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Studie: Kollaps unserer Zivilasition unausweichlich

Nach Lovelocks Modellen wird die Erde bis 2100 völlig kollabieren, 80 Prozent der Weltbevölkerung werden diesen Zusammenbruch nicht überleben, der Rest mit großen Problemen konfrontiert sein, über die man sich schon jetzt Gedanken machen sollte. Das sei keine Weltuntergangs-Phantasie, kein biblisches Armageddon: „Das ist die Realität."

Ich sehe das bei allen. Die Menschen wollen einfach nur weitermachen, wie immer. Sie sagen: 'Oh ja, da kommt ein großes Problem auf uns zu', aber sie wollen nichts ändern."

„Alle diese Standard-grünen Dinge, wie nachhaltige Entwicklung, ich glaube, das sind nur Worte, die nichts mehr bedeuten. Viele Leute kommen zu mir und sagen: 'So kannst du doch nicht reden, dann können wir ja gar nichts mehr tun.' Ich sage, im Gegenteil, es gibt eine immense Menge zu tun. Nur nicht die Art von Dingen, die du tun möchtest."

1. Kapitel

Es ist richtig scheiße ein Scheidungskind zu sein. Zum Glück war Ethan erst ein Baby als meine Eltern merkten das sie genug voneinander hatten und bekam so von allem nicht viel mit. Ich war 8 und ich kapierte sehr wohl das meine Eltern sich häufig stritten, sich nicht mehr liebten und das ich und Ethan mit meiner Mutter nach London zogen. Ich kapierte auch das ich meinen Vater und meine beste Freundin nicht mehr so oft sehen konnte und das sich daran nichts mehr ändern würde. Was ich nicht kapierte war das meine Mutter meinen Vater betrogen hatte und das mein Vater ein Säufer war. Ich sah Dad immer seltener und er trank auch immer mehr weshalb ich es auch nicht sonderlich betrauerte ihn fast nicht mehr zu Gesicht zu bekommen. Deshalb war ich auch nicht gerade glücklich als Mum vor ein paar Wochen verkündete das wir die Sommerferien bei Dad verbringen würden und sie und Miles, ihr Verlobter, zusammen eine Asientour machen würden. Ich bettelte Mum an ob ich mitkommen könnte, nicht das ich besonders scharf auf die Asientour war, aber es war immerhin besser als meine Sommerferien mit meinem 8 jährigen Bruder und meinem besoffenen Vater zu verbringen. Mum meinte jetzt wäre es zu spät etwas an der Reise zu ändern, außerdem würden ich und Ethan zu wenig Zeit mit unserem Vater verbringen. Dank Mum also holte Dad uns heute Morgen ab und er schien auch nicht gerade glücklich darüber zu sein uns jetzt am Hals zu haben. Oder er sah so gequält aus weil er ausnahmsweise mal nüchtern war. Er ist vielleicht nicht der beste Vater aber er würde das Leben seiner Kinder auch nicht aufs Spiel setzen indem er betrunken Auto fuhr. Dad war Professor und kleidet sich immer noch wie einer. Er kündigte aber um Schriftsteller zu werden, seine Karriere lief nicht sonderlich gut. Mum sah sich damals gezwungen meine Großeltern um Unterstützung zu bitten, Dad fand das nicht so toll und ungefähr ab da fing er an jeden Tag zu saufen. Anfangs war es nur jeden Abend ein Bier, später hing er schon morgens an der Whiskey Flasche. Jetzt verdient Dad wieder mehr, er hat ein Buch geschrieben was einigermaßen gut ankommt. Ich habe es noch nicht gelesen und habe es ehrlich gesagt auch nicht vor.                                               ,,Und wie waren eure Zeugnisse?“, fragte Dad. Ethan plapperte sofort los. Ich tat so aus würde ich Musik hören, in Wahrheit war mein Akku leer und ich hatte einfach nur keine Lust mit irgendjemanden zu reden. Durch den Rückspiegel beobachtete ich Dad, er sah müde aus und er zitterte leicht. Ethan hingegen war das totale Gegenteil, seine dunklen Haare wippten auf und ab weil er so in seinem Sitz hüpfte und sich ganz aufgeregt mit Dad unterhielt. Schon immer hatte Ethan Dad und Miles als seine Väter akzeptiert. Miles und Mum waren 3 Monate nach dem wir umgezogen sind zusammen gekommen. Miles ist okay, ich mag ihn und er scheint Mum wirklich glücklich zu machen, aber für mich war er nie so etwas wie ein Vater. Zum Glück verstand Mum das und versuchte nicht uns zu einer kleinen Happy Family zu montieren. Irgendwann muss ich eingeschlafen sein denn als ich meine Augen öffnete waren wir bereits in Queensborough, die ödeste Stadt die ich kenne und den größten Teil meiner Kindheit verbracht hatte. Das Fenster war offen und ich konnte die Meeresluft riechen.                                                                                                                                                          „Cho wir sind fast da“, quickte Ethan. Eigentlich heiße ich Chloe doch Ethan konnte meinen Namen noch nicht richtig aussprechen als er klein war und heute nennt er mich immer noch Cho.                    „Ich sehe es doch selber Ethan“, lachte ich und strubelte ihm durchs Haar worauf er sich heftig wehrte und ich wieder lachen musste. Wir wohnten damals ziemlich abgelegen, und ziemlich abgelegen von Queensborough bedeute viel. Unser nächster Nachbar wohnte 200 m entfernt. Und unsere Nachbarn waren auch wirklich – gewöhnungsbedürftig. Der verrückte Herr Hoffmann und seine Frau waren echte Verschwörungsfanatiker, ständig warnten sie uns vor irgendwelchen Alien Invasionen oder ähnlichem. Dad und Herr Hoffmanns waren beste Freunde, beide machten zusammen ihren Abschluss, studierten gemeinsam und wurden beide schließlich Professoren an der gleichen Uni. Dad hat mir mal früher erzählt das sie jeden Tag zusammen verbrachten weil sie ansonsten keine Freunde hatten. Irgendwann hat Dad angefangen sich mit Mum zu treffen und ich erinnere mich noch wie Dad mir erzählt hat wie überrascht er war das ein Mädchen sich für ihn interessierte und er hätte niemals gedacht eine Freundin vor dem Studium zu bekommen. Mum war eigentlich ziemlich beliebt, sie war blond, blauäugig, hübsch und sportlich und Dad war eher einer der ruhigen Typen. Ich glaube sie hat sich in ihn wegen seiner strahlend grünen Augen verliebt, von dem Strahlen seiner Augen ist nicht wirklich viel übrig. Also, die beiden waren zusammen, bis sie schließlich mit 22 Jahren heirateten. Herr Hoffmann und seine Frau lernten sich im Studium kennen und Frau Hofester wurde während des Studiums schwanger, deshalb brach sie es auch und so entstand Blake. Mum und Dad bekamen mich mit 24 und Ethan mit 31.                                                                                                                „Cho da!“, unterbrach Ethan meine Gedanken und zeigte auf einen Vogelschwarm die wegflogen. Komisch, fliegen Vögel nicht über den Winter weg, wir haben Juli. Dad runzelte seine Stirn, ich war also nicht die einzige der das aufgefallen ist. Nach ein paar Minuten waren wir angekommen. Das kleine gelbe Haus sah ziemlich einsam aus und der Efeu wuchs auch schon ein wenig die Hauswände entlang. Der weiße Holzzaun war auch nicht mehr im besten Zustand, als ob man hier einen Zaun brauchte, und der Rasen wurde auch lange nicht mehr gemäht. Trotzdem sah es hier immer noch gemütlich aus, alt, aber irgendwie magisch. Ich fühlte mich wieder wie ein kleines Mädchen das dachte im Wald hinterm Haus leben kleine Elfen und eines Tages kommen sie und du darfst in ihrem Schloss spielen.

Ich kicherte über mich selbst und Dad sah mich komisch an.

Danach schlenderte Dad zur Haustüre und schloss sie auf. Ich holte meinen Koffer und meinen Rucksack und folgte Dad ins Haus. Alles sah so aus wie beim letzten Besuch. Da es aufgeräumt war ging ich davon aus das Annie, Dads Putzfrau gestern da war. Annie kannte ich schon seit ich klein war, sie war 30, sah aber aus wie 25 und sie hatte lockiges rotes Haar und viele Sommerssprossen im Gesicht. Früher war sie neben Putzfrau auch Babysitterin für mich und Ethan aber da wir beide jetzt bei Mum wohnen ist das ja nicht mehr nötig.

„Daddy können wir heute zum See?“, fragte Ethan. Ethan liebt den See, bei uns in der Stadt gibt es kaum ein Flecken grün, abgesehen von den künstlich angelegten Parks, deshalb ist Ethan immer ganz wild darauf am See und im Wald zu spielen. „

„Nein Ethan, heute ist es schon zu spät, aber morgen Mittag können wir gehen, okay?“, fragte Dad.

„Okay“, antworte Ethan, ein wenig enttäuscht dass sie nicht schon jetzt los konnten.

„Heute packt ihr erstmal eure Sachen aus“, sagte Dad und nahm sich schon den ersten Koffer den er hoch schleppten konnte.

