Ich lag auf meinem Bett, hatte gerade noch so schön geträumt, als mich plötzlich etwas an meiner Nase kitzelte.
Ich öffnete widerwillig meine Augen und sah meine kleine Schwester in ihrem pinken Prinzessinenkostüm vor mir stehen.
Sie fuchtelte mit ihrem pinken Zauberstab vor meinem Gesicht herum und die glitzernden Bänder kitzelten mich an der Nase.
Sie stand da und grinste mich mit ihrem breiten Lächeln an. Ich konnte dieser kleinen, süßen Maus nicht wiederstehen. Sie quängelte solange, bis ich schließlich widerwillig aufstand.
Ich konnte es ihr nicht verübeln.
Wie fast jedes Wochenende hatte sie noch nicht gefrühstückt.
Meine Mutter war wie immer schon morgens irgendwohin abgehauen und ich hatte mal wieder die Aufgabe, mich um Hannah zu kümmern.
Ok, ich machte es gerne, so ist es ja nicht, aber ich war schließlich nicht ihre Mutter, sondern ihre Schwester.
Auf meine Mutter konnte man sich sowieso nicht verlassen.
Eigentlich wäre ich auch schon lange ausgezogen wäre Hannah nicht da. Ich hatte nur Angst, dass sich dann niemand mehr um meine süße, kleine Schwester kümmern würde.
Sie war ja noch so klein und unwissend, was das Leben betraf.
Ich würde mich so lange um sie kümmern, bis sie alleine zurecht kommen würde, denn mit meiner 'Mutter' kam ich schon lange nicht mehr zurecht. Es krachte regelmäßig wenn wir uns zu lange gemeinsam an einem Ort aufhielten.
Wir saßen also gemütlich beim Frühstück und hatten viel Spaß zusammen.
Nach dem Frühstück versuchte ich Hannah zu überreden, etwas anderes anzuziehen, aber sie bestand darauf, ihr Prinzessinnenkostüm anzubehalten.
Dann machte ich mich mit meiner kleinen Prinzessin Hannah an der Hand auf den Weg zum nächsten Spielplatz.
Wir verbrachten dort den ganzen Vormittag und Hannah begeisterte die anderen Kinder wieder einmal mit ihren fantasievollen Geschichten von einem großen Königreich voller Feen und Kostbarkeiten.
Leider mussten wir uns dann irgendwann doch wieder auf den Weg nach Hause machen. Schließlich brauchte auch Hannah irgendwann einmal etwas in den Magen.
Wir machten Spaghetti Bolognese.
Hannahs Lieblingsessen.
Ich saß am Tisch, sah sie an und musste lachen.
Überall Tomatensoße. Einfach überall. Am Mund, auf der Stirn, in den Haaren und natürlich wie immer auch auf ihrem T-Shirt.
Dann legte ich meine Schwester noch für einen kurzen Mittagsschlaf in ihr Bettchen.
Eigentlich war sie schon aus dem Alter heraus, in dem Kinder einen Mittagsschlaf brauchten, aber sonst quängelte sie abends so schnell.
In der Zeit, in der Hannah schlief, konnte ich dann auch meine eigenen Dinge erledigen.
Ich rief meinen besten Freund an und verabredete mich für den Abend mit ihm.
Am späten Nachmittag zog ich Hannah dann an, packte ein paar ihrer Sachen ein und brachte sie rüber zu unser Nachbarin Lise.
Sie war wirklich klasse.
Lise war eine ältere Dame, die vor einigen Jahren ihren Mann verloren hatte und nun noch mehr Zeit hatte wie vorher schon.
Sie bot mir an, auf Hannah aufzupassen und das nahm ich gerne an.
Ich hatte schließlich auch nicht immer Zeit auf Hannah aufzupassen und ich wusste nie, wann meine Mutter nach Hause kommen würde.
Ich schrieb meiner Mutter noch kurz einen Zettel, den ich auf den Küchentisch legte, falls sie doch eher wieder nach Hause käme und eine leere Wohnung vorfand.
Sonst würde ich am nächsten Tag wahrscheinlich wieder Stress bekommen und darauf hatte ich wirklich keine Lust.
Ich klopfte bei Lise, gab ihr den Schlüssel zu unserer Wohnung, damit sie Hannah später zu Bett bringen konnte, und bedankte mich schon im Voraus bei ihr. Ich war ihr wirklich dankbar, dass sie mir Hannah abnahm und ich somit mal wieder einen freien Abend hatte.
Ich machte mich mit meinem klapprigen Fahrrad auf den Weg zu Lukas, der einige Minuten entfernt wohnte.
Als ich vor seinem Haus angekommen war, lehnte ich mein Fahrrad an die Mauer vor dem Haus und machte mich auf den Weg zu seinem Zimmer.
Praktischerweise lag sein Zimmer hinter dem Haus und er hatte eine Tür zum Garten, weshalb ich nicht immer erst quer durchs Haus musste.
Als er mich sah, lächelte er schon und öffnete mir gutgelaunt die Tür, was meine schlechte Laune schnell verblassen ließ.
Wir quatschten wieder den ganzen Abend ausgelassen über Gott und die Welt und lachten um die Wette, aber als ich auf die Uhr sah, bemerkte ich, dass es schon spät war und ich langsam auf den Weg nach Hause machen musste.
Eigentlich wollte ich gar nicht hier weg, weil ich mich bei Lukas' zu Hause so wohl fühlte, was vielleicht auch einfach daran lag, dass ich mich bei mir zu Hause schon lange nicht mehr wohl fühlte.
Ich bedankte mich bei Lukas wie immer für den schönen Abend und wollte mich gerade schon auf den Weg nach Hause machen, als er mir anbot, mich noch ein Stück zu begleiten, weil sein Hund sowieso noch ein wenig Auslauf gebrauchen könnte.
