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Prolog

 



„Das kann doch nicht dein Ernst sein?“ Oder etwa doch, dachte ich. Verzweifelt sah ich ihn an. Sein Gesicht ließ keine Gefühlsregung zu, wenn ich doch wenigstens nur für einen kurzen Augenblick seine Gedanken lesen könnte.
Ich sah auf in das schönste Gesicht, dass ich auf der Welt je gesehen hatte. Ich war wütend, dass er so etwas von mir verlangte. Wie konnte er nur? Wie könnte ich all das Geschehene einfach so vergessen? Unmöglich. Ich hatte vieles Verloren. Sehr vieles. Alles was ich in der kurzen Zeit erlebt und gewonnen hatte, sollte nun wieder aus meinem Leben verschwinden.
Wenn ich doch nur die Zeit einfach zurückdrehen könnte, dann wäre das alles wahrscheinlich nie geschehen. Ich würde immer noch gelangweilt mein Studium weiterführen, würde mich mit meinen Freunden treffen mit ihnen lachen und Spaß haben. Mich immer noch einsam fühlen, weil ich nicht im Stande dazu war, wahre Gefühle für jemand anderen aufzubauen und jede Nacht mich danach sehnen, in den Armen desjenigen zu liegen, dem ich mehr als jeden anderen vertraute.
Doch es war nicht möglich, ich würde in naher Zukunft noch mehr als früher ein Loch in meinem Leben spüren. Tag für Tag würde ich nicht wissen, wonach ich mich wirklich verzehrte und dennoch…
Dennoch wollte er mir das antun.
Ich sah wie er seine Hand hob und merkte wie es schwarz vor meinen Augen wurde. Kurz bevor ich meine Augen gänzlich schloss und in die sengende Schwärze hinabfiel hörte ich noch ein leises: „Es ist nur zu deinem Besten.“




„Hab ich es doch gewusst!“, schrie mir meine beste Freundin Amy entgegen. Ich blickte mich peinlich berührt um, musste sie denn immer so schreien? Mein Gott, was sollen die Leute denn von uns denken?
Sie merkte meinen bösen Blick, dass sie gefälligst ihre Stimme senken sollte, sonst würde ich ihr wieder ihren nervigen Stalker Simon hinter hetzen. Das half immer. Sie beugte sich daher leicht nach vorne, wobei sie vorsichtig darauf achtete nicht ihren heißgeliebten Karamell Latte Machiatto zu verschütten.
„Jane“, flüsterte sie schon fast über den Tisch in der Cafeteria. „Es kann doch nicht angehen, dass du jeden süßen Typen, den ich für dich aussuche, einfach in den Wind schießt. Hallo du bist 20 Jahre und solltest mal deine weiblichen Jagdinstinkte wecken und nicht als alte Jungfer enden so wie meine Tante Jane, die…“
„Ja ich weiß“, unterbrach ich sie, „die mit 30 Jahren nach Südafrika ausgewandert ist, um dort Nonne zu werden.“
Ich verdrehte die Augen. „Amy, du solltest doch am besten wissen, dass ich nicht im geringsten so prüde wie deine Tante.“
„Ha“, lachte sie auf. „Zwar bist du nicht so prüde, aber wenn du so weiter machst wie bisher, dann wirst du nie einen gescheiten Fick bekommen. Ich sag dir du verpasst das Beste in deiner Jugend. Geilen, schweißtreibenden und ungezügelten Sex.“ Sie schwärmte regelrecht und ich konnte mir schon vorstellen, dass sie an einen ihrer vergänglichen nächtlichen Eskapaden dachte.
Ich stöhnte. Ich wusste ja, dass sie Recht hatte. Ich nahm einen Schluck von meinem eigenen Karamell Latte Machiatto und wartete darauf, dass sie aus ihren Schwärmereien wieder erwachte.
„Amy, wenn du mir nicht ständig mit solchen Chaoten ankommen würdest, die mir die Ohren voll labern, dann vielleicht..“
„Dann vielleicht was?“, wollte sie wissen. „Hättest du dir schon längst den nächstbesten rolligen Typen gekrallt und mit ihm eine Nacht verbracht?“
Ungläubig sah sie mich an.
Ich stöhnte wieder. „Was kann ich denn dafür, wenn mich nie ein Typ anspricht? Egal ob ich mit dir oder meiner Schwester in den Klub feiern gehe, kommen keine Typen zu mir an. Weißt du wie mir das auf die Eierstöcke geht?“
Oh oh ich merkte, wie mich ein paar Leute von den benachbarten Tische anstarrten, da hatte ich wohl dieses Mal die Stimme etwas mehr erhoben.
„Jane hast du schon einmal daran gedacht, dass du einen „Verpiss-dich-Arschloch-Blick“ jeden Typen zuwirfst, der auch nur Ansatzweise in deine Richtung sieht.“
„Das ist doch gar nicht wahr“, verteidigte ich mich empört. „Mich blicken immer nur so alte Knacker an.“ Ich schüttelte mich innerlich. „Du weißt, dass ich es überhaupt nicht abhaben kann, auch nur von denen begutachtet zu werden, geschweige denn angegrapscht zu werden. Ich versuche nur, sie mir so weit wie möglich vom Leib zu halten.“
„Ach Süße du bist so naiv, dass es fast schon wieder schnuckelig ist“, lächelte sie. „Ist dir noch nie aufgefallen, dass wenn du eine Sekunde nicht hinsiehst, dir ein Kerl nur so hinterher gafft?“
„Und warum bitte spricht mich dann nie jemand an?“ Ich musste daran denken, wie ich stets mit meiner älteren Schwester tanzen gegangen war und sie alle fünf Minuten von einem Typen angequatscht wurde und ich alleine, vollkommen hilflos und unwohl, mich irgendwie versuchte zu beschäftigen. Sie hatte so was von Honig am Arsch kleben, dass ihr jederzeit eine Hand voll Kerle hinterher hechelten. Auch mit Amy oder meinen anderen Freundinnen war es nicht anders. Ich war immer diejenige, die nicht eine einzige Nummer von einem Typen an einem Abend bekam. Von einem Typen auf einer Party angesprochen zu werden, würde wahrscheinlich erst geschehen, wenn die Welt kurz vorm untergehen war.
Ich war ja nicht so hässlich wie eine alte Gans oder hatte überall Pickel in meinem Gesicht kleben. Ich war eben nur ein durchschnittliches Mädchen mit Sommersprossen auf der Nase, dunkelblondem gesträhnten Haar und einer normalen Figur. Selbst meine 80C großen Titten schienen keinen des männlichen Geschlechts zu gefallen. Manchmal glaubte ich, dass ein Fluch auf mir lastete. Ich musste zugeben, ich habe viele Männer in meinem Freundeskreis, allerdings empfand ich nicht im Geringsten etwas für sie. Zwar sah der eine oder andere nicht schlecht aus, aber sie sprachen mich alle nicht von ihrem Aussehen oder gar von ihrem Charakter an.
„Ich glaube, du bräuchtest mal einen Typen, der dir zeigt, was du für eine Wirkung auf andere hast. So einen richtig heißen knackigen Typen, der dich schon mit seinem Blick erröten lässt und dir das Blut in den Adern gefrieren lässt.“
„Als wenn es solche Typen geben würde“, gab ich ungläubig zurück.
Amy überlegte kurz und stützte ihren Kopf auf ihrer Hand ab.
„Also wenn ich Recht überlege, hatte ich da mal was mit so einem Typen. Mann war der heiß und der Sex erst.“ Sie biss sich auf ihre Unterlippe. „Also wenn ich den noch einmal in die Finger bekommen würde, dann würde ich den nicht mehr so schnell aus meinem Bett gehen lassen“, lachte sie dreckig.
„Du bist ja mal so was von nicht sexbesessen oder so?“, lachte ich.
„Ach quatsch ich doch nicht“, zwinkerte sie mir zurück und wir beide fingen an zu Lachen.

Zwei Stunden später saßen wir, im Gegensatz zu unserer kurzen Mittagspause, missmutig in unserer Marketingvorlesung. Normalerweise fand ich das Fach interessant, aber heute… Heute war es einfach nur unsagbar langweilig und zum Einschlafen. Ich kritzelte schon seit Anfang der Stunde auf meinem Collegeblock herum. Eine alte Angewohnheit von mir, wenn ich Langeweile hatte. Amy hörte auch nur mit einem Ohr dem Dozenten zu. Sie war eindeutig nicht der Mensch, der stundenlang jemanden zuhören konnte. Sie musste ständig in Bewegung sein und hielt es meist nur für einige Minuten still auf ihrem Stuhl aus.

