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Ich hatte mich damals gefühlt wie eine Prinzessin, der all ihre Wünsche von einer kleinen Fee mit einem süßen Zauberstab erfüllt worden sind.
Aber dann war alles hinüber.
Alles vorbei.
Mein Leben war mir bis zu diesem einen Moment wirklich perfekt erschienen und dann war alles plötzlich in tausend Scherben zerbrochen.

Es war so romantisch gewesen.
Ich hatte ein wundervolles Kleid an meinem Abschlussball getragen.
Einfach unglaublich wie hübsch alle ausgesehen hatten.
Ich hatte lange, dunkelblonde Haare, die meine Frisöse gekonnt zu einer wunderschönen Hochsteckfrisur gesteckt hatte und meine nicht ganz helle Hautfarbe war der perfekte Kontrast zu meinem weißen Kleid gewesen.
Mein damaliger Freund, Alex, trug ein weißes Hemd unter seinem schwarzen Anzug und sah wirklich zum Anbeißen aus.
Ich konnte meinen Blick kaum von ihm abwenden.

Ich war wohl mit einer rosaroten Brille durch die Welt gelaufen und hatte es nie bemerkt.

Liebe macht blind könnte man auch sagen.

Es war klasse mit all meinen Freunden meinen Abschluss zu feiern, aber andererseits war es auch traurig, weil ich einige von ihnen an diesem Abend vorerst das letzte Mal sah.

Beim Programm standen mir einige Male Tränen in den Augen, weil mir bewusst wurde, dass ich nun erwachsen werden musste und Entscheidungen treffen musste, die mein ganzes weiteres Leben beeinflussen würden.

Alex meinte schon vor dem Ball, dass er nachts noch eine Überraschung für mich hatte und ich war den ganzen Abend total hibbelig deshalb.
Ich war nicht der Typ für Überraschungen, denn ich wurde schnell nervös und stand nicht gern im Mittelpunkt.
Sonderlich schüchtern war ich nicht, aber ich war nicht der Typ, der schreit "Hey, hier bin ich."
Als der Ball so langsam zu Ende ging, verabschiedete ich mich von meinen Freunden und vergoss dabei einige Tränen, aber dann verließ ich an Alex' Seite den Saal.

Draußen funkelten die Sterne am Himmel und ich nahm alles durch einen leichten Schleier war.
Erstens war da meine Nervosität, dann meine Aufregung immer wenn ich mit Alex zusammen bin und der Sekt, den ich an diesem Abend genossen hatte, trug auch nicht wirklich dazu bei, dass ich mich gut auf den Beinen halten konnte.
Meine Beine fühlten sich an wie Pudding.
Wir machten uns auf den Weg zum Strand.
Es sah alles wundervoll aus in dieser Nacht.
Vor uns lag der Strand und die Wellen brandeten am Strand.
Die Sterne spiegelten sich im Meer und der Mondschein machte alles noch romantischer.

Dann kam es zur Überraschung.
Alex überreichte mir diesen wundervollen Ring und plötzlich konnte ich mich wirklich nicht mehr auf den Beinen halten.
Ich sackte zusammen und Alex versuchte mich aufzufangen, was ihm aber nicht gelang.
Also landeten wir beide zusammen im Sand.
Ich musste lachen und einen kurzen Moment später stimmte auch Alex in mein Lachen ein.
Nach einem intensiven Blick in seine schokobraunen Augen, in denen ich mich immer wieder verlor, war es, als bliebe die Zeit bei unserem Kuss stehen.
Es war wie im Film.

Leider war unsere gemeinsame Zeit bald zu Ende.
Denn ich musste mich auf den Weg nach Hause machen.
Alex durfte nicht bei mir schlafen, weil mein Vater ihn nicht mochte.
Er hatte immer gesagt: "Schatz, der Junge ist nicht gut für dich."
Er hatte wohl Recht gehabt, aber damals wollte ich davon noch nichts wissen.

Alex brachte mich mit seinem schicken Cabrio nach Hause.
Meine Haare wehten im Wind und ich streckte meine Arme weit nach oben und lachte, weil ich so glücklich war.
Aber leider enden auch die schönsten Tage irgendwann und wir bogen in unsere Straße ein.
Vor unserem Haus blieb Alex stehen.
Er stieg aus, hielt mir die Tür auf und brachte mich bis zur Treppe.
Überaus Gentleman-like war er an diesem Abend gewesen.

Am darauf folgenden Tag wachte ich mit einem leichten Kratzen im Hals auf, ließ mich davon aber nicht beunruhigen und ging meinen morgendlichen Ritualen nach.
Nach einer kühlen Dusche war ich schon etwas fitter, allerdings war es schon so spät, dass ich nur noch Zeit hatte, mir einen Apfel zu schnappen, bevor ich das Haus verließ.