Lukas begleitete mich also mit Lulu und wir gingen gemeinsam durch die Dunkelheit.
Ich war froh, dass er bei mir war, weil es auf der Strecke von ihm zu mir wirklich dunkel war, da ständig die Straßenlaternen ausfielen.
Als wir vor unserem Haus angekommen waren umarmte ich ihn und drückte ihm einen kleinen Kuss auf die Wange wie ich es immer tat, weil er mir so viel bedeutete.
Aber Lukas wusste, dass dieser Kuss nichts weiter bedeutete als ein freundschaftlicher Dank.
Wir waren halt beste Freunde und ich konnte mich immer auf ihn verlassen.
Also ging ich nach oben, sah noch kurz nach Hannah und ging dann auch schlafen.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war es verdächtig ruhig.
Ich machte mich auf den Weg ins Bad und hörte auch da kein einziges Geräusch, was komisch war, da Hannah eigentlich schon auf sein müsste.
Zu dem Zeitpunkt machte ich mir allerdings noch keine Sorgen und sprang erst einmal kurz unter die Dusche, um wach zu werden.
Ich war ein Morgenmuffel und ohne eine kühle Dusche am Morgen zu nichts zu gebrauchen.
Danach begab ich mich zu dem Zimmer meiner Schwester, aber es war leer und auch im Rest der Wohnung war niemand zu sehen oder zu hören.
Langsam machte ich mir wirklich Sorgen.
Ich suchte die ganze Wohnung ab, aber nirgends waren Hannah oder meine Mutter zu finden.
Wo konnten sie nur sein?
Meine letzte Hoffnung war Lise. Als ich schon dabei war, meine Schlappen zu suchen, um eben zu Lise rüber zu gehen, klingelte es auch schon bei uns an der Tür und ich stolperte über meine eigenen Füße, als ich zur Tür rannte.
Vor der Tür stand Lise mit meiner Schwester an der Hand.
Ich war so froh, dass ich Hannah erst einmal kurz an mich drückte.
Lise sagte mir, dass Hannah heute morgen auf einmal bei ihr vor der Tür gestanden hätte und sie ihr dann erst einmal etwas zum Frühstück gemacht hatte.
Ich bat Hannah, mir nie wieder so einen Schrecken einzujagen.
Sie meinte nur entschuldigend, dass sie mich wecken wollte, aber ich nicht aufgewacht wäre und sie Hunger gehabt hätte.
Von meiner Mutter war immer noch keine Spur.
Langsam musste sie doch mal wieder auftauchen.
Ich hatte ja keine andere Wahl als Hannah später mit zu nehmen, weil meine Mutter immer noch nicht zu Hause war.
Ich verabredete mich mit meiner Freundin Sophie, um mit ihr und ihrer kleinen Schwester etwas zu unternehmen.
Hannah konnte sich ja auch nicht den ganzen Tag nur drinnen aufhalten. Jedes Kind braucht frische Luft.
Wir beschlossen in den Zoo zu gehen.
Hannah und ich mussten ein Stück mit der U-Bahn fahren, weil der Weg zu Fuß zu weit für meine kleine Schwester gewesen wäre.
Wir hatten abgemacht uns vor dem Eingang zu treffen und als wir ankamen, saßen die beiden dort schon auf einer roten Bank und erwarteten uns freudestrahlend.
Hannah und Sophies kleine Schwester Marie hatten sich schnell angefreundet, als wir sie irgendwann mal zusammen mit zum Spielplatz genommen hatten.
Wie kleine Kinder halt so sind.
Der Nachmittag im Zoo war toll.
Ich konnte mich mit Sophie über alles unterhalten, während Hannah und Marie die Tiere bestaunten.
Die beiden waren ganz begeistert von all den großen Tieren, aber beiden gefielen die Pinguine am allermeisten. Sie wollten gar nicht mehr weg vom Pinguinbecken.
Ich hatte ein bisschen was zu essen eingepackt und Marie hatte eine Decke mitgebracht, also konnten wir es uns anschließend noch etwas im Park gemütlich machen und Hannah und Marie konnten sich noch etwas austoben.
Sophie kannte meine Situation und ich war froh, dass ich mit ihr über alles reden konnte.
Ich hatte meine Mutter den ganzen Tag über schon versucht, zu erreichen, aber sie hatte sich nicht einmal gemeldet.
Wahrscheinlich hatte sie wieder vergessen, ihr Handy aufzuladen.
Als Sophie und Marie sich dann irgendwann auf den Weg nach Hause machten, verabschiedeten sich die beiden Kleinen ganz traurig voneinander und sie lachten erst wieder, als wir ihnen versprachen, bald wieder etwas zusammen zu unternehmen.
Ich hatte beschlossen, auf dem Weg noch etwas zu essen, damit ich Hannah dann zu Hause direkt ins Bett stecken konnte.
Um kurz nach sechs waren wir dann auch wieder zu Hause, aber meine Mutter war immer noch nicht zu sehen und langsam machte ich mir Sorgen, auch wenn ich froh war, dass sie mal nicht da war.
Hannah wollte unbedingt noch eine Gute-Nacht-Geschichte vor dem Einschlafen und so erzählte ich ihr eine Geschichte von kleinen Elfen und Feen und sie schlief schnell ein.
Ich deckte sie zu, drückte ihr noch einen kleinen Kuss auf die Stirn und ging in mein Zimmer.
Ich schmiss mich auf mein Bett, nahm das Telefon und tippte Lukas Nummer ein.
Seine Mutter nahm ab und fragte mich auch direkt, ob es mir gut ginge.
