Cover


01 - Regen
02 - Schutzgeist
03 - Flut
04 - Arcons Welt




„Meister?“,
beginnt der der Schatten unterwürfig,
„Haltet ihr dies für gut?“
„Es ist einen Versuch wert“,
erwidert die Kreatur,
während ihre grünen Augen
den Schatten zu mustern versucht.
Doch das schwache Licht des hellen,
sichelförmigen Mondes ist nicht genug,
um die Gestalt genau zu erkennen.
„Um diese Zeit? Jetzt,
da es kurz bevor steht?
Seid ihr euch sicher,
dass er dem gewachsen ist?“
Stumm wendet sich die Kreatur ab,
schreitet in Richtung des erhobenen Felsens,
breitet ihre breiten Schwingen aus und
spricht mit erhabener Stimme,
„Hab Vertrauen! Niemals wieder darf
und niemals wieder wird
es so weit kommen!
Mit aller Macht werden wir
die Tyrannei verhindern!“
Ein mächtiges Brüllen erfüllt die sternklare Nacht.
Das Brüllen dieser mächtigen Kreatur.





Regen



Endlich Sommerferien! Für mich war es der letzte Schultag in der 9. Klasse. Ein weiteres Schuljahr war um und somit verkürzte sich die Zeitspanne zum Abitur. Vor dem Schulgebäude wartete meine große Schwester Alexandra schon auf mich, überpünktlich - wie immer. Ich verabschiedete mich mit schönen Grüßen und hastigen Umarmungen noch mal von meinen Freundinnen, dann fuhren wir mit dem Fahrrad auf einen Waldweg zu.
Mein Name ist Tia Nokol, damals war ich 15 Jahre alt und lebte mit meinen Eltern und meiner 18-jährigen Schwester Alexandra etwas abseits von einem Dorf, nahe eines Waldes, wegen unseren 5 Katzen. Mein Lieblingstier ist der Wolf. Alex und ich fuhren nach Hause, dabei ahnte ich nicht, dass dieser wunderschöne Tag zum seltsamsten meines Lebens würde und mir gleichzeitig die aufregendsten Ferien bereiten würde. Wir verließen das Schulgelände auf einem schmalen Waldweg, einen Schotterberg hinunter und anschließend die schmale Teerstraße zu unserem Grundstück hoch. Dann bogen wir in unseren Hof ein und parkten die Fahrräder neben unserer Garage, die direkt an das Haus angebaut war und in der mein Vater, Medikamente aufbewahrte. Neben der Garage war ein Teil unseres Gartens, in dem zwei Apfelbäume und zwei Büsche standen. Als Abgrenzung zum Nachbargrundstück diente eine Hecke.
Als wir zu Hause waren, fragte unsere Mutter: „Und? Wie waren die Zeugnisse?“
Ich zog mein Zeugnis aus meiner Schultasche und gab es meiner Mutter.
„Hey, Super!“, rief sie erfreut aus. Zwar hatte ich nicht nur Einser und Zweier, aber mein Zeugnis war gut, zumindest waren meine Mutter und ich zufrieden. Ein Zeugnis ohne Vier genügte uns völlig.
Alex und ich gingen hinaus, um ein bisschen in den nahe gelegenen Wald zu laufen. So gingen wir die schmale Straße von unserem Hof hinauf, einige 100 Meter weiter lag ein kleiner Berg. Wir liefen an dem Haus eines älteren Ehepaars und an dem einer 4-köpfigen Familie vorbei und gingen dann auf eine Wiese zu. Sie war nicht sehr groß, nur noch über diese hinüber und schon wären wir im Wald. Ein lautes, grollendes Donnern zog unsichtbar über unsere Köpfe. Die Wolken zogen sich dichter zusammen.
„Ohje...“, seufzte ich, als ich das kommende Gewitter wahrnahm.
„Was?“
„Das Donnern...“
„Hä? Welches Donnern?“
„Bist du taub?“, grinste ich meine Schwester an.
„Geht es dir gut?“
„Ich - ach, vergiss es!“
„Vielleicht habe ich es mir ja auch nur eingebildet...“, überlegte ich.
Es donnerte wieder, lauter, bedrohlicher.
„Da ist es schon wieder!“, flüsterte ich zu Alex, blieb stehen.
„Was?“
„Na, dieses Donnern! Ich glaube wir sollten nach Hause.“
Während ich auf die dunklen Wolken starrte, welche hinter dem kleinen Berg vor uns hervorkamen, tastete ich mich langsam rückwärts.
„Du willst doch nur nicht weiter!“
„Nein…“, hauchte ich, meine Stimme versagte, als ich die bedrohlichen, gigantischen, düsteren Wolken sah, welche sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit am Horizont aufbauten, „Alex, bitte lass uns gehen!“
Ohne auf ihre Antwort zu warten wandte ich mich ab und lief den Weg zurück, erst langsam. Als ich zurück blickte, schien es, als würden sich die Wolken weiter ausbreiten, hingen tief, als wollten sie die Erde erreichen. Bedrohliche Donner grollten über den Himmel.
„Alex, komm!!!“, schrie ich flehend, begann schneller zu laufen.
Ein mir unbekanntes Gefühl trieb mich dazu, weiter zu rennen, schneller nach Hause zu kommen.
„Tia, warte doch!“, rief Alex hinter mir.
Ich blickte zurück, sah, dass sie mir nach lief, während die Wolken uns zu verfolgen schienen.
„Was ist mit euch passiert?“, fragte unsere Mutter, als wir schnaufend, zur Türe rein platzten.
„Tia hat sich eingebildet ein lautes Donnern zuhören! Boa, keinen Bock mehr, wenn die ständig rumzickt und nicht raus will!“
„Ich will ja raus, aber es hat wirklich gedonnert! Mensch, das gibt’s doch nicht! Das war echt unheimlich!“
„Tia?“, fragte meine Mutter, „Geht es dir gut?“
„Ja, es geht mir gut“, knurrte ich genervt, „Ich weiß auch nicht, wie man so ein Donnern überhören kann!“
Ich zog meine Schuhe aus und stieg die Treppe zu meinem Zimmer hinauf. An meiner Zimmertür hingen ein paar Poster. Als ich die Tür öffnete, sah ich direkt aus meinem Fenster, hinter der Tür stand mein Bett an der Wand. Regungslos blieb ich stehen und starrte geistesabwesend aus dem Fenster.
Der Himmel war klar.
„Was war das eben?“, fragte ich mich, „Dieses Gefühl… Als wolle mein Körper vor etwas fliehen, doch ohne Angst. Es fühlte sich so... vertraut an und doch fremd.“
Zögernd durchquerte ich mein Zimmer, öffnete das Fenster und blickte zu dem Berg, auf den Alex und ich gerade zugelaufen waren.
Mein Atem stoppte.
„Wie.. wie ist das möglich?“
Der Himmel war auch dort klar. Keine einzige Wolke war mehr zu sehen.
Rasch schloss ich das Fenster wieder und lehnte mich rücklings dagegen, die Augen geschlossen.
„Bin ich verrückt?“, flüsterte ich, „Das… war das nur Einbildung? Vielleicht war es ein Schuss aus dem Wald, der Donner. Aber.. die Wolken. War das nur ein Streich meiner Psyche? Eine Einbildung?“
Ich beschloss, mich zu beruhigen, mich abzulenken und sah mich in meinem Zimmer um. Als mein Blick auf das leere Terrarium meiner Schildkröten fiel, entschied ich mich nach ihnen zu sehen. In der Küche holte ich ein paar Salatblätter und begab mich zur Terassentür.
Wieder überkam mich dieses unbeschreibliche, seltsame Gefühl. Ich sah erst zum Himmel.
„Tia, was ist los?“, fragte meine Mutter hinter mir.
„Was – äh... nichts“, lächelte ich, während ich mich zu ihr drehte, „Ich wollte Leo und Fynn nur was rausbringen“
„Na, dann. Glaubst du, die freuen sich?“, grinste sie.
„Werd ich ja sehen!“
„Ich mach dann essen, weil Alex dann ja auch zum Geburtstag muss.“
Ich nickte, woraufhin sich meine Mutter abwandte.
Das seltsame Gefühl sagte mir, dass ich von dem Ereignis nichts sagen sollte. Ich wusste nicht warum, doch ich folgte dem Gefühl, wandte mich wieder dem Garten zu. Meine Hände begannen zu zittern.
„Verdammt, was ist denn los mit meinem Körper?“, fluchte ich leise.
Mit aller Gewalt zwang ich meinen steifen Körper sich zu bewegen, machte wenige schwere Schritte bis meine Beine leichter wurden. Das eigentlich vertraute, recht gute Gefühl wandte sich zu einem erdrückenden Gefühl, erschwerte mir die Atmung und schien meine Lungen zu quetschen. Ich hetzte zu dem Freigehege der Schildkröten, warf in höchster Eile den Salat hinein und rannte ins Haus zurück. Keuchend setzte ich mich im Wohnzimmer auf einen Stuhl, meine Lungenflügel entspannten sich, die Hände zitterten. Mir wurde kalt.
Es dauerte wenige Minuten, bis sich mein Körper beruhigte. Misstrauisch sah ich aus dem großen Fenster hinter mir.
„Was ist heute für ein seltsamer Tag?“
„Tia? Alex?“, schallte die Stimme meiner Mutter durch das Haus.
„Ja?“, antwortete ich, stand auf und ging in die Küche, „was gibt’s?“
„Machst du mir bitte einen Salat?“, bat sie mich, während sie Alex anzeigte, dass der Tisch gedeckt werden musste.
Ich nickte und begann das Gemüse dafür zu waschen und zu schneiden.
Nachdenklich zerhackte ich Tomaten, Gurken, Paprika und Salatblätter. War ich wirklich verrückt? Oder waren meine Sorgen und Gedanken der Grund für die eben aufgetretene Schwäche meins Körpers?
„Ich sollte mir keine Gedanken darüber machen. Sowas kann ja gar nicht sein!“, beschloss ich ernst und schob das Gemüse mit dem Messer von dem Schneidebrett in die Salatschüssel.
Nachdem ich den Salat gewürzt hatte, war auch das restliche Essen fast fertig. Meine Schwester goss die Spaghetti ab und im nächsten Moment saßen wir am Tisch, wünschten einen guten Appetit und begannen zu essen.
Danach machte sich Alex auf den Weg zur Geburtstagsfeier einer Freundin.
Nun, da sie weg war, überlegte ich, was ich nun machen könnte. Als ich in meinem Zimmer auf dem Bett saß und etwas ratlos auf das leere Blatt starrte, welches auf meinen Beinen lag, sah ich mich um und suchte etwas, was mich zum zeichnen inspirieren könnte. Der Bleistift in meiner rechten Hand wippte ungeduldig zwischen Daumen und Zeigefinger.
Mein Blick fiel wieder auf mein Fenster. Meine Gedanken verfingen sich wieder in den Ereignissen der letzten Stunden. Ich legte Bleistift und Blatt beiseite, ging vorsichtig auf das Fenster zu und betrachtete den Himmel. Dieser war strahlend blau, nur eine kleine, weiße Wolke zog gemächlich über den Horizont.
„Verdammt, das Wetter ist so schön. Sowas wie vorhin kann ich mir nur eingebildet haben!“, redete ich mir ein, „Ich geh jetzt raus, ist mir egal was kommt!“
So schnappte ich meine Malsachen, lief mit großen, schnellen Schritten die Treppe hinab, drückte meine Hand an den Türknauf unserer Haustüre am Fuße der Treppe und atmete tief ein und aus. Ich öffnete die Türe, trat mit nacktem Fuß auf die vom Hausschatten gekühlte Steintreppe. Einen Moment lang stand ich starr vor der wieder geschlossenen Haustüre. Nichts geschah. Kein seltsames Gefühl, kein Drücken und kein Quetschen in meiner Lunge. Keine dunklen Wolken. Erleichtert atmete ich aus.
„Na also“, lächelte ich, „Alles normal.“
Ich lief auf dem kühlen Steinboden um die Hausecke, über den Hof und bog nach links ab, zum gleichen Weg, den ich mit Alex gegangen war. Die Sonne schien, als hätte sie vor die Erde zu grillen und der Himmel war klar. Jedoch nicht lange, wie sich herausstellte als ein Tropfen auf meine Stirn fiel. Langsam richtete ich meine Augen gen Himmel.
Keine Wolke.
Der vorher hellblaue Himmel hatte jedoch ein helles Grau angenommen. Ein paar weitere Tropfen fielen auf mich herab.
„…Regen?“
Seufzend kehrte ich um, der leichte Nieselregen wandelte sich rasch in einen prasselnden Niederschlag. Obwohl er sich angenehm anfühlte, sprintete ich die letzten 100 Meter zur Haustür und kam mit nassen Haaren und feuchter Kleidung am schützenden Unterschlupf vor der Terrassentür an. Der Puls rauschte, das rasch fließende Blut strapazierte meine Adern.
Ich versuchte möglichst ruhig zu atmen, während ich die Tür aufstieß, meine völlig durchnässten Malsachen auf den Teppich warf und schlich – um möglichst viele nasse Tapser zu vermeiden – auf Zehenspitzen mit wenigen Schritten über den Laminatboden des Wohnzimmers ins Bad. Dort nahm ich ein Handtuch und trocknete mich auf dem Weg in mein Zimmer ab, in dem ich mich anschließend umzog und die feuchte Kleidung über die Heizung hängte. Sie war zwar aus, aber im Zimmer war es warm genug, dass alles trocknen konnte. Ich sah aus meiner Balkontür neben der Heizung, es regnete noch, auf den Balkonbrettern tanzten die Regentropfen und der Wind blies sanfte Lieder durch die Bäume.
„Es regnet…“, seufzte ich und sah in den Himmel, „Die Wolken scheinen nicht so dick zu sein, also wird’s wohl nicht lange dauern. Geh ich später noch mal raus, wenn’s aufgehört hat!“
Daraufhin nahm ich das Handtuch wieder zur Hand, lief die Treppe hinunter und wischte vorsorglich die nassen Fußabdrücke auf dem Laminatboden weg, warf das durchnässte Papier weg und trocknete die Zeichenunterlage sowie Bleistift und Radiergummi ab. Seufzend warf ich das Handtuch auf dem Weg in mein Zimmer in die Ecke vor der Treppe und bemerkte, dass im Keller Licht brannte. Das Rumoren unseres Trockners drang leise in das Stockwerk, in dem ich mich befand.
Grinsend nahm ich das feuchte Handtuch ein weiteres Mal in die Hand und schleuderte es schwungvoll am Treppengelände entlang in die untere Ecke der Treppe, „Mama, hier wär noch ein Handtuch!“, rief ich freundlich hinterher.
„Ist es wenigstens weiß?“, hallte die Stimme meiner Mutter zu mir.
„Hmm, joa!“
„Gut so, Glück für dich! Ich mach grad weiß!“
Lächelnd stieg ich die Treppe hinauf, nahm einen neuen Bleistift und ein neues Blatt, setzte mich auf mein Bett, und begann ein kleines Wolfsrudel zu zeichnen, welches auf einer Waldlichtung lag und – bis auf zwei umher tollende Welpen – friedlich schlief.
In meinen Gedanken bewegte sich das Bild, die Bäume wogen sich leicht im Wind, der Fluss rauschte sanft, die Blumen tanzten und die zwei kleinen Wölfe tollten um ihre älteren, schlafenden Artgenossen herum. Als ich mit den erst sanften, dann kräftigen Bleistiftkonturen fertig war, stieß ich ein leichtes Seufzen aus und starrte aus dem Balkonfenster: Es regnete nicht mehr, so fasste ich meinen Beschluss von vorhin auf und ging wieder hinaus, diesmal ohne Malsachen. Falls es doch nochmal so einen dummen Platzregen gibt wär mein Bild dahin.
Doch etwas war seltsam: Obwohl es vorhin stark geregnet hatte, war nun alles wieder trocken.
Ich wunderte mich, „Wieder so etwas komisches. Heute ist echt nicht mein Tag... Naja, egal, Hauptsache es ist wieder trocken!“
Wieder ging ich über unseren Hof zur schmalen Straße. Doch es war wieder dasselbe Spektakel wie zuvor: Ich trat auf die Straße und die ersten Tropfen fielen auf meinen Körper. Noch rascher als vorhin wandelte sich der sanfte Regen in einen kräftigen Platzregen. Ich drehte mich sofort um und rannte zurück, spürte, wie die Regentropfen immer stärker wurden, mein Herz klopfte heftig gegen meinen Brustkorb. Kurz bevor ich die schützende Überdachung erreichte vermischten sich harte, eisige Hagelkörner mit dem plötzlichen Regen, Blitze zuckten am Horizont, ein Donner grollte über meinem Kopf, der mich zusammenzucken lies. Endlich erreichte ich völlig durchnässt die Terrassentür. Das war schon die zweite Dusche an diesem Tag. Fluchend trat ich ein, tapste wieder auf Zehenspitzen durch das Wohnzimmer und trocknete mich abermals im Bad ab. Ich stieg die Treppe nach oben, spürte unerklärte Wut in mir brodeln.
„Was is’ heut für ein scheiß Tag?“, knurrte ich, während ich mich umzog, mich grummelnd auf mein Bett setzte und weiter malte.
Ich verpasste den Wölfen verschieden farbige Fellzeichnungen. Weiß mit Schwarz oder grau, grau-braun, rein Weiß oder Schwarz. Als ich dem Wolf, welcher recht Zentral im Bild lag, eben sein braun-graues Fell zeichnen wollte, viel mir sein Auge auf. Der Wolf schlief nicht. Verwundert starrte ich auf das eine, geöffnete Auge, dessen Pupille auf den Betrachter gerichtet war. War ich so in Gedanken, dass ich dem Wolf versehentlich ein offenes Auge gezeichnet hatte? Egal, das Auge war offen und brauchte eine Farbe. Mit der linken Hand griff ich ziellos in die kleine Buntstiftkiste. Was ich herauszog war ein helles Blau.
„Na, gut“, seufzte ich, während ich die Augen blau schraffierte, die Farbe gen Pupille dunkler zeichnend, „Jetzt noch ein schwarzes Fell und er sticht wirklich aus dem Bild“
So setzte ich die schwarze Farbe mit Licht und Schatten in das Bild und bemerkte gedankenvertieft nicht, wie schnell die Zeit verging.
„So, nur noch der Himmel“, seufzte ich erleichtert und streckte mich.
Dabei fiel mein Blick auf das Fenster.
„Das gibt’s doch nicht“, staunte ich.
Es regnete wieder nicht mehr.
Ohne das den klaren Himmel aus den Augen zu lassen, legte ich Blatt und Stifte neben mich und ging zu der Balkontür. Als ich diese öffnete blies mir ein warmer Wind sanft ins Gesicht. Die Sonne hing tief am Horizont zwischen den Bergen, tauchte Wälder, Autos und Häuser in einen leichten, rotschimmernden Umhang. Auf unserem Hof sowie im Garten war von den Regenschauern keine Spur mehr.
Verwundert ging ich nach unten und fragte meine Mutter, die im Wohnzimmer auf dem Sofa saß und an ihrem Laptop Rechnungen schrieb: „Seit wann regnet es nicht mehr?“
Meine Mutter sah mich verwirrt an und fragte dann: „Wieso regnen? Es war heute doch den ganzen Tag lang schön!“
„Was?“, entgegnete ich verblüfft, „Als ich vorhin rausgegangen bin, hat's geregnet! Aber hallo! Es hat geschüttet wie sonst was!“
„Ach, erzähl mir doch keine Märchen! Das hast du dir bestimmt nur eingebildet.“
Ich starrte an meiner Mutter vorbei und überlegte mit ernster Miene was vor sich ging. Schließlich lief ich die wenigen Schritte zu meiner Mutter und setzte mich neben sie. Sagte nichts.
„Was ist denn mit dir los?“, fragte meine Mutter.
„Heute ist irgendwie alles komisch…“
„Wie meinst du das?“
„Naja, als ich raus gegangen bin hat‘s wie aus dem Nichts angefangen zu regnen, und gedonnert und geblitzt hat es auch“, begann ich, „Und du warst ja die ganze Zeit hier gesessen, und willst wirklich nichts mitgekriegt haben?!“
„Heiß ich doof? Natürlich hätte ich das mitgekriegt“, belächelte meine Mutter meine Aussage.
„Was soll der Kack?“, grummelte ich genervt und stand auf.
„Das musst du dir eingebildet haben. Alex sagte ja auch, dass sie keinen Donner gehört hat“, seufzte meine Mutter.
„Und die nasse Kleidung habe ich mir auch nur eingebildet?“, erwiderte ich recht ungehalten, beruhigte mich jedoch sofort wieder, „'Schuldige…“
„Ich weiß ja auch nicht. Du bist seltsam, Schaf.“, sagte meine Mutter ironisch.
„Ich weiß“, lächelte ich, mähte kurz grinsend und wandte mich ab.
Ich ging auf das große Fenster neben der Terrassentüre zu und flüsterte genervt, „War klar… nur weil es regnet und niemand es mitkriegt bin ich verrückt! Das kann es doch nicht sein!“
Als meine Hand auf der Türklinge ruhte, schluckte ich und beschloss noch einmal hinauszugehen. Ich öffnete die Türe, ließ sie bewusst offen und schritt - mehr aus Trotz als aus Neugierde über die seltsamen Ereignisse - ein wenig steif über unseren Hof Richtung Straße. Der Wechsel zwischen dem schönen, sonnigen Himmel und den prasselnden Regenschauer geschah rasend schnell, das anfängliche Tröpfeln wandelte rasch in einen kräftigen Niederschlag. Ich drehte sofort um, hielt meine Arme schützend über den Kopf. Der Regen vermischte sich wieder mit Hagel, welcher erbarmungslos auf mich niederprasselte. Die eiskalte Luft schnürte meine Kehle zu, es kam mir vor, wie ein endloser Weg, meine Lunge wurde von einer unbekannten Macht zusammengedrückt. Ich spannte meinen Körper an, keuchte, stieß mich mit jedem Schritt kräftiger vom Boden ab, strebte nach der Tür, die mir Sicherheit versprach. Keuchend, triefend nass, mit verspanntem Körper fiel ich durch den Türrahmen, fing meinen Aufprall mit meinen Armen ab, ehe ich im nächsten Moment röchelnd auf dem Boden lag und kaum Luft bekam.
„Was ist denn mit dir passiert?“, hörte ich die Stimme meiner Mutter aus dem, durch ein Regal von mir getrennten, Wohnzimmer.
„...Ich... krieg... keine Luft!“, krächzte ich kaum hörbar, lag längs auf dem Flur, konnte kaum einen Muskel regen.
„Was ist passiert?“, wiederholte meine Mutter mit besorgter Stimme und kam herangeeilt.
Ich wollte antworten, doch alles, was meinen Mund verließ, war Luft, vom krampfartigen Arbeiten meiner Lunge hervorgebracht.
Ich spürte die warmen Hände meiner Mutter sanft auf meiner Schulter ruhen, als diese besorgt fragte, „Kannst du dich umdrehen?“
Stöhnend drehte ich mich langsam auf meine linke Schulter, hielt kurz meinen Atem an, als sich meine Lunge scheinbar zuschnürte und verzehrte das Gesicht. Meine Mutter half vorsichtig mit ihren Händen und ich röchelte erleichtert, als ich auf dem Laminat saß und meine Lunge wieder mit Luft füllen konnte. Ein schwerfälliger Husten entkam der engen Luftröhre, mein Atem beruhigte sich wieder, während mein Herz noch immer wild empört gegen den Brustkorb hämmerte.
„Geht’s wieder?“
„Ja...“, hauchte ich, stützte mich auf meine Ellenbogen und stand mit Hilfe meiner Mutter wieder auf.
Meine Beine zitterten, konnten meinen Körper kaum aufrecht erhalten und ich griff nach dem nächsten Stuhl, um mich zu setzen.
„Was war denn los?“, fragte meine Mutter und setzte sich mir schräg gegenüber.
„Ich weiß es nicht“, keuchte ich, das Reden fiel mir schwer, auch wenn ich wieder genügend Luft in meine Lungen pumpen konnte, „Als ich... rausgegangen bin... begann es plötzlich... zu regnen und... es war..., als ob meine Lunge... eingeschnürt würde. Es war... wie ein... plötzliches Gewitter... und ich lief wieder... zurück und... brach hier eben... zusammen.“
Die Aufmerksamkeit meiner Sinne richtete sich auf das, was nun hinter mir lag: Die Balkontür.
Ich blickte meine Mutter an, welche mich nur verwirrt ansah, die Augenbrauen leicht nach innen geschoben. Mein Blick wanderte hinter mich, drehte meinen Körper mit sich, huschte verwirrt quer über das ganze Fenster
„Das ist unmöglich!“, keuchte ich.
Draußen war nicht die geringste Spur von einem Gewitter zu sehen.