Ich hatte die Vermutung, dass es mit ihrem Elternhaus zusammen hing. Obwohl ich Amys Familie nicht direkt kannte und sie das Thema immer mied, wenn ich es auch nur im Geringsten erwähnte, wusste ich, dass sie als kleines Kind viel herumreisen musste. Ihre Eltern hielten es nicht länger als ein halbes Jahr an einem Ort aus. Erst als Amy 18 wurde, konnte sie dem ganzen entfliehen und lebte von da an alleine.

Soweit ich vermute, hatte sie seitdem auch keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie. Irgendwas musst vorgefallen sein, darüber war ich mir sicher. Allerdings wusste ich, dass ich Amy nicht, danach fragen durfte. Irgendwann würde sie mir ihre Geschichte von sich aus erzählen.

 

Ich merkte wie mich Amy von der Seite anstuppste. Verwirrt blickte ich sie an und merkte, dass die Stunde bereits zu Ende war. Die anderen um uns herum waren schon dabei aus dem Raum zu gehen.  Verblüfft schaute ich auf meine Uhr und bemerkte, dass der Lehrer uns fünfzehn Minuten eher erlöst hatte.

Wir packten unsere Sachen zusammen und machten uns auf dem Weg.


„Miss Jones kommen sie bitte einmal kurz zu mir“, hielt mich Mr. Franklin auf, ehe ich mit Amy aus der Tür verschwinden konnte.
Ich ließ Amy wissen, dass sie nicht auf mich warten brauchte und schon nach Hause gehen konnte und schritt in Richtung Pult.
„Ja Mr. Franklin?“, blieb ich verwirrt vor ihm zu stehen. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was er von mir wollte.
„Miss Jones mir ist zu Ohren gekommen, dass sie hier in der Eerbacherstraße wohnen.“
„Ähm ja das ist richtig“, antwortete ich ihm unsicher. Was wollte er von mir?
„Sehr gut. Ein sehr guter Bekannter von mir ist vor kurzem in die Straße gezogen und sucht jemanden, der ihm die Stadt etwas zeigt und ihn herumführt.“
Verdutzt sah ich meinen Dozenten an. Ich sollte einem Bekannten von ihm die Stadt zeigen? Konnte er es denn nicht selber machen?
„A…also“, stotterte ich vollkommen perplex.
„Sie fragen sich wahrscheinlich warum ich denjenigen nicht selber die Stadt zeige, nicht wahr?“ Ich nickte. „Also es ist so, ich bin leider über das Wochenende verhindert und mein Freund hatte aber unbedingt darauf bestanden an diesem Wochenende die Stadt unsicher zu machen. Ich hatte ihm schon fest zugesagt, als mir etwas Persönliches dazwischen gekommen ist. Zufälligerweise hatte ich vor einiger Zeit aus einem Gespräch mitbekommen, dass sie dort wohnen. Hätte sie Interesse beziehungsweise Zeit meinem Freund Gesellschaft zu leisten?“
Ich starrte ihn immer noch ungläubig an und musste schlucken. Ich sollte wirklich einen Freund von ihm behilflich sein?
Ich hörte ein Räuspern und blickte erschrocken in die fragenden Augen von Mr. Franklin.
Oh. Ach ja er wartete auf meine Antwort. „Meinetwegen.“
„Das ist ja fabelhaft“, antwortete Mr. Franklin freudestrahlend. „Mein Freund wird sich sicher freuen.“ Er griff in seine Tasche und holte einen Zettel und einen Stift heraus. Schnell kritzelte er eine Nummer darauf und reichte ihn mir.
„Am besten gibst du mir auch deine Nummer, falls er dich erreichen möchte.“
„Okay“, meinte ich einverstanden und schrieb ebenfalls meine Handynummer auf ein Blatt Papier.
„Ich danke dir, Jane“, bedankte er sich bevor ich in Richtung Tür ging.
„Gern geschehen.“ Ehe ich jedoch den Raum gänzlich verließ, blieb ich noch einmal stehen. „Mr. Franklin?“
„Ach du kannst mich auch Dwayne nennen.“
„Wieso haben sie mich gefragt? Wieso haben sie nicht jemanden anderen aus ihren Klassen gefragt?“, wollte ich neugierig wissen.
Sein Blick wurde weich. „Weil ich so ein Gefühl hatte, dass du genau die Richtige für diesen Job bist.“


Wer hätte das gedacht, dass ich am Wochenende einen Freund von meinem Lehrer helfen würde, sich hier in der Stadt einzuleben. Ich lachte innerlich.
Wie wohl der Bekannte von Mr. Franklin -ach nein ich soll ihn ja Dwayne nennen- war? Dwayne, es klang irgendwie komisch seinen Dozenten beim Vornamen zu nennen...

Er ist ja eigentlich recht jung und nett. Er war etwa 1,85m groß, hatte blonde mittellange Haare und eine sportliche Figur. Ich schätze er war Anfang dreißig, älter nicht. Aber ehrlich gesagt, war ich noch nie gut im Alter schätzen.
Wie sein Freundeskreis aussah konnte ich ja nur erahnen, also musste ich mich noch etwas gedulden.

Jane, bist du doof?! Warum zerbrichst du dir darüber den Kopf. Warum sollten dich die Freunde deines Dozenten interessieren?  Kopfschüttelnd zog ich meinen Haustürschlüssel aus meiner beigen Lieblingstasche.


Ich trat durch die Eingangstür und schritt die Treppe hoch bis zu meiner Wohnung im dritten und allerletzten Stockwerk. Nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, schmiss ich meine Tasche auf die Couch im Wohnzimmer. Meine Schuhe stellte ich ins Schuhregal neben meinem Jackenständer im kleinen Flur.
Mann war das schön wieder zu Hause im eigenen Heim zu sein. Erst jetzt bemerkte ich wie hungrig ich war. Und ein Blick in meinen Kühlschrank verriet mir, was ich gestern vergessen hatte zu machen. Damn! Warum vergaß ich auch immer meinen Kühlschrank wiederaufzufüllen, wenn er leer war?
Ich wollte auch nicht schon wieder beim Chinesen bestellen, also musste ich Wohl oder Übel noch einkaufen gehen. So ein Mist aber auch und mein Magen lag mir bereits in den Kniekehlen.

Schlechtgelaunt schnappte ich mir mein Portmonee und meine Schlüssel und zog mir die schwarzen Chucks von eben wieder an.

Nachdem ich die nötigsten Sachen in dem Supermarkt gleich um die Ecke gekauft und in meiner Küche ordentlich verstaut hatte, machte ich mich daran Wasser aufzusetzen. Heute würde es wohl wieder Nudeln mit Zucchini, Möhren, Pilzen und meiner Spezialsoße geben. Eigentlich gab es das ja fast immer. Ich wartete bis das Wasser anfing zu kochen und schüttete die Nudeln in den Topf. Nebenbei stelle ich eine weitere Pfanne mit Wasser auf den Herd und schütte meine Tomaten- Mozzarella Soße hinein. Danach schnippelte ich das Gemüse und die Pilze klein und gab sie in die mittlerweile kochende Soße. Kurze Zeit später waren die Nudeln auch schon fertig und ich kippte sie mit in die Pfanne, gab meine Spezialgewürzmischung hinzu und verrührte alles noch einmal. Das fertige Gericht richtete ich in einer kleinen Schüssel an und setzte mich mit ihr an den Wohnzimmertisch. Ich hoffte, dass was Gutes im Fernsehen lief.

Da leider nichts Interessantes im Fernsehprogramm lief, schnappte ich mir meinen Laptop und überprüfte meine Emails. Mal wieder eine Nachricht von meiner Schwester. Sie wollte sich mit mir treffen. Ihr schien es egal zu sein, ob ich wollte oder nicht. Sie drohte sogar mit einem Überraschungsbesuch, wenn ich ihr nicht so langsam zurückschreiben würde. Auch das noch, wenn ich nicht schon wegen der Uni genug um die Ohren hätte. Ich tippte ihr eine kurze Nachricht, dass es mir gut ging und sie mich nicht Besuchen kommen musste, da ich zurzeit unter großem Stress stand. Was eigentlich nur teils wahr war. Ich wollte mich mit ihr nicht treffen. Jedes Mal wenn ich sie sah, erinnerte sie mich wieder an die Dinge, die ich nicht hatte. Das Aussehen, die Figur, das Charisma. Und egal, ob ich vorher einen guten Tag gehabt hatte, loderte in mir eine Wut auf, die ich nicht mehr bändigen konnte. Mit meiner Email hoffte ich, dass sie mich erst mal eine Zeit lang in Ruhe ließ.
Auf dem Weg in die Küche, um meine leere Schüssel in das Waschbecken zu stellen, klingelte es plötzlich an meiner Haustür.