Das war der Unterschied von seiner und meiner Mutter. Seine Mutter fragte mich, ob alles in Ordnung sei, obwohl sie nicht mal meine Mutter ist, aber meine Mutter geht einfach davon aus, dass alles in Ordnung ist.
Ich erklärte Lukas, dass ich mir Sorgen mache, weil meine Mutter immer noch nicht zu Hause sei und er beruhigte mich damit, dass sie bestimmt morgen wieder da sei.
Er fragte mich, ob er nicht vorbei kommen sollte, aber ich versicherte ihm, dass alles in Ordnung sei und ich schon alleine klar kommen würde.
Wir redeten mal wieder den ganzen Abend und ich war schon kurz vorm Einschlafen, als wir uns dann verabschiedeten.
Er sagte mir mit müder Stimme: "Ich bin so froh, dich als Freundin zu haben Ina. Ich will dich nie mehr verlieren."
Darauf antwortet ich ihm : " Du bist mein bester Freund Lukas. Ich bin dir so dankbar dafür, dass ich mich immer auf dich verlassen kann."
"Gute Nacht Ina. Schlaf gut.Ich hab dich lieb." meinte Lukas noch als Abschied.
Mit den Worten "Ich dich auch.Gute Nacht. Träum schön." verabschiedete auch ich mich von ihm.
In dieser Nacht lag ich lange wach.
Ich konnte nicht schlafen, weil ich die ganze Zeit über unser Gespräch nachdenken musste.
Komischerweise wusste ich nicht mal warum, aber irgendetwas war mir anders vorgekommen als sonst.
Am nächsten Morgen musste ich wieder zur Schule und weil meine Mutter immer noch nicht wieder da war, musste ich Hannah noch vorher im Kindergarten vorbei bringen.
Sie hatte schon nach unserer Mutter gefragt, aber ich hatte ihr gesagt, dass bestimmt alles gut ist.
Im Kindergarten angekommen, sagte ich der Erzieherin, dass Hannah heute über Mittag bleiben müsste und ich sie dann später abholen würde.
In der Schule erwartete mich Lukas schon an meinem Platz.
Wir saßen in allen Fächern nebeneinander, die wir zusammen hatten und in den anderen saß ich neben Sophie.
Ich erzählte ihm von den morgendlichen Geschehnissen und er lud mich für den Nachmittag zum Kuchen ein, weil seine Mutter Geburtstag hatte und sie sich freuen würde, wenn ich auch da wäre.
Ich sagte ihm, dass ich Hannah vom Kindergarten abholen müsste und er versicherte mir, dass
es kein Problem wäre, wenn sie mit kommen würde und bot mir an, mich zu begleiten.
Ich freute mich schon auf den Nachmittag.
Die Zeit in der Schule verging heute unerwartet schnell, was vielleicht daran lag, dass ich den ganzen Tag neben Lukas saß und mich dabei so wohl fühlte und die ganze Zeit mit ihm quatschen konnte.
Am Nachmittag holten wir Hannah ab, die sich freute, als sie Lukas an meiner Seite sah.
Sie liebte ihn und sie sagte immer, sie wolle ihn heiraten.
Er konnte sehr gut mit Kindern umgehen, vor allem mit Hannah verstand er sich super und sie war immer glücklich, wenn sie mich zu ihm begleiten durfte.
Vor allem im Sommer.
Dann konnte sie mit Lukas kleinem Bruder Felix draußen im Garten.
Unsere Wohnung hatte nicht mal einen Balkon, also war es pure Erholung, wenn die beiden im Garten spielten, während Lukas und ich uns einen gemütlichen Nachmittag machen konnten.
Aber heute stand Lukas Mutter im Vordergrund und ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich kein Geschenk hatte.
Deshalb mussten wir noch einen kurzen Stopp im einem Blumenladen machen, um einen schönen Blumenstrauß für sie zu kaufen.
Lukas Mutter, die übrigens Ilona heißt, bedankte sich überschwänglich bei mir und meinte nur, dass das aber nicht nötig gewesen wäre.
Hannah und ich verbrachten einen schönen Nachmittag bei Lukas' Familie, was mir sehr gut tat, da ich so ein richtiges Familienleben nie erlebte.
Die ganze Familie war da und alle saßen an einem Tisch und hatten Spaß.
Abends brachte Lukas uns nach Hause und als ich überglücklich den Schlüssel ins Schloss steckte und die Tür öffnete, hörte ich schon meine Mutter in der Küche singen.
Sie stand in der Küche und kochte Essen, als ob nichts passiert wäre.
Ich schickte Hannah in ihr Zimmer und betrat die Küche.
"Wo warst du?" war meine erste Frage an meine Mutter.
"Ich hatte etwas zu erledigen!" entgegnete sie mir.
"Du hattest etwas zu erledigen? Und deshalb lässt du uns hier einfach alleine ohne eine Nachricht? Ich hab mir Sorgen gemacht, dass etwas passiert ist." schrie ich sie an.
"Du musst dir aber keine Sorgen machen. Es ist alles in Ordnung" meinte sie daraufhin nur.
"Das ist alles?" fragte ich sie gereizt.
"Was soll denn sein? Jetzt bin ich ja wieder da!" warf sie mir nur entgegen.
"Wo ist meine Kleine?" fragte sie mich, um vom Thema abzulenken.
"Hannah ist in ihrem Zimmer. Ich gehe schlafen." war mein letzter Satz zu meiner Mutter an diesem Abend.
Ich bewegte mich auf mein Zimmer zu, aber ich wusste nicht was ich fühlen sollte.
Eben war ich noch so glücklich gewesen und jetzt?
Sie hatte mal wieder alles kaputt gemacht.
Wie immer.
Meine Mutter war einfach sehr begabt darin, mir alles zu zerstören.
