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Das erste mal allein.

Graue Schatten spiegelten sich an den Wänden, bewegten sich im Sturm - oder waren es Geister? Nachtgeschöpfe, die Zugang zu ihrem Zimmer suchten? Ängstlich zog sie die Decke bis über ihr Kinn, beobachtete einen der Schatten, der beinahe die Form eines Paradiesvogels hatte. Er schien zu nicken, schien zu lachen.
Unten im Haus polterte es und sie erschrak, sah furchtsam zur Tür. Im Flur brannte das Licht, das war nichts neues, es brannte schließlich jede Nacht. Aber nicht jede Nacht tobte draußen ein Unwetter. Und sie war auch nicht jede Nacht allein im Haus. Ganz im Gegenteil!
Krach- Ein weiterer Schlag! Sie blickte zu dem Paradiesvogel und er schien ihr abermals entgegen zu nicken. War das vielleicht ein Geistertrick?
Die große Standuhr im Wohnzimmer schlug zwölf mal - Geisterstunde! Und der Sturm wehte einen Ast gegen ihr Fenster, klirrte gegen die Scheibe.
Zu allem übel schob sich nun auch nochdie Tür ihres Kleiderschrankes auf.Ein Kobold wohnte in ihm - das hatte ihr Bruder jedenfalls immer gesagt. Ein Kobold, der sich nur bei Sturm zeigt. Na prima! Den Kobold konnte sie in dieser Nacht überhaupt nicht gebrauchen. Aber der Shrank stand nun auf und ihr Meerschweinchen stand davor.
Essen Kobolde Meerschweinchen?
Sie wußte es nicht, aber das Fiepen des Nagers machte ihr Angst und sie mußte sich was einfallen lassen, wenn sie ihr Schweinchen retten wollte.
Unten krachte es wieder, als sie vorsichtig aus ihrem Bett stieg und iim Benjamin-Blümchen-Nachthemd auf den Schrank zu schlich. Bei jedem Schritt schien sich der Schrank ein weiteres Stückchen zu öffnen und sie glaubte im Dunkeln ein gruseliges grünes Augenpaar erkennen zu können, das sie fies ansah. Sie zögerte, sah sich suchend um und entschied sich schließlich für den alten Stuhl. Er war noch von Großmutter, die im letzten Jahr verstorben war. Sie hatten den Stuhl immer so geliebt.
Wie oft sie auf dem Schoß der Oma gsessen hatte und ihren Geschichten lauschte, konnte sie heute gar nicht mehr sagen, aber sie hatten dann immer auf diesem Stuhl gesessen.
Jetzt stand er hier in ihrem Zimmer und etwas, das so alt war, wie dieser Stuhl, konnte es vielleicht auch mit dem Kobold aufnehmen!?
Ganz langsam zog sie ihn zum Schrank und mußte nüchtern feststellen, das ihr Mershweinchen im Weg stand. Sie konnte es nicht einfach weg schieben, denn dann würde der Shrank sicher ganz aufgehen und der Kobold käme herausgesprungen.
Nein, den Käfig bekam sie da niemals weg!
Ein Blitz ließ da Zimmer für einen kurzen Augenblick taghell werden, ehe der nachfolgende Donner nun auch noch ein Gewitter ankündigte. Regen prasselte gegen die Fenster und in ihrem Prinzessinenzimmer fühlte sich da Mädchen inzwischen überhaupt nicht mehr wohl. Dabei hatte sie es am Nachmittag noch "cool" gefunden, mal ganz allein im Haus zu sein und dazu auch noch das erste mal! Die Mutter hatte es ihr erlaubt, obwohl sie doch sonst immer so streng und böse zu ihr gewesen war. Naja, es war ja auch nicht ihre richtige Mutter und ihr Bruder war auch nur ihr Halbbruder. Und Mom mochte ihn auch viel lieber, als sie.
Jetzt aber stand sie mit einem Stuhl in der Hand vor ihrem Schrank, in dem sich ein Kobold häuslich zwischen ihren Kleidern niedergelassen hatte. Und ihr Meerschweinchen war da auch noch und quäkte um Beachtung. Draußen schwirrten Geister um das Haus, im Wohnzimmer polterte es und Blitz und Donner jagten ihr jede Minute einen neuen Schrecken ein. Siie war den Tränen nah - und wollte doch einfach nur ins Bett und schlafen!
Die Kleine sah zur Tür sah zu ihrem Meerschweinchen... und dann grinste sie!

Es war weit nach zwei Uhr, als ihr Bruder nach Hause gekommen war. Das Gewitter hatte nachgelassen, der Sturm auch. Im Haus war es ruhig, als er schlaftrunken die treppe hinauf schlurfte, dabei laut gähnte.
D0ch eine Überraschung sollte diese Nacht noch für ihr bereit halten.
Sein Zimmer war verschlossen, ein Zettel an der Tür:

Kobold in meinem Kleiderschrank. Schlafe heute Nacht in deinem Bett. Mandy!


Er knurrte - die Überrashung war geglückt und er zog grimmig zum Zimmer seiner Schwester. dort hatte sie alles unberührt gelassen und er dachte sich nichts dabei, als er tief durchatmend die Tür des Schrankes aufzog...
Ein Zischen, ein greller Blitz... Und die Wel hörte auf, sich zu drehen!

Als Mandy am Morgen mit ihrem Meerschweinchen auf dem Arm aus dem Zimmer ihres Bruders kam, war Polizei im Haus. Ihr Vater war leichenblass und die Mutter trug Handschellen. Sie hörte das Wort "Mord", sah, wie ein schwarzer Sack aus ihrem Zimmer getragen wurde.
"War das der Kobold?" fragte sie entsetzt.


Ende


M.H.Elany

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 28.11.2008

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