Und noch einmal klingelte es. Wer konnte was nur sein? Ich drückte die Freisprechanlage.
„Jane du musst mir helfen“, hörte ich die energische Stimme meiner Freundin. „Er…er verfolgt mich schon wieder bitte lass…“ bevor sie weitersprechen konnte, betätigte ich den Türknopf und gewahr Amy Einlass in das Treppenhaus. Wenige Sekunden später klopfte sie auch schon an meine Wohnungstür.

„Gott sei Dank, dass ich dich habe, Jane“, kam sie außer Atem in meine Wohnung.
„Was ist passiert? Was hat Simon schon wieder angestellt?“
Besorgt sah ich sie an, während sie gehetzt aus dem Fenster auf die Straße starrte.

„Simon…Er hat mir auf meiner Veranda aufgelauert und versucht mich gewaltsam zu küssen, dann habe ich ihm eine geknallt.“ Sie sah zu Boden. Ich konnte eindeutig eine Gänsehaut auf ihren Armen sehen.
„Danach ist er völlig ausgerastet, hat mir sogar gedroht. So schnell ich konnte bin ich zu meinem Auto gerannt und zu dir gekommen.“

 

„Diesen Typen, wenn ich ihn in die Finger bekomme, dann reiße ich ihm die Eingeweide aus“, schwor ich meiner besten Freundin. „Ist er da draußen?“
„Ja er steht unter der Straßenlaterne auf der gegenüberliegenden Straßenseite.“ Wütend schnappte ich mir meine Jacke und meine Haustürschlüssel. Das konnte ich mir doch nicht länger mit ansehen.

„Was hast du vor?!“ Geschockt sah mich Amy an.
„Ich werde ihm jetzt gewaltig in den Arsch versohlen. Meine beste Freundin soll nicht länger von so einem Psychopathen verfolgt werden!“
Bevor Amy auch nur daran dachte mich aufzuhalten, raste ich hinaus, die Treppen hinunter und stampfte zornig auf Simon zu. Der sah mich nur an und bekam ein Grinsen auf seinem Gesicht.

„Na meine Schöne, hast du mir nicht meine geliebte Amy mitgebracht?“ Angeekelt blickte ich ihn an, diese ekligen fettigen Haare fielen in sein Gesicht und er versuchte sie mit seiner rechten Hand wieder zu richten. Als wenn man da noch was richten könnte.
„Nein! Natürlich nicht du verdammtes Riesenarschloch!“, schrie ich zornig. Ich schritt näher auf ihn zu, er wich allerdings nicht aus, sondern bleibt locker auf seinem Platz stehen.

„Ach du weißt doch wie sie ist, eine kleine Kratzbürste, die darauf steht, wenn man etwas fester zupackt.“

„Du“, ich stich ihm mit meinem Zeigefinger auf die Brust, „wenn ich dich noch einmal auch nur 30m entfernt von Amy stehen sehe, hole ich die Pistole aus meinem Schrank und schieße dir deine Eier ab!“

Er lachte mich zuckersüß an. „Jane, Jane, Jane. Kein Grund zur Sorge. Amy und ich sind doch glücklich zusammen. Es war nur ein kleiner Streit zwischen frisch verliebten.“ Ich glaubte, ich hörte nicht richtig. Gerade wollte ich ihm eine saftige Ohrfeige verpassen, kam Susan angerannt.

„Simon hör auf. Lass mich doch endlich in Ruhe und verschwinde aus meinem Leben. Wir waren nie zusammen und werden es auch niemals sein. Hast du verstanden?“

Bedrückt und zugleich empört blickte Simon Amy an. „Aber Schatz wie kannst du so etwas sagen? Wir sind doch wie füreinander geschaffen. Du bist meine besser Hälfte.“

„Nein!“, schrie Amy. „Was hast du an den Worten LASS MICH IN FRIEDEN nicht verstanden?!“
„Amy du willst doch nicht, dass ich wieder böse werde?“, gab Simon gepresst von sich. Er starrte Amy an und sein Gesicht verfinsterte sich von Mal zu Mal.

„Simon lass sie in Ruhe! Du bist nicht ihr Typ. Wie oft willst du es noch hören?“, fauchte ich ihn an. Als er einen Schritt auf Amy gehen wollte, versperrte ich ihm den Weg.

„Halt dich da raus. Du hast hier nichts zu suchen.“
„Oh doch. Du belästigst schließlich meine beste Freundin!“ Er versuchte an mir vorbeizukommen, aber ich blieb hartnäckig.

„Simon hau ab“, sagte ich nachdrücklich und schubste ihn leicht zurück.

„Du kleines Miststück“, zischte er. „Du stehst Amy und meinem Glück nur im Weg. Setzt du ihr etwa Flausen in den Kopf, dass ich nicht gut genug für sie bin?“
Genervt sah ich ihn an. Der Typ hatte echt nicht mehr alle Tassen im Schrank. Seine Miene verfinsterte sich stetig immer mehr. Etwas Glänzendes blitzte in seiner rechten Hand auf. Oh, oh. Musste der Kerl soweit gehen? Na dann musste ich wohl meine Selbstverteidigungskünste einsetzen, ein Glück ging ich regelmäßig zum Thai-Boxen. Schnell wirbelte ich herum und tritt ihm mit voller Wucht in den Magen. Überrascht krümmte er sich zusammen und ließ das gezogene Messer fallen.

„Amy ich glaubte, du solltest lieber mehr Abstand nehmen, dass könnte ungemütlich für dich werden“, riet ich meiner Freundin. Susan wich zurück.
Ich grinste schelmisch. Das geschah ihm recht. Zwar war ich eine Frau, wusste mich aber dennoch zu währen.

„Simon gib endlich auf. Verschwinde nach Hause zu deiner Mama.“ Angewidert und gehässig spuckte er vor meine Füße.

„Verpiss dich doch selber. Amy ist mein. Niemand darf jemals zwischen uns stehen. Das Beste wäre du würdest von der Bildfläche verschwinden.“

Bei diesen Worten richtete er sich auf, fasste mir in an mein Handgelenk und versuchte mich in den Schwitzkasten zu nehmen. Reflexartig schlug ich meinen Ellenbogen in seine Eier, er dachte aber nicht darüber nach, trotz Schmerzen, zurück zu weichen. Erst als ich ihn packte und ihn Kopfüber auf den Boden warf, kauerte er wieder auf den Boden. Ich sah mich schnell nach Susan um, wünschte sie in Sicherheit. Ich sah sie nicht, also musste sie irgendwo Hilfe holen.
Auf einmalmerkte ich einen heftigen Ruck an meinem rechten Fußgelenk. Ohne es gemerkt zu haben, hatte Simon mein Fußgelenk umfasst und ich fiel auf den harten Asphalt. Ich fühlte eine warme Flüssigkeit meine Stirn hinunter fließen. Ehe ich überhaupt reagieren konnte, setzte er sich auf mich und hielt mir das Messer an den Hals. Ich konnte die scharfe Klinge auf meiner Haut spüren.

„Und wirst du endlich zugeben, dass Susan und ich füreinander bestimmt sind?“, flüstert er mir ins Ohr.
Oh Gott, der Typ hatte vielleicht einen Mundgeruch. Er roch nach verfaulten Eiern und Fisch. Abgestoßen blickte ich in sein Gesicht. Schweiß tropfte an seinen Schläfen hinunter.

„Pah. Als wenn mich deine bisherige Vorstellung auch nur Ansatzweise beeindrucken würde.“
Meine Antwort passte ihm nicht. Er drückte mich noch mehr auf den Boden. Seine Augen engten sich zu kleinen Schlitzen zusammen. „Willst du etwa, dass ich soweit gehe und dir dein schönes Gesicht zerschneide?“

„Glaube mir, dann würde dich Amy noch eher in die ewige Hölle schicken, du Wurm.“ Jetzt war es nicht er, der mich wieder anspuckte, sondern ich zielte auf seine hässlich, bleiche Grimasse. Als Antwort bekam ich einen harten Faustschlag in mein Gesicht. Ich steckte es locker weg und lächelte ihn kühl an. Für eine Sekunde war er verwirrt, ich nutzte die Gelegenheit und wirbelte uns herum. Nun lag er unter mir. Ich stieg von ihm herunter. Sein Messer lag mittlerweile einige Meter von uns entfernt.

„Gib es endlich auf Simon“, ich kehrte ihm den Rücken zu, „du hast verloren.“
Ich entfernte mich von ihm in der Hoffnung, er würde endlich Ruhe geben. Falsch gedacht.
Mit all seiner Kraft stemmte er sich auf und rannte wutentbrannt auf mich zu. „Niemals!“
Geschockt von seinem Aufschrei drehte ich mich zu ihm um. Etwas zu langsam, denn er sprang mit erhobener Faust auf mich zu.