Um mich abzureagieren musste ich Lukas anrufen.
Ich konnte nicht mehr.
Wieso war meine Mutter so anders wie seine?
Sie stand einfach wieder auf der Matte als wäre nichts gewesen, obwohl sie das ganze Wochenende nicht zu Hause gewesen war und sich nicht einmal gemeldet hatte.
Lukas riet mir nur, jetzt nichts Unüberlegtes zu tun und sagte mir, dass er am nächsten Tag auf jeden Fall auf dem Weg zum Fußballtraining vorbei kommen würde.
In der Schule redeten wir nicht über meine Mutter und der Tag zog sich heute sehr.
Lukas war irgendwie komisch drauf.
Aber ich, als seine beste Freundin, merkte sofort, wenn irgendetwas nicht stimmte und ich sprach ihn drauf an, aber er meinte es wäre alles in Ordnung und auch am Abend sprach er nicht darüber.
Wir unterhielten uns nur über die Planungen über die Überraschungsfete für Sophies Geburtstag, die in ein paar Wochen stattfinden würde.
Wir hatten noch ein paar Dinge zu erledigen und als wir alles geplant hatten, war es auch schon kurz vor Mitternacht und Lukas musste sich von mir verabschieden.
Am nächsten Tag machte ich mir einen schönen Tag mit Lukas, Sophie und einigen anderen Freunden am Fluss und wir ließen es und einfach nur gut gehen.
Wir lagen in der Sonne.
Wir planschten im Fluss, der doch noch sehr kühl war. Das tat unserer Freunde aber keinen Abbruch.
Am Abend grillten wir.
Ich machte mich später mit meinen leider immer noch nassen Haaren mit dem Fahrrad auf den Weg nach Hause und ging freudestrahlend ins Bett.
Am folgenden Tag wachte ich mit so einem Kopf auf, dass ich gar nicht aufstehen konnte und mein Hals tat so weh, dass ich kaum schlucken konnte.
Ich musste wohl oder übel an diesem Tag im Bett bleiben.
Ich rief Sophie an, dass sie mich in der Schule krank melden sollte und schrieb meiner Mutter kurz einen Zettel.
In der Küche machte ich mir eine Tasse Tee, warf ein paar Tabletten ein und legte mich wieder in mein Bett.
Am Nachmittag kam Lukas vorbei.
Er sagte mir, ich sähe schrecklich aus und daraufhin musste ich doch glatt lächeln.
Sophie wollte eigentlich auch kurz kommen, aber sie meinte, sie müsste heute noch mit ihrem Pferd zum Tierarzt und hatte Lukas die Sachen mitgegeben, die sie in der Schule bekommen hatte.
Lukas blieb nicht lange, da ich auch fast die ganze Zeit schlief und nicht fähig war, ein wirklich langes Gespräch zu führen. Er sagte mir, ich solle schnell wieder gesund werden und verschwand dann leise durch meine Zimmertür nachdem er mir noch einen Luftkuss zugeworfen hatte.
Ich blieb noch einige Tage zu Hause und ging dann aber wieder in die Schule, obwohl ich eigentlich immer noch krank war, aber schließlich standen die Klausuren kurz bevor und da konnte ich nicht so lange fehlen.
Doch das war wohl ein Fehler, denn am nächsten Tag ging es mir noch schlechter, wie vorher.
Ich konnte mich nicht bewegen, weil mir alles weh tat und mein Fieber war hoch.
Als ich aufwachte, saß Lukas an meinem Bett und strahlte mich an.
Er sagte mir, meine Mutter hätte ihn reingelassen und gesagt, ich hätte den ganzen Tag geschlafen.
Ich fühlte mich total schlecht und das merkte er.
Lukas fühlte meine Stirn mit seiner kühlen Hand und ich zuckte zusammen, weil seine Hand so kalt war.
Lukas saß an meinem Bett und wir hatten nichts zu besprechen.
Ich war schlapp und konnte meine Augen kaum aufhalten.
Als ich kurz vor dem Einschlafen war, merkte ich nur, wie Lukas mir einen zärtlichen Kuss auf die Stirn drückte.
Ich öffnete kurz die Augen und sah wie er sich leise aus dem Zimmer schlich.
Ich hatte eine verschleppte Lungenentzündung, hatte der Arzt gesagt.
Meine Mutter war morgens mit mir ins Krankenhaus gefahren, als mein Fieber immer noch so hoch gewesen war, dass sie nicht mehr wusste, was sie noch machen sollte.
Ich müsste einige Tage im Krankenhaus bleiben und mich ausruhen.
Die Tage in Krankenhaus zogen sich.
In den ersten Tagen schlief ich fast die ganze Zeit und hatte so einen blöden Tropf an mir hängen.
Meine Freunde kamen kurz vorbei, aber ich war noch nicht wirklich in der Lage für Besuch.
Lukas blieb lange.
Er bleib an meinem Bett auch wenn ich schlief und schaute mich einfach nur an oder hielt meine Hand.
Am nächsten Tag hatte ich ein Gespräch mit meiner Bettnachbarin, die mir dies erzählte und
mich fragte, ob er mein Freund sei.
Ich fragte sie ganz perplex, wieso sie das denken würde.
Sie sagte mir, dass er mich so angesehen hätte und so zärtlich gewesen wäre.
Ich versicherte ihr, dass wir nur sehr gute Freunde seien und da nichts wäre.
Daraufhin meinte sie, ich müsste es ja wissen.
Lukas war jeden Tag bei mir und langsam ging es mir auch besser, was vielleicht auch genau daran lag, dass Lukas immer da war.
Wie man so sagt 'Lachen ist die beste Medizin'.
Anscheinend schien es mir wirklich zu helfen, denn in den nächsten Tagen ging es bergauf und ich wurde schnell gesund.