Schutzgeist




Tia...“, begann meine Mutter vorsichtig und ich drehte mich mit leerem Blick wieder zu ihr,
„Es hat heute nicht geregnet.“
„Aber...“
Erst jetzt spürte ich meinen nassen Körper, an dem die Kleidung klebte, „Ich bin ganz nass!“
Ich sprang auf, sah auf den Stuhl, dessen Sitz nun ebenfalls feucht war.
„Ich – ich versteh das auch nicht...“
„Und der Donner! Den Donner musst du doch gehört haben!“
Meine Mutter runzelte die Stirn und schüttelte fragend den Kopf, „Hast du vielleicht eine seltsame Bewegung gemacht als du draußen warst und dir so irgendwas verkrampft?“
„Nein, ich bin mir ganz sicher, dass es geregnet hat, oder... bilde ich mir jetzt auch noch die nasse Kleidung und die nassen Haare ein?“, hauchte ich verzweifelt.
„Nein, das nicht, du bist wirklich nass.. vielleicht hat es ja wirklich kurz geregnet... und ich hab es durch die Arbeit und den Fernseher nicht mitgekriegt?“
Ich schwieg, verstand die Welt nicht mehr. Entweder hatte ich Halluzinationen, was ich nicht glaubte, denn ich war schließlich nass oder niemand außer mir bemerkte die seltsamen Gewitter, was auch nicht möglich war.
„Geht’s dir besser? Möchtest du dich hinlegen?“, fragte meine Mutter.
Ich nickte betrübt.
„Ich hol dir schnell was zum Anziehen runter, kannst deine nassen Sachen ja über die Heizung legen.“
„Okay“, meinte ich und zog meine nassen Kleider im Badezimmer aus.
Kurz darauf brachte meine Mutter eine frische Hose und ein Top, welches ich sogleich anzog. Daraufhin legte ich mich auf das Sofa, wurde mit einem Mal unglaublich müde und bekam fast nicht mehr mit, wie meine Mutter sich neben mich setzte und mir behutsam über den Kopf strich.
Als ich aufwachte war einige Zeit verstrichen, die Sonne war schon längst untergegangen, doch ihr verbleibendes Licht erhellte noch immer den abendlichen Sommerhorizont.
Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, starrte ich die Decke an und fragte mich leise, was nur los war Ich dachte darüber nach, wie ich mit Alex vorhin draußen war und sie den Donner nicht gehört hatte. Dann die Atemnot, die scheinbar durch das seltsame Gewitter verursacht wurde. Ich fand keine Antworten auf all die Fragen, die mich quälten. Das Miauen meiner weiß-grauen Katze Nala riss mich aus meinen Gedanken. Ich blickte neben das Sofa und schaute in ihre großen, hellgrünen Augen.
„Hallo Nala.“, begrüßte ich sie seufzend und bekam ein Miauen zur Antwort.
Die Katze sprang auf meinen Bauch und begann behaglich zu schnurren, als ich sie streichelte. Nala tapste auf meinem Bauch herum und legte sich letztendlich darauf, ihre Augen zu mir gewandt.
Grinsend betrachtete ich ihre zu kurz erscheinenden Beine und lies meine Finger zu ihrem Kinn wandern.
Mein Blick richtete sich wieder gen Zimmerdecke und Nala schlief schnurrend ein. Während ich den Perser-Kartäusermischling kraulte, versank ich wieder in Gedanken. Auf der weißen Zimmerdecke spiegelte sich mein Tagesablauf wieder, als ich aufstand, frühstückte, mit Alex zur Schule radelte, die Zeugnisvergabe bis zu den seltsamen Zwischenfällen, jedes mal, als ich draußen war.
bis zu den seltsamen Zwischenfällen, die jedesmal auftraten, wenn ich draußen war. Ich kam zu dem Schluss, dass das mit dem Regen einfach Pech gewesen sein musste und mein Zusammenbruch vielleicht nur eine seltene, seltsame Reaktion meines Körpers war. Ich beschloss, mich abzulenken und abzuwarten, ob sich solche Fälle wiederholen würden. Vorsichtig versuchte ich mich aufzusetzen, wobei Nala klagend und miauend von meinem Bauch rutschte und auf meinen Beinen landete.
„Oh, entschuldige, Nala!“, sagte ich leise und kraulte sie wieder hinter ihrem Ohr.
Doch meine Katze sah mich böse an und legte ihre Ohren leicht an.
„Ach komm, Nala“, beschwerte ich mich,
„So schlimm war das doch nicht“
Nala knurrte leise, doch ich wusste, dass sie mich nie kratzen würde.
„Ach, stell dich nicht so an.“, lachte ich und nahm sie auf meinen Arm, dabei miaute sie und hörte sich dabei an wie eine kaputte Kreissäge.
Ihr Schweif begann heftig zu wedeln.
„Ist ja gut“, murrte ich schließlich und setzte sie unter ihrem genervten Knurren und Miauen ab.
Daraufhin verließ sie das Wohnzimmer in höchster Eile und ich warf ihr ein leises „Zicke“ hinterher. Doch dann lächelte ich, ohne meine Katzen wäre mein Leben wohl genauso leer wie ohne Familie und Freunde. Ich folgte meiner Katze, lief allerdings an ihr vorbei, während sie heftig mit dem Schweif wedelnd bei der Tür zum Flur saß, stieg ich die Steintreppe zu meinem Zimmer hinauf und setzte mich auf mein Bett. Kaum, dass ich den Stift und das noch nicht ganz vollendete Bild von vorhin in der Hand hatte, hörte ich meine Mutter die Treppe hinaufsteigen und kurz darauf betrat sie mein Zimmer.
„Möchtest du was essen?“
Ich nickte, legte die Zeichenmaterialien wieder beiseite und stieg die Treppe wieder hinunter.
„Wie geht’s dir?“, fragte meine Mutter, während sie mir ein paar Teller in die Hand drückte.
Ich nahm die Teller entgegen, drückte meiner Mutter ein sanftes Bussi auf die Wange und deckte mit ihr gemeinsam den Tisch.
Auch mein Vater, der den ganzen Tag gearbeitet hatte, kam zur Haustür herein. Wir begrüßten ihn, er begrüßte uns und wir aßen gemeinsam.
Meine Mutter fragte:
„Hast du deine Sachen gepackt?“
„Nein“, antwortete ich, „Mach’ ich später.“
Zwar spielte ich mit dem Gedanken, meine Mutter auf das Geschehnis von vorhin noch einmal aufmerksam zu machen, ließ es dann aber doch bleiben und aß schweigend mein Toastbrot. Anschließend fragte ich, ob ich aufstehen dürfe. Dies bejahte meine Mutter, ich nahm Teller und Besteck und stellte es auf die Spülmaschine. Dann ging ich in Richtung Treppe, als meine Mutter plötzlich rief:
„Halt, mein Fräulein, räum’ die Sachen ein.“
Ich drehte wieder um, nahm das abgestellte Geschirr und räumte es ein. Dann ging ich nach oben und packte. Ein paar Hosen unterschiedlichster Längen, T-Shirts und Tops, Unterwäsche und alles andere, was man für einen Urlaub am Strand so brauchte.
Obwohl die Sonne schon untergegangen war, erstrahlte der Horizont noch in einem matten Licht und die Wärme des Tages legte sich auf die Erde. Auch wenn ich vorhin schon einige Stunden geschlafen hatte, war ich dennoch müde. Auch meine Schwester kam wieder nach Hause, packte ihre Sachen und legte sich ins Bett. Ich zog mir einen Jogginganzug an, putzte mir die Zähne und fiel müde auf die weiche Matratze. Die seltsamen Ereignisse an diesem Tag brachten mich schwer ins Grübeln. Doch ich war zu müde, um darüber nach zu denken und verfiel schnell in entspannenden Schlaf.
Mitten in der Nacht wachte ich auf, zog meine Hand langsam unter der Bettdecke hervor, griff verschlafen nach meinem Handy und öffnete es. Halb eins. Die Kirchenglocke des Dorfes schlug zweimal. Ich setzte mich auf und war unglaublich müde, dennoch zwang mich etwas aus dem mir gegenüberliegenden Fenster zu sehen. Es war außergewöhnlich hell. Den Mond konnte ich gut erkennen, doch er war nicht der Grund dieser Helligkeit, denn er war eine etwas breitere Sichel, die langsam über den Nachthimmel schlich. Grummelnd betrachtete ich den sternklaren Himmel. Ich war müde, doch irgendetwas hinderte mich daran mich wieder hinzulegen und weiter zu schlafen. Ein entferntes Zischen drang in mein Ohr.
Verwundert blickte ich mich um, als mein Blick wieder kehrtmachte und über das Fenster schweifte, kamen seltsame Farben aus dem Mond. Ich kniff die Augen zusammen, konnte es jedoch nicht genau erkennen und meine Neugierde trieb mich, meinen Kopf weiter nach vorne zu lehnen und gebannt auf das Farbenspiel zu starren.
„Sind das Nordlichter?“, fragte ich zweifelnd.
Ich versuchte zu verstehen, was am Sternenhimmel leuchtete, erkannte jedoch nicht, was es war. Es war etwas, was ich noch nie zuvor gesehen hatte, ein Phänomen von unglaublicher Schönheit und zugleich erschreckender Gefühle. Etwas, was meinen Atem wie die Realität eines Traumes, wie schwebende Fantasie, betäubte, meine Augen stumm an die Farbenschwingen weit oben am dunkelblauen Nachthimmel fesselte. Etwas, was wie Farben, wie Strahlen aus dem Mond schoss, Strahlen, die sich einander verwoben und ein wunderschönes Muster bildeten. Strahlen, rot wie Feuer, klar wie Wasser, blau wie der Himmel, leuchtend wie Blitze, glänzend wie Eis und grün wie die saftigste Wiese.
Es musste ein Traum sein.
Ich fand es schön und faszinierend, aber zugleich machte es mir Angst. Meine Augen waren noch immer wie festgebunden. Ich beobachtete, wie sich diese elementaren Strahlen langsam, nur wenige Meter vor meinem Fenster, zu einer Kugel formten, sich dann weiter verformten. Die Kugel nahm einen reinen Farbton an, schien, als wäre sie der Vollmond einer anderen Welt, kam immer näher an mein Zimmer heran, dann öffnete sich das Fenster mit einem Ruck.
Ein kalter Wind blies durch mein Zimmer, wirbelte sämtliche Zettel von meinem Schreibtisch und fuhr mir durch die Haare.
Ich spürte, wie Kälte, Wärme, Nässe und Trockenheit zugleich mein Zimmer einhüllten. Langsam nahm die Kugel, die noch immer vor meinem Fenster schwebte, die Konturen eines Tieres an. Die Gestalt, die sich langsam formte, ähnelte immer mehr einem Hund. Ich wagte kaum zu atmen, wollte aufwachen, aus diesem unheimlichen Traum oder mich einfach hinlegen und schlafen, falls es kein Traum war, wollte einfach nur meinen Blick abwenden, wollte schreien, mir die Augen zuhalten. Ich konnte keinen Muskel rühren, sie zitterten vor Angst und Anspannung. Ich selbst hatte keine Kontrolle mehr darüber. Meine Kehle war staubtrocken und ich schluckte, um sie zu befeuchten. Dann spürte ich gar nichts mehr. Keine Kälte, keine Wärme, keine Nässe, keine Trockenheit. Ein sanfter Wind wehte nun vor meinem Fenster, doch er wagte es nicht mein Zimmer zu betreten. Die Formung des Tieres war nun vollbracht. Ich sah seine kräftigen Hinterläufe und den locker hinab hängenden Schweif. Zitternd angespannt saß in meinem Bett, umklammerte meine Bettdecke und schaute fassungslos auf das Schauspiel vor meinem Fenster. Das Tier drehte sich um und blickte mich mit stechend roten Augen an. Aufrichtig, stolz und erhaben stand es in der Luft vor dem Fenster. Das schwache Mondlicht strahlte es von hinten an und das Tier schimmerte weiß darin. Das hundeähnliche Wesen schwebte durch Kopf zu ziehen, machte mich ganz klein und drückte die Bettdecke mit aller Kraft an die Matratze unter mir.
Ich presste meine Augen zu und unterdrückte alle Gedanken, flüsterte mir selbst zu, „Keine Angst, es ist nur ein Traum, es ist nur ein Traum, keine Angst! Ich zähle jetzt bis 3, dann öffne ich die Augen und ziehe die Bettdecke weg: 1… 2… 3!“
Ich hatte Angst, dennoch zog ich langsam die Decke von meinem Kopf und öffnete die Augen.
Das Tier war weg, er war nicht mehr da! Es war ein Traum, eine Einbildung, ein Streich meiner müden Fantasie, eine Halluzination! Erleichtert sank ich zurück in mein Bett, schloss die Augen und drehte mich zur Seite. Ich spürte mein Herz rasen, mit aller Gewalt hielt ich meine Augen zu, sie wollten sehen und wissen, was es war und ob es wahr war.
„Es war nur ein Traum, nur ein Traum, nur ein Traum, …“, sagte ich flüsternd, wurde immer leiser, bis ich schließlich verstummte und mein Herz ruhiger schlug.
Ein warmer Atem fegte stoßartig über meinen Nacken. Meine Haare sträubten sich und ein eiskalter Schauer durchzog meinen Körper. Ich blickte auf, drehte mich um und sah in zwei leuchtende, himmelblaue Augen, in die Augen eines Wolfes.
Ich wollte schreien als eine Stimme plötzlich sagte: „Ganz Ruhig! Ich tu’ dir nichts, keine Angst“
Jetzt konnte ich gar nichts mehr sagen, meine Kehle war wie zugeschnürt - der Wolf sprach mit mir. Plötzlich sprang der Wolf auf mein Bett, ich zog rasch meine Füße so eng zu mir wie es nur ging und das Tier legte sich hin.
„Ich bin Arcon, dein Schutzgeist.“
Sekunden vergingen, in denen der Wolf und ich uns gegenseitig stumm anstarrten, bis ich die Situation realisierte.
„B-Bitte?“, fragte ich fassungslos und umklammerte meine Bettdecke.
„Also“, fing Arcon an, „Jeder... oder fast jeder... oder auch nur ein paar Menschen haben ein Lieblingstier, wie ihr das nennt. Und deins ist der Wolf.“
Ich nickte misstrauisch, schluckte und dachte: „Das gibt es nicht, das kann also nur ein Traum sein, also, Tia, ganz ruhig, spiel mit in dem Traum, es ist dein Traum!“
Leichter gesagt als getan, wie ich feststellte und fragte dann leise, mit zitternder Stimme: „Wa-was ist hier los? Das-das ist doch… jetzt nur ein Traum…?“
„Das kann nur ein Traum sein.“, redete ich mir ein.
„Hehe…“, grinste der Wolf, „Ich dachte, du wolltest immer einem Wolf begegnen?“
Wieder schluckte ich und begann zu zittern.
„Ist es doch kein Traum?“, fragte ich mich.
Zwar tat mir der Wolf mit Namen Arcon nichts, dennoch hatte ich mir meine erste Begegnung mit einem Wolf anders vorgestellt.
Als ich nicht antwortete, sagte der Wolf freundlich: „Nun streng dich doch mal an! Ich tu dir schon nichts, ich bin hier, um dich zu beschützen! Der Tierische Regen hat dich ausgewählt einen Schutzgeist zu bekommen!“
Ich verstand gar nichts und fragte verwirrt: „Wie? Was? Ich… äh… tierische Regenfälle?“
„Das ist etwas schwer zu erklären“, begann der Wolf und legte den Kopf ein wenig seitlich, „Äh…, das ist so, den natürlichen Regen kennst du ja, das Wasser verdunstet, es bilden sich Wolken und dann regnet es.“