„Jetzt war es um mich geschehen“, dachte ich. Ich kniff meine Augen zusammen und versuchte in Schutzhaltung zu gehen. Und der Schlag…traf mich nicht. Hatte er mich etwa verfehlt? So blöd konnte er doch nicht sein.

„Alles in Ordnung mit dir?“, fragte mich eine tiefe unbekannte tiefe Stimme.
Ich öffnete meine Augen. Vor mir stand ein großer Mann, ich konnte nur Umrisse von seiner Gestalt sehen. weil Blut mein Gesichtsfeld einschränkte. Was war mit Simon geschehen? Ich blickte mich um und entdeckte einen am Boden erschlafften Körper. Simon lag mittlerweile K.O. auf dem Boden und bewegte sich nicht.

„Ähm ich denke schon“, antwortete ich verblüfft. „Was ist passiert? Er war doch direkt vor mir und wollte mir seine Faust ins Gesicht schlagen.“ Früher hatte ich es nicht bemerkt, doch jetzt spürte ich die Nachwehen des Kampfes. Ich merkte wie mein Puls raste und mein Atem stockte. Meine linke Schläfe pochte und auch an meinem Hals machte sich ein Ziehen bemerkbar.

„Keine Sorge. Ich konnte ihn noch rechtzeitig aufhalten“, beruhigte mich der Fremde.
Noch völlig perplex von dem Geschehen, blieb ich stumm. Gerade als ich mich wieder gefangen hatte und mich dankend zu ihm umdrehen wollte, hörte ich auch schon Amy schweren Schrittes und eine andere Person auf mich zu rennen.

„Jane  ist alles in Ordnung. Wo ist dieses Dreckschwein, hast du ihn fertig gemacht?“ Sie stockte als sie näher kommt und ihren nervigen Stalker bewusstlos auf dem Boden liegen sah. Ein Überraschtes „oh“ brachte sie heraus, dann sah sie mich an.

Ihre Augen weiteten sich als sie das Blut sah, welches meine Schläfe herunterfloss. „Jane was hat er dir bloß angetan?“, stürzte sie die letzten Meter auf mich zu.
Sie strich mir mein Haar aus dem Gesicht, um die Wunde genauer unter die Lupe zu nehmen. Amy zog scharf die Luft ein. „Ach Amy macht dir keine Sorge, es tut ja nicht einmal weh“, beruhigte ich meine Freundin. Die Person, die mit ihr gekommen war, anscheinend ein Polizist, packte sich währenddessen Simon und legte ihm vorsichtshalber Handschellen an.

„Alles in Ordnung Ma'am?“, erkundigte er sich. „Sie haben den Typen hier drüben ziemlich eine verpasst. Er scheint völlig daneben zu sein.“

„Danke, aber ich hatte Hilfe mir hat der Mann hier geholfen“, und zeigte auf den Fremden neben mir.
„Jane wen meinst du? Da ist doch niemand.“
„Aber… aber er war eben noch hier.“

„Jetzt scheint er wohl nicht mehr da zu sein, seien Sie froh, dass er rechtzeitig da war, um ihnen beiseite zu stehen. Wer weiß wie es sonst ausgegangen wäre.“

Der Polizist hatte Simon mittlerweile in eine Sitzposition gebracht und holte sein Handy aus seiner Hosentasche.

„Ja hier Michael. Ich hab hier einen Mann Mitte zwanzig. Er ist bewusstlos und benötigt einen Krankenwagen. Ja…Ja genau der Stalker. Die Adresse hast du noch? Ja ich verstehe. Danke George.“ Er packte das Handy wieder weg und drehte sich zu uns um. „Gleich kommt ein Krankenwagen und wird ihn abholen. Natürlich wird er des Weiteren erst einmal unter Gewahrsam stehen. Ich bitte sie mit mir aufs Revier zu kommen, damit ich eure Aussage notieren kann. Es wäre das Beste direkt eine Anzeige gegen ihn zu erstatten, damit sie in Zukunft Ruhe vor ihn haben werden.“

„Selbstverständlich“, antwortete Amy.
„Ma'am möchten Sie auch direkt zum Krankenhaus fahren und ihre Wunde untersuchen lassen oder ist alles in Ordnung mit ihnen?“, wendete er sich an mich.
Ich tastete meine Wunde am Kopf vorsichtig ab. Ein leichtes Ziehen durchfuhr mich, empfand es aber nicht als eine sehr schlimme Verletzung. „Nein ich denke es reicht, wenn ich mir das Blut wegwische und es kurz desinfiziere“, gab ich ihm zu verstehen.

„Gut.“
Zwei Minuten später erschien auch schon der Krankenwagen und Simon wurde auf eine Bahre gehievt. Einer der Rettungsassistenten desinfizierte meine Wunde, trotz meiner Einwende und klebte vorsichtshalber ein Pflaster auf die Wunde. „Es scheint, als müsste ihre Wunde nicht genäht werden. Sollten Sie aber in den nächsten Tagen Kopfschmerzen oder andere Begleiterscheinungen bekommen, wenden Sie sich bitte an einen Arzt.“

Ich nickte. Ein weiterer Polizist erschien mit einem Polizeiauto. Er stieg aus und unterhielt sich kurz mit dem anderen Polizisten, der mit dem Namen Michael. Beide blickten in unsere Richtung und der andere Polizist nickte, als Michael ihm anscheinend einen Befehl zu erteilte. Daraufhin überreichte dieser Michael seine Autoschlüssel und stieg mit in den Krankenwagen. Michael winkte uns zu sich. „Wollt ihr beide bei mir im Wagen mitfahren oder fahrt ihr mir hinterher zum Revier?“
Amy und ich sahen uns an. „Also ich bin mit meinem Auto da, aber ich hätte ehrlich gesagt nichts dagegen, einmal in meinem Leben mit einem Polizeiwagen zu fahren“, gab Amy zu. Ich lachte. Typisch Amy. Ein Glück war sie wieder die Alte. Es passte einfach nicht zu ihr, die starke, direkte und streitlustige Amy schwach und verängstigt zu sehen.

„Ich hätte auch nichts dagegen einzuwenden, bei Ihnen im Wagen mitzufahren.“ Der Polizist nickte und wir folgten ihm zum Auto. Als ich im Inneren auf der Rückbank saß, kam ich mir fast wie ein echter Schwerverbrecher vor. Wann saß man schon in einem Polizeiwagen hinten auf der Rückbank, mit einem Gitter getrennt von dem Vordermann. Ich musste CSI Miami und all die anderen Krimiserien denken. Ich schmunzelte.

„Jetzt fehlt nur noch die heulende Polizeisirene“, murmelte ich vor mich hin. Amy bekam große Augen und drehte sich abrupt zu Michael um. Mit Kulleraugen versuchte sie ihn zu überreden, sie anzumachen. Michael lachte. „Nein Miss, so gerne Sie es auch gerne hören wollen, leider kann ich ihnen diesen Wunsch nicht erfüllen.“
Amy schnaubte enttäuscht und lehnte sich eingeschnappt zurück. „Och Menno.“ Sie verzog ihr Gesicht, wie

ein kleines Kind, das stundenlang nach einem Schokoeis gebettelt hatte und letztendlich, trotz aller Bemühungen, es nicht bekommen hatte. Ich musste lachen. Amy war und blieb einfach die Beste. Der Polizist musterte uns beide. „Euch beiden scheint es wohl wieder gut zu gehen, trotz der Tatsache, dass ihr von einem Psychopathen belästigt und angegriffen wurdet.“

Da musste ich ihm Recht geben. Ich hatte schon längst meine vorher gefühlte Wut und Angst vergessen. Es kam mir so vor, als wäre alles schon etliche Stunden vergangen. Ich schaute auf die Armaturenuhr des Autos. Es war nicht einmal eine Stunde seit dem Vorfall vergangen. Ich konnte mich noch genau daran erinnern, wie aufgewühlt Amy in meine Wohnung gestürmt kam. Ich hatte sie noch nie so verzweifelt gesehen, so machtlos. Sie war immer die Starke, der keiner was anhaben konnte. Sie konnte brutal ehrlich sein, nahm kein Blatt vor den Mund und wenn ihr was nicht passte oder sobald er sie zu sehr belästigte, scheute sich sogar nicht davor jemanden eine zu scheuern. Sie so verängstigt in meiner Wohnung zu sehen, musste schon was heißen. Ich hätte auch nie gedacht, dass Simon so weit gehen würde. Er war zwar immer sehr aufdringlich gewesen, hatte ihr auf Partys nachgestellt, ihr ab und an Blumen zugeschickt, aber er war vorher noch nie handgreiflich geworden. Es war klar, dass er mehr von Amy wollte, auch dass er nicht nachgab und es immer wieder versuchte, auch wenn Amy ihre Handynummer schon wegen ihm zweimal gewechselt hatte. Ich musste zugeben, Amy war schon ein Hingucker. Sie hatte eine große schlanke und sportliche Figur. Ihre langen schwarzen glatten Haare, ihr leicht brauner Teint und diese haselnussbraunen Augen, konnten jeden Typen um den Verstand bringen. Amy wusste ihren Körper und ihr Aussehen zu schätzen und wusste wie sie ihn einsetzen musste, um einen Typen um den Finger zu wickeln. Da konnte ich mehr als nur ein Bespiel nennen.