Ich trottete hinter ihm die Treppe hoch und Ethan raste unten durchs Wohnzimmer.

Vor meinem Zimmer stellte Dad den Koffer ab und ging wieder nach unten zu Ethan. Ich öffnete die Tür zu meinem alten Zimmer und zog mein Gepäck hinter mir her.

Mein Zimmer sah noch genauso aus wie damals als ich es mit 8 verlassen habe. Mein Bett quillt über vor Kissen, auf meinem Tisch steht dieselbe Lampe, in meinem Bücherregal sind immer noch meine Kinderromane und die die ich hier bei meinen Besuchen vergessen habe, in der Mitte ist mein weißer Flauschteppich und an der Wand hängt mein Spiegel, an der Decke ist meine Lichterkette, ein richtiges süßes Mädchenzimmer. Ich ziehe die Vorhänge zur Seite und öffne die das Fenster, von da aus sehe ich unseren kleinen Garten mit den Stühlen und den Lichterketten in den Bäumen, dahinter mein geliebter Wald. Danach betrachtete ich mich im Spiegel, meine schulterlangen blonden Locken sind ein wenig zerzaust und mein Mascara ein wenig verschmiert. Ich trage einen grauen Rock in den ich eine altrosanes Rüschenbluse gesteckt habe, dazu meine Kniestrümpfe und schwarzen Schnürstiefel. Wie jeden Tag trage ich meine silberne Kette mit dem Vogelanhänger und meine silberne Uhr. Meine großen grauen Augen starren mich an, ich wünschte ich hätte Ethans strahlend grüne Augen oder Mums blaue, aber nein ich erbe die übernatürlich großen Augen meiner Großmutter. Mum sagt ich würde dadurch immer unschuldig und süß aussehen. Allgemein finden die Leute ich sehe so aus als müsse man mich beschützen, aber ich kann prima auf mich selber aufpassen. Erschöpft werfe ich mich auf mein Bett und schreie frustriert ins Kopfkissen, das kann aber ein toller Sommer werden. Abends essen wir alle gemeinsam zu Abend aber die Stimmung war nicht die beste, Dad wirkte schon wieder ein wenig besoffen und keiner am Tisch sagte ein Wort. Schließlich entschuldigte ich mich und rannte hoch in mein Zimmer. Ich ging in mein Bad, duschte mich, zündete Duftkerzen an und las ein Buch. Es fühlte sich null an wie Sommer, es war zu kalt dafür, vielleicht 15-17°C und viel zu langweilig. Um etwa 23 Uhr legte ich mein Buch weg und versuchte einzuschlafen, was natürlich null funktionieren wollte. Ich wälzte mich gefühlte 5 Stunden hin und her, konnte aber keine gemütliche Position einnehmen. Irgendwann, nach gefühlten 10 Stunden schlief ich doch ein, wachte aber nach gefühlten 5 Minuten wieder auf. Als ich auf die Uhr schaute war es 2 Uhr morgens, an Schlaf war nicht zu denken. Ich überlegte mein Buch weiter zu lesen, verwarf den Gedanken aber schnell wieder. Schließlich beschloss ich mir in der Küche einen Kakao zu machen, vielleicht ein bisschen Schokolade essen, vielleicht auch mehr. Ich aß eindeutig zu viel Süß kram, nicht das ich dick bin oder so, jetzt auch nicht gertenschlank oder besonders sportlich, aber ich war ziemlich klein und zierlich. Leise tapse ich aus dem Zimmer und schließe so leise ich kann die Tür. Im Flur erwartet mich gleich Darth Vader, unser alter Kater. Er ist schwarz und schon 15 Jahre alt und ich würde Darth Vader auch nicht als die verspielteste Katze der Welt bezeichnen, trotzdem streicht er zur Begrüßung um meine Beine und ich beuge mich runter um ihn zu streicheln.

„Wirst langsam fett du altes Ding?“, frage ich ihn flüsternd und halb kichernd. Nicht das Darth Vader fett ist, dieser Kater sieht so aus als würde Dad ihn nur einmal die Woche füttern, aber da er mich sowieso nicht versteht mag ich es ihn zu ärgern.

Neben Darth Vader an meiner Seite laufe ich die Treppe hinunter und gehe durchs Wohnzimmer um in die Küche zu kommen. Es roch furchtbar, Dad lag auf dem Sofa, der Fernseher noch immer an und in Dads Hand lag seine geliebte Whiskey Flasche. Ich hatte das Bedürfnisse mich zu übergeben und gleich zeitig könnte ich schreien vor Wut. Kann Dad sich nicht einmal zusammen reisen? Immer noch wütend schalte ich den Fernseher aus, schütte den Inhalt der Whiskey Flasche in die Spüle und reise die Fenster auf. Dann stampfte ich zurück in die Küche, nahm die leere Whiskey Flasche und schleuderte sie aus dem Fenster. Die Flasche zersprang in tausend Scherben und ich ahnte schon dass ich Ärger bekommen würde, spätestens wenn Dad in den Garten geht, wahrscheinlich schon früher wenn er merkt was ich mit dem Inhalt getan habe.

„Chloe?“, murmelte Dad noch im Halbschlaf. Meine Aktion mit der Flasche muss ihn wohl geweckt haben.

„Ja?“, frage ich unschuldig und drehe mich zu ihm hin.

Meine Wut verflog augenblicklich, Dad hatte sich wie ein kleines Kind zusammen gerollt und lächelte friedlich.

„Was ist passiert?“, fragte er, er kam mir vor wie ein Kind, in dem Körper eines erwachsenen.

,,Nichts nichts“, sagte ich schnelle.

Ich holte eine Decke aus dem Gästezimmer und deckte Dad damit zu. Danach ging ich wieder in mein Zimmer und kuschelte mich in meine Bettdecke, Darth Vader sprang auf meinen Tisch und veranstaltete einen Heidenlärm. Ohne groß nachzudenken nahm ich die Katze und legte mich wieder in mein Bett.

„Na mein Fetti?“, fragte ich und streichelte ihn. Als Antwort miaute Darth Vader nur kurz. Darth Vaders wärmenden Körper fest an mich gepresst schlief ich ein.

2. Kapitel

Am nächsten Morgen wurde ich von Darth Vader geweckt der meinen Arm zerkratzte.

Ich ließ ihn los und Darth Vader sprang sofort vom Bett und flüchtete aus dem Zimmer. Ich habe ihn wahrscheinlich zu sehr erdrückt.

„Hau halt ab Fetti“, schmollte ich.

Es war nicht hell, aber auch nicht dunkel.

Ich entschied mich duschen zu gehen und zog heute einen weiten flauschigen Pulli und einen Mini Rock an, meine schwarzen Schnürstiefel durften natürlich nicht fehlen. Die Teile sahen wirklich abgenutzt aus.

Als ich fertig mit duschen war, war es halb 9.

Ich wusste wirklich nicht was ich mit meiner Zeit anfangen sollte. Ethan und Dad schliefen noch und ich hatte nicht vor einen der beiden zu wecken.

Schließlich beschloss ich einen Spaziergang zu machen und vielleicht etwas fürs Frühstück zu kaufen. Als ich rausging hatte es gerade angefangen zu regnen, was verstand diese Stadt unter Sommer nicht?

Wohl oder übel musste ich rein und mir eine Regenjacke holen. Die Lust auf einen Spaziergang war mir verfangen, aber etwas einkaufen würde ich trotzdem. Da der nächste Supermarkt 1,5 km entfernt war holte ich mein geliebtes türkisenes Fahrrad aus der Garage. Nach dem ich paar Minuten gefahren bin stieg meine Laune, ich liebte den Regen. Außerdem war es ein besonders schöner Regen, es war nicht gerade kalt und es strömte auch nicht.

Nach etwa 10 Minuten kam ich bei Fresh and Good an. Der Laden war klein und gehörte Herr und Frau Johnson.

Die Tür klingelte als ich nass den Laden betrat.

,,Oh Chloe Humpfrey! Lass dich angucken, wie groß und hübsch du geworden bist“, trällerte Frau Johnson. Frau Johnson, war wie ihr Mann Anfang 50 und etwas molliger, sie war anders als ihr Mann immer gut drauf und liebenswürdig.

„Hallo Frau Johnson, schön sie wieder zu sehen!“, trällerte ich mit derselben Begeisterung wie sie. Ich war nicht sicher ob meine Begeisterung gespielt war, einerseits freute ich mich wirklich sie wieder zu sehen.

,,Chloe“, trällerte eine andere Stimme. „Ich wusste gar nicht dass du mal wieder hier bist“.

Es Frau Miller, sie war die Frau des Bürgermeisters und freute sich immer über ein wenig Klatsch und Tratsch. Sie war eine Sorte von den Frauen die sich wegen ihrer Position wie etwas Wichtiges fühlten. Wenn interessiert es wer Bürgermeister von Queensbouroug ist? Wenn interessiert überhaupt Queensbourough?

„Ja ich bin mit Ethan über die Sommerferien bei Dad“, erklärte ich ihr, diesmal war meine Begeisterung eindeutig gespielt.