Ich nickte misstrauisch.
„Und den tierischen Regen, na ja, an jedem Tag steht er für ein bestimmtes Tier, heute war er für den Wolf. Jeder Mensch trägt die Seele eines Tieres in sich. Bei dir ist es der Wolf. Aber nur Menschen, die dieses Tier in ihrer Seele entdeckt haben, sind fähig den tierischen Regen zu spüren und überhaupt einen Schutzgeist zu erhalten. Das würde auch erklären, warum deine Mutter den Regen nicht bemerkte. Klar?“
Ich nickte wieder. Diese Ereignisse am Tag, der Regen, den meine Mutter nicht bemerkte, mein Zusammenbruch und nun dieser Traum, was ging vor? Das konnte doch kein Zufall sein.
„Aber warum bist du nicht schon letztes Jahr gekommen?“, stotterte ich zögernd.
„Also erst einmal möchte ich dir sagen, dass du mein erster Auftrag bist.“
„Wie, erster Auftrag?“, fragte ich verwundert.
Ich schien mich zu entspannen, was ich gar nicht verstand, schließlich unterhielt ich mich gerade mitten in der Nacht mit einem Wolf. Meine Angst vor Arcon verschwand langsam.
„Die Schutzgeister müssen erst einmal ausgebildet werden, so wie ihr in den Schulen, nur, dass wir 50 Jahre ausgebildet werden müssen. Eigentlich hätte ich noch fünf Jahre Ausbildung vor mir, aber die Katastrophenzeit ist bedrohlich nahe!“
„Warum ist nicht ein anderer Wolf-Schutzgeist zu mir gekommen? Und was genau hat es mit der Katastrophenzeit auf sich?“
„Es werden viele Naturkatastrophen kommen, vor denen ich dich beschützen muss! Unser Herr wollte einen anderen Schutzgeist zu dir schicken, doch ich sagte, dass du jetzt jemanden brauchst. Aus einem mir unbekannten Grund wollte ich dein Schutzgeist sein. In unserer Lehre machen wir oft Ausflüge in diese Welt... dabei bin ich dir bereits drei Mal begegnet. In deinem Zuhause, doch nicht hier, diese Begegnung ist schon viele, viele Jahre her. Damals warst du in einem Wald und hast ohne jeglichen Grund angefangen zu schreien und zu weinen.“
Gebannt hörte ich dem Wolf zu. Es stimmte, es kam früher oft vor, dass ich im Wald angefangen hatte zu schreien, denn ich hatte eine extreme Angst vor allen Krabbeltieren, egal ob Ameise, Marienkäfer oder Biene. Nun ist diese Angst bis auf die Spinnenphobie verflogen.
„Dann vor einigen Jahren, in einem anderen Land. Du warst in einem kleinen Dorf mit deinen Schwestern und anderen Menschen unterwegs. Du bist mir aufgefallen. Ich weiß nicht warum, doch deine Gegenwart hat meine Aufmerksamkeit auf dich gezogen. Versteh das nicht falsch, Tia.“
Das musste in Rumänien gewesen sein.
„Die dritte Begegnung war erst vor nicht ganz zwei Jahren, das war hier in deinem jetzigen Zuhause. Du warst auf dem Berg und fuhrst mit einem seltsamen Fahrzeug, als es sich plötzlich überschlug.“
Ich erinnerte mich an meinen Unfall, nur durch unheimliches Glück prallte nur der breite Gummireifen auf meine Nase. Bis auf eine Prellung am Arm und an der Nase war mir allerdings nichts passiert.
„Einem Schutzgeist ist es nicht erlaubt einem Menschen, der keinen Schutzgeist hat, zu helfen. Vor 2 Jahren handelte ich ohne nachzudenken und rammte das seltsame Fahrzeug, während es auf dich hinab stürzte. Es drehte sich, sodass dich statt dem gesamten Eisengerüst nur der Reifen erwischt hat. Danach bekam ich riesigen Ärger, doch das war es mir wert.“
„Da... das hab ich dir zu verdanken!?“, stutzte ich.
Der Wolf nickte, es schien ihm etwas unangenehm zu sein die Anerkennung und Freude in meiner Stimme zu hören,
„Ja... unser Meister hat diesen Vorfall natürlich auch zu Gehör bekommen. Natürlich bekam ich auch von ihm mächtigen Ärger, doch letztendlich ist es gut, einen Menschen vor physischen und psychischen Verletzungen zu bewahren. Und jetzt bin ich hier.“
Erstaunt sah ich auf den weißen Wolf an, wusste nichts zu sagen.
„Was ist mit dir?“, fragte der Wolf nun zaghaft.
„Ehm...“, stutzte ich, „Ich... weiß nicht“
„Weißt du, viele Schutzgeister erzählten mir von ihrer ersten Begegnung mit ihrem Schützling. Viele haben Angst, so wie du...“
Er hatte Recht, noch immer hatte ich Angst, doch sie schien mehr und mehr zu schwinden. Ein unangebrachtes Gefühl von Müdigkeit überkam mich in dieser ungewöhnlichen Situation und verleitete mich zum Gähnen.
„Langweile ich dich?“, fragte Arcon.
„Nein“, antwortete ich verschlafen.
„Ich bin nur müde“
„Na, dann schlaf gut. Gute Nacht!“
„Gute Nacht, Arcon.“, erwiderte ich und schloss die Augen.
Ich wusste nicht, wie ich auf die Idee kam einfach weiterschlafen zu wollen, als wäre nichts gewesen, schließlich lag ein Wolf am Fußende meines Bettes. Meine Gedanken brodelten
„Schlafen? Jetzt? Es ist ein Traum! Du kannst nicht in deinem Traum schlafen!“, sagte die eine Seite.
„Schlafen? Eine gute Idee. So ein dummer Traum... als ob ein Wolf reden könnte. Schlaf einfach, dann geht der Traum vorbei“, meinte die andere Seite.
Was sollte ich tun? Traum? Realität? Innerlich war ich empört über mein seltsames Verhalten, hatte keine Kontrolle darüber, so sehr ich mich auch anstrengte, und entspannte ich mich nach und nach.
„Und noch was“, hörte ich Arcon, „Wenn du mich brauchst oder einfach nur mit mir reden möchtest, sag’ einfach meinen Namen. Und schlag dir den Gedanken aus dem Kopf, jemandem etwas von mir zu sagen, nur du siehst mich!“
Ich nickte, glaubte das aber nicht. Es war schließlich ein Traum.
Um 4 Uhr weckte mich meine Mutter. Ich setzte mich gähnend auf und lugte durch das finstere Zimmer. Mein Traum fiel mir wieder ein und ich zog meinen Blick wie automatisch an die Stelle, an der Wolf in meinem Traum gesessen hatte. Doch dort lag ein in der Dunkelheit schimmerndes Fellknäul.
„Ach Nala.“, grinste ich.
Ich wollte sie nicht wecken und unterließ meinen Reflex sie zu streicheln. Vorsichtig zog ich meine Beine neben Nala unter der Decke an mich heran und versank in Gedanken.
Ein Wolf, ja das wär richtig cool. Aber dieser Traum... Er ließ mich nicht los.
Nun schlug ich meine Bettdecke von mir weg und hörte ein Niesen. Geschockt starrte ich zum Ende meines Bettes und mein Atem stockte.
„Es war wirklich kein Traum“, dachte ich und begann ein wenig zu zittern.
Das Fellknäul war nicht meine weiße Katze Nala. Arcon steckte seinen Kopf aus der Decke, die ich aus Versehen auf ihn geworfen hatte. Ich saß auf dem Bett und starrte ihn an. Der Wolf gähnte, reckte und streckte sich. Dann stand er auf und wedelte mit dem Schweif.
„Guten Morgen, du bist aber ein Frühaufsteher!“
„Normalerweise stehe ich nicht um 4 Uhr morgens auf“, murmelte ich verschlafen und gähnte.
Ich fragte mich, wie ich nur so ruhig bleiben konnte, obwohl ich doch gerade wieder mit diesem Wolf sprach. Auf eine eigenartige, magische Weise fühlte ich, dass mich etwas mit diesem Wolf verband.
„Tia! Beeil dich, schlaf nicht wieder ein!“, rief meine Mutter von unten.
Ich stieg aus meinem Bett während ich den Wolf misstrauisch anstarrte, welcher verschlafen seine Pfoten säuberte und nahm meinen Rucksack.
Bevor ich mein Zimmer verließ warf ich noch einen Blick zu meinem Bett, doch es war leer. Mein Atem zitterte. War ich verrückt? Oder war es doch nur ein Traum, der so real wirkte?
Langsam schweiften meine Augen durch das Zimmer, fanden nichts.
„Okay“, flüsterte ich langsam, „es ist nichts da“
So schloss ich meine Türe und drehte mich gen Treppe.
„Entschuldigung.“, flüsterte Arcon zu mir, während ich die Treppe hinunter in Richtung Haustüre ging.
Erschrocken blieb ich stehen und blickte hinter mich: Einige Stufen über mir stand der Wolf mit geneigtem Kopf, sah mich demütig an.
„We-weswegen?“, stammelte ich.
„Wegen heute Nacht, du hattest eine solche Angst… also entschuldige ich mich, weil ich dich erschreckt hab!“, erklärte er.
„Tia?! Schläfst du? Komm!“, rief meine Mutter von draußen.
„Komme!“, rief ich und beobachtete Arcon misstrauisch, während ich die Treppe hinunter ging.
Arcon saß stumm auf der Stufe und musterte mich mit weichem Blick.
„Hm - ja“, begann ich schließlich und zog mir meine Schuhe an, „Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass jemand anderes weniger erschrocken wäre und weniger Angst gehabt hätte, wenn ein Wolf sich vor dem Zimmerfenster aus irgendwelchen Feuer- und Wasserstrahlen formte. Dann erzählt er auch irgendwas von wegen tierischem Regen, Schutzgeist und Katastrophenzeit.“
Und ehrlich gesagt, verstand ich immer noch nicht, warum ich selbst so ruhig war und keine Angst hatte. Es war, als wäre es etwas ganz Normales.
Doch meine innere Ruhe siegte schließlich über die Empörung in mir, die dennoch wie eine kleine Flamme loderte.
Wir gingen zum Auto, ich gähnte verschlafen, während Arcon zugab: „Ich hätte es ja nicht so spannend machen müssen, ich wusste ja nicht, dass ihr Menschen so schnell Angst bekommt. Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich gleich als Wolf in dein Zimmer marschiert.“
Ich setzte mich ins Auto und war zu müde, um genau verarbeiten zu können, was Arcon gerade gesagt hatte. Nun fuhren wir los, nach Cessinatico.
„Vielleicht gibt es wirklich diesen Schutzgeist für mich. Wenn es so ist, sollte ich mich freuen, dass ich einen Wolf habe.“, überlegte ich, schaute kurz aus dem Fenster und sah wie Arcon ‚durch den Wind’ lief.
Dann schlief ich wieder ein und wachte 5 Stunden später wieder auf. Wir mussten jetzt noch ungefähr 3 Stunden fahren. Aber jetzt wollten wir erst einmal eine Pause machen und hielten an einem Rastplatz neben der Autobahn. Als wir den Kofferraum öffneten lag Arcon darin. Erst jetzt merkte ich, dass er fast ganz weiß war, nur an seinem Rücken und seinem Kopf waren schwache, hellgraue Zeichnungen. Als er die Augen öffnete wollte ich etwas zu ihm sagen, doch niemand beachtete ihn, für meine Familie war er nicht da, also schwieg ich. Ich erinnerte mich daran, was Arcon zu mir sagte, als ich meine Augen wieder geschlossen hatte „…nur du siehst mich!“ Ich merkte, dass seine Augen nicht mehr rot waren, sondern ein klares, glänzendes Hellblau hatten. Wir holten die Semmeln heraus, die meine Mutter am vergangenen Abend gemacht hatte, setzten uns an einen Holztisch mitten auf einer kleinen Wiese und aßen. Arcon stand neben mir und starrte mich an.
„Was will er?“, fragte ich mich und sah ihn an.
Daraufhin setzte er sich neben mich, schaute mich lieb an und wedelte mit seinem Schweif. Warum bin ich so ruhig? Was hat es mit diesem Wolf auf sich? Warum ich? Es gab so viele Fragen, die mir durch den Kopf schwirrten, doch mit jeder Sekunde, in der Arcon neben mir war verging meine Angst und die Flamme meiner Empörung wurde immer kleiner. Als ich mich wieder auf meine Semmel konzentrierte, stand Arcon auf und begann wieder meinen Arm zu stupsen.
„Wenn Wölfe dasselbe Verhalten haben wie Hunde, dann denke ich mal, dass er bettelt.“, dachte ich.
Arcon grinste, stand auf und wedelte mit seinem Schweif.
„Ich kann dir jetzt nichts abgeben“, zischte ich leise zu ihm, woraufhin der Wolf seinen Kopf schief hielt,
„Wenn sie dich nicht sehen können.“
Dann widmete ich mich wieder meiner Semmel und Arcon begann zu glucksen,
„Danke, ich möchte auch gar nichts.“
Er sah mich lächelnd an, als studiere er meine Bewegungen. Was wollte er? Wie er mich betrachtete war mir unangenehm. Sein Blick war, als wolle er mich durchleuchten, als wolle er alles an mir und in mir sehen. Seine Augen waren weder von Begierde noch von Neugierde getrübt, sie waren rein und klar.
„Lass das bitte!“, rief ich genervt.
Meine Eltern und Alexandra sahen mich verwundert an, „Uhm… was?“
„Arcon starrt mich die ganze Zeit an!“, beschwerte ich mich, nicht daran denkend, dass meine Familie den Wolf nicht wahrnehmen konnte.
„Wer?“, fragte meine Mutter erstaunt.
„Arcon!“, wiederholte ich.
„Sie können mich nicht sehen und nicht hören!“, warf Arcon ein, „Ich wollte dich nicht...“
„Und wer soll das sein?“, fragte meine Schwester genervt und verdrehte ihre Augen.
„Da sitzt er! Das is‘n Wolf oder bist du blind?“
Einen Augenblick sah mich meine Familie etwas entsetzt und verwirrt an.
„Ein imaginärer Wolf, na klar!“
„Tia! Sie können mich weder hören noch sehen!“, mischte sich Arcon wieder ein.
Dieses Mal nahm ich ihn war und hielt mein Kommentar zurück.
„Und was ist dann Morgen? Ein Drache oder Eine Prinzessin?“, spottete meine Schwester, „Und gestern bildest du dir einen Donner und Regen ein! Noch was? Kannst du fliegen? Oder Feuer speien?“
Ich warf meiner Schwester einen äußerst verächtlichen Blick zu und sagte trocken: „Ha, Ha, Ha, wie lustig!“
Da sagte meine Mutter streng: „Jetzt hört doch mal mit diesem Gezicke auf, ihr beiden, oder wir fahren gleich wieder heim!“
Der drohende Blick meiner Mutter brachte uns zum Schweigen. Ich sah neben mich, doch Arcon war nicht mehr da. Verwundert blickte ich umher – nichts zu sehen. Wir frühstückten zu Ende und fuhren dann weiter. Im Auto dachte ich darüber nach, wie es sein konnte, dass es ein Lebewesen gab, falls Arcon eines war, das nur eine Person auf der Welt sehen könnte. Arcons Worte hallten in meinem Kopf wieder „…an jedem Tag steht der tierische Regen für ein bestimmtes Tier, heute war er für den Wolf. Jeder Mensch trägt die Seele eines Tieres in sich. Bei dir ist es der Wolf. Aber nur Menschen, die dieses Tier in ihrer Seele entdeckt haben, sind fähig den tierischen Regen zu spüren und überhaupt einen Schutzgeist zu erhalten.“