Der Weg zur Arbeit war nicht weit, aber ich war trotzdem außer Puste, als ich dort ankam.
Normalerweise hatte ich eine gute Kondition.
Ich dachte mir nichts dabei.

Als ich am Nachmittag in der Stadt war um noch einige kleine Besorgungen zu machen, fror ich, da ich in meiner dünnen Sommerjacke durch den plötzlichen Regen gelaufen war.
Ich war völlig durchnässt.

Wieder zu Hause angekommen ließ ich mir ein heißes Bad ein, was überaus gut tat und wollte mich danach kurz ausruhen.
Ich hatte meinen Fernseher eingeschaltet, schlief allerdings sofort ein nachdem ich es mir in meinem Bett gemütlich gemacht hatte.
Ich wachte erst wieder auf, als meine Mutter am Abend ihren Kopf durch die Tür steckte und sagte: "Hallo, mein Schatz. Ich bin wieder da."

Ich wollte etwas sagen, aber es kam kein Ton heraus.
Meine Stimme war weg.
Super, das war ja ganz klasse gelaufen.
Meine Mutter verordnete mir strenge Bettruhe, wenn man es so nennen kann.

Ein lautes Brummen weckte mich kurz danach noch einmal.
Mein Handy leuchtete und zeigte eine neue Nachricht an.
Von Alex: "Alles klar bei dir? Ich wollte nur fragen, ob unser Essen morgen steht? Ich liebe dich."

Ich musste lächeln, wurde aber zugleich auch traurig, da unser Treffen morgen ins Wasser fiel, weil ich mit einer Wärmflasche und einem Tee in meinem Bett lag.

Antworten musste ich ihm natürlich trotzdem sofort.
Meine Antwort gefiel ihm wahrscheinlich nicht.
Trotzdem schrieb er: " Ach Schatz, das wird schon wieder. Ruh dich erstmal aus und werd wieder gesund. Das Essen holen wir nach."

Kurz danach konnte ich meine Augen nicht mehr länger aufhalten und fiel in einen traumlosen Schlaf.
Meine Mutter hatte mich anscheinend nicht geweckt, denn als ich meine Augen aufschlug, zeigte mein Wecker schon 12:34 an.

Mein Kopf schmerzte und auch meine Stirn fühlte sich heiß an.
Ich wollte aufstehen, aber entschloss mich dann doch um, als mir schon im Sitzen schwindelig wurde.
An Schlaf war jetzt allerdings auch nicht mehr zu denken.
Ich rief meine Mutter, die einen Moment später direkt mit einer Wärmflasche in der einen und einem Tee in der anderen Hand meine Zimmertür öffnete.

Die folgenden Tage blieb ich im Bett und das Fieber ging langsam zurück, bis es mir wieder so gut ging, dass ich warm eingepackt in eine Decke im Garten sitzen konnte.

Da ich von meinem "tollen" Freund nicht mehr Aufmerksamkeit als ein paar SMS bekommen hatte, machte ich mich irgendwann als es mir besser ging, auf den Weg zu ihm.

Aber leider wurde ich enttäuscht, da sein Vater mir sagte, er sei gerade mit dem Hund Gassi.
Mir kam eine Idee in den Kopf.
Ich bedankte mich bei Alex' Vater und machte mich auf den Weg in den Park.
Alex ging meistens dort mit seinem Hund spazieren, weil er ihn dort frei laufen lassen konnte.
Zuerst sah ich weder Lana noch Alex, aber dann kam jemand freundig auf mich zugelaufen.
Lana wackelte mit dem Schwanz und bekam ein paar Streicheleinheiten von mir.
Ich streichelte sie so lange bis ich vor Schock erstarrte.
Da saß ein junges Pärchen auf einer Parkbank und der Junge steckte dem Mädchen gerade einen Ring an den Finger.
Der Ring sah meinem verdächtig ähnlich und vor allem war das nicht irgendein Junge, der das Mädchen gerade verliebt auf die Stirn küsste, sondern MEIN Freund.
Ich konnte es gar nicht glauben.