„Oh Ethan, der Junge ist ja so ein Goldstück“, sagte sie mir.

„Ja nicht wahr? Schade das ich auch noch da bin, auf diese hormon gesteurten Teenager könnte man wirklich verzichten“, ich übertrieb es ein wenig mit meinem Sarkasmus.

Frau Miller spitze ihre Lippen und sah mich angesäuert an, das Gespräch war beendet. Beleidigt ging Frau Johnson zur Kasse und verließ den Laden.  

Vielleicht habe ich überreagiert, aber ich hasste diese Frau. Damals als wir wenig Geld hatten weil Dads Karriere nicht so lief, verbreitete sie überall das Gerücht das würde daran liegen weil Dad das ganze Geld für Drogen ausgab. Dad war ein Säufer, aber er war schlau genug um keine Drogen zu nehmen. Und als ich letztes Jahr für paar Wochen wieder hier auf die Schule ging, weil Mum beruflich unterwegs war, erzählte sie jedem Mum habe mich bei Dad abgeschoben weil ich schwanger war.  

Ich hörte Frau Johnson leise kichern und unwillkürlich musste ich auch lächeln, niemand konnte diese Frau wirklich leiden. Als ich meinen Einkauf beendet habe, 6 Eier, Milch, Orangensaft, eine Sternenfrucht und Müsli, machte ich mich wieder auf den Weg nach Hause.  

Auf dem Weg kam ich beim Haus der Hoffmanns an. Blake war gerade rausgekommen um die Zeitung zu holen. Seine Haare waren schwarz, genauso wie seine Augen und er hat wohl beschlossen sich einen Dreitagebart wachsen zu lassen.

„Hei“, rief ich ihm zu.

Blake drehte sich zu mir um und wiederholte meine Worte: ,,Hei“.

Er sah irgendwie anders aus, viel erwachsener als bei meinem letzten Besuch. Blake ist 5 Jahre älter als ich und war früher, als ich und Ethan noch hier gelebt haben, wie ein großer Bruder für mich. Seitdem aber ist unser Verhältnis nicht das Beste. Ich wollte so gerne mit ihm reden, aber ich glaube nicht dass das die beste Idee wäre.

Also radelte ich die etwa 200 m weiter und ging wieder ins Haus.

„Hallo, bin wieder da“, verkündigte ich, nicht sicher ob überhaupt jemand gemerkt hatte dass ich weg war.      

Keine Antwort.

Ich stellte meinen Einkauf in der Küche ab und sah auf dem Weg Dad wie er gebannt den Fernseher anschaute.

Es liefen Nachrichten über Aufstände in Südamerika und Asien. Die Preise sind explodiert, die Löhne gleich geblieben. Man zeigte ein Interview mit einer Mexikanerin die sich beklagte dass sie keine neuen Möbel kaufen konnte weil alles doppelt so teuer geworden ist. Eine andere Frau weinte weil das Essen so teuer war und ihr Einkommen zu klein war um ihre Kinder zu ernähren.

„Sie hatten Recht“, murmelte Dad und ging in die Küche und ich beobachtete ihn wie er sich eine Rumflasche holte. Die Nachrichten verwirrten mich und ich schaltete den Fernseher aus.

Dad war mit seiner Rumflasche in seinem Zimmer verschwunden und ich beschloss Frühstück für mich und Ethan zu machen. Ich deckte den Tisch und heute stand auf der Speisekarte, Müsli, eine in Scheiben geschnittene Sternenfrucht und Orangensaft. Ethan spielte im Garten als ich ihm sagte unser verspätetes Frühstück war fertig.

„Cho Daddy hat gesagt heute gehen wir zum See“, erzählte Ethan mir aufgeregt.

Ich runzelte die Stirn, Dad mit der Rumflasche am See, hörte sich nicht besonders prickelnd an. Trotzdem, eine Stunde später waren die beiden aufgebrochen und ich blieb alleine zurück. Ich ließ mich aufs Sofa plumpsen und Darth Vader sprang auf meinen Schoß.

„Jetzt kommst du wieder angelaufen?“, fragte ich und streichelte ihn gleichzeitig.

Paar Minuten später klingelte das Telefon, Mum. Sie fragte wie es uns geht, gut, was wir machen, Ethan und Dad sind am See, dass sie uns vermisst, wir auch, hast du die Nachrichten gesehen, ja, tschüss, tschüss.

 

 

Die nächsten Tage verliefen alle gleich, ich ging jeden Morgen einkaufen, Annie kam jeden 3. Tag, Ethan wollte so oft es ging raus, Dad betrank sich. Erst am 10 Tag war etwas komisch, es gab kaum noch Früchte im Supermarkt.

„Und wann glauben sie kommt die nächste Lieferung?“, fragte ich.

„Oh Kind ich weiß es nicht, eigentlich sollte schon gestern alles ankommen“, beklagte sich Frau Johnson. „Vielleicht gehst du heute in die Innenstadt und kaufst dort alles. Es tut mir leid aber was soll ich machen?“

Ich befolgte Frau Johnsons Rat und machte einen Großeinkauf, ich hatte nicht Lust jeden Tag so lange zu fahren, im einzigen großen Supermarkt den es hier gibt.

Im Supermarkt sah ich Blake wieder, sein Einkaufswagen quirlte über von Konserven.

„Haben deine Eltern wieder beschlossen dass morgen die nächste Eiszeit anbricht?“, fragte ich ihn im Versuch witzig zu sein. Hinterher gab ich noch ein dämliches Kichern von mir, dämliches, dämliches Kichern.

„Tja vielleicht würden sie das tun wenn sie noch am Leben wären“, fauchte Blake und fuhr mit seinem Einkauf fort.

Die Hoffmanns waren tot?

Wieso hat Dad mir das nie gesagt?

Seit wann sind sie tot?

Wie sind sie gestorben?

Als ich wieder zu Hause war fragte ich Dad genau das.

„Chloe, die Hoffmanns sind vor 3 Monaten bei einem Autounfall gestorben. Was würde es dir bringen wenn ich dir es sage?“, sagte er.

„Was würde es mir bringen? Ist das dein verdammter Ernst? Dad vielleicht betrifft es mich auch! Ich kenne diese Leute seid ich geboren bin und du erzählst mir nicht das sie tot sind!“, schreie ich ihn an. Obwohl ich erst gerade angekommen bin, will ich sofort wieder weg. Wütend renn ich aus dem Raum und schlage die Tür hörbar zu.

„Es tut mir leid“.

Hatte ich mir das nur eingebildet? Ich war mir nicht sicher so leise habe ich es gehört. Und sogar wenn Dad sich entschuldigt hätte, dass würde trotzdem nichts wieder gut machen. Ich schleiche mich aus dem Hintereingang raus und renne in den Wald. Wo ich hinlaufe ist mir egal, ich will einfach nur weg. Und obwohl alle Bäume gleich aussehen weiß ich dass ich mich hier nicht verlaufen kann, ich kenne diesen Wald besser als sonst einer. An einem ruhigen Plätzchen lass ich mich nieder und keuche erst mal eine Weile vor Anstrengung. Wie lange bin ich gerannt, 10 Minuten? Mehr? Spielt es eine Rolle? Nein.

3.Kapitel

 

Nervös zappte ich durch die Kanäle und wartete bis die Nachrichten um 5 anfangen würden. Mum und Miles sind gestern nach Bangkok geflogen, der Angang ihrer Asientour. Wegen der Aufstände in Asien und Amerika machte ich mir sorgen, die Situation hat sich natürlich beruhigt, sogar die meisten Südamerikaner akzeptierten die Situation. Ich bin froh dass bei uns noch alles normal ist, abgesehen von dem Laden der Johnsons. Frau Johnson bekommt nur noch Sachen geliefert die hier in Europa produziert wurden, tschüss Sternenfrüchte, tschüss Mangos, tschüss Bananen. Naja ganz verabschieden müssen wir uns nicht ganz, aber ich muss länger fahren.

Ich weiß nicht ob ich so etwas hinnehmen könnte, einfach so, ohne einen Grund zu nennen, stiegen die Preise von praktisch allem um 50%.

Auf dem Bildschirm leuchtete groß News. Zuerst sprach die Reporterin über belanglose Dinge, dann als die Rede von Asien war, hielt ich aufgeregt denn Atmen an. Sie erzählte dass es nur noch einzelne Proteste gibt aber ansonsten sei das Thema vergessen. Erleichtert atmete ich aus, Mum passiert nichts. Trotzdem, nur zur Sicherheit, rief ich bei ihr an.

„Mum?“

„Chloe?“, fragte sie. Ich war so erleichtert ihren Namen zu hören dass ich am liebsten abknutschen würde.

„Wieso rufst du an? Es ist mitten in der Nacht“. Verdammt, ich habe die Zeitverschiebung völlig vergessen. Plötzlich kam ich mir ziemlich dumm vor. Die Nachrichtensprecherin sagte das Thema sei vergessen, also was regte ich mich auf?

Doch eine kleine Stimme in meinem Kopf schrie mich an: Nichts ist vergessen Chloe! Nichts!

Ich belendete meine Gedanken aus, Mum geht’s gut.