Ich fragte mich, ob andere, die auch den Wolf als Lieblingstier haben, Arcon sehen können. Ich blickte mich im Auto um.
Meine Mutter fuhr, mein Vater schlief und Alex hörte Musik. Ich überlegte kurz und flüsterte dann: „Arcon? Bist du da? Arcon?“
Ich lauschte und wartete kurz, er war nicht da.
„Wenn du mich brauchst oder einfach nur mit mir reden möchtest, sag’ einfach meinen Namen…“

, hatte er gesagt, warum kam er dann nicht? Im nächsten Augenblick saß er zwischen Alex und mir. Ich erschrak.
„Was gibt’s?“, fragte er.
„Ich wollte dich nur fragen, ob…“, flüsterte ich und hielt inne, um zu schauen, ob jemand mich ansah,
„Ob dich auch andere sehen können, die auch den Wolf als Schutzgeist haben.“
„Nein, normalerweise nicht.“, sagte er.
„Also gibt es Ausnahmen?“, fragte ich, immer noch flüsternd.
„Ja… also, ach vergiss es, ist nicht wichtig!“
Daraufhin verschwand er.
„Warte!“, wollte ich ihm gerade nachrufen, als mir einfiel, dass der Rest meiner Familie ihn scheinbar wirklich nicht wahrnehmen konnte. Also beschloss ich einfach ruhig zu sein, holte meinen Mp3-Player und hörte Musik, bis ich wieder einnickte.