Als Lana laut bellte, weil ich sie nicht mehr streichelte, wurden auch die beiden auf mich aufmerksam.
Meinem Freund stand der Schock ins Gesicht geschrieben.
"Wann wolltest du mir das erzählen?" schrie ich ihn an.
"Julia?" fragte mein Freund geschockt.
"Wer ist das?" fragte das Mädchen Alex verängstigt.
"Niemand." antwortete er mit ruhiger Stimme.
Das war zu viel für mich.
Was fiel dem eigentlich ein?
Wie konnte er mich so verleugnen?
Als meine Füße mich wieder trugen, machte ich einige Schritte auf Alex und seine Begleitung zu, und sagte mit fester Stimme: " Falls du es vergessen hast, ich bin deine Freundin. Aber das hat sich jetzt auch erledigt."
Meine anschließende Ohrfeige hatte gesessen, denn sie hatte ihn völlig unvorbereitet getroffen.
"Ist das wahr, Alex?" fragte ihn seine Begleitung mit zittriger Stimme.
Ihr standen schon die Tränen in den Augen.
"Ja, das kannst du mir glauben. Und ich sag die noch was. Dieser Ring, den du da an deinem Finger trägst, sieht dem, den Alex mir letzte Woche geschenkt hat, ziemlich ähnlich." sagte ich mit wütender Stimme zu dem Mädchen.
Ich war nicht wütend auf sie, sondern auf Alex und wollte ihn damit noch mehr bestrafen.
Nun war es endgültig vorbei und als das Mädchen realisierte, dass Alex auch sie betrogen hatte, flossen ihr die Tränen über die Wangen.

Ich drehte mich um, sagte: "Leb wohl, Arsch." und ging.
Aber was ich dann hörte, machte mich doch etwas schadenfroh.
"Annika, es tut mir leid. aber sie bedeutet mir nichts. Bitte, geh nicht." flehte er das Mädchen, das offenbar Annika hieß an.
"Willst du mich eigentlich verarschen? Sie hat gesagt, du bist ihr Freund! Und du hast uns beide eiskalt verarscht!" schrie sie wütend und dann klatschte es erneut.

Ich blickte mich kurz um und musste beinahe lachen.
Alex hielt sich die Wange.
Es sah aus, als hätte er Schmerzen. Die hatte er eindeutig verdient.
Das machte es mir für den Augenblick leichter, damit umzugehen.
Ich war schon einige Schritte gegangen, als ich eine Stimme hinter mir hörte.
"Julia, warte kurz." rief mir Annika nach.
"Es tut mir leid, aber ich wusste es wirklich nicht." sagte sie. Sie war immer noch ein bisschen aufgewühlt und ihre Stimme zitterte leicht.
"Du kannst doch nichts dafür. Er hat uns beide benutzt." sagte ich mit leicht trauriger Stimme.
"Wieso habe ich es nicht bemerkt?" fragte sie.
"Das frage ich mich auch. Seid wann kennt ihr euch?" fragte ich sie im Gegenzug.
"Wir sind seid drei Wochen zusammen. Oder eher wir waren es, denn der kann mir gestohlen bleiben." sagte sie und sah etwas abwesend aus.
Wir waren zwei Monate zusammen und ich hatte es die ganze Zeit nicht bemerkt.
Wieso?
Er hatte sie gut versteckt.
"Irgendwie bin ich froh, dass es vorbei ist. Wer weiß, wie lange er noch dieses Spiel mit uns gespielt hätte." sagte Annika zu mir.
Dabei musste ich an etwas denken.
Thomas Mann hatte einmal gesagt: "Eine schmerzliche Wahrheit ist besser als eine Lüge."
Ich fand der Spruch passte sehr gut auf meine Lage.
Bevor wir uns verabschiedeten, gab ich Annika noch meine Nummer und sagte: "Wir können ja mal einen Kaffee zusammen trinken gehen."

Zu Hause brach ich zusammen.
Ich heulte die ganze Nacht und die folgenden Tage musste ich mich wirklich zusammenreißen, um nicht bei jeder Kleinigkeit wieder zu weinen, denn es stellte sich doch nicht als so einfach heraus, den Scheißkerl zu vergessen, aber die Schmerzen in meinem Herzen wurden von Tag zu Tag weniger.
Aus meiner Trauer wurde Wut.
Zusammen mit Annika war es einfacher, alles zu verarbeiten, weil sich langsam Alex' Spiel auflöste und Annika und ich wurden Freunde.

Ich weiß, das hört sich jetzt bescheuert an, aber wir verstanden uns wirklich gut und das war es vielleicht auch, was Alex an uns beiden mochte.
Wir waren uns in vielen Dingen sehr ähnlich.

Wir wurden keine besten Freundinnen, aber wir trafen uns ab und zu und hatten auch Jahre später, als sie mich mit ihrem Kind auf dem Arm begrüßte, und wie ich verheiratet war, noch einen guten Draht zueinander.

Heute können wir über diese Geschichte von damals lachen.
Alex haben wir beide seit der Geschichte nie wieder gesehen.

Die Zeit heilt alle Wunden.

Impressum

Texte: Alle Textrechte liegen bei mir
Tag der Veröffentlichung: 22.07.2012

Alle Rechte vorbehalten

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