„Tut mir leid, ich hab mir nur Sorgen gemacht, wegen den ganzen Protesten und so…“, am Ende wurde meine Stimme so leise das Mum sie niemals hätte hören können. So dumm, so dumm!

„Ach Chloe Schätzchen, uns geht’s echt prima. Bangkok ist beeindruckend, dass solltest du mal sehen. Und die Nachrichten verdrehen doch alles. Wirklich, du musst dir keine Sorgen machen“, erklärte sie mir als würde sie mit einem Kleinkind sprechen.

„Versprochen?“, fragte ich. Ich führte mich wirklich auf wie ein Kleinkind.

„Versprochen“, Mum seufzte und ich war mir ziemlich sicher dass sie gerade ihre Augen verdrehte.

Ohne ein weiteres Wort legte sie auf.

Danach wusste ich nicht was ich machen sollte, also machte ich mir Sorgen wegen Blake. Wenn es jemals eine Chance gegeben hätte das wir wieder Freunde werden, habe ich sie gestern verbockt. Also kümmerte ich mich stattdessen um meine aktuellen Freunde und rief sie an. Auf keiner der Gespräche konnte ich mich richtig konzentrieren, es interessierte mich einfach nicht. Ich glaube das war der Moment als ich kapierte das ich gar keine richtigen Freunde hatte. Und das schlimmste war, es machte mir nichts aus.

 

Dad und Ethan sind in die Stadt gefahren weil Ethan seine Schuhe zu klein geworden sind. Der Junge hat endlich angefangen zu wachsen, in einem Moment war er noch so klein das du ihn locker hochheben konntest und im nächsten kann er dich hochheben. Okay das war jetzt übertrieben, sehr übertrieben. Seine Schuhe sind einfach zu klein geworden. Ich langweilte mich hier zu Tode, der einzige der mir Gesellschaft leisten möchte ist Darth Vader. Aber nachdem ich ihn eine halbe Stunde geknuddelt und geknutscht habe hatte auch er genug von mir. Also beschloss ich irgendetwas zu backen, ich hatte richtig Lust auf etwas Süßes. Ich nahm mir das erst beste Rezept das ich finden konnte und schrieb mir alle Zutaten auf eine Einkaufsliste. Gerade als ich aus dem Haus gehen wollte kam Annie herein.

Ich wusste gar nicht das sie einen Schlüssel hatte, naja jetzt weiß ich es ja.

„Hey Chloe“, begrüßte sie mich und umarmte mich überschwänglich.

Annies positive Ausstrahlung färbte ein bisschen auf mich ab den ich lächelte sie fröhlich an.

„Wohin gehst du?“, fragte sie mich.

„Ich wollte was backen, mir ist ziemlich langweilig“-kurze Kicher Pause-„Und ich brauch noch ein paar Zutaten deshalb wollte ich einkaufen gehen“.

Ich weiß nicht wann ich angefangen habe zu kichern, aber in letzter Zeit mache ich das ständig.

„Wenn du 2 Minuten wartest können wir zusammen fahren. Ich wette dein Vater braucht noch ein paar Sachen“.

„Okay“, sage ich lächelnd.

Annie schaute sich kurz den Kühlschrank an und ging dann wieder zu mir. Sie wurde wahrscheinlich zum Mädchen für Alles befördert.

„So lass und losfahren“, sagte sie mit einem Strahlen.

Während der Fahrt erzählte ich ihr alles Mögliche was so in London passiert ist und sie hört mir aufmerksam zu. Anschließend berichtete sie mir über den heißesten Tratsch in Queensbourough. Da das Leben hier ziemlich ätzend sein kann, tratschen die Leute hier ziemlich viel.

„Luisa Smith hat letzten Monat geheiratet, mit 16!“, erklärt sie mir ganz aufgebracht.

„Sicher? Luisa?“, frage ich. Luisa ging mit mir in die 1-3 Klasse, bis wir umzogen, sie war immer ziemlich ruhig und schüchtern.

„Ja anscheinend ist sie schwanger und ihre Eltern wollen auf keinen Fall ein uneheliches Enkelkind“, sagte Annie.

Das mit dem schwanger könnte natürlich erfunden sein, ich hatte da ja so meine Erfahrungen. Trotzdem war es komisch wie du das Gefühl hast eine Person zu kennen und dann tut sie etwas und du hast das Gefühl sie nie gekannt zu haben.

 

Langsam klapperte ich meine Liste ab, die Hälfte hatte ich schon, was ziemlich jämmerlich ist da die Liste nur 6 Sachen beinhaltet. Ich ging am Obststand vorbei und hatte Lust mir noch was Gesundes zu kaufen, so als Ausgleich zum Kuchen. Aber an der Obsttheke fand ich keine Orangen. Verwirrt stand ich wahrscheinlich 5 Minuten lang da und stand die Leere Stelle im Regal an wo normaler weiße die Orangen sind.

„Suchen Sie etwas?“, fragte mich eine freundliche Verkäuferin. Sie war dunkelhäutig, kleiner als ich und lächelte mich freundlich an.

Eine Weile starrte ich sie mit offenem Mund an, dann stotterte ich: „Orangen, ähm, wo sind die Orangen?“

Nachdem die Verkäuferin sich eine Weile das Probleme betrachtete hatte wusste sie auch nicht weiter und fragte schließlich den Filialleiter. Dieser verkündete äußerst mürrisch dass es Orangen nicht mehr erhältlich, da die Portugiesen einen unwirtschaftlichen Preis dafür verlangen und währenddessen schaute er mich anklagend an, so als wäre ich dafür verantwortlich.

„Ja dann kaufen sie doch ihre Orangen bei einer neuen Plantage ein“, fuhr ich ihn an.

„Als ob irgendjemand dafür Zeit hätte! Die Preise steige enorm!“, schrie er mich beinahe an. „Wenn ich ehrlich bin warte ich nur noch auf den Tag an dem die Leute hier auf die Straßen gehen und protestieren!“

Im ersten Moment verstand ich die Bedeutung seiner Worte nicht und als ich sie verstand wünschte ich, ich würde sie wieder vergessen. Es ist nicht nur Asien und Südamerika, es ist die ganze Welt. Und in diesem Moment kapierte ich das es auch uns betrifft.

 

Was ich ihm nächsten Moment tat, kann ich immer noch nicht ganz nachvollziehen. Wie eine Verrückte schmiss ich alles in den Einkaufswagen was sich in die Reichweihte meiner Hände kam. Fertigsalate? Habe ich noch nie leiden können! Nehme ich mal alle mit! Spinat? Davon muss ich kotzen. Gibt es noch mehr? Je mehr ich in den Einkaufswagen schmiss desto panischer wurde ich. Nicht genug, nicht genug. Als der Wagen schließlich voll war konnte ich gar nicht schnell genug zu Annie rasen.

„Du backst aber einen großen Kuchen“, stellte sie fest und hob ihre Augenbraue.

„Keine Orange! Wir brauchen mehr! Annie nimm alles mit was du kannst! Es gibt keine Orangen mehr!“, flüsterte ich ihr zu. Ich wollte nicht dass jemand anderes uns belauschte und womöglich vor mir alle restlichen Erbsen in der Dose wegnahm.

„Chloe was für Orangen?“, fragte sie während sie mich anschaute als wäre ich verrückt geworden. Die ganze Sache war verrückt. Ich war verrückt. Was rege ich mich wegen so ein paar Orangen auf? Aber es waren nicht nur die Orangen, es war auch der Laden von Frau Johnson und ich wusste dass es noch mehr war. Trotzdem, die Sache war zu absurd.

Wegen so ein paar Orangen will ich mir 10 Packungen Schinken kaufen, ich hasse Schinken! Annie redete beruhigend auf mich ein und half mir alle Sachen wieder in die Regale zu füllen. Nur widerwillig trennte ich mich davon, obwohl ich vielleicht überreagiert habe, obwohl ich eindeutig überreagiert habe, schrie ein kleiner Teil von mir mich an:

Was tust du da? Weißt du den nicht was kommen wird?

Ich ignorierte die kleine Stimme in meinem Kopf und lief wie in Trance neben Annie her, was genau geschah nahm ich nicht mehr war. Alles was ich denken konnte war: Es betrifft uns alle. Es betrifft uns alle…

 

Während der Autofahrt sagte ich kein Wort, ich schämte mich viel zu sehr. Ab und zu schielte Annie zu mir rüber und sah mich abschätzend an. Obwohl ich ihre Blicke spüren konnte, sie brannten praktisch auf meiner Haut, starrte ich weiter grade aus auf die Fahrbahn.

Es betrifft uns alle“, echote es in meinem Kopf.

Als Annie das Auto vor das Haus parkte drehte sie sich zu mir um und wartete bis ich sie anschaute. Ihre Blicke brannten nicht mehr, taten kaum weh. Alles was ich verspürte war Scham. Annie würde nicht locker lassen, das wusste ich, vielleicht würde sie mich 10 Stunden anstarren und warten bis ich sie angucke.