Flut




Als wir ankamen war es kurz nach 12 Uhr, wir meldeten uns gleich an der Rezeption an und stiegen zwei Stockwerke zu unserem Apartment, welches zwei Schlafzimmer, einen Balkon, Küche und Bad besaß.
Kaum hatte unser Gepäck vor den jeweiligen Betten Platz gefunden, beschlossen wir nach dem Mittagessen zum Strand zu gehen.
Im Hotelrestaurant gab es verschiedene Italienische Delikatessen, Salate und Suppen. Nach dem Essen packten wir die Strandsachen in eine Tasche, überquerten die einzige Straße, die uns vom Strand trennte und suchten einen Platz mit Schirm, damit wir -je nach Lust und Laune - sowohl im Schatten als auch in der Sonne liegen konnten.
Alex und ich waren zuerst im Meer. Es war warm und angenehm, der Wind blies sanft und die Wellen wogen sich gleichmäßig in einem weichen Rhythmus.
Erschöpft und grinsend kamen wir nach einer Stunde schwimmen, tauchen und Ballspielen aus dem Meer. Ich bemerkte Arcon, welcher im Sand unter dem Schirm neben meiner Mutter lag und die Gegend beobachtete.
„Hat er mich die ganze Zeit beobachtet?“, fragte ich mich.
„Ja... oder Nein... ein Wenig“, antwortete Arcon und lächelte mich an.
Ich starrte ihn fragend an und griff geistesabwesend nach dem Handtuch.
„Deine Gedanken sind zu offen, ich kann sie mit ein wenig Mühe hören“, erklärte Arcon lächelnd, stand auf und lief auf mich zu.
Ich setzte mich stumm auf eine freie Liege, wickelte mich mit dem Handtuch ein und schloss die Augen.
Ich versuchte gezielt eine Frage in meine Gedanken zu setzen, was ich sonst dachte war eher ein Reflex als wirklich gezielt und gewollt, „Also kannst du das hier auch hören?“
„Ja, aber das kann ich nur so lange wir noch nicht eins sind“
„Bitte?“, stieß ich leise aus und öffnete abrupt meine Augen, „Das macht doch keinen Sinn, wenn du meine Gedanken nicht lesen... oder hören kannst, wenn unsere Verbindung stärker ist“
Ich blickte mich kurz um, mein Vater las in der Sonne, meine Mutter und Alex spielten Backgammon.
Arcon lachte, „In einer perfekten Bindung muss alles auf Gegenseitigkeit beruhen. Für dich ist es wohl leichter das, was du mir sagen möchtest, akustisch zu äußern?“
„Ja“, stimmte ich flüsternd zu und streichelte den Wolf vorsichtig, bedacht, dass mich niemand dabei sah.
Das weiße Fell war nicht allzu lang und unglaublich weich und warm.
„Das ist ganz normal und auch gut so. Je stärker die Bindung zwischen Schutzgeist und Mensch ist, desto mehr verschließen sich die Gedanken des Menschen und desto schlechter kann der Schutzgeist die Gedanken hören...“
„Warte mal! Es ist doch wirklich völlig schwachsinnig so!“, flüsterte ich leise.
Arcon seufzte und fuhr fort, „…Tia, in einer perfekten Bindung muss alles ausgeglichen sein und auf Gegenseitigkeit beruhen, dass heißt im Klartext: entweder können beide Parteien die Gedanken hören, oder sie können es nicht. Und da es leichter ist es sich abzugewöhnen, als es sich anzugewöhnen, ist es auch leichter, dass der Schutzgeist die Gedanken nicht mehr hört, als wenn der Mensch es lernt.“
„Aber warum denn? Es wäre doch viel Praktischer“
„Theoretisch schon, aber praktisch nicht“, meinte Arcon und grinste leicht, „Ein Mensch kann so etwas nicht mal eben so schnell lernen. Und außerdem muss er zusätzlich lernen unwichtige Gedanken auszublenden und vor allem Gedanken, die ihn nichts angehen. Menschen sind von Natur aus neugierig ... zu neugierig. In dem Kopf eines Schutzgeistes gibt es genug Gedanken, die Menschen nichts angehen…“
Ich seufzte, doch ich sah ein, dass Arcon Recht hatte. Ich konnte natürlich nicht wissen, was für Gedanken es waren, aber mystisch und geheimnisvoll war die Sache mit den Schutzgeistern schon irgendwie. Wenn ich bedachte, dass die Schutzgeister zwar von der Existenz der Menschen wussten, jedoch die Menschen nicht von der Existenz der Schutzgeister, war es logischer so wie es nun war.
„Allerdings werde ich dich immer hören, wenn du mich rufst, wenn du mich gezielt rufst, auch, wenn unsere Bindung perfekt ist. Für diesen Zeitpunkt brauchen wir keine Worte, ich denke, jeder von uns wird wissen, wenn es soweit ist“, meinte Arcon, schmiegte seinen Kopf an meine Beine und legte sich dann in den Sand vor meinen Füßen.
Eine Weile lang starrte ich nur ziellos durch die Gegend, ohne Blick, ohne Gedanken. Dann schüttelte ich mich, trocknete mich kräftig ab und fragte, ob wir uns nicht ein Eis kaufen wollten. Meine Familie willigte ein und wir gingen gemeinsam zu einer Strandbar.
Als wir fertig mit gegessen hatten nahm ich ein Buch und begann zu lesen. Das Salzwasser brannte noch immer in meinen Augen und richtig konzentrieren konnte ich mich auf die Handlung meines Buches auch nicht. Seufzend legte ich das Buch bei Seite und das Handtuch auf die Liege.
„Ich geh’ noch mal zum Meer“, sagte ich dann.
„Okay“, stimmte meine Mutter zu, „wir rufen dich dann, wenn wir gehen“
Ich nickte und ging vor zum Strand. Dort betrachtete ich eine Weile das schimmernde Meer, beobachtete, wo die meisten Wellen begannen ins Meer zurückkehrten und fing dann an einen Wolf aus feuchtem Sand zu bauen. Plötzlich saß neben mir etwas. Erschrocken sprang ich einen Schritt zurück und atmete wenig später erleichtert auf, als ich merkte, dass es Arcon war.
„Man, hast du mich erschreckt.“, grummelte ich leise.
Der Wolf grinste nur und entschuldigte sich. Dann sah er mir interessiert zu, wie ich den etwas verkümmerten Wolf aus Sand schuf.
Nach einer Weile meinte Arcon: „Pass’ mal auf!“
Neugierig schaute ich meinen Schutzgeist an. Er stand auf, richtete seinen Schweif steil nach oben und richtete seinen Blick ebenfalls gen Himmel. Verwundert sah ich ihn an. Seine klaren, ruhigen himmelblauen Augen färbten sich zu stechenden, bedrohlichen Roten. Ich erschrak, konnte nichts sagen. Dann wendete er seinen Kopf rasch in alle Richtungen, indem er sich schwungvoll drehte, und alles, was er mit seinem blutroten Blick einfing, erstarrte: Das Meer, die Menschen, die Vögel, die Wolken, sogar der Sand, der von Füßen oder vom Wind aufgewirbelt war, blieb in der Luft stehen. Alles war ruhig, unheimlich ruhig, kein Meer und auch kein Gelächter, rein gar nichts war zu hören. Die von Lachen verzehrten Gesichter rührten sich nicht, die Kinder, die erschrocken vom nassen Wasser aufsprangen waren in ihren Bewegungen erstarrt, völlige Stille, unaufhörliche Ewigkeit schien die Luft, die niemand atmete, zu füllen.
„Wa… Was hast du gemacht?“, schrie ich Arcon an.
„Nichts“, sagte er ruhig, „Ich habe nur die Zeit stillgelegt, für eine Weile“
„Den Menschen passiert nichts, keine Angst“, fügte er noch rasch hinzu.
„Bist du verrückt? Du kannst doch nicht einfach herkommen und einfach mal die Zeit stilllegen!“, schrie ich ihn an.
„Jetzt reg dich mal nicht so auf! Es passiert nichts. Das ist eine Art Sicherheitsmaßnahme für die Menschen bei uns Schutzgeistern!“
Mir fiel wieder ein, dass er im Auto einfach verschwunden war, so keifte ich wütend zu ihm: „Und vorhin im Auto, da bist du einfach so verschwunden! Ich dachte du bist da, wenn ich dich brauche!“
„Jetzt hör mir mal zu!“, hob er seine Stimme zu einem strengen Ton, „Mein Vater hatte Recht! Ihr Menschen seid wirklich egoistisch, ich hatte nicht gedacht, wie Recht er damit hat. Du hast mich nicht gebraucht, du warst auch nicht in Gefahr. Ich hätte dir beinahe etwas gesagt, dass eigentlich kein Mensch wissen dürfte! Und dafür schreist du mich auch noch so an. Ich wollte dir etwas zeigen, habe gehofft, dass du nicht so ein Mensch bist wie mein Vater gesagt hat, aber…“, er blickte zu Boden, seine Stimme wurde ruhiger und seine hellblauen Augen kehrten zurück, „…aber du bist auch nicht anders“
Er klang schon traurig. Plötzlich tat es mir Leid, ein schlechtes Gewissen plagte mich, da ich ihn angeschrien hatte, wobei ich nichts über die Situation wusste.
„Ich hätte ihm einfach vertrauen sollen“, schloss ich meine bedrückten Gedanken ab.
„Arcon“, flüsterte ich nun, „es… es tut mir leid… das wusste ich nicht. Ich… ich habe nur Angst bekommen. Ich kenne so eine Zeitspanne oder wie das heißt nicht. Ich habe mich erschrocken. Es tut mir Leid, ehrlich“
Vorsichtig hob ich meine Hand und streichelte Arcon über den Rücken. Als ich wieder an seinem Kopf ansetzte begann ich sein Ohr zu kraulen. Er wollte eigentlich schmollen, das sah man ihm an, doch er konnte sein Grinsen nicht unterdrücken, womit er seinen Wohlgefallen ausdrückte.
„Willst du jetzt zeigen, was du machen wolltest?“, fragte ich und lächelte.
Er schaute auf, mit einem Rest seiner schmollenden Miene, und sah mir direkt ins Gesicht. Dann konnte er es nicht mehr aushalten: Seine Augen schimmerten erfreut und er begann wild mit seinem Schweif zu wedeln.
„Wenn du mir gestattest dir alles zu erklären?“
Nach meinem angespannten Kopfnicken erklärte er: „Diese Zeitspanne benutzen wir, um das tun zu können, was andere Menschen in Angst versetzten könnte, wenn sie es sehen. Aber auch zu ihrem Schutz. Die Zeitspanne ist extrem wichtig, bevor wir Schutzgeister eine Handlung machen. Es ist ein Gesetz und darf nicht gebrochen werden.“
Er schwieg, als würde er noch einen Teil an den Satz in Gedanken hinzufügen.
„Also, Tia, geh bitte einen Schritt zurück“
Jetzt war ich angespannt. Was wollte er nur machen? Ich tat, worum Arcon mich gebeten hatte. Er stellte sich in eine feste Position, als würde er vorhaben den Sandhaufen in Form eines recht misslungenen Wolfes anzugreifen, sein Fell sträubte sich während seine Augen wieder die blutrote Farbe annahmen, vor der ich mich so fürchtete. Ein tiefes, grollendes Knurren kam aus Arcons Kehle, drohend und dominant, ich zuckte zusammen.
Was dann passierte sehe ich heute noch klar vor meinen Augen, ich konnte es nicht glauben, doch es war real. Der Sandhaufen vibrierte, die Körner wirbelten in einem Strudel aufwärts und ordneten sich neu an. Wie von Geisterhand wurde aus meinem misslungen Sandwolf eine Skulptur aus Sand, so schön und echt wirkend, als wäre sie von einem Künstler aus Stein gemacht worden, die Skulptur eines Wolfes! Aufrecht und stolz saß sie da. Ich war beeindruckt, bekam nichts aus meinem trockenen Mund, außer ein paar erstaunten, mühselig hervorgebrachten, wirr aneinander gereihten Silben von Wörtern, die ich selbst nicht kannte.
„Ich löse jetzt die Zeitspanne“, flüsterte Arcon.
Ich nickte abwesend. Wenig später nahm ich das Meeresrauschen und das Gelächter wieder wahr. Ich hatte mich an die unangenehme Stille gewöhnt, doch ich war noch so beeindruckt, dass ich all das nicht wahrnahm, auch nicht, dass ein Italiener mich ansprach.
Leute blieben stehen und betrachteten „mein“ Wunderwerk. Ich nickte nur immer, schließlich konnte ich niemandem weiß machen, dass ein Wolf dieses Werk vollbrachte. Mein Blick schweifte umher, Arcon war nicht zu sehen. Daraufhin stand ich auf, ging langsam ins Meer und wusch mir den Sand von meinen Armen und Beinen.
Dann schlenderte ich durch den Sand zurück zu Arcons Wunderwerk, als auf einmal Alexandras Stimme rief: „Tia, kommst du? Wir wollen...“
Sie stockte, als sie den Sandwolf sah.
„Boa, Tia, das is’ ja cool“
Ich schaute etwas verlegen auf den Sandwolf.
„Das hat Arcon gemacht“, hauchte ich leise.
„Bitte?“
„Ich… ähh...ach vergiss es! Gehen wir nun?“, belächelte ich sie.
Ironisch gemeint blickte mich Alex misstrauisch an, lachte dann und wir liefen durch den Sand zu unseren Eltern zurück.
Ich schaute noch einmal zu dem Sandwolf zurück und murmelte: „Einfach genial, Arcon“
„Hm?“, fragte Alex.
„Nichts, nichts, ich sagte nur, es sei ein ganzes Stück Arbeit gewesen“, log ich lächelnd.
Alex berichtete meinen Eltern von der genialen Skulptur und ich spürte, wie ich bis über die Ohren rot wurde. Es war mir sehr unangenehm, das zu hören, wo doch mein Schutzgeist das alles geleistetet hatte. Als wir an dem Platz kamen, an dem Arcon sein Werk vollbracht hatte, war dort nur noch ein zusammen gefallener, nasser Haufen. Eine größere Welle hatte das Werk zerstört.
„Es ist nicht gut, wenn die Menschen zu viel sehen“, erläuterte Arcons Stimme neben mir, während Alex unseren Eltern klar machte, dass diese wunderbare Skulptur wirklich dort stand.
„Wie meinst du das?“, flüsterte ich Arcon verwirrt zu und zog mich einige Schritte von meinen Eltern zurück.
„Du siehst doch, was deine Schwester eben macht. Was tust du, wenn die Leute, die dich neben der Sandstatue gesehen haben, meinen, du kannst so etwas noch öfter machen. Das wird kompliziert dich da raus zu reden, Tia. Wie du sicher bereits gemerkt hast kannst du nicht einfach sagen, dass ich es war“
Ich nickte betrübt. Überrascht starrte ich auf das Meer. Es war ruhiger als zuvor, wo sollte die Welle hergekommen sein, die die Skulptur vernichtet hatte?
„Arcon?“, keuchte ich, „Wie konnte eine Welle entstehen, die groß genug war um die Skulptur wegzuschwemmen, wenn das Meer so ruhig ist?“
