Mann auf der linken Seite, drückte meine Hand kräftig zurück, so das ich den Widerstand spürte.
Sieben Presswehen dauerte die Geburt und dann war sie da. Mein Mann war ziemlich geschockt als die Hebamme das Köpfchen drehte damit die Schultern durch passten. Er drohte damit, sie zu verhauen, wenn sie dem Baby das Genick bricht. Männer, sag ich da nur.
Aber auch das ging vorbei. Er durfte trotzdem die Nabelschnur durchschneiden und glücklich lag unsere Jüngste kurz darauf in meinen Armen.

Völlig geschafft aber glücklich lag ich da und ein lautes Grummeln verriet dass ich Hunger hatte. Wie schon gesagt, ist mein Mann ein sehr aufmerksamer Mann! Er holte mir sofort ein leckeres Brötchen mit Salat und etwas zu trinken. Die Kleine schlürfte an meiner Brust und auch meine Schwester trank Kaffee. Der einzige Wehrmutstropfen war, das unser Kind an einen Monitor angeschlossen werden musste, wegen dem Herzen. Aber auch hier konnte man uns beruhigen. Es war nur wegen der Sicherheit.
...Aber das werde ich ein andern Mal erzählen.

Impressum

Texte: Das Copyright der Texte und Illustrationen liegt bei Sylvia Beyen
Tag der Veröffentlichung: 30.08.2008

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine Kinder und all die Frauen, die glauben sie wollen nie wieder ein Kind.

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