„Annie ich weiß ich muss dir echt verrückt vorkommen aber naja jetzt wo in Amerika und Asien die Preise so gestiegen sind fragte ich mich einfach, worauf warten wir eigentlich noch? Los kaufen wir uns so viel wie möglich solange es noch billig ist“, hörte ich mich sagen, den Blick immer noch auf die Straße. Meine Stimme klang normal, ehrlich und die weiße wie ich es sagte lies den Inhalt irgendwie logisch rüberkommen. In mir sah es allerdings anders aus.

„Es betrifft uns alle!“, schrie und wirbelte es in meinem Kopf. Es waren nicht nur die Preise, ich kann es spüren, es war mehr als nur das.

Am liebsten würde ich aus dem Auto stürmen und einfach wegrennen. In meinen Gedanken tat ich das bereits, ich stellte es mir vor und doch wusste ich dass ich es nicht tun würde, einfach weil man so etwas nicht macht. Ich weiß nicht wieso ich es mache, es beruhigt mich nicht einmal, es machte es sogar nur noch schlimmer. Manchmal stelle ich mir vor einfach alles umzuwerfen, während des Unterrichts einfach abzuhauen ohne jede Erklärung, mitten in einem Restaurant aufzustehen und zu schreien. Natürlich mache ich es nie, aber oft frage ich mich, was wäre wenn ich es einfach tun würde? Genauso wie jetzt, was wäre wenn? Doch wie immer bleibe ich ganz ruhig sitzen höre mir an was Annie zusagen hat und nicke.

„Chloe wenn du irgendwelche Probleme hast kannst du immer zu mir kommen“, sagt Annie.

Ich nicke, ja ich nicke aber nein ich werde nicht zu dir kommen. Und dann schaut mich Annie mit diesem Blick an den ich am meisten hasste. Mitleid. Annie hat Mitleid mit mir. Ich wollte kein Mitleid, meiner Meinung war dass die größte Erniedrigung. Ach Chloe die Arme, sie ist so ein hoffnungsloser Fall, sie tut mir so leid. Im Versuch zu Lächeln ziehe ich eine Grimasse und sagte Annie ich will noch etwas spazieren gehen während sie Dads Haus in Ordnung bringt.

Da stehe ich also, total verstört, am Rande des Wahnsinns wegen ein paar Orangen.

4. Kapitel

„Na Fetti? Schön dass du beschlossen hast um 4 Uhr morgens auf meinen Bauch zu springen“, flüsterte ich Darth Vader zu während ich ihn an meine Brust presste. Er protestierte nicht einmal, wahrscheinlich als Wiedergutmachung dass er mich geweckt hat. Ich hörte sein kleines Herz schlagen und ich fragte mich wie ich nur die letzte Zeit ohne mein Fetti leben konnte. Und ich fragte mich auch wie ich nach den Sommerferien wieder ohne ihn leben soll. Aber ich hielt mich nicht lange mit diesen Gedanken auf, denn bald würde mir Darth Vader wieder auf die Nerven gehen. In einem Moment liebte ich ihn noch heiß und innig, im nächsten beißt er mir in den Finger und ich freue mich schon wenn ich ihn nicht mehr jeden Tag ertragen muss. Nach dem ich Darth Vader wieder zu sehr erdrückte waren seine Schuldgefühle wohl schon verflogen denn er miaute wieder und versuchte aus meinem Würgegriff zu entkommen. Ich ließ ihn los und er verschwand so schnell wie er gekommen war. Dans seufzte ich, mehrmals. Da ich jetzt unmöglich wieder einschlafen konnte, ging ich mich duschen und ließ den letzten Tag noch einmal Revue passieren. Wie konnte ich nur so durchdrehen? Es betrifft uns alle.

Ich beschloss den letzten Tag zu vergessen, okay ich bin ausgetickt, na und? Nach dem duschen zog ich mir ein kurzes Blümchenkleid und alte braune Schnürstiefel an. Meine geliebten schwarzen musste ich im Schrank lassen, die beiden Sachen sahen zusammen irgendwie albern aus. Eine Weile blieb ich stumm stehen, in meinem Zimmer war es erstickend heiß, aber ich genoss die Stille des Hauses. Um 5 Uhr morgens frühstückte ich dann, völlig normal, in den Sommerferien, ich könnte eigentlich ausschlafen, aber nein, ich frühstücke lieber. Ich war mal wieder besonders kreativ den es gab Müsli. Mal wieder gab ich ein kichern von mir worauf ich mir auf die Zunge biss. Hör auf zu kichern! Wie alt bist du? 6? Weil ich mal wieder keine Ahnung hatte was ich mit meinem Leben anfangen soll beschloss ich draußen spazieren zu gehen. Die Luft war angenehm kühl und ich schien die einzige sein die draußen zu sein schien. Der Wind schien all meine Sorgen und schmerzen davonzuwehen und ich fühlte mich belebt und glücklich. Am liebsten würde ich lachen aber ich hatte Angst die Stille zu unterbrechen, dann dachte ich ach scheiß drauf und ich lachte laut auf. Sollte mich jemand beobachten, hielt er mich wahrscheinlich für eine Verrückte, früh morgens stand ich da und lachte mir den Arsch ab. War ich das nicht? Eine Verrückte? Ich hatte mal gehört das jeder, verrückt ist und wenn du denkst das jemand nicht verrückt ist, kennst du ihn einfach nur nicht gut genug. Ich glaub das war aus einem Buch, nicht genauso formuliert, aber der Sinn war der gleiche. Für mich machte das Sinn, ich meine jeder ist doch in irgendeiner Form anders als andere. Manche mehr, manche weniger. Also hörte ich auf mir Sorgen zu machen ob ich verrückt bin, oder einfach so wie jeder andere, sondern schnappte mir mein Fahrrad und fuhr einfach der Nase nach. Manchmal stellte ich mir vor einfach meinen Rucksack zu packen, mir mein Rad zu schnappen um abzuhauen, nicht für lange, nur ein paar Tage um zu gucken wie lange ich durchhalte. Ich bin schon oft eine Liste durchgegangen mit Sachen die ich mitnehmen würde, nur zum Spaß. Es war klar dass ich nicht einfach abhauen würde, meine Eltern würden sich Sorgen machen und ich kann danach auch nicht einfach zu Hause antanzen uns sagen: So jetzt bin ich wieder da. Außerdem wäre es viel zu kompliziert zu erklären warum ich abgehauen bin.

„Ich wollte es einfach mal ausprobieren“, sagte ich immer in meinen Gedanken und jedes Mal schaute mich mein Gedankengegenüber von oben herab an. Also ließ ich es, genauso wie ich es lies einfach Sachen umzuwerfen und aus dem Klassenzimmer zu rennen. Meine dümmsten Gedanken waren aus dem Fenster zu springen, ich wollte mich nicht umbringen oder so, ich wollte nur wissen ob ich es schaffe. Natürlich nicht aus dem 10. Stock oder so, da musste ich es nicht einmal ausprobieren, es war klar dass ich es nicht schaffen würde, aber manchmal stellte ich mir vor die Fenster meines Zimmers im 2. Stock einfach aufzureißen und zu fliege. Der Grund wieso ich es nicht tat war nicht Angst, zum Teil auch, aber der eigentliche Grund war, wie sollte ich es erklären, höchstwahrscheinlich würde ich nach so einer Situation in ein Heim für Suizidgefährdete kommen. Und eigentlich konnte man es nicht erklären, ohne das es sich komplett geistesgestört anhört. Der Grund wieso ich das alles tun wollte, war weil ich wissen wollte ob ich es kann, weil ich wissen wollte wie alle anderen reagieren würde wenn ich nicht das tat was normal war, was von mir erwartet wurde. Manchmal fühle ich mich wie in einem Gefängnis und alles was ich möchte ist schreien und einfach davonzufliegen. Solche Gedanken sind natürlich egoistisch, ich lebe in einer modernen Welt, muss nie hungrig ins Bett gehen, habe immer ein Dach überm Kopf, aber trotzdem fühlte ich mich gefangen. Oft stelle ich mir vor wie es ist zu fliegen. Ist es schön? Ist es beängstigend? Ist es anstrengend? In meinen Gedanken versunken merkte ich gar nicht wie schnell ich fuhr, ich war ganz außer Atem und schon mehrere Kilometer gefahren. Ich blieb zitternd stehen und mir war schlecht. Werde ich gleich kotzen? Oder weinen? Ich würde weinen dem kotzen eindeutig vorziehen. Weinen ist schön, es befreit einen auf irgendeine Art und weiße und es zeigte mir dass ich Gefühle hatte. Ich weiß es ist verrückt, aber manchmal habe ich Angst dass ich keine Gefühle mehr habe. Und ich habe vor so vielem Angst und doch liebe ich die Angst, sie zeigte mir dass ich am Leben war. Und dann kotzte ich, ich hatte noch genügend Zeit mir einen Busch zu suchen. Mein Blut rauschte in meinen Ohren und ich wusste nicht wieso aber ich hatte das Gefühl gleich durchzudrehen. Und ich wollte schreien und weinen, schlagen und alles kaputt machen, fallen und fliegen. Ich wollte einfach alles. Dann wischte ich meinen Mund ab, stieg auf mein Fahrrad und fuhr wieder zurück. Ich ließ diesen Moment hinter mir, in dem ich mich fühlte als wäre ich ich und ich kehrte wieder zurück in meinen Käfig. Und das war noch eine Angst von mir, dass ich vergesse wer ich bin und das zeigte mir dass ich am Leben war.