„Wir Schutzgeister sind im Einklang mit den Naturkräften. Wir haben gelernt mit ihnen zu harmonieren und sie ab und zu zu verändern, eine kleine Welle in eine etwas größere umzuwandeln ist kein Problem“, erklärte er.
„Umgekehrt ein umso größeres“, fügte er kaum hörbar hinzu.
Als Alex sich beruhigt hatte liefen wir zu den Duschen und wuschen uns den salzigen Belag des Meeres und der Luft von unseren Körpern. Mein Vater hatte sich einen Sonnenbrand geholt und wir alle entspannten uns in unserem kühlen Appartement des Hotels. Nach einigen ausgiebigen Rommé-Partien bekamen wir Hunger und bestellten an der in der nahe gelegenen Pizzeria 3 Pizzen.
Meine Mutter hatte die Idee, dass wir bereits langsam Richtung Pizzeria gehen, dabei könnten wir und anschauen, welche Restaurants es in der Nähe noch gab. Die Pizzeria war gemütlich eingerichtet und spielte ruhige Musik. Nach dem ausgiebigen Essen begaben wir uns wieder ins Hotel zurück und gingen zu Bett, wobei jeder noch seine spezielle abendliche Tätigkeit vollzog: Meine Mutter machte Kreuzworträtsel, mein Vater las einen seiner historischen Romane und Alex spielte mit ihrer kleinen Konsole ein Strategiespiel, was ich sonst auch tat, doch die vergangenen 20 Stunden brachten mich schwer zum Überlegen.
Arcon war schon fast wie ein Teil von mir, so fühlte es sich zumindest an. Als ich bedachte, dass er mir vor nicht ganz 20 Stunden das erste Mal begegnete überkam mich ein seltsames Gefühl. Ist diese Perfekte Bindung, von der Arcon sprach schon eingetroffen?
Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen. Schließlich kannte ich ihn noch nicht einmal einen Tag lang, und doch fühlte ich mich immer stärker mit ihm verbunden.
Ich grübelte ein wenig darüber, bis mir ein anderer Gedanke durch den Kopf schwirrte. Ich lag auf dem Rücken und hatte meine Arme hinter dem Kopf verschränkt, als ich über diesen Satz von Arcon nachdachte… „Umgekehrt ein umso größeres“
Was meinte er? Hatte es mit dieser Katastrophenzeit zu tun, die er erwähnt hatte? Ich runzelte die Stirn. Es war für mich unvorstellbar in große Gefahr zu geraten, das schlimmste, was mir bisher passiert war, war als ich in Rumänien kopfüber durch diese Glastür geflogen war. Das einzige was ich davon hatte waren zwei relativ kleine Narben am meinem rechten Oberarm und meinem linken Ellenbogen: Zwei gerade, etwa 4 cm lange Narben, die in den vergangenen 7 Jahren seit es passiert war wunderbar verheilt waren.
„Denke nicht zu viel über mich nach, Tia“, beruhigte mich Arcons wohlklingende Stimme.
Alex klappte den Gameboy zu und drehte sich unter ihrer Bettdecke.
Meine Augenlider schlossen sich kurz und ich spürte, wie Arcon vorsichtig auf das Bett sprang und sich neben mich legte.
„Schlaf jetzt, Tia“, meinte Arcon und ich blickte ihm noch einmal in seine himmelblauen Augen, die von seinem schneeweißen Fell umgeben waren, bevor ich mich zu ihm drehte, meine Hand auf ihn legte, ihn kraulte und dann einfach einschlief.
Als ich am nächsten morgen aufwachte hörte ich das Klirren einiger Teller, die jemand auf einen Tisch stellte. Ich streckte meine Arme aus, doch meine Beine waren blockiert. Ich setzte mich verwirrt auf und bemerkte, dass Arcon wohl die ganze Nacht bei mir geschlafen hatte, auch wenn er nun auf meinen Beinen und nicht neben mir lag. Ich lächelte, allein sein Anblick zwang mich zu einem Lächeln. Noch immer war es für mich schwer zu begreifen, dass das Geschehen real war. Ein Wolf, ein Wolf bei mir... das war ein Gedanke, denn ich vor Freude nicht glauben konnte. Ich streckte meine Hand aus und kraulte seinen Kopf. Er streckte seine Beine von sich und öffnete seine Augen.
„Guten Morgen, Arcon“
„Guten Morgen, Tia! Gut geschlafen?“
„Ja, du?“
„Das Bett ist bequem“, meinte er zufrieden.
Er blickte mich verschlafen an, lies sich noch eine Weile von mir streicheln, stand dann auf und streckte sich. Nun konnte ich auch aufstehen, schlenderte ins Bad, wusch mein Gesicht und kämmte mir die Haare zu einem Seitenscheitel und Band sie zu einem Pferdeschwanz zusammen. Mein Pony war ein wenig zu kurz um ihn hinter mein Ohr zu legen, also versuchte ich meine ‚Löwenmähne’, wie meine Mutter meine Haare nannte, wenigstens Richtung Ohr zu kämmen.
Kaum war ich fertig, klingelte es an der Tür. Ich huschte in das Zimmer, in dem ich geschlafen hatte, und während ich mir meinen Pyjama auszog und mich einkleidete machte mein Vater bereits die Tür auf. Es waren Alex und meine Mutter.
Alex spähte in unser Zimmer und grinste mir entgegen: „Auch schon wach?“
Ich grinste zurück und nickte ihr zu.
Sie und meine Mutter waren bestimmt schon seit halb 8 wach und hatten bereits einen Spaziergang am Meer hinter sich. Ich schloss, dass mein Vater den Tisch vorhin gedeckt hatte.
Dann hörte ich meine Mutter: „Na, du Schlafmütze, komm essen“
„Ich komme“, rief ich, zog den Reißverschluss meiner Hose hoch und ging in die kleine Küche unseres Hotelzimmers.
Als mein Blick über die Wanduhr huschte bemerkte ich, dass es halb 10 war.
„Gar nicht mal so spät“, flüsterte ich zufrieden, da ich nicht die halben Ferien verschlafen wollte.
„Was meinst du?“, wollte Arcon etwas verwirrt wissen, während ich mich auf einen freien Stuhl zwischen meinem Vater und Alex setzte.
Die beiden waren mit meiner Mutter in einem Gespräch, dessen Inhalt mich nicht interessierte.
„Die Uhr! Ich bin relativ früh wach“, zischte ich möglichst leise zu Arcon, in der Hoffnung, dass meine Familie es nicht mitbekam.
Doch meine machte Mutter meine Hoffnungen zunichte und fragte: „Was meintest du?“
„Wie lange seit ihr schon wach?“, startete ich sofort eine Gegenfrage und lies es so klingen, als wäre es das gewesen, was ich gesagt hatte.
„Seit etwa halb acht, Schlafmütze“, antwortete Alex lächelnd, „Wir waren übrigens noch beim Bäcker“
„Toll“, meinte ich spaßhaft und nahm mir eine Semmel.
„Es ist angenehm warm draußen“, fing meine Mutter an, nachdem sie Butter auf ihre Semmel geschmiert hatte, „Wenn ihr wollt können wir gleich nach dem Essen unsere Sachen packen und zum Strand gehen“
„Und das Meer ist so schön ruhig und der Himmel ist total klar, keine einzige Wolke“, gab meine Schwester dazu.
„Oh, ja, gerne!“, stimmte ich zu und verschluckte mich an einem Semmelkrümel.
Mein Vater klopfte mir heftig auf den Rücken und ich hustete.
„Danke, passt schon, danke“, krächzte ich dankbar.
In Augenblicken, in denen ich unbeobachtete war, klaute ich ein Stück Wurst und lies meine Finger unauffällig zu Arcon gleiten. Erst sah er etwas verwirrt zwischen mir und der Wurst hin und her, nach einem kurzen Kopfnicken meinerseits, nahm er diese vorsichtig zwischen die Zähne und aß sie genüsslich auf, ehe er sich höflich bedankte.
Nachdem alle aufgegessen hatten zogen wir uns unsere Badeanzüge an, darüber unsere normale Kleidung und packten unsere Sachen. Als wir auf dem weichen, warmen Sand kamen blieb Arcon stehen und blickte verstohlen aufs Meer.
Auch ich blieb stehen und fragte leise: „Was ist?“
Arcon ging weiter und sagte geheimnisvoll: „Gib acht, Tia. Ich traue diesem Meer nicht“
Erst schaute ich ihn nur verwirrt an, ging dann auch weiter, kicherte und flüsterte dann: „Was soll schon passieren? Das Meer ist so ruhig und der Himmel so klar oder meinst du etwa da sind Haie?“
„Das ist kein Scherz, ich warne dich“, knurrte Arcon ernst und warf mir einen strengen, durchdringenden Blick zu, der mich zusammenzucken lies.
Ich musterte ihn verängstigt, bis ich plötzlich die Stimme von meinem Vater hörte: „Hey, Schlafmütze! Hier sind wir!“
Ich blickte mich um und sah einige Meter weiter hinten Meine Familie. Ich lachte verlegen und rannte zurück. Ich entledigte mich geistesabwesend meiner Kleidung, bis auf den Bikini und als ich mir der realen Situation wieder bewusst wurde meinte ich: „Ich geh dann schon mal ins Wasser, okay?“
„Warte doch, ich bin doch auch gleich fertig!“, sagte Alex, während ich mich noch einmal umsah, aber ich fand Arcon nicht. Seine Worte beunruhigten mich, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, was hier an einem so schönen Tag passieren könnte.
„Du kannst ja nachkommen, ich lauf ja nicht weg.“, erwiderte ich Alex und starrte auf das ruhige Meer, vor dem Arcon mich gewarnt hatte.
„Er wird wohl wieder irgendwo hin gegangen sein“, dachte ich und rannte sogleich auf das Meer los.
Mein Magen zog sich zusammen, ich wusste nicht was los war. Es waren nur noch zehn Meter als ich bemerkte, dass die Seemöwen schnell wegflogen, als würde sie vor ihrem größten Feind fliehen. Verwundert beobachtete ich, wie sich etwas Seltsames auf dem Meer tummelte. Mein Lauf verlangsamte sich, als einige Menschen schreiend ans Ufer hechteten und in fremden Sprachen rufend an mir vorbeirannten. Mit einem Mal erhob sich aus dem Meer eine Welle, die sich in rasender Geschwindigkeit auftürmte und den ganzen Strand in Schatten setzte. Panik brach aus. Die Leute schrien, liefen weg. Die wenigen, die noch im Wasser waren, versuchten der Welle zu entkommen, wurden jedoch kreischend mit ihr gerissen. Mein Herz pochte wild, als ich schockiert zum Stehen kam. Ich blieb reglos stehen, konnte keinen Finger rühren, jegliche Geräusche um mich herum wurden dumpf, nur das überwältigende, grausame Rauschen der Welle drang tief in mein Ohr und gestatte es mir nicht mich zu regen. Ich blickte auf die riesige Welle und mir wurde klar, dass ich in Lebensgefahr schwebte: ein riesiger Tsunami kam auf mich zu.
Unter den vielen dumpfen Schreien hörte ich jemanden meinen Namen rufen, schwer erkennbar, kaum hörbar, ich wollte der Stimme folgen, hoffte, sie könne mich in Sicherheit bringen, doch ich konnte mich nicht bewegen. Ich wollte nach Hilfe schreien, mich verstecken, wollte weg, fliehen, rufen, irgendetwas. Mir wurde kalt und heiß zugleich.
Tausende Gedanken, Bilder und verschwommene Gestalten wuchterten in meinem Kopf, ein reines Gewirr aus Erinnerungen. Mit starrem Blick auf die unglaubliche Welle konnte ich keinem Gedanken folgen. Bis auf ein Detail, dass meine Aufmerksamkeit auf sich zog, ein weißer Wolf, der mich mit erhabenem, stolzen Blick erwartungsvoll anstarrte. Sein Anblick erfüllte mich Hoffnung wie ein kleiner Funke, der zu einer großen Flamme wurde. Arcons Worte wurden mir klar: die Katastrophenzeit hatte begonnen.
„Arcon...“, dachte ich, schaffte es einen kleinen Schritt rückwärts zu gehen und rief nach meinem Schutzgeist.
Das gefährliche Rauschen des Tsunami schüchterte mich ein, sie drohte jeden Moment über dem gesamten Strand einzubrechen. Mein Blick war starr auf den Tsunami gerichtet, ich vernahm keine Stimmen, keine Schreie, keine Rufe nach meinem Namen.
„Arcon, du hast versprochen für mich da zu sein, wenn ich dich brauche“, flüsterte ich voller Angst, mein Herz pochte und hämmerte wild gegen meinen Brustkorb.
„Ich bin da, Tia, alles wird gut!“, hörte ich Arcons Stimme neben mir.
Sie klang mutig und ehrfürchtig. Hastig suchte ich neben mir das glänzende weiße Fell meines Schutzgeistes, doch alles, was ich entdeckte waren zwei blutrote Augen im Sand neben mir. Ein aus Sand geformter Kopf erstreckte sich aus dem Boden stieg höher hinauf und wurde von dem Rumpf und den Beinen eines Wolfes verfolgt.
„Hab keine Angst, Tia!“, sagte der immer mehr vollständige Wolf, während der Sand von ihm bröckelte.
„Arcon“, keuchte ich und starrte den Sandwolf entsetzt an.
Noch bevor der letzte Teil seiner Hinterbeine außerhalb des Strandbodens war sprang er in die Höhe. Der Sand, der den Wolf umgab, wurde durch Wasser verdrängt. Ich hatte keine Nerven mehr um darüber nachzudenken, dass die Zeit in Zeitlupe zu laufen schien, ich hatte keine Gedanken mehr. Der Sand seines Körpers regnete von ihm herab und als er elegant neben mir gelandet war, war er durch schimmerndes Wasser geformt. Kaum eine Sekunde auf dem Boden stieß er nach vorne und sprang der Welle entgegen, fassungslos verfolgten meine Augen Arcon und bewunderten seinen Mut.
Arcon prallte gegen das Wasser des Tsunami, kämpfte sich beißend durch die Macht des Meeres und drang in die gefährliche Flutwelle ein. Sie war wie gelähmt. Bewegte sich keinen Zentimeter. Eine Unsichtbare Macht hielt sie fest. Ein imponierendes Wolfsgeheul breitete sich aus, mein Blut gefror in meinen Adern, aus Angst oder aus Schock.
Mein Innenleben verkrampfte sich, ich konnte mich noch immer nicht bewegen, hatte nur Gedanken an Arcon, hoffte, dass er wusste, was er tat. Meine eigene Sicherheit schien mir nicht mehr wichtig. Hätte ich den Mut gehabt, wäre ich geradewegs auf die gigantische Naturkatastrophe zugelaufen, mit dem Wunsch, meinem Schutzgeist helfen zu können. Doch wo war Arcon? Er war einfach in der Welle verschwunden.
Angestrengt wartete ich auf ein Zeichen von Arcon, wollte nichts übersehen.
„Tia, komm!!“
Die Stimme war leise, doch ich konnte sie meiner Mutter zu ordnen. Überrascht drehte ich mich um, sah meinen Vater auf mich zu rennen. Darum kümmerte ich mich nicht weiter und richtete meine Augen auf die Welle, die noch immer starr und senkrecht im Meer stand. Ein Jaulen ertönte.