Bisher war aber noch keiner ihrer vielen Lovers und One-Night-Stands so weit gegangen und hatte sie in derartiger Weise belästigt. Der eine oder andere wurde zwar aufdringlich und wollte nicht einsehen, dass Susan nicht mehr als Spaß wollte, aber am Ende hatten sie es alle eingesehen.
Simon hatte es eindeutig zu weit getrieben. Wie konnte ich denn meiner Freundin einfach so einen Psychopathen überlassen? Ich musste eingreifen. Wenn ich nur an die ekligen fettigen Haare, sein aufgesetztes Lächeln und erst diesen widerlichen Mundgeruch dachte…Iiieh. Mich überkam ein Schauer. Ein Albtraum von Mann.

Ein Glück hatte mir der Fremde geholfen. Ich wollte nicht wissen, wie weit er sonst gegangen wäre. Ich hatte nicht einmal sein Gesicht gesehen. Jedoch hallte seine Stimme in meinem Kopf wieder. So tief, maskulin. Ja fast schon sexy. Aber vielleicht lag es auch an meinem erhöhten Adrenalinspiegel, dass ich es so wahrgenommen hatte.

„Jane“, rief Amy mich aus meinen Gedanken. „Wir sind da.“
Eine halbe Stunde später hatte Michael, unser zuständige Polizist, unsere Zeugenaussagen aufgenommen und Amy hatte zusätzliche die Anzeige gegen Simon erstattet. Michael hatte versichert, dass Simon in nächster Zeit unter Beobachtung stand. Er war zwar mittlerweile im Krankenhaus aufgewacht, aber blieb unter polizeilicher Beobachtung. Erleichtert und erschöpft fuhren Amy und ich zusammen zu mir nach Hause. Wir hatten es für richtig empfunden, die jetzige Nacht zusammen zu verbringen. Die Sicherheit nicht alleine zu sein nach den letzten Stunden, war für uns beide eine gute Idee.
An meiner Wohnung angekommen lagen wir auch schon nach fünf Minuten im Bett, wir waren beide müde und erschöpft und schliefen auch direkt ein.

Am nächsten Morgen schleppten Amy und ich uns schwerfällig aus dem Bett. Erst die erste Dosis Kaffee hob unsere Stimmung. Nach dem kleinen Hamsterfrühstück, Kaffee und Cornflakes mit Milch, fuhr Amy ohne mich in die Uni, da ich heute keinen planmäßigen Unterricht hatte. Nachdem wir uns verabschiedet hatten, räumte ich die Wohnung auf und brachte den Müll hinaus. Es war ein kühler Sommermorgen, dennoch zeigte der strahlendblaue, wolkenlose Himmel, dass sich die Temperaturen in den nächsten Stunden noch verbessern würden. Ich schmiss den Müll in den großen Müllcontainer vor dem Haus und stapfte zurück. Kurz bevor ich die Wohnungstür erreichte, bemerkte ich plötzlich auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Umzugswagen stehen. Männer mit blauen Arbeitsanzügen trugen unzählige Kisten in das große Hochhaus. Wer da wohl einziehen mag wieder so ein reicher Schnösel?

Das Haus war bekannt für seine Sicherheitsvorkehrungen und Anonymität. Wer dort wohnte hatte entweder etwas zu verbergen oder mochte es, von anderen ungestört zu leben. Abends sah man dort oft Autos mit schwarz getönten Scheiben halten.
Gerade als ich mich wieder abwenden wollte, bemerkte ich Mr. Franklin, ganz in schwarz gekleidet, aus dem Hochhaus kommen. Mit ernstem Blick begutachtete er die Arbeiter, bedacht darauf, keinen Fehler zu entdecken. Ich hörte wie er von jemanden gerufen wurde, woraufhin er sich umdrehte und sein Blick sich schlagartig erhellte. Er strahlte Richtung einem schwarzen Jaguar und war auch schon wenige Sekunden später in jene Richtung verschwunden. Ein großer, muskulöser Mann mit schwarzen Haaren stieg aus dem Wagen aus. Brüderlich umarmten sich die beiden. Der Fremde war ebenfalls fast schwarz gekleidet. Eine dunkle verwaschene Jeans und ein schwarzes Markenshirt zierten seinen überaus ansehnlichen Körper. Sie verstanden sich wohl ziemlich gut, denn kurze Zeit später waren sie in herzhaftes Gelächter verfallen. Nachdem Mr. Franklin, oder besser Dwayne, dem Fremden einen Zettel gereicht hatte, wurde sie allerdings wieder ernst. Der große schwarzhaarige musterte Dwayne verwirrt, schüttelte den Kopf und wollte den Zettel schon wieder zurückgeben, aber er hielt ihn davon ab. Dwayne machte ein trauriges Gesicht und entschuldigte sich für etwas. Er gestikulierte wild mit den Händen und schien ich ihm etwas zu erklären. Sein Freund seufzte und nickte letztendlich einstimmend. Okay, eigentlich gehörte es sich ja nicht, andere zu beobachten, aber was soll man machen, wenn man so neugierig ist wie ich. Ich lachte innerlich über mich selbst. Ehe ich mich umdrehen konnte, um nicht entdeckt zu werden, hob Dwayne seinen Kopf. Er blickte genau in meine Richtung. "Fuck, erwischt", dachte ich für einen kurzen Moment, aber dann wendete er sich wieder seinem Freund zu.

Ich  nutzte die Gelegenheit, um schnell wieder ins Haus zu kommen. Möglichst unbemerkt.

 

Die nächsten Tage verliefen eigentlich relativ normal ab. Kein Simon in Sicht, der einen verfolgte und mit einem Messer angriff und auch keine zufälligen Begegnungen auf der Straße. Alles lief ab wie eh und je. Es war Freitagabend und Amy und ich saßen in unserem Lieblingsklub an der Bar, genossen unseren Gin Tonic. Mit begierigem Blick ließ Amy ihren Blick über die Menge schweifen. Heute war besonders viel los, die Leute standen, saßen und tanzten engbeieinander. Kein Körperkontakt zu haben war unmöglich. Wie eine wilde Raubkatze inspizierte sie die Menge, auf der Suche nach ihrem heutigen potenziellen Opfer. Einem männlichen Opfer natürlich. „Und schon was heißes entdeckt“, fragte ich und folgte ihrem Blick als sie für einen kurzen Moment erstarrte. Ich sah nichts außergewöhnlich und sicherlich keinen typischen männlichen Augenschmaus für Amy. So als wäre nichts gewesen, lächelte sie mich an. „Nein bisher noch nicht. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.“  Ich fiel in ihr Lachen mit ein.

„Sag Bescheid, falls du was Scharfes in dein Blickfeld bekommen solltest.“

„Das Übliche oder hast heute etwas Bestimmtes im Sinn?“, fragte ich spitzbübisch.

„Was glaubst du? Natürlich nur das Beste vom Besten.“

„Natürlich wie konnte ich das vergessen.“

Wir scherzten und lachten, während wir die Menschen beobachteten. Es war doch immer amüsierend zu sehen, wie manche Frauen oder auch Männer nach einem erfolglosen und überaus peinlichen Flirtversuch Richtung Ausgang oder Toilette flüchteten. Oder aber auch wie manche versuchten aufreizend zu tanzten, aber kläglich dabei scheiteten. Es tat gut nach der Aktion mit Simon wieder richtig loslassen zu können. Auch wenn Amy es nicht zugeben wollte, die Sache hatte sie ganz schön mitgenommen. Die Polizei hatte ihr zwar versichert, dass sie ihn in nächster Zeit nicht mehr wiedersehen würde, aber bei Psychopathen wie ihm konnte man ja nie wissen. Die sonst so aufgeweckte Amy war in den letzten Tagen ziemlich still gewesen. Sie war keineswegs ein schweigsamer Mensch, aber im Gegensatz zu sonst, war mir ihr Verhalten schon fast unheimlich geworden. Ich war froh gewesen, dass sie mir direkt zugesagt hatte, als ich sie nach heute Abend gefragt hatte.

Seit dem wir hier waren, war sie wie ausgewechselt, strahlte über das ganze Gesicht. Ihr Jagdtrieb hatte wieder eingesetzt und sie schüttete ihre Pheromone in alle Richtungen aus. So kannte und liebte ich sie.