 

5. Kapitel

Total verschwitzt kam ich zu Hause an. Als ich die Tür öffnete hörte ich den Fernseher laufen und ich wie die Fliegen vom Licht angezogen wurden, zog mich der Fernseher an. Aber werden wir Menschen nicht auch vom Licht angezogen? Wenn du in einem Tunnel stehst und siehst ein Licht, wohin gehst du? Wenn du im dunklen Wald bist und siehst ein Licht, wohin gehst du? Wenn du nachts auf der Straße bist und siehst eine Laterne, wohin gehst du? Und so ging ich zu meinem Licht, dem Fernseher und sah dort Ethan und Dad sitzen. Die beiden sahen irgendwie total normal aus, ganz anders als ich mich im Moment fühlte. Ich hätte nie gedacht das ich Dad einmal als normaler sehe als mich selbst, so tief bin ich also schon gesunken. Aber dann dachte ich wieder an die Hoffmanns, daran das Dads einziger Freund gestorben ist, das seine Frau ihn verlassen hatte und das seine Kinder auch weg waren und nur in den Ferien bei ihm waren und dass sie nicht einmal gerne. Und irgendwie verstand ich Dad, würde ich mich nicht auch volllaufen lassen? Ich setze mich zu meinem normalen Dad und dem normalen Ethan, die eigentlich gar nicht normal waren weil niemand normal ist. Zu meiner Überraschung stellte ich fest dass die beiden Nachrichten schauten.

„Hei Cho“, sagte Ethan der mich erst bemerkte als ich mich neben ihn hockte. Die beiden haben wahrscheinlich gar nicht bemerkt dass ich weg war und ich war ein wenig beleidigt.

„Wo warst du?“, fragte Dad mich schließlich und meine Minderwertigkeitskomplexe verflogen.

„Ähm spazieren“, sagte ich so locker wie möglich. Oh mein Gott Chloe du bist wirklich die Verrückte!

Dad war mit der Antwort zufrieden und ich bemerkte einen leichten Geruch nach Alkohol. Irgendwie war ich erleichtert, Dad ist doch nicht normal, er hat immer noch ein krasses Alkoholproblem. Erleichtert doch nicht als einzige Verrückt zu sein, widmete ich dem Fernseher, meinem Licht, meine völlige Aufmerksamkeit.

Zuerst wurde von allem möglichen dummen Zeug berichtete dann wurden die Nachrichtensprecher ganz ernst und erzählten von Ausnahmezuständen auf der ganzen Welt.

Es betrifft uns alle.

Hä? Was für ganze Welt? Hallo? Bei uns ist doch alles normal, okay abgesehen von den Orangen und das eine gewisse Chloe Humpfrey immer kurioser zu werden scheint.

Und dann hatte ich das Gefühl gleich umzukippen, überall Proteste, überall! Amerika, Kanada, England, Frankreich, Deutschland, China… Es lag aber nicht daran das die Preise in die Höhe schossen, nein, tausende Arbeitslose. Was für tausende, Millionen! Firmen gingen Pleite, nach und nach immer mehr. Zuerst kleine was niemandem wirklich auffiel, dann immer mehr. Frauen und Kinder weinten, konnten ihre Miete nicht mehr zahlen, wollten eine Erklärung. Und ich auch! Spielten wir jetzt Wirtschaftskriese auf der ganzen Welt? Ehrlich gesagt hatte ich keine Lust mitzuspielen. Ich schaute zu Dad, er sagte kein Wort sondern presste seine Lippen nur fest aufeinander, Ethan sah ein wenig verwirrt aus. Wieso merken wir das erst jetzt? Okay, ich hatte die Antwort, wir sind in Queensbourough, der letzte Ort der mitbekommen würde das die Welt durchdreht. Und Mum? Musste sie nicht irgendetwas bemerkt haben? Dann fiel mir auf das ich schon lange nicht mehr mit Mum telefoniert habe. Panisch raste ich zum Telefon und wählte ihre Nummer. Wie konnte ich mir Sorgen darüber machen das in einem Käfig lebe? Mach dir leiber Sorgen um die Millionen Familien die jetzt Arbeitslos sind! Ich wartete schon 7 Sekunden und Mum ist immer noch nicht an ihr Handy gegangen, meiner Meinung nach brauchte sie viel zu lange.

„Ja?“, hörte ich die Stimme meiner Mutter vorsichtig fragen.

„Mum, du weißt ja gar nicht was wir gerade gesehen habe. Oh Mum ich habe mir solche Sorgen gemacht. Hast du das auch mitbekommen“-ich redete wie ein Wasserfall bis mich Mum unterbrach.

„Chloe ich und Miles wurden gefeuert“, presste sie hervor. Für einen Moment war ich zu geschockt um etwas zu sagen.

Es betrifft uns alle. Und ich glaube das war der Moment in dem ich wirklich kapierte das es uns alle betrifft, es waren nicht die Orangen, nein jetzt verstand ich endlich den Sinn dieser Worte.

„Oh mein Gott, Mum das tut mir so leid“, stammelte ich. Ich war froh überhaupt etwas sagen zu können. Atme Chloe, atme.

Es betrifft uns alle. Es betrifft uns alle. Es betrifft uns alle.

Die Wörter rauschten in meinem Kopf, viel schlimmer als beim ersten Mal. Atme Chloe, atme! Ich verabschiedete mich von Mum und legte auf. Dann raste ich in die Küche und trank etwas, spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht.

„Chloe alles in Ornung?“, fragte mich Ethan kleinlaut der ganz verängstigt auf dem Sofa hockte, neben Dad der immer noch wie gebannt den Fernseher anstarrte.

„Ja klar“, sagte ich und ging leicht benommen zum Sofa zurück.

Dann sah ich Dad an und sagte: „Mum wurde gefeuert“.

 

Den ganzen Tag lang lümmelten wir vor dem Fernseher herum, so wie die restliche Welt wahrscheinlich auch. Wir wurden von vielen angerufen die uns fragten ob alles in Ordnung sei, genauso wie wir viele anriefen. Emma, wahrscheinlich meine beste Freundin, aber immer noch keine Richtige, erzählte mir weinend das ihre Eltern beide entlassen wurden und ich sagte ihr wie leid es mir tat, was es natürlich nicht tat. Okay, natürlich tat es mir leid, aber nicht mehr und nicht weniger wie mir die Leute in den Nachrichten leid taten. Irgendwann gegen Mittag verkündete irgendein Wissenschaftler, von dem ich noch nie etwas gehört habe, eine Theorie weshalb so viele Firmen den Bach runter gehen und weshalb alles übertrieben teuer wird.

„Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit“, fing er.

Was war nur eine Frage der Zeit? Komm endlich auf den Punkt! Ich wollte diesen Mann am liebsten erwürgen und könnte man Leute durch den Fernseher erwürgen, ich hätte es gemacht.

„Wir Menschen verbrauchen so viele Ressourcen das wir eigentlich 3 Erden benötigen würden. Es gab genügend Warnungen die uns eigentlich aufwecken sollten, wie z.B. die Globale Erderwärmung, es wurde darüber berichtet und jeder wusste davon aber jeder verschloss die Augen vor dem Offensichtlichem. So wie wir jetzt leben, können wir nicht weitermachen, wir saugen der Erde alles aus was sie hat, zerstören sie, aber jetzt ist es vermutlich schon zu spät. Wir wussten das wir die Erde zerstörten, aber niemand war bereit auf irgendetwas zu verzichten, nein wir wollten immer mehr. Tatsache ist es gibt nicht mehr.“

Was? Es gibt nicht mehr? Willst du mich verarschen? Ich war ganz kurz davor es doch auszuprobieren ob man Menschen durch den Fernseher erwürgen konnten.

„Tatsache ist das alle Preise steigen und alle Firmen schließen, weil es einfach fast nichts mehr gibt. Und das was wir haben wird einfach nicht reichen. Ich spreche nicht dass wir eine Weile nur noch abends das Licht einschalten können oder die nächsten 10 Jahre mit unseren jetzigen Möbeln auskommen zu müssen. Nein ich spreche davon dass wir 7 Milliarden Menschen auf der Welt sind und dass was wir haben nur für 4 Milliarden reicht. Ein paar Jahre würden wir durch kommen, aber wenn wir wirklich die Existenz unserer Spezies sichern wollen, müssen wir unsere Ressourcen gut einteilen und dennoch, es würde nur für 4 Milliarden reichen“.

4 Milliarden. Klingt nach einer großen Zahl. Sag das den anderen 3 Milliarden.

 

Und ohne zu wissen was ich mache, schieße ich vom Sofa hoch. Ich sehe nur Dad an, auf seinem Gesicht spiegeln sich 100 Emotionen und ich habe Angst dass er gleich in die Küche rennt und seine Whiskey Flasche holt.