„Arcon“, hauchte ich, mein Herz verdoppelte seine Schlaggeschwindigkeit.
Auf einmal überkam mich der Gedanke an meinen Vater und ich blickte mich um. Er stand starr im Lauf und rührte sich nicht. Völlig verängstig starrte ich umher. Niemand bewegte sich nicht.
Die Bilder vom Vortag schossen durch meinen Kopf, zeitgleich Arcons Worte, „...die Zeit stillgelegt... eine Art Sicherheitsmaßnahme bei uns Schutzgeistern!“
Eine Zeitspanne. Das war es.
Eine Mischung aus wütendem Knurren und verzweifeltem Jaulen breitete sich aus. Ich konnte eine Art Brodeln auf der senkrechten Welle beobachten. Daraus schoss ein Wasserstrahl direkt auf mich zu. Mein Atem stockte, meine Füße wurden lahm, meine Hände schwer. Blitzschnell stieß etwas neben dem Strahl aus der Welle, überholte diesen und stoppte zwischen ihm und mir. Der Sand flog durch die Luft. Das etwas war Arcon, noch immer in seiner Wassergestalt. Er richtete sich kurz auf zwei Beinen auf und nutze seine Haltung, um mit seiner Pfote auf den Strahl einzuschlagen. Der Strahl fiel zu Boden und hinterließ eine nasse Spur im Sand. Nachdem mein Schutzgeist wieder auf seinen 4 Pfoten stand, blickte er sich zu mir um und sah mit seinen blutroten Augen in meine tiefbraunen.
„Alles in Ordnung?“, fragte er ernst.
„Ja“, flüsterte ich mit zitternder Stimme.
Arcon richtete sein Gesicht von mir auf die Welle und meinte: „Kein Angst, ich beschütze dich, ich bin gleich fertig“
Daraufhin rannte er auf die Welle zu, hinterließ seine Pfotenabdrücke auf dem Sand und sprang wieder direkt gegen die Welle, haftete an ihr, und sprinte sie senkrecht hinauf. An verschiedenen Stellen brodelte der Tsunami und stieß Wasserstahlen auf Arcon, denen er geschickt auswich. Oben angekommen sprang er hoch hinauf. Zeitgleich schoss ein weiterer Wasserstrahl auf mich zu. Ein wütender Aufschrei Arcons machte mich darauf aufmerksam. Dank meiner Reaktion wich ich dem Strahl aus. Etwas – mir unerklärliches - war anders als zuvor. Der Strahl schoss an mir vorbei machte kehrt und sauste abermals auf mich zu. Stutzend wich ich ihm noch ein Mal aus.
„Schlag ihn, Tia!“, schrie Arcon.
Ohne nachzudenken folgte ich Arcons Befehl und schlug mit meiner Faust gegen den Wasserstrahl, welcher mich umkreiste. Schlagartig fiel der Strahl wie der vorherige zu Boden und hinterließ eine nasse Spur.
Arcon stieß steil nach unten und prallte oben auf den Tsunami. Er beulte die Welle von innen aus, wie eine kleine Welle, die den Tsunami hinunterlief, wie ein Schwert in einer Schlacht, das den Gegner in zwei Teile schlug. Das Rauschen der gewaltigen Flutwelle dröhnte in meinen Ohren, die ich rasch zuhielt und meine Augen zusammen kniff. Als der Krach nachließ öffnete ich die Augen und bemerkte sogleich, dass die Größe der Flutwelle enorm abgenommen hatte. Der Tsunami schien sich zurückzuziehen, er floss zurück ins Meer. Ich nahm meine Hände von meinen Ohren und eine Mischung aus Freude und Erleichterung erwärmte meinen Körper.
Doch... wo war Arcon? Er war nicht zu sehen.
Vorsichtig ging ich ein paar Schritte vorwärts, auf die Welle zu, die immer kleiner wurde. Am Fuß des Tsunami war ein dunkler Fleck.
Ich beschleunigte meine Schritte, ich wusste, dass es nur Arcon sein konnte. Auf einmal schoss aus dem dunklen Fleck ein dritter Wasserstrahl direkt auf mich zu. Ich bremste abrupt und stand, gelähmt vor Schreck, starr auf dem warmen Sand.
„TIA!“, schrie Arcons Stimme und er sauste von dem Fuß der Welle in seiner Wasserform auf mich zu. Alles ging rasend schnell, ein heftiger Schlag in meine Hüfte und Arcons schmerzhaftes Aufjaulen.
Ich lag auf dem Boden, durch den Aufprall mit leichten Schürfwunden an den Armen versehen. Der Wolf hatte mich weggestoßen. Der Wasserstrahl umfasste ihn wie eine stramme Hand, lies ihn nicht mehr los. Arcon schrie, jaulte, strampelte und wehrte sich mit allem, was er besaß. Meine Augen wurden feucht.
„Lass ihn!“, schrie ich flehend, mein sandiges Gesicht hebend.
Arcons Wasserform verschwand langsam und sein weißes Fell kam triefend nass zum Vorschein.
Keuchend stand ich auf und hielt meine Hand an die schmerzende Hüfte, welche bereits von einem leicht bläulichen Fleck markiert wurde.
„Verschwinde, Tia“, keuchte Arcon.
„Aber...“, entgegnete ich.
Arcons Jaulen umhüllte mich und drang tief in meine Knochen ein.
„Lass ihn los!“, schrie ich flehend und schlug auf den Wasserstrahl ein, verzweifelt hoffte ich auf eine Wirkung, die nie eintraf.
„Tia, fass klare Gedanken, streng dich an!“, zwang ich mich zu denken.
Mein Blick verfolgte den Wasserstrahl. Er hatte seinen Ursprung in der Welle.
„Tia, hau ab“, keuchte Arcon abermals.
Ich beachtete ihn nicht. Mein Atem war unregelmäßig, ich hatte Angst, zwang mich, etwas zu unternehmen. Ich schritt an Arcon vorbei, der sich verzweifelt versuchte aus dem Griff des Wassers zu befreien.
„Wenn man eine Stange in die Luft hält und an einem Ende einen Gegenstand befestigt und die Stange dann durchtrennt, fällt der Gegenstand zu Boden“, folgte ich meinen Gedanken, „Eine letzte Chance... Ich muss das Wasser durchbrechen“
Mein Körper verspannte sich: „Was, wenn meine Idee nicht funktioniert? ... Hör auf so was zu denken! Negativ bringt auch nicht weiter!“
Ich schüttelte mich, ballte meine Hand zu einer Faust und holte mit dem Arm aus. Mit aller Kraft zielte ich auf den Wasserstrahl und – verfehlte ihn. Stutzend sah ich auf den Strahl, welcher nun wenige Zentimeter unter meinem Arm gemächlich in der Luft floss. Das hatte ich mir nicht eingebildet! Der Strahl wich meinem Schlag aus. Staunend nahm ich meinen Arm zurück.
„Okay, wenn‘s so nicht geht...“, überlegte ich, trat einige Schritte zurück und sah mich um.
„Arcon halt durch!“, rief ich, spürte die Panik in meiner Stimme, „Ich such was!“
Durch das Krächzen und Stöhnen Arcons, ausgelöst von seinen verzweifelten Befreiungsversuchen, hetzte mein Blick ebenso unkonzentriert wie auch unkontrolliert über den starren Strand, bis er an einem kaputten Sonnenschirm oder das, was von ihm übrig war, haftete. Meine Füße bewegten sich von ganz allein im höchsten zumutbaren Tempo auf die verbogene Eisenstange mit ein paar wenigen Stofffetzen zu, sprangen über die in der Zeitspanne erstarrten, am Boden liegenden Menschen und kamen abrupt vor dem ehemaligen Sonnenschirm zum Stand. Sand wirbelte auf.
„Trotz Zeitspanne?“, überlegte ich einem winzigen Augenblick, ehe ich die Eisenstange packte, schwungvoll aus dem Sand zog und meine Strecke zurück sprintete.
Ich anvisierte mein Ziel genau, rannte so schnell mich meine Beine tragen konnten über den warmen Sand, der unter meinen Füßen bei jedem Schritt sanft nachgab, und holte zum Schlag aus.
Die Eisenstange bretterte auf den Wasserstrahl nieder, und durchdrang ihn mit aller Kraft. Mein Herz raste. Sekundenlang schien nichts zu geschehen, während die Stange im unteren Teil der Wasserstange steckte. Nun floss das Wasser langsam in einem unglaublich zähflüssigen, fast schon schleimartigen Zustand von der Eisenstange und sickerte in den Sandboden darunter. Meine Augen folgten dem nun fallenden Wasser triumphierend. Der Wolf landete hart und röchelnd mit einem plumpen Geräusch auf dem Boden.
„Uff...“, keuchte Arcon, der kraftlos am Boden lag und nur mit Mühe seinen Kopf hob.
„Tia“, schnaufte mein Schutzgeist.
„Arcon!“, rief ich und lief zu ihm, „alles okay?“
Mit zittrigen Beinen stand er auf, hechelte erschöpft.
„Alles prima“, behauptete Arcon.
„Sieht man“, antwortete ich sofort.
„Aus dem Weg, Tia, bitte“, keuchte Arcon.
Doch ich versperrte meinem Schutzgeist den Weg, indem ich mich zu ihm hinunter kniete und seinen Kopf sanft kraulte.
„Tia, aus dem Weg“, grinste Arcon, „Jetzt ist es ein Kinderspiel“
„Aber du...“
„Nichts aber, das ist meine Pflicht. Außerdem weiß ich nun, wie ich die Flutwelle zurückdränge“
Arcons Augen schlossen sich und sein Gesicht verzehrte sich angestrengt. Langsam kam seine Wassergestalt wieder zum Vorschein, deren Nässe sich um meine Finger schlang.
„Wie kann man nur so stur sein?“, fragte ich mich leise und sah Arcon flehend an.
Ohne noch einen Laut von sich zu geben, drehte er seinen Kopf geschickt aus meinen Händen, stürmte an mir vorbei, direkt auf die Flutwelle zu und versank abermals in ihren überwältigenden Wassermassen. Ich presste meine Hände auf die Augen, lies die beinahe hervorkommenden Tränen verschwinden und konnte nichts anderes machen als warten. Wie ich es hasste nichts machen zu können! Die Sekunden, in denen ich hoffend und flehend wartete verronnen langsam, es kam mir wie eine Ewigkeit vor, als sich endlich etwas tat. Der Tsunami brodelte, erst nur leicht an vereinzelten Stellen, Arcon sprang in seiner Wasserform aus der Flutwelle und an einem anderen Fleck wieder hinein. Er huschte durch das Wasser. Das Brodeln übertrug sich von den einzelnen Stellen auf die gesamte Welle, welche ein bedrohliches Grollen von sich gab und schließlich explosionsartig zersprang. Ein Teil des Wassers nieselte auf mich herab, der Rest fielt plump ins Meer hinab.
Keine Spur von Arcon.
Durch den Aufprall schlugen Wellen auf den Strand, etwas größer als ich es war. Sie schlugen vor mir auf den Sandstrand ein, ich hielt meine Arme vor mein Gesicht und suchte mit eingeschränkter Sicht nach Arcon. Zögernd lief ich los, plätscherte durch die immer kleiner werdenden Wellen und rief nach dem Wolf. Meine Blicke suchten den vor mir liegenden Strand ab. Wieder erblickte ich kurz einen dunklen Fleck, als sich eine Welle gerade wieder dem Meer zuwandte. Die Wellen schrumpften auf ihre normale Größe zurück, der dunkle Fleck blieb bestehen.
„Nein“, flüsterte ich leicht genervt, „wenn das jetzt wieder so ein Wasserstrahlding ist...“
Doch ehe ich meinen Gedanken zu Ende flüstern konnte bemerkte ich, dass der dunkle Fleck langsam Gestalt zeigte. Ich erkannte eine weiße Kreatur.
„Arcon“, keuchte ich erleichtert.
Langsam ging ich los und konnte noch nicht fassen, dass das real sein sollte, was eben passiert war.
Arcon trabte langsam und keuchend aus dem Wasser.
„Arcon!“, schrie ich glücklich und lief ihm entgegen.
Er sah mich zufrieden an und legte sich rasch auf den Sand. Das Meer war wieder ruhiger.
Als ich bei ihm war kniete ich neben ihm und kraulte sein nasses Ohr. Ich legte meinen Kopf sanft auf sein Nasses Fell. Arcons Atmung wurde ruhiger.
„Alles soweit in Ordnung?“, fragte ich ihn.
„Bin nur... erschöpft“, keuchte er.
„Scheiß Wasser“, moserte er genervt.
„Du warst super“, lobte ich ihn.
„Nein“, widersprach er, „das war schwach, ich hätte besser auf dich Acht geben müssen, diese Wasserdans hätten dich bei nahe erwischt“
Ich hob den Kopf wieder und zog eine Augenbrauche fragend hoch.
„Wasserdans... klar, kennst du nicht“, bemerkte er keuchend, „‚Dans’ sind sozusagen Dämonen, nur, dass sie aus den Elementen erschaffen werden und keinen Willen haben, sie werden von den Elementen selbst gelenkt. Die Katastrophenzeit hat mit dieser Flutwelle begonnen“
„Und was heißt das jetzt genau?“, hakte ich nach.
„Später, Tia“, hechelte Arcon erschöpft, „später... ich.. kann nicht mehr... ich löse jetzt die Zeitspanne... muss mich ausruhen“
Seine Augen schlossen sich erleichtert und sein Herz schlug in einem ruhigen Rhythmus. Einen Augenblick später hörte ich wieder die panischen Schreie und meinen Vater, der meinen Namen rief. Urplötzlich erloschen alle Geräusche zu einem erstaunten Schweigen. Die Leute blickten verwirrt umher, wussten nicht, was geschehen war. Nur wenige blieben am Strand. Einige senkten ihre Kameras mit denen sie die Naturkatastrophe filmen wollten. Die meisten packten ihre Sachen und wollten mit diesem merkwürdigen Geschehen nichts zu tun haben.
„Alles in Ordnung, Engel?“, fragte die verwirrte Stimme meines Vaters und legte seine Hände auf meine Schultern.
„Ja“, antwortete ich kurz.
„Tia!“, rief Alex.
Auch sie und meine Mutter kamen zu mir. Mein Vater half mir aufstehen.
„Was war den das?“, wollte meine Mutter wissen,
Ich schwieg einige Sekunden bis ich antwortete, „Keine Ahnung. War aber echt heftig...“
„Ich meine, nicht dass ich es jetzt schade finde, dass die Flutwelle uns nicht überrollt hat, aber, das würde mich jetzt schon interessieren“
„Mich auch“, meinte Alex.
„Wollen wir gehen?“, frage ich, um das Thema zu wechseln.
„Ja“, meinte meine Mutter.
Mein Vater legte seinen Arm um meine Taille und ich gab ein schmerzhaftes Zischen von mir.
„Was ist los?“, fragte mein Vater.
„Bin gestolpert und blöd gefallen“, log ich beschämt.
Daraufhin änderte mein Vater seine Haltung und fasste über meinen Rücken zu meiner Schulter.
Ich warf noch einen Blick zurück, wo ich Arcon friedlich schlafen sah. Für einen Moment überlegte ich, meiner Familie von dem Ereignis zu erzählen, oder noch einmal zu Arcon zu laufen, doch ein Gefühl sagte mir, dass er Ruhe brauchte und schlafen wollte.