 

„Ladies“, hörte ich eine männliche Stimme sagen und einige Sekunden später erschien ein männliches Gesicht zwischen Amy und mir.

Wir drehten uns beide um. Ein großer, blonder, gut gebauter Mann stand vor uns. Strahlend grüne Augen schweiften erst über mein Gesicht und blieben letztendlich an Susans hängen. Susan erwiderte den Blick. So wie es aussah, hatte die Beute sie gefunden und nicht andersherum.

„Ist mir die Ehre gestattet euch hübschen etwas Auszugeben?“

„Aber gerne doch“, setzte Susan ihre verführerische Stimme auf. „Zwei Cosmopolitan bitte.“

Er nickte dem Mann hinter der Bar zu und bestellte die Drinks. In dem Augenblick begutachtete ich ihn. Er traf genau dem Geschmack von Amy. Groß, durchtrainiert und sah dabei noch blendend aus. Mehr als blendend, müsste ich wohl anmerken. Der leicht gebräunte Teint und sein blondes Haar ließen sein Ebenbild nur noch attraktiver wirken. Er hatte kantige Gesichtszüge, aber das Lächeln, welches er Susan zuwarf, ließ sein ganzes Gesicht strahlen. Dieser Mann wusste wie man mit Frauen umging. Er war die Personifizierung von Sex und Leidenschaft.

 

„Hier bitte sehr“, reichte er mir mein Getränk entgegen.

Ich bedankte mich und nippte leicht, ließ den Alkohol auf mich einwirken.

„Und wie heißt ihr beiden Hübschen? Ich hoffe, ihr seid heute alleine hier“, sagte er und blickte tief in die Augen Amys.

Amy antwortete nicht direkt, sondern strahlte mit einem Lächeln in meine Richtung.  Das war das Zeichen dafür, dass ich bald alleine auf die Tanzfläche verschwinden würde. Amy die kleine Aufreißerin. Ich musste schmunzeln.

„Da hast du aber heute Glück gehabt. Meine Freundin hier“, ich nickte Richtung Amy, „hat gestern ihr Zölibat abgelegt. Ein Jahr ohne Männer, kannst du dir das vorstellen?“

Er sah Amy für einen Moment verdutzt an, sein Lächeln war verschwunden, aber kurze Zeit später, hatte er ein noch breiteres Lächeln im Gesicht als zuvor.

„Nein kann ich mir gar nicht vorstellen“, gab er mit einem leisen Knurren zurück. Amy hatte nun seine vollkommene Aufmerksamkeit. Er stellte sich mit dem Namen Drake vor und das war mein Stichwort. Stillschweigend machte ich mich auf in Richtung Tanzfläche, nachdem ich Amy mit einem Zwinkern viel Spaß gewünscht hatte. Der Trick klappte auch immer wieder.

Auf dem Weg zur Tanzfläche leerte ich mein Glas und stellte es auf den nächstbesten Tisch.

Ich drängte mich durch die Menge, um einen guten Tanzplatz zu erhaschen. Der DJ spielte gerade heiße Musik und ich ließ mich von dem Beat der Musik leiten. Tanzen war so befreiend. Ich schwang meine Hüften und mein Herz schlug schneller vor Freunde, endlich loslassen zu  können. Besser als jede Therapie.

Ich ließ kaltes Wasser über meine Hände gleiten. Nachdem ich ausgiebig getanzt hatte, war ich für eine kurze Abkühlung auf die Toilette gegangen, um mich nochmal frisch zu machen. Die Frauentoilette war wie immer rappelvoll. Rechts neben mir trug eine schlanke große braunhaarige Frau mit Locken ihren Lippenstift auf, zu meiner linken wiederum, wuschelte eine kurzhaarige Blondine durch ihre Haare. Ich musste mir ein kleines Schmunzeln unterdrücken. Typisch Frauen, ich wüsste zu gern was die Männer auf der Toilette machten. Sich auch vor den Spiegel stellen und sich die Nase pudern, sich ihr Oberteil richten, weil es zu weit nach unten gerutscht war. Ich glaubte ja eher nicht. Immer noch in meine Gedanken versunken verließ ich den Raum. Ich ließ mein Blick Richtung Herrentoilette gleiten und in meinen Finger fing es an zu kribbeln. Wenn ich doch nur einen kurzen Blick hineinwerfen könnte. Als ich mich gerade um entschieden hatte, nicht in die Toilette zu stürmen und das Geheimnis zu lüften, stieß ich mit etwas Hartem zusammen. Ich stolperte leicht nach hinten und nur knapp konnte ich mein Gleichgewicht wiederfinden. Hinfallen hätte mir auch noch gefehlt. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass ich mich zum Affen machen würde.

Ich rappelte mich auf, im Gedanken schon eine Entschuldigung formuliert, stockte aber. Vor mir stand engumschlungenes Pärchen, das unseren Zusammenstoß anscheinend nicht bemerkt hatte. Und wie eng umschlungen.

Er, sicherlich 1,90m groß, hatte ein weißes T-Shirt an und eine schwarze perfekt sitzende Jeanshose. Sie, mindestens auch 1,75m groß mit Model Maße, hatte eine hautenge ebenfalls dunkle Jeans an und ein weitausgeschnittenes beigefarbenes Oberteil, verschlangen sich regelrecht.

Die Frau fuhr mit ihren Händen durch seine kurzen schwarzen Haare, während seine Hände fast jede Stelle ihres Körpers erkundeten. Ich konnte gar nicht aufhören zu starren und spürte, wie sich mein Inneres zusammenzog.

Ich vergaß die Leute um mich herum.

 

Wie in Trance beobachtete ich das heiße Geschehen. Doch das änderte sich, als der Mann sich mir zuwendete und mich erst überrascht, dann wütend anblickte.

 

„Hast du noch nie gehört, dass es unhöflich ist, andere so anzustarren?“

Ich schluckte. Wie peinlich. Ich fühlte wie sich mein Gesicht in ein karminrot verwandelte. Was mich allerdings überraschte, war meine gehässige Antwort. „Selber Schuld, wenn man erstens mitten im Gang steht und anderen den Weg versperrt und zweitens, es fast in der Öffentlichkeit treibt.“

„Tja da hat es dir wohl die Sprache verschlagen, mein Lieber. Hat dir noch nie jemand so etwas ins Gesicht gesagt? Pff nur weil du groß und muskulös bist, heißt das noch lange nicht, dass du auch ein Gehirn hast.“

 „Du kleines Miststück, was fällt dir eigentlich ein!? Weißt du etwa nicht wer ich bin?“

„Nein, warum? Sollte ich etwa? Ich glaube nicht. Solche Leute wie dich lass ich bestimmt nicht in meine Nähe. Das ist unter meinem Niveau.“

„Ach ja? Und aus welchem Grund?“ Wie ein Raubtiger kam er auf mich zu. Anscheinend hatte er sein Flittchen im Hintergrund vergessen. „Warst du nicht diejenige, die uns vorhin angestarrt hat? Wahrscheinlich bekommst du nur niemanden zwischen deine Beine und bist eine frustrierte alte Schachtel.“

Okay das war halb wahr, da gab ich ihm Recht. Natürlich würde ich ihm das nicht unter die Nase reiben und ihm meinen wunden Punkt auf einem Silbertablett servieren.

„ Als wenn ich es nötig hätte eifersüchtig zu sein“, schnalzte ich. „Und schon gar nicht auf jemanden wie dich. Wahrscheinlich gaukelst du allen nur was in der Öffentlichkeit vor , aber in Wirklichkeit bekommst du deinen mickrigen Schwanz nicht hoch.“

Damit hatte ich wohl das Fass zum Überlaufen gebracht. Mit einem Blick, der töten könnte, starrte er mich an. „Entschuldige dich. Du bist zu weit gegangen.“

„Oh hab ich da etwa deine Achillesferse getroffen. Das tut mir aber Leid.“ Anscheinend konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Die Auseinandersetzung mit ihm machte eindeutig Spaß. Zumindest mir, ihm anscheinend wohl eher nicht. Lach.

Offenbar hatte er die Belustigung in meinen Augen gesehen, denn jetzt überschritt er auch die letzten Zentimeter bis zu mir und packte mich an meinen Schultern.

Seine Zähne waren gefletscht und blinde Wut sah ich in seinen Augen.

Nichtsdestotrotz fühlte ich mich immer noch nicht von ihm bedroht, aber erwidert mit Hochmut seinen Blick.

Ich würde nicht der erste von uns beiden sein, der blinzelte. Es schien als würden wir uns Stunden anstarren. Er mit seinem Todesblick und ich. Ja ich mit meinem... neugewonnen selbstbewussten Ego, erwiderte ihn ganz lässig.

Unser stiller Machtkampf wurde allerdings von der hochnäsigen Stimmer hinter ihm unterbrochen.