In den darauf folgenden Tagen war ich zwar noch etwas angeschlagen, aber davon ließ ich mich nicht unterkriegen.
Es musste ja schließlich noch eine Party geplant werden.
Wir hatten schon mit Sophies Mutter gesprochen, die uns erlaubt hatte, die Party bei ihnen im Garten zu feiern.
Außerdem hatte uns versprochen, Sophie an ihrem Geburtstag zuerst irgendwohin zu entführen, damit wir freie Bahn für unsere Vorbereitungen hatten.
In der Schule mussten wir die Leute einladen, was sich als sehr schwierig herausstellte, da Sophie ja nichts davon mitbekommen durfte.
Irgendwie schafften wir es trotzdem, an alle Leute die Einladungen zu verteilen und ihnen einzutrichtern, dass sie Sophie ja nichts davon erzählen sollten.
Die Tage vor der Party vergingen wie im Flug, weil es noch so einiges zu Planen gab.
Und schon stand der Tag vor der Tür.
Es war ein schöner Tag.
Die Sonne hatte mich schon am Morgen geweckt und der Himmel war wunderschön blau.
Es war keine einzige Wolke zu sehen.
Ich hatte schon am Morgen richtig gute Laune, was wohl an der Sonne lag und auch daran, dass ich mich schon unheimlich auf die Party freute.
Meine Mutter fuhr mich mit dem Auto zu Lukas, weil ich so einige Sachen zu transportieren hatte, was mit meinem Fahrrad ewig gedauert hätte.
Im Moment verstand ich mich wieder etwas besser mit meiner Mutter. Sie kümmerte sich wieder mehr um Hannah. Vielleicht hatte sie ja begriffen, dass sie uns nicht einfach so lange alleine lassen konnte.
Am Mittag rief ich bei Sophie an, um ihr zu gratulieren, damit sie keinen Verdacht schöpfte.
Wie es der Zufall wollte, ging Sophies Mutter ans Telefon, die mir direkt sagen konnte, dass sie sich gleich auf den Weg ins Restaurant machen würden.
Von da aus würden sie später noch zum Kuchenessen zu Sophies Oma fahren.
Am Abend wären sie wieder da.
Den Schlüssel würde sie im Garten unter den Blumenkübel vor den Tür legen.
Somit war alles geklärt.
Lukas verhielt sich komisch heute, was vielleicht daran lag, dass er nervös war, ob alles gut gehen würde.
Er war immer nervös bei so etwas, ich weiß auch nicht warum.
Zusammen mit den anderen wuselten wir den ganzen Nachmittag im Garten herum, um alles zu dekorieren und vorzubereiten.
Ich hatte mir Sophies erstauntes Gesicht schon oft vorgestellt, wenn sie uns im Garten stehen sehen würde, aber das Gesicht, das sie machte, als sie uns wirklich im Garten stehen sah und wir alle Happy Birthday sangen, entsprach meinen Vorstellungen bei weitem nicht.
Sophie quiekte und sprang fröhlich herum und strahlte.
Das machte mich glücklich, schließlich war sie meine beste Freundin.
Sie war den ganzen Abend über total happy und konnte gar nicht aufhören, mich zu umarmen und mir zu danken.
Der Abend verlief wie geplant und es war wunderschön.
Wir hatten im Garten viele Lichter aufgestellt und zwischen den Bäumen hingen bunte Lampions, die eine romantische Atmosphäre zauberten.
Ich stand im Garten zwischen meinen Freunden, inmitten der Lichter und träumte vor mich hin.
Irgendwann weckte mich Nils aus meinen Tagträumen. 'Marina. Die Bowle ist alles.' rief er mir zu.
'Warte. Ich hole neue.' entgegnete ich ihm.
Ich machte mich auf den Weg in die Küche, schlängelte mich zwischen meinen Freunden hindurch und stieg langsam die Treppe hinauf.
Als ich auf der Terrasse stand hörte ich Lukas leise 'Ina.Warte mal.' rufen und als ich mich zu ihm umdrehte spürte ich seine Lippen schon auf meinen.
Sie waren weich und schmeckten nach Bowle.
Er küsste mich zärtlich und ich wusste gar nicht, wie mir geschah.
Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte.
Als ich meine Verwirrung überwunden hatte löste ich mich sanft von ihm.
Ich schaute ihm tief in die Augen und drehte mich um.
Er versuchte mich aufzuhalten.
Er wollte meinen Arm festhalten und als ich durch die Tür in die Küche verschwinden wollte, rief er mir zu:' Ina,bitte. Ich...'
Ich sah in seinen Augen tiefe Enttäuschung.
Enttäuschung darüber, dass ich seinen Kuss nicht erwidert hatte und ihn ohne ein Wort hatte stehen lassen.
Ich kannte ihn, er war mein bester Freund, aber wieso musste er mich jetzt küssen?
Wollte er all das, was wir erlebt hatten, mit einem einzigen Kuss zerstören?
Ich wusste nicht weiter.
Wieso hatte er mich geküsst?
Was sollte ich tun?
Das war alles zu viel für mich und ich musste dort weg.
Ich verschwand durch die Haustür und schrieb Sophie kurz eine Sms, dass sie mich morgen bitte anrufen solle.
Ich musste mich beruhigen, aber es funktionierte nicht.
Ich hatte schon so viel mit Lukas durchgemacht und jetzt das.
Es war unbegreiflich für mich.
In dieser Nacht weinte ich mich in den Schlaf und wachte am nächsten Morgen mit verquollenen Augen auf.
Der Schlaf hatte nicht viel gebracht, denn ich fühlte mich genauso elendig, wie ich mich in der vorausgegangenen Nacht gefühlt hatte, als ich verwirrt und traurig zugleich in meinem Zimmer verschwunden war, ohne meine Mutter aufzuklären, was passiert war.