Also schrie ich ihn an: „Dad! Wir müssen sofort zum Supermarkt, alles mitnehmen was wir können. Lass Ethan hier. Dad jetzt!“

Dad tat was ich ihm sagte und wir setzen uns ins Auto. Wir beide sprachen während der Fahrt kein Wort. Zu viele Gedanken. Zu viele. Ich kann keine richtig einordnen, außer einen.

Es betrifft uns alle.

Die Worte klingen wie Schluchzer. Ich wünschte ich könnte weinen, aber ich sitze nur ganz gerade da, unfähig mich zu bewegen, unfähig zu sprechen. Atmen Chloe, atmen.

Viel zu schnell sind wir am Supermarkt angekommen.

„Dad hol einen Einkaufswagen und schmeiß so viele Sachen rein wie du kannst. Am besten sollten sie lange halten“, sage ich mit ruhiger Stimme, innerlich wütet ein Tornado.

Dad nickt und auch ich bewaffne mich mit einem Einkaufswagen. Drinnen angekommen merke ich das wir nicht die einzigen sind die ihre Einkaufswagen vollstopfen, 4 andere Leute rennen hektisch herum. Ich mache mir nicht weiter sorgen, sie werden mir schon nicht alles wegnehmen. Was mir wirklich Sorgen macht ist wie lange ich an der Kasse warten muss. Und jetzt, in so einer unpassenden Situation, in der ich das Gefühl habe ich würde gleich umzukippen, kichere ich. Mein kleiner hysterischer Anfall dauerte nicht lange, danach machte ich mich auf dem Weg und holte Vitamine, Pflaster, Toilettenpapier, Streichhölzer, Tampons, Schokolade,… bis wirklich nichts mehr in den Einkaufswagen passt. Ich suche Dad und in dem Moment bemerke ich das aus den 4, 20 Menschen geworden sind und es kommen immer mehr. Hektisch rase ich zur Kasse, ich werde Dad schon irgendwie finden. Das tat ich nicht aber ich zahlte einfach mit meiner Karte, wann Dad mir das Geld zurückgeben würde, oder ob er das überhaupt tut, war mir eigentlich ziemlich egal. Ich schmiss alles quasi in den Kofferraum und raste dann wieder rein um Dad zu finden. Es waren ziemlich viele Leute da, ich hatte das Gefühl ganz Queensbourough war hier. Mir wurde in die Rippen geschlagen, Leute prügelten sich um eine Flasche Ketchup und ich wurde die ganze Zeit hin und her geschupst. Ich wollte einfach nur Dad finden und weg von hier, auch wenn wir nicht genügend hatten, ich war nicht bereit dabei draufzugehen den Kampf um die Ketchup Flasche zu verlieren. Wo war Dad? Überall waren Menschen, viel zu viele, die meisten erkannte ich, manche hatte ich noch nie zuvor gesehen. Irgendwo in einer Ecke sah ich die angeblich schwangere Luisa Smith zusammen gebrochen in einer Ecke weinen. Aber wo war Dad?

Ich rief seinen Namen: „Dad! Dad!“

Atme Chloe, atmen!

Irgendjemand krachte mit seinem Einkaufswagen gegen mich. Mein Kopf kam unsanft auch dem Boden auf. Alles drehte sich. Atmen Chloe, atmen. Dann wurde alles schwarz.

 

6. Kapitel

 

Das erste was mir auffiel war der Geruch, es stank nach Rauch. Das zweite war mein Kopf, der Schmerz überkam mich wie eine Welle die schließlich auf mich nieder brauste und für einen kurzen Moment vergaß ich zu atmen. Das dritte waren die Schreie, laut und panisch. Jeder Schrei schmerzte wie ein Peitschenhieb.

Ich zwang mein Herz zu schlagen, meine Lungen zu atmen, mein Gehirn zu funktionieren. Bitte, lasst mich nicht im Stich, flehte ich sie an. Sie hatten wohl Mitleid mit mir den eine ganze Weile blieb ich regungslos liegen, ohne zu sterben, ohne das überhaupt etwas passiert. Dann fing ich an zu husten und bekam nur noch ganz schwer Luft. Lunge? Ich dachte du hast Mitleid! Was soll das? Der Boden unter mir war hart und ich beschloss mich aufzurichten. Sofort schwirrte mir der Kopf, doch der Schmerz war nur noch ein leichtes Pochen. Ich öffnete die Augen, blinzelte mehrmals, lies sie dann geöffnet. Überall war Rauch, ich erkannte die Regale des Supermarktes wieder, sah meine Hände die sich verkrampften, sah Menschen umher rennen, hörte die Schreie.

„Wir werden alle sterben!“, kreischte eine weibliche Stimme.

Ein Mann schrie: „Elie? Elie wo bist du?“

Ich stütze mich an einem Regal ab und kam langsam auf die Beine.

Wo war Dad? Dann fiel mir wieder ein dass ich ihn gesucht habe und wie ich umgefallen bin. Vielleicht ist er schon auf dem Parkplatz? Oder er steckt hier irgendwo in diesem Chaos. Wenn er hier ist stehen die Chancen ihn zu finden nicht sehr hoch, überall ist dieser Rauch. Ich hatte zwei Optionen, ihn hier unter diesen panischen Menschen zu suchen, oder den Weg zum Parkplatz zu finden und zu hoffen dass es dort geordneter zugeht. Habe ich nicht auch eine dritte Option? Abwarten und hoffen. Ich entschied mich alle drei zu versuchen.

„Dad?“, rief ich und erschrak über meine kratzige Stimme.

„Dad?“.

Mit meinen Händen tastete ich meine Umgebung ab, setzte vorsichtig einen Schritt vor den anderen, stolperte trotzdem mehrmals.

„Dad? Ich bin´s Chloe! Dad kannst du mich hören?“.

Plötzlich war da dieser umgeworfene Einkaufswagen über den ich ja direkt fallen musste.

„Verdammte Scheiße!“, fluchte ich.

Ich hatte mich soweit ich das beurteilen konnte nicht verletzt, lag aber seltsam verdreht halb auf dem Einkaufswagen, halb auf dem Boden. So gut ich konnte robbte ich vorwärts und knallte mit dem Kopf gegen irgendjemanden.

Jemand trat auf meine Hand und ich unterdrückte einen Schrei. Meine Augen wurden glasig und ich war kurz davor hier los zu flennen nur weil ich so ungeschickt und unfähig war.

„Alles ist gut, ist schon okay“, versuchte ich mich zu beruhigen.

Ich entwirrte zuerst meine Beine, konnte mich jedoch nicht hoch drücken. Mit meinen Händen stütze ich mich ab, ein zweiter Versuch, es funktionierte. Ich stand wieder auf meinen Beinen, beschloss jedoch wieder in die Hocke zu gehen und zu krabbeln, die Gefahr wieder zu stürzen war zu groß.

„Dad?“, rief ich wieder, doch es war sinnlos, die Leute haben wieder beschlossen los zu kreischen und meine Rufe gingen in der Menge unter. Dad hier zu finden schloss ich also aus, Option 2 Parkplatz. Meine Lunge war furchtbar trocken und ich beschloss erst einmal einen Halt bei den Getränken zu machen. Ich entschied mich für eine Cola und drehte sie mich zittrigen Fingern auf. Eine gute Sache hat der Weltuntergang, niemand schert sich ob du die Cola bezahlst oder nicht. Dann musste ich kichern, eine Sekunde später schrie ich mich an. Verdammt Chloe das ist nicht witzig und verdammt die Welt geht nicht unter!

Ich hielt die Flasche an meine Lippen und trank alles in einem Zug leer. Krabbelnd, steuerte ich den Weg zum Ausgang zu. Ab und zu hielt ich an um zu husten, einmal schrie ich eine Frau an die auf meine Hand getreten war.

„Können sie nicht aufpassen wo sie hintreten?“.

Die Frau fing an zu wimmern und ich bereute meine Worte, hatte aber keine Zeit sie zu trösten oder mich zu entschuldigen. Mein Ziel war die Tür. Ich war schon bei den Kassen und taste mich an ihnen entlang. Dann, ohne Vorwarnung, einfach so, explodierte die Welt. Ich hätte gerne eine Vorwarnung gehabt, das denke ich als ich mich zusammenrolle und die Scherben sich in meinen Rücken bohren.

„Dad!“, kreische ich, meine Stimme ist diesmal hoch und schrill. „Dad! Dad! Dad!“

Ich renne auf den Ausgang zu, und lasse die panische Menge hinter mir. Etwas Feuchtes rinnt mir den Rücken hinab und ich erinnere mich an die Scherben. Ich beiße mir auf die Zunge damit ich nicht anfange zu weinen. Hektisch reiße ich die Tür auf und renne hinaus. Die verpestete Luft trifft mich wie ein Schlag und meine Augen tränen. Alles war zerstört, alles. Da gab es nichts mehr, nur ein riesiger Krater der mal ein Parkplatz gewesen ist. Sollte Dad hier gewesen sein, dann kann ich dir versichern, jetzt ist er es nicht mehr. Ich stelle mir vor wie sein Körper in tausend Stücke auseinander gerissen wurde, ich kann mir seine Schreie vorstellen und dann höre ich sie.