„Kane krieg dich ein", sie umschlang ihn von hinten mit ihren Armen. „Du bist es nicht wert, dich mit so einer abzugeben."

Ich musste fast schon lachen bei ihrem kläglichen Versuch, ihre Stimme überaus sexy klingen zu lassen. Zugegeben sie hatte modelmaße und man konnte sie als besonders hübsch-fast schon schön-bezeichnen, aber eindeutig war sie auch nur einer der billigen Schnepfen, die sich an alles ran machten, was ein Schwanz hatte.

 

Ihn schien die billige Anmache aber zu gefallen. Also dachte er wohl wirklich eher mit seinem, sondern ließ sich von seinem männlichen Drang leiten. Mit einem schiefen Grinsen drehte er sich um, gab ihr einen Kuss auf den Mund. „Du hast Recht", gab er zu und schweifte seinen Blick abschätzig über meinen Körper. Seine Augen funkelten böse. „Mir schmerzen auch schon die Augen von ihrem Anblick."

Okay das war gemein. Ich war zwar ungerecht zu ihm gewesen, aber nicht verletzend. Wutentbrannt verpasste ich ihm einen Tritt in sein Allerheiligstes.

„Eins solltest du dir merken", warnte ich ihn. „Man spielt nicht mit dem Feuer, ohne dafür zu büßen."

Mit einem leichten Grinsen auf meinem Lippen drehte ich mich um und schritt davon. Vom Weiten hörte ich, wie er mich verfluchte und musste nur noch mehr grinsen.

 

 

 

 

„Sag mal, wo bist du die ganze Zeit gewesen?“, fragte Amy, als ich mich neben sie setzte.

Ich zog meine Augenbraue hoch, normalerweise war ich diejenige, die auf sie wartete oder nach ihr auf einer Party suchte.

„Was ist los? War der Typ...wie war sein Name noch einmal, nichts für dich?“

„Ts sprich mich nicht darauf an. Ich sag dir nachdem du weg warst, hat er mir die Ohren zugelabert... von seiner Exfreundin. Wie sehr er sie vergötterte. Irgendwie war das schön süß zu sehen, dass es noch Männer gibt, die gut aussehen und treu sind. Ganz ehrlich und als er meinte, dass seine Freundin ihn mit seinem besten Kumpel betrogen hat, bin ich schon etwas wütend geworden. Und warte das Beste kommt noch...als ich ihn mit einer Umarmung trösten wollte, kam plötzlich s eine Schnepfe von Exfreundin an und meinte, ich solle meine Finger von ihrem Freund lassen.

Da bin ich so richtig ausgetickt und habe ihr meinen Drink ins Gesicht geschmissen und ihr gesagt, sie solle so einen lieben Typen, nicht mit seinem besten Freund betrügen. Und was hat der Typ gemacht, er hat sie in den Schutz genommen und ist mit ihr abgehauen. Ich sag dir, der wird ihr immer wieder verzeihen, egal was sie macht. Das ist echt schon armselig.“

Für einen Moment verstummte sie, dann entschied sie sich für einen weiteren Drink und einige Momente später hatte sie den ganzen Vorfall schon wieder vergessen.

Ihre Augen schweiften wie immer über die tanzende Menge.

„Jane denkst du, dass mir Simon noch einmal über den Weg laufen wird?“

Die Frage schockte mich. Ich schluckte. „Ich hoffe nicht. Ein Glück ist er für eine gewisse Zeit im Gefängnis und kann dir nichts antun.“

„Ich mache mir nicht nur um mich Sorgen.“ Sie drehte sich zu mir um. „Nach dem Kampf zwischen ihm und dir wirst du sicherlich die erste Person sein, die er aufsuchen wird, wenn er frei kommt. Ich will nicht, dass dir etwas meinetwegen zustößt.“

„Mach dir um mich keine Sorgen“, lächelte ich Sie aufmunternd an. „Mir wird schon nichts geschehen und dir erst recht nicht. Dafür werde ich Sorgen.“

 

„Genau das macht mir ja Angst. Du kümmerst dich immer mehr um andere, als um dein eigenes Wohlergehen. Wenn dich jemand bittet etwas zu tun, kannst du nie nein sagen. Du würdest sicherlich auch vor einen LKW springen und dein eigenes Leben riskieren, wenn du jemanden auf der Straße in Lebens Gefahr schweben sehen würdest.“

Ich wollte ihr widersprechen, doch ich musste ihr recht geben. Wenn es um das Leben anderer Menschen ging, reagierte mein Körper und Geist ganz von alleine. Egal ob sich jemand streitete oder jemand sich verletzte, ich war sofort an Ort und Stelle.

„Amy. Es wird alles gut. Bist du noch einmal in Kontakt mit der Polizei gewesen?“

Sie nickte. „Ja. Er ist kurz nachdem er eingeliefert wurde aufgewacht und habe wild um sich geschlagen. Derzeit warten sie noch auf den psychologischen Bericht der Ärzte, ob er zurechnungsfähig genug ist, um freigelassen zu werden oder ob er in eine psychatrische Klinik eingewiesen werden soll. 

 

„Ich bezweifle, dass er nach dieser Aktion noch einmal frei kommt“, ermunterte ich sie.

Wir redeten noch eine Weile über Simon und was mit ihm und Amy vorgefallen war. Auch wenn wir beide den Vorfall mit ihm verdrängen wollten, tat es uns beiden gut, darüber zu sprechen.

 

Von Zeit zu Zeit erhaschte ich Kane entweder auf der Tanzfläche oder an der Bar. Ich war stolz auf mich, dass ich endlich mal meinen Mund aufgemacht hatte und nicht wie eine kleine stille Maus reagiert hatte. Vor allem der Tritt in seine Eier war etwas, das ich sonst niemals in meinem Leben gemacht hätte.

Irgendetwas in mir hatte Klick gemacht.

Jedes Mal wenn ich daran denken musste, verbesserte sich meine Laune. Und nach einiger Zeit konnte ich auch ein fettes Grinsen nicht mehr unterdrücken. Was auch der Grund war, warum mich Amy plötzlich, was los sei.

 

Ich erzählte ihr kurz und knapp was früher am Abend vorgefallen war. Als ich meine Zusammenfassung beendete konnte sie sich kaum nnoch vor Lachen halten.

 

„Ich kann es nicht fassen! Jane, seit wann bist du so streitsüchtig?“

Ich zuckte mit meinen Achseln. „Ich weiß nicht, seit heute vielleicht?“, lachte ich.

 

Amy schmunzelte. „Ich mag die neue Seite an dir. Von mir aus, solltest du öfter mal dein neues Ego zeigen.“ Sie machte eine kurze Pause und schaute in die Menge. „Nun gut, wer war denn der Kerl, wem du so eins ausgewischt hast?“

 

Genauso wie Amy blickte ich mich im Raum um und als ich ihn endlich sah, zeigte ich in seine Richtung.

Amy folgte meinen Blick und bekam große Augen. „Ist er das?“, fragte mich Amy, während sie ihre Augen nicht eine Sekunde von ihm löste.

 

„Ja das ist er.“

 

„Ich kenne ihn von irgendwoher“, schmunzelte sie. „Was war noch der Name, mit dem die kleine Schnepfe ihn angesprochen hat?“

 

„Kane. Wieso?“

 

„Mmh.“

 

Ich blickte sie fragend an und bemerkte, wie sich ihre Augenbrauen zusammenzogen.

Ich wartete ab, dass sie etwas sagte, aber als sie keinen weiteren Kommentar machte, blickte ich für einen kurzen Moment wieder in die Richtung, in welcher ich Kane gesehen hatte.

 

Zu meiner eigenen Verwunderung war die Blondine verschwunden und ein äußerst bekanntes Gesicht stand neben ihm. Unser Professeur. Derjenige, welcher mich gebeten hatte, ihn Dwayne zu nennen, derjenige welcher nach meiner Nummer gefragt, damit ich seinen Freund die Umgebung zeigen konnte.

 

 

 

Ich drehte mich schnell um, damit keiner der beiden sah, dass ich sie beobachtete. Schockierend musste ich allerdings feststellen, dass Amy auf die beiden zuschritt und ein Lächeln auf dem Gesicht hatte.

„Amy“, zischte ich. „Was machst du? Komm sofort zurück!“, versuchte ich sie aufzuhalten, ehe die beiden sie sahen.

Allerdings ohne Erfolg.

Vom Weitem sah ich wie sie auf die beiden zuschritt und beide sie angrinsten. Moment. Was ging hier vor?

Zwei Sekunden später spürte ich Blicke auf mir ruhen und die drei sahen in die Richtung, wo mich Amy verdattert zurückgelassen hatte.