Ich lag auf meinem Bett und ich wusste nicht, was ich denken sollte.
Wieso das alles?
Sophie gab mir später eine Antwort auf einige meiner Frage, wonach ich aber noch weniger wusste, was ich tun sollte, als vorher.
Sofort als Sophie mich sah, wusste sie, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war.
"Was ist los, Süße?" fragte mich Sophie.
"Lukas hat mich gestern Abend geküsst. Auf der Terrasse." antwortet ich ihr.
"Und was hast du gemacht?" fragte sie mich neugierig.
"Ich hab ihn stehen lassen und bin abgehauen." war die einzige Antwort, die ich ihr darauf geben konnte.
"...Deshalb war er gestern so komisch drauf und ist so schnell abgehauen." meinte sie darauf nur.
"Ich weiß nicht was ich tun soll.Vorher war alles so schön und jetzt ist alles kaputt. Wieso hat er alles kaputt gemacht?" fragte ich sie traurig.
"Ina, weißt du es nicht?" war ihre Gegenfrage an mich.
"Was soll ich wissen?" fragte ich sie entgeistert.
"Ina! Er...Hast du es nie bemerkt? Er ist in dich verliebt." klärte sie mich auf.
"Schon lange..." fügte sie noch hinzu.
"Er...bitte was?...Ich...nein...Wieso?" fragte ich sie vollkommen durcheinander.
Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.
Er war in mich verliebt und ich hatte es nicht bemerkt.
Erst jetzt fiel mir auf, dass er sich in letzter Zeit verändert hat.
Da waren diese Momente in denen er mich besonders intensiv verabschiedet hatte oder im Krankenhaus.
Er war immer bei mir und ich...
Wieso hatte ich das nicht bemerkt?
Da fielen mir mehr Momente ein.
Unserer Gespräch, als er mir gesagt hatte, wie froh er sei, mich als Freundin zu haben und eine Hand, die wie zufällig mein Knie berührte.
Ich war am Boden zerstört.
Sophie saß neben mir auf meinem Bett und nahm mich in den Arm.
Sie nahm mich einfach ganz fest in den Arm und ließ mich weinen.
Ich ließ meinen Gefühlen freien Lauf.
Ich fragte sie wieso ich es nicht bemerkt hatte und im nächsten Moment konnte ich wieder nur weinen.
Er war mein bester Freund und ich wollte ihn nicht verlieren, aber nach diesem Kuss?
Was sollte aus uns werden?
Sophie ließ mich für einen kurzen Moment wieder aus meiner Trauer erwachen.
Sie sagte mir: " Süße. Er wollte es dir schon lange sagen, aber er hat sich nicht getraut, weil er Angst vor deiner Reaktion hatte. Er wollte dich nicht verlieren. Deshalb hat er gewartet, ob vielleicht irgendwann etwas von deiner Seite aus kommt, aber du hast nichts getan oder gesagt, was ihn ermutigt hätte es dir zu sagen. Dann hat er es nicht mehr länger ausgehalten."
Sie machte eine kurze Pause, damit ich alles begreifen konnte und sprach dann weiter: "Er hat überlegt, wie er es dir sagen könnte. Ich dachte, du würdest auch etwas für ihn empfinden. Ihr wart immer so...so süß zusammen."
"Aber er ist doch mein bester Freund." sagte ich unter Tränen.
"Ja, und wenn du dir dich über deine Gefühle klar wirst, wird er vielleicht bald nicht mehr immer an deiner Seite sein. Glaubst du es kann noch einmal so werden wie vorher? Ich meine... Ina, er liebt dich. Willst du ihn verlieren?" fragte sie mich mit Nachdruck.
"Nein...natürlich will ich ihn nicht verlieren." konnte ich darauf nur antworten.
"Dann tu etwas dagegen." versuchte sie mir deutlich zu machen.
Ich musste allein sein.
Sophie war mir nicht böse, als ich sie bat, mir etwas Zeit zu geben.
Sie bat mich nur noch einmal, gut drüber nachzudenken, was ich wollte.
Ich lag alleine auf meinem Bett und konnte nicht mehr weinen.
Meine Tränen waren verbraucht und ich fühlte mich total ausgelaugt.
Ich war verwirrt.
Er war in mich verliebt und ich Trottel hatte es nicht bemerkt.
Wieso war es mir nicht aufgefallen?
Wahrscheinlich lag es einfach daran, dass ich so glücklich war, ihn zu haben und mir das ausreichte, aber Lukas reichte es anscheinend nicht.
Er wollte mehr als nur Freundschaft und ich wusste nicht, ob ich das konnte.
Am nächsten Morgen war ich auch noch nicht weiter.
Ich wusste noch immer nicht, was ich tun sollte, aber ich wusste, dass ich etwas tun musste, wenn ich meinen besten Freund nicht für immer verlieren wollte.
Selbst meine kleine Schwester fragte mich schon, was mit mir los war und ich sagte, dass ich einfach nur traurig war.
Meine Mutter kümmerte sich nicht weiter darum.
Sophie hatte es ihr erzählt, als sie mein Zimmer verlassen hatte.
Das hatte ich gehört, also ließ sie mich in Ruhe.
Ich war an diesem schon früh in der Schule und bat Mirko sich neben Lukas zu setzen, damit ich mich neben Lara setzen konnte.
Sie fragten nicht einmal warum.
Wahrscheinlich wussten sie es schon.
Ich saß auf meinem neuen Platz, als Lukas herein kam und völlig verdutzt Mirko auf meinem eigentlichen Platz sah.