„Chloe!“, schreien sie.

Instinktiv drehe ich mich in die Richtung um, aus der die Schreie kommen. Und da liegt Dad, nicht tot, aber auch nicht wirklich lebendig. Seine Beine, da wo seine Beine seien sollten, da ist nichts. Sein Körper endet bei seinen Oberschenkel, Blut strömt auf den Asphalt.

„Dad!“

Ich renne zu ihm, so schnell ich kann. Überall Leichen, überall, da ist der Krater, drum herum überall Leichen. Der Geruch von Blut steigt mir in die Lunge und ich wiederstehe dem Drang zu kotzen. Habe ich schon einmal erwähnt? Ich würde weinen dem kotzen vorziehen. Also weine ich.

„Dad“, schluchzte ich und werfe mich neben ihn auf die Knie.

„Hallo Kleines“, flüstert er. Die Tränen strömen jetzt viel schneller. So hat Dad mich schon lange nicht mehr genannt.

Er streichelt meine Hand und flüstert mir beruhigend zu. Sein Gesicht sieht friedlich aus, obwohl er keine Beine mehr hat.

„Dad stirbst du?“, frage ich ihn.

Du kannst doch keinen Sterbenden fragen ob er stirbt!

Ich hätte damit gerechnet, dass er es verneint, mich anlügt um mich zu trösten, doch stattdessen sagt er so locker, als würde er über das Wetter reden: „Ja ich denke ich sterbe“.

Verzweifelt kralle ich mich an ihn und schreie ihn an: „Bitte Dad, bitte sterbe nicht!“

„Tut mir leid Chloe“, flüstert er.

Er entspannt sich und ich merke dass er mich langsam verlässt.

„Dad!“, kreische ich.

„Ich liebe dich Chloe, es tut mir so leid. Sage Ethan das ich ihn liebe. Bitte Chloe versprich mir das du auf ihn aufpasst“, flüstert er.

„Versprochen Dad“, schluchze ich. „Dad ich liebe dich auch“.

Er lächelt mich friedlich an. Ich versuche mir jeden Quadratzentimeter seines lebenden Gesichts einzuprägen.

„Chloe?“, fragt er.

„Ja?“.

„Kannst du mir etwas vorsingen?“.

Sein letzter Wunsch.

„Natürlich“, presse ich hervor.

 

Abendstille überall

Nur am Bach die Nachtigall

Singt ihre Weise klagend und leise durch das Tal

 

Ich spüre es bevor ich es sehe, wie das Leben aus meinen Vater haucht.

„Ich liebe dich“, flüstert er noch, seine letzten Worte. Dann war er fort, das einzige was übrig blieb war sein lebloser, verbluteter Körper. Ich fühle mich seltsam hohl und leer. Ich liebe dich. Dad ist tot. Es trifft mich unvorbereitet, dieser Schmerz der langsam von meinem Herzen aus weiter kriecht, in jeden Zentimeter meines Körpers und mich für einen Moment vergessen lässt wie man atmet. Atmen Chloe, atmen! Gedanken schießen auf mich ein, Dad ist tot, der Supermarkt ist explodiert, ich liege umgeben von Leiche, ich liege umgeben von ihrem Blut, wie soll ich das Ethan erklären? Ethan! Ethan, oh Ethan, der arme Ethan. Er war noch zu Hause, kann nicht wissen was passiert ist, wie auch? Ich muss so schnell wie möglich zu ihm, wir müssen weg. Ich wusste nicht wo hin, ich wusste nur dass wir in Queensbourough nicht mehr sicher waren. Unser Auto ist weg, und sogar wenn, ich kann nicht Auto fahren. Meine Augen huschen über die Leichen hinweg und suchen irgendwo ein Transportmittel. Ich entdecke ein Skateboard, es liegt neben einem kleinen Jungen. Hastig steige ich über alle Leichen, oder würgenden Leuten rüber die gerade dabei sind zu sterben. Ich kann ihnen nicht helfen. Als ich bei dem Jungen mit dem Skateboard ankomme wende ich den Blick ab, er war erst 5, vielleicht 6. Ich nehme das Skateboard und renne zur Straße, dann fahre ich so schnell ich kann nach Hause. Wirklich schnell kam ich nicht vor ran, schneller als zu Fuß, aber nicht schnell genug. Ethan, Ethan, Ethan! Sein Name spuckte in meinem Kopf herum, genauso wie Dads Worte ich liebe dich. Ich schlucke meine Tränen runter, ich muss jetzt stark sein. Wenn du nicht für dich selbst stark sein möchtest, dann sei es wenigstens für Ethan! Nach 10 Minuten bin ich bei unserem Haus angekommen. Ich brauche einige Versuche bis ich die Tür mit meinen zittrigen Fingern öffnen kann.

„Chloe was ist passiert?“, fragt Ethan, der ängstlich im Flur steht. Ich muss total verstörend aussehen, meine Hände sind voller Blut, Dads Blut, mein Blümchenkleid ist zerfetzt von den Scherben und meine Augen sind verquollen. Trotzdem ringe ich mir ein Lächeln ab.

„Nichts, nichts. Ethan du musst dir aber einen Rucksack holen und pack alles ein was du brauchst wir müssen ganz schnell weg“.

„Wo ist Dad?“, fragt Ethan und Tränen treten ihm in die Augen.

Er muss es ahnen, oder wenigstens spüren. Ich ducke mich zu Ethan runter und streichle ihm übers Haar: „Ich sage es dir später, jetzt ist nur wichtig das du ganz schnell alles einpackst“.

Ethan nickt und umarmt mich: „Chloe du musst nicht weinen“.

„Nein, das muss ich nicht“, antworte ich ihm und befreie mich aus seiner Umarmung. Ich lächle ihn noch einmal schwach an, dann gehen wir beide in unsere Zimmer und packen unsere Rucksäcke. Während ich Unterwäsche, Klamotten, Medikamente, Hygieneartikel…, einpacke denke ich nach. Ich brauche einen Plan, ich brauche einen Plan. Mein Kopf ist jedoch leer, alles was ich weiß ist das wir weg müssen. Nach einer Weile ist mein Rucksack vollgestopft und es passt nichts mehr rein. Nach einer Minute steht Ethan in meinem Zimmer. Nach einigen Sekunden nehme ich seine Hand und führe ihn zum Esszimmer.

„Warte kurz auf mich, iss etwas in der Zeit. Ich bin gleich wieder da“, sage ich und bücke mich zu ihm runter und gebe ihm einen Kuss auf den Kopf.

„Okay“, antwortet er mir.

Ich lauf ins Büro meines toten Vaters, nein nicht ich, meine Füße, mein Kopf hatte keine Ahnung dass meine Füße das tun werden. Mein Kopf wollte auch nicht dass meine Hände die Schreibtischschublade öffnen oder dass sie Dad´s Revolver herausholen.

Ich gehe wieder zu Ethan, der sich ein Nutella Brot geschmiert hat.

„Komm“, sage ich ihm und reiche ihm meine Hand.

Ohne auf die Waffe zu achten ergreift Ethan sie.

Gemeinsam, mit unseren Rucksäcken auf den Schultern, ich mit einem Revolver, ohne einen Plan, treten wir hinaus in die heiße Sommerluft. Ich habe keinen Plan, aber meine Füße haben einen. Irgendwann haben sie wohl die Kontrolle übernommen. Wer braucht schon ein Gehirn? Wenn man es wirklich braucht dann funktioniert es eh nicht. Meine Füße verfolgen weiterhin ihren Plan der zu dem Haus der Hoffmanns führt.

Füße? Wollt ihr mir euren Plan verraten?

Meine Hände sind wohl auch in den Plan involviert den sie klopfen an der Tür und als Blake die Tür öffnet richten sie den Revolver auf seine Brust.

Hände was soll das?

Mein Mund spielt auch mit den er öffnet sich und sagt:

„Entweder du tust haargenau was ich sage oder ich zögere keine Sekunde und ballere dir eine Kugel durchs Herz“.

7. Kapitel

Blake starrt mich mit einer Mischung aus Angst und Überraschung an. Ich spüre wie Ethan neben mir zittert und drücke seine Hand, als ob ihm das helfen würde. Sein Vater ist tot, davon weiß er aber zum Glück noch nichts, und seine Schwester richtete gerade eine Waffe auf seinen Nachbarn. Ja drücke seine Hand verrückte Schwester.

„Chloe…“, stammelt Blake und sieht jetzt ziemlich verwirrt aus.

„Halt deine Klappe!“, kreische ich ihn an. „Habe ich dir gesagt du sollst etwas sagen? Nein! Also sei einfach still!“

Ich weiß nicht wann ich von der verwirrten verrückten Schwester zur aggressiven verrückten geworden bin, tja aber hier bin ich.

Die aggressive verrückte Schwester zieht ihren Bruder hinter sich her und lässt den Revolver weiterhin auf Blake gerichtet.

„Okay, beantworte mir einfach deine Fragen so gut wie möglich und wenn du lügst, glaube mir, ich merke es und glaube mir du merkst es auch wenn ich dich erschieße“, zische ich ihn