Zu meinem Glück hatte ich mich etwas zur Seite gestellt, sodass sie mich nicht direkt anblicken konnten.

Dennoch konnte mich Amy sehen und winkt emich zu ihnen. Egal wie sehr mir der Gedanke widersträubte, ergab ich mich und lief auf sie zu.

„Hallo Dwayne“, lächelte ich meinen Professor an.

„Hallo Jane“, lächelte er zurück.

Ich hatte eigentlich beschlossen, Kane zu ignorieren, aber Dwayne machte einen Strich durch meien Rechnung und stellte mich ihm vor.

„K wenn ich vorstellen darf, das ist Jane.“

Ich drehte mich zu ihm um und setzte ein falsches Lächeln auf.

„Schön dich kennenzulernen, Kane“, begrüßt eich ihn mit zusammengebissenen Zähnen.

„Gleichfalls“, gab er mit einer Grimasse zurück.

„Kennt ihr euch beide etwa?“, blickte Dwayne uns beide an.

Ich musste kurz auflachen. „Und wie.“

Kane schien die gleiche Meinung von mir zu haben wie ich von ihm,  denn er grummelte etwas Unverständliches vor sich her und es schien nichts nettes zu sein. Wenigstens in einer Sache schienen wir einer Meinung zu sein.

Da ich Amy von dem Zwischenvorfall mit Kane erzählt hatte, sah sie zwischen uns beiden hin und her und versuchte sich ihr Lachen zu verkneifen.

„Und ich dachte, ich würde dieses kleine Schnepfe nie wieder sehen“, gab Kane neben mir von sich.

 

 

 

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Simon blickte sich um. Wo war er? Er hatte seit geraumer Zeit Schwierigkeiten sich an Dinge zu erinnern. Höchstwahrscheinlich lag es an seinem erhöhtem Konsum an Heroin und Kokain. Manchmal stand er in einem fremden Gebäude, dann wieder in irgendeinem Cafe oder vor Amys Haus. Amy. Er spürte wie sich sein Herz zusammenzog, als er ihren Namen leise vor sich hin flüsterte. Seitdem Simon ihr zum ersten Mal begegnet war, konnte er sie nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Wie sehr er sie doch vermisste.  Ihre haselnussbraunen Augen und ihre braunen Haare, die in Wellen von ihren Schulter herunterfielen. Amy wie sie verträumt vor sich hin sah, wie sie lachte und wie sich ihr ganzes Wesen dabei erhellte. Sie war sein Engel, sein Anker in der Not, sein Ein und Alles.

 

Langsam erinnerte er sich, wie er sie das letzte Mal gesehen hatte. Er hatte sie seit Tagen nicht gesehen gehabt und vermisste ihren Duft und ihre Stimme. Er hatte auf sie vor ihrem Haus gewartet, in der Hoffnung sie würde bald nach Hause kommen und ihn in seine Arme schließen. Auch wenn es eher unwahrscheinlich war, dass sie es so einfach zulassen würde. Sie liebte es mit ihm zu spielen, vor ihm wegzulaufen und ihn zu beschimpfen. Es war ihr kleines Spiel, dass er von Anfang an so liebte. Sie war eine harte Nuss und er war zu allem bereit sie aufzuknacken. An jenem Abend hatte sie es allerdings zu weit getrieben, sie hatte ihn geschlagen. Zuerst fühlte er sich verletzt, dann wütend über den Schmerz, den sie ihm zugefügt hatte und zuallerletzt war er angetörnt, als er das Feuer in ihren Augen sah.

 

Er wollte sie auf der Stelle berühren und küssen. Aber vor allem wollte er ihren kleinen Hintern versohlen, weil sie ihm nicht so gehorchte wie er wollte. Bevor er ihr aber näher kommen konnte, war sie vor ihm weggerannt. Er war noch nie ein guter Läufer gewesen, im Gegensatz zu seinem kleinen Schatz. Sie flitzte ihm davon, ehe er sie überhaupt einholen konnte. Dass sie in ihr Auto stieg und davonfuhr, hatte ihn rasend gemacht.

Ein Glück wusste er stets, wo seine klene Nymphe war. Er kicherte vor sich hin. Vor einigen Monaten hatte er einen Peilsender an Amys Auto angebracht. Es war eine der besten Entscheidungen, die er je getroffen hatte.

 

Egal wo er war, er brauchte sich keine Sorgen um seinen Schatz zu machen. Wenn sie nicht zu Hause anzutreffen war, konnte er fix auf seinem Laptop oder Handy nachschauen und er wusste, wo er sie auffinden würde.

 

Er war zwar nicht der Allerhellste, aber was Technologie und Computer anging, da konnten ihn nicht viele Leute das Wasser reichen.

Es hatte ihn auch nicht einmal mehr als zwei Stunden gekostet, um Amys Laptop, Telefon und WLAN Verbindung im Haus anzuzapfen.  Wahrscheinlich klang es in den Ohren vieler Menschen verrückt was er tat, aber er machte sich einfach zu viele Sorgen um sie. Es gab einfach zu viele Psychopathen und Mörder auf der Welt, die ihr Schaden zufügen könnten.

 

Er war sich sicher, dass Amys beste Freundin Jane auch nicht zu dem besten Umgang zählte. Sie schien auf den ersten Blick nett, aber er wurde des Besseren belehrt. Seit der letzten Begegnung mit ihr hatte er einen Entschluss gefasst. Jane war schuld daran, dass er und Amy nicht glücklich waren. Sie war der Teufel in Person. Wer weiß wie lange sie Susan schon manipulierte. Er hatte versucht nett zu ihr zu sein und war wie ein Freund ihr gegenüber gewesen, aber sie hatte ihn nur vor den Kopf gestoßen.

 

Im Nachhinein hatte er nur aus Notwehr gehandelt. Er hatte immer ein Messer mit, natürlich nur zu Amys  Schutz. Wer ihr zu Nahe trat oder sie schlecht machte, musste schließlich bestraft werden.

 

Oh seine unschuldige schöne Amy. Sein Herz machte einen Satz, als er an die erste Begegnung mit ihr dachte. Er hatte sie im Park gesehen, als sie wütend mit jemandem am Telefon diskutierte. Er hatte von Anfang an ihr Temperament geschätzt und ihre atemberaubende Stimme, wenn sie leicht gereizt war. Sie war der Grund gewesen, warum er sich für eine ganze Stunde nicht vom Fleck bewegte  und sie nur anstarrte. Sein Tag war scheiße gewesen, er wurde gerade wieder von seinem Boss heruntergemacht und ermahnt, da er zu spät zur Arbeit gekommen war. Alles nur weil sein Dealer ihm nicht das richtige Zeug besorgt hatte. Er hatte ihn bescheißen wollen und ihm so ein billiges Zeug andrehen wollen. Als wenn er so etwas nicht bemerken würde, verdrehte er die Augen. Im Nachhinein hatte er zwar das scheußliche Zeug behalten, aber auch sein Geld zurückbekommen, auch wenn nicht ganz ohne Gegenwehr. Sein Dealer hatte daran glauben müssen. Es hatte ihn Stunden gekostet, seine Leiche zu verscharren.  Sie musste mittlerweile verrottet in der Seitengasse liegen, wo er sie zurückgelassen hatte. Selber Schuld, wenn jemand versuchte, sich ihm in den Weg zu stellen oder  ihn zu hintergehen.

 

Amy war da eine gute Ablenkung gewesen. Er war einige Tage darauf wieder in den Park gegangen und hatte auch die Gegend abgesucht, nur um sie wiederzusehen.

Eines Abends hatte er sie im Supermarkt entdeckt, ungeschickt rempelte er sie an und entschuldigte sich bei ihr mit einem Kaffee. Sie hatten ihre Nummer ausgetauscht und sie versprach ihm, sich bei ihm zu melden. Er hatte gedacht, er sei etwas Besonderes,  aber nach kurzer Zeit bemerkte er, dass Amy gerne mit den Männern spielte. Von da an hatte er sie vom Weiten beobachtet und jeden Mann, der ihr zu Nahe kam, gedroht, dass er ihn „besuchen“ kommen würde, wenn er sich jemals wieder bei Susan melden würde.

 

Damit Amy ihn nicht vergaß, sendete er ihr jeden Abend einen Gute Nacht Kuss und mindestens einmal pro Woche einen Strauß Blumen oder Schokolade. Er wusste, wie sehr sie es liebte.

 

Er blickte sich um, wenn er aus diesem Zelle herauskam, würde er sich definitiv bei Jane rächen. Sie musste dafür büßen, dass er so lange von Amy getrennt war. Sie war Schuld an seinem Unglück.

 

Impressum

Texte: Das Buch und alle Inhalte sind frei erfunden und die Rechte liegen bei mir.
Tag der Veröffentlichung: 01.10.2012

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