Er sah schlecht aus. Seine Haare waren noch strubbelig und er hatte Augenringe unter den Augen, was darauf hindeutete, dass er sehr schlecht geschlafen hatte.
Er suchte den Klassenraum nach mir ab und unsere Blicke trafen sich und es brach mir fast das Herz als ich seinem Blick auswich.
Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen und das tat mir unendlich leid.
Ich musste mit ihm sprechen auch wenn ich nicht wusste, was ich sagen sollte.
Die beste Möglichkeit dafür war die Schule, denn sonst ging er mir aus dem Weg.
Ein paar Tage später fasste ich mir ein Herz und wartete nach dem Unterricht auf ihn.
"Lukas...können wir kurz reden?" fragte ich ihn.
"Was gibt es noch zu bereden?" antwortete er mir.
"Ich...Ich weiß nicht, ob ich das kann. Gib mir bitte etwas Zeit." bat ich ihn.
"Ina.Ich kann und werde nicht mehr länger auf dich warten. Ich habe schon so lange gewartet und ich kann nicht mehr." antwortete er mir mit einem traurigen Unterton in der Stimme.
Während des ganzen Gesprächs hatte er mir nicht einmal in die Augen gesehen.
Mit seiner Aussage, dass er nicht mehr länger warten könnte, hatte er mich unter Druck gesetzt und das machte es auch nicht besser.
Es ging mir schlecht.
Ich schlief schlecht oder gar nicht.
Ich aß nicht mehr und ich war total durcheinander.
Langsam machte sich selbst meine Mutter Sorgen.
Es gab mir einen Stich ins Herz, als meine kleine Schwester am folgenden Samstagmorgen in mein Zimmer geschlichen kam, sich zu mir auf mein Bett legte und fragte, ob wir nicht heute Lukas und Felix besuchen könnten.
Die Tränen stiegen mir in die Augen, weil selbst Hannah Lukas vermisste.
Ich vermisste ihn so unheimlich, dass ich es kaum noch aushielt.
In den letzten Tagen, in denen ich ihn nur in der Schule gesehen hatte, war mir bewusst geworden, dass ich ihn unter keinen Umständen verlieren wollte.
Ich wusste nur noch nicht, wie ich es anstellen sollte, dass er mir verzeiht.
Ich hatte ihm sehr weh getan und das war immer das gewesen, was ich am wenigsten wollte.
Meinen besten Freund wollte ich nie verletzen und jetzt hatte ich es getan und dann auch noch so.
Ich wusste, dass ich etwas tun musste, aber ich wusste nicht, was.
Das war verdammt schwierig für mich.
Ich wusste nicht wo mir der Kopf stand.
Ob ich Lukas bloß als meinen besten Freund oder eine Beziehung mit ihm wollte, wusste ich immer noch nicht und was ich ihm sagen sollte, wenn ich vor ihm stand, wusste ich rein gar nicht.
Trotzdem machte ich mich an diesem Abend auf den Weg zu ihm.
Ich stieg auf mein Fahrrad und fuhr durch die Stadt.
Auf dem Weg war ich einige Male kurz davor, umzudrehen, aber ich machte mir klar, dass ich nicht mehr um drehen durfte, weil ich ihn sonst verlieren würde, was ich nicht zulassen konnte.
Ich würde alles dafür geben, dass er bei mir bleibt.
Ich würde meinen besten Freund nicht so einfach aufgeben.
Als Lukas' Mutter mir die Tür öffnete, wusste sie natürlich sofort, dass ich mit ihm reden wollte.
Leider war Lukas noch beim Training, aber sie meinte, dass ich oben auf ihn warten könnte.
Ich dankte ihr und verschwand in sein Zimmer.
Jetzt saß ich hier.
Alleine im Zimmer meines besten Freundes, der sich in mich verliebt hatte.
Ich saß hier, wartete auf ihn und wurde immer nervöser.
In Gedanken stellte ich mir immer wieder vor, was ich sagen würde und wie er reagieren würde, aber diese Gedanken verwarf ich schnell wieder, weil ich einfach nicht wusste, was ich sagen sollte.
Ich hatte mich immer sehr wohl in diesem Zimmer gefühlt, aber jetzt merkte ich, dass das wohl eher an Lukas Anwesenheit gelegen hatte, denn ohne ihn wirkte sein Zimmer kalt und trist.
Ich sah mich in seinem Zimmer um und merkte, dass so viel in diesem Zimmer auf unsere Freundschaft hinwies.
An einer Zimmerwand hatte er viele Fotos von uns hängen.
Da war ein Foto, wo wir zusammen am See waren und zusammen auf der Luftmatratze lagen.
Lukas hatte mich immer wieder runter geschmissen, daran konnte ich mich noch erinnern. Aber anscheinend hatte es jemand geschafft einen der wenigen Momente einzufangen in denen wir zusammen auf der Matratze lagen.
Auf einem anderen Foto waren wir zusammen im Sandkasten zu sehen, als wir noch klein waren.
Lukas und ich hatten uns beide unsere Eimer auf den Kopf gesetzt und kämpften mir unseren Schüppchen gegeneinander.
Langsam kamen mir die Tränen.
Wir hatten so viele glückliche Momente zusammen erlebt, die ich wahrscheinlich nie vergessen werde.
Ich saß auf Lukas Bett und fühlte mich so allein.
Kurz nachdem ich hörte, wie die Haustür ins Schloss fiel stand Lukas in der Tür.
Er schaute mich an und ich sah in seine Augen.
Da war Überraschung. Überraschung, mich hier zu sehen. In seinem Zimmer ,auf seinem Bett.
Aber trotzdem war die Enttäuschung, dass ich ihn hatte stehen lassen, immer noch da.
Ich sah, was er die letzten Tage durchgemacht hatte.
Ich fühlte mich schlecht.