Arcons Welt




Fast den ganzen Tag lang sprach meine Familie über den Tsunami, dem sie so knapp entronnen war. Meistens saß ich schweigend dabei oder wechselte das Zimmer. Als wir in unserem Apartment einen Deutschen Nachrichtenkanal fanden (mein Vater kann zwar italienisch und meine Mutter ein paar Brocken, doch der Wortschatz meiner Schwester und mir reichte grade mal für eine kurze Begrüßung und Essensbestellung), wurde das Ereignis erwähnt, jedoch wusste man noch keine genaueren Informationen. Zudem gab es an einigen Flüssen schwache bis sehr starke Uferübersteigungen und somit Hochwasser in Städten und Dörfern über die Welt verteilt. Von einem weiteren Tsunami kam nichts. Arcon lies sich den ganzen Tag über nicht blicken. Immer wieder hatte ich seinen reinen, ernsten und unerschrockenen Blick vor meinen Augen, mit denen er mich ansah. Was geschehen war, war seltsam und ich machte mir viele Gedanken um die sogenannte Katastrophenzeit, von der Arcon sprach, obgleich ich noch nicht wusste, dass ich sehr bald viele Antworten auf all meine Fragen kriegen würde. Am Tag nach dem Tsunami hatte sich die Stimmung wieder ein wenig gebessert und die Theorien meiner Eltern und Alex, wie die Flutwelle wohl verschwunden sein könnte, verblassten, weil sie sich keinen Reim darauf machen konnten. In der Nacht konnte ich nicht schlafen, meine Sorgen um Arcon und meine Gedanken über die Geschehnisse waren zu groß. Es war bis jetzt auch kein Wort mehr über den Strand selbst gefallen. Ich lehnte an der Wand des Schlafzimmers von Alex und mir. Mein Kopf ruhte im Nacken und meine Augen waren sanft geschlossen. Alles, was ich dachte war, dass Arcon hoffentlich bald wieder kommt. Doch er kam nicht. Letztendlich war ich zu müde um weiterhin zu warte, vergrub mich schlaff unter der Decke und schlief einen unruhigen Schlaf.
Nach dem Frühstück am nächsten Morgen, als meine Mutter mit meiner Schwester am Esstisch Backgammon spielte und mein Vater auf dem Sofa lag und ein Buch las, lehnte ich mit geschlossenen Augen in Gedanken versunken an der Zimmerwand
„Arcon“, hauchte ich der Lampe an der Zimmerdecke entgegen, „Arcon, wo bist du?“
Daraufhin lauschte ich. Wenige Augenblicke später vernahm ich seine weiche Stimme:
„Hier bin ich, Tia. Geht es dir gut?“
Ich riss meine Augen auf, sah neben mich und fiel Arcon um den Hals.
„Oh, Arcon, da bist du ja!“
Seine Ohren kraulend setzte ich mich wieder aufrecht hin und meinte glücklich:
„Mir geht gut, etwas Schock, aber sonst gut. Wichtiger ist, wie es dir geht!“
Arcon blickte mich etwas erstaunt an, dann lächelte er.
„Du bist wirklich anders als die Menschen von denen mein Vater erzählt hat. Mir geht es gut, hab’ mich gut erholt... Was anderes, hat dich jemand gefragt, ob du etwas über den Tsunami weißt?“
„Ja“, antwortete ich, „meine Eltern, hab ihnen gesagt, dass ich nichts weis“
„Gut“, meinte Arcon erleichtert, „es ist von höchster Priorität, dass niemand, der keinen Schutzgeist hat, etwas von uns erfährt“
„Warum denn?“, hakte ich nach.
Arcon schwieg.
Da klopfte es an unserer Tür.
„Ja, ja, ich mach schon auf!“, trällerte meine Mutter aus der Küche.
„Es gibt Gesetze bei uns Schutzgeistern, genau wie bei euch. Menschen ohne Schutzgeist, dürfen nichts von der Existenz meiner Rasse wissen. Denn nur Menschen, die eine besondere Zuneigung zu einem bestimmten Tier entwickeln können, sind in der Lage die Schutzgeister zu verstehen und das Geheimnis zu bewahren. Deine Schwester ist nicht dazu im Stande, wir Schutzgeister können das in den Augen der Menschen sehen“
Ich starrte ihn stumm an.
„Aber meine Schwester kann schweigen wie ein Grab...“, entgegnete ich flüsternd, aus Furcht, meine Mutter könne mich hören.
„Vielleicht kann sie das“, meinte Arcon, „jedoch nur, wenn sie daran glaubt, sie würde nicht zögern und erzählen, dass du dir Sachen einbildest“
Ich sah ihn fassungslos an.
„Das ist bei jedem Menschen so, der keinen Schutzgeist hat. Das liegt nicht an der Persönlichkeit deiner Schwester oder deiner Mutter“
„Hm...“, seufzte ich, „Du Arcon, es kam in den Nachrichten einiges über Hochwasser und so aber von weiteren Flutwellen war keine Rede“
„Soviel ich weiß, können in der Katastrophenzeit nur an wenigen Stellen so viele Dans des gleichen Elements aktiv werden, um so derartig starke Katastrophen zu verursachen. Und glaub mir, wenn ich dir Sache, dass diese ... Tsunami keines natürlichen Ursprungs war. Boa, hier stinkt's!“, warf er leise ein.
„Was?“, fragte ich lachend.
„Dieser Geruch gefällt mir nicht, nimm dich in Acht“
Er lächelte mir zu, nickte Richtung Zimmertüre, neben der ich saß und verbleichte rasch, bis er verschwand. Ein weiteres Klopfen an unserer Apartmenttür ertönte. Meine Mutter machte auf und ich lugte um die Zimmerecke, um zu sehen wer an der Tür war. Eine Frau, die einen halben Kopf größer war als meine Mutter, mit langen grellblonden Haaren und pinken Nagellack trat hochnäsig ein und stellte sich auf deutsch mit einem leicht italienischen Akzent vor: „Hallo, ich bin Seniorita Benette, ich bin Reporterin, und das ist mein Kollege und Kameramann Senior Kuschluck.“
Sie zeigte beiläufig winkend auf einen Mann hinter ihr, der einen Kopf größer war als sie selbst, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Er hatte lange braune Haare mit blonden Spitzen, er nickte um uns zu begrüßen.
„Wir sind vom Sender RAI 2“, fing Seniorita Benette an, „und haben gehört, dass sie gestern unmittelbar vor dem Tsunami standen, ist das richtig?“
Sie sah meinen Kopf, lief an meiner Mutter vorbei und streckte mir die Hand entgegen: „Hallo und du musst einer der glücklichen Menschen sein, die wirklich nur ein paar Meter vor dem Tsunami standen und dennoch allem Übel entrinnen konnten, oder?“
Ich nickte ein wenig schüchtern, als ich ihr meine Hand zur Begrüßung reichen wollte. Da zog sie ihre Hand schon wieder zurück und schritt mit kurzen raschen Schritten zurück, als plötzlich meine Mutter völlig entrüstet rief: „Was fällt ihnen eigentlich ein, einfach hier rein zu platzen? Sie hätten wenigstens fragen können!“
Mittlerweile war auch der Rest meiner Familie in den Flur gekommen.
„Oh, bitte entschuldigen sie, dürfen wir ihnen und besonders ihrer Tochter ein paar Fragen stellen?“, fragte die Reporterin unschuldig.
„Und woher wissen sie eigentlich, dass genau unsere Tia dort stand? Und wo wir hier wohnen?“, erwiderte mein Vater leicht sauer.
„Wir haben eben unsere Informationsquellen“, quiekte die Reporterin zickig ohne zu realisieren von wem die Gegenfrage kam, „Das Publikum will junge Zeugen haben, die alles hautnah erleben!“
„Damit sie am Ende noch ein Schock-Trauma haben?“, hackte meine Schwester nach und fügte nur für mich hörbar hinzu, „wegen diesem widerlichen Parfüm…“
Ich nahm mich zusammen, um nicht zu lachen und merkte, dass diese Frau meiner Familie genauso unsympathisch war wie mir.
„Ist ja gut, es sind nur ein paar gaaanz kleine Fragen!“, quiekte Seniorita Benette während sie ungeduldig ihre grell-blonden Haare um ihren Zeigefinger wickelte und verdrehte dabei ihre stechend blauen Augen wie ein pubertierendes Mädchen.
Meine Mutter schaute mich an, als ob sie mich fragen würde, ob ich damit einverstanden sei. Ich zuckte mit den Achseln und noch bevor ich eine Antwort geben konnte, rief Seniorita Benette künstlich erfreut: „Wusste ich’s doch, perfekt, vielen Dank! Das ist ja prima, ähm… wie ist dein Name?“
„Tia...“, begann ich genervt, während ich aufstand doch wurde sofort wieder unterbrochen:
„Ah, ok, Tia, ein wunderschöner Name!“, sie zückte ihr Mikrofon.
Anscheinend bemerkte Seniorita Benette erst jetzt meinen Vater. Sie nickte ihm kurz zu, als Begrüßung, wandte sich jedoch gleich wieder mir zu.
„Gut, lasst uns anfangen!“, kläffte sie dominant.
Senior Kuschluck kam näher, Seniorita Benette stellte sich vor die Kamera, sagte mit ihrer hohen schrecklichen Stimme: „Das ist nicht live, also keine Aufregung!“
Arcon stand wieder neben mir, ich flüsterte ihm zu: „Kannst du nicht die Kamera kaputt machen? Ich hab darauf keine Lust!“
Arcon meinte: „Würd ich gerne machen, aber ich darf nicht, tut mir Leid, da musst du jetzt durch“
„Bereit?“, fragte Senior Kuschluck.
Ich zupfte meinen langen Pony und meinen Seitenscheitel zurecht und nickte dann gleichgültig.
In diesem Moment wollte ich die Sache nur schnell hinter mich bringen. Mein >nicht nein sagen können




Impressum

Texte: Charaktere und Ideen sind fiktiv und von mir erstellt.
Tag der Veröffentlichung: 02.07.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für: Eltern und Geschwister und meine 3 besten Freunde, weil sie immer für mich da sind, mich unterstützen, akzeptieren und sind, wer sie sind. Wölfe, weil sie wunderbare Geschöpfe sind.

Nächste Seite
Seite 1 /