"Was willst du hier?" fragte er mich.
"Ich will mit dir reden." antwortet ich ihm.
"Worüber?... Darüber, wie du mich hast stehen lassen oder erzählst du mir vielleicht, warum du es getan hast?" fragte er mich fordernd.
"Lukas...Ich will mit dir über...über uns sprechen." antwortete ich ihm leise und verängstigt.
Er stellte seine Tasche ab und kam langsam auf mich zu, blieb aber in einiger Entfernung stehen.
"Bitte Lukas...Ich will dich nicht verlieren." sagte ich zu ihm und wischte mir eine Träne von der Wange.
Er stand vor mir, aber es fühlte sich anders an.
Das beruhigende Gefühl, das ich vorher immer gehabt hatte, wenn ich in der Nähe meines besten Freundes gewesen war, war verschwunden.
Ich versuchte, seine Hand zu erreichen, aber er zog sie weg.
Ich wusste nicht, was ich tun oder sagen sollte.
So oft hatte ich mir überlegt, was ich sagen soll und jetzt stand ich hier und mir fehlten die Worte.
Mein ehemals bester Freund stand hier vor mir und ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
Früher hatten wir stundenlang miteinander geredet und jetzt standen wir hier und schwiegen uns an.
"Ina...Ich kann so nicht mehr weiter machen. Ich kann nicht mehr nur dein bester Freund sein." unterbrach er unsere Stille.
"Ich weiß nicht, ob ich dazu schon bereit bin." konnte ich ihm darauf nur antworteten.
"Du musst dich entscheiden." sagte er mit Nachdruck.
"Ich..." ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
Ich ging einen Schritt auf ihn zu und blieb aber kurz vor ihm stehen.
Ich schaute ihm tief in die Augen und sagte ihm entschlossen: "Ich will dich nicht verlieren."
Dann küsste ich ihn.
Er war etwas geschockt, hatte den Schock aber schnell überwunden und erwiderte meinen Kuss.
Er küsste mich mit so einem Nachdruck und ich ließ mich einfach fallen.
Ich fühlte seine Hände in meinen Haaren und meine Hände fanden wie automatisch den Weg zu seiner Brust.
Es fühlte sich so wundervoll an und ich wollte gar nicht mehr aufhören.
Der Kuss war so anders, wie der, als er mich auf der Veranda geküsst hatte.
Ich war so glücklich.
Nach einer gefühlten Ewigkeit löste sich Lukas sanft von mir.
Er nahm mein Gesicht in seine Hände und sah mit tief in die Augen. "Ich hatte so eine Angst, dich zu verlieren Ina.'"
Als eine Antwort küsste ich ihn und sagte anschließend zärtlich: " Lukas...Ich liebe dich...Ich hoffe, du kannst mir verzeihen."
Seine Antwort darauf kam schnell: "Ina...Ich liebe dich.Wie könnte ich dir da nicht verzeihen?
Ich habe die ganze Zeit darüber nachgedacht, was ich tun würde, wenn du dich nicht für mich entscheiden würdest und ich bin fast daran kaputt gegangen."
Er drückte mich ganz fest an sich und fuhr mit seiner Hand zärtlich durch meine Haare.
Ich musste nichts mehr sagen, denn er wusste auch so, was ich fühlte.
Er merkte mir an, dass ich noch immer etwas unsicher war.
"Ina. Wir werden es langsam angehen. Du bestimmst das Tempo."
Damit hatte er auch meine letzten Zweifel beseitigt.
"Ich werde dir nie wieder so weh tun, das verspreche ich dir. Es tut mir so Leid." entschuldigte ich mich bei ihm für meinen Fehler auf der Veranda.
"Ina...Es ist alles gut, solange du bei mir bist." sagte er freudestrahlend.
Ich konnte nicht anders als ihn daraufhin zu küssen.
Ich wusste gar nicht, warum ich dieses Gefühl nie bemerkt hatte.
Ich hatte mich immer wohler bei ihm gefühlt, als bei anderen, aber ich hatte nicht bemerkt, dass ich mit der Zeit immer mehr in ihn verliebt hatte.
Oder vielleicht hatte ich es mir auch einfach nicht eingestehen wollen, weil ich Angst hatte, ihn zu verlieren.
In dieser Nacht küssten wir uns gefühlte tausend Mal und ich blieb bei ihm.
Ich schlief in seinen Armen ein und wachte auf, als er mir gerade einen sanften Kuss auf die Stirn drückte.
"Oh. Ich wollte dich nicht wecken" entschuldigte er sich und sah mich dabei so süß an, dass ich sofort lächeln musste.
"Ist schon ok." sagte ich ihm und legte meine Hand auf seine Wange.
"Hast du gut geschlafen?" fragte ich ihn anschließend.
"Neben dir einzuschlafen war immer das schönste, was ich mir vorstellen konnte, aber in Echt ist es noch schöner." sagte er mir und strahlte mich an.
"Es tut mir leid, aber ich muss aufstehen. Ich muss mit Lulu spazieren gehen."sagte er zu mir.
"Darf ich hier auf dich warten?"fragte ich ihn und küsste ihn auf den Hals.
Er konnte mir nicht widerstehen und küsste mich sanft.
Doch nach einem kurzen Kuss löste er sich wieder, stand auf und verschwand aus dem Zimmer.
Dann lag ich da.
Alleine in Lukas Bett und strahlte mit der Sonne um die Wette.
Lukas, der am vorherigen Tag noch mein bester Freund gewesen war.
Er hatte sich in mich verliebt und ich mich in ihn, was ich aber erst festgestellt hatte, als ich merkte, wie viel es mir ausmachte, ihn nicht bei mir zu haben.
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Tag der Veröffentlichung: 13.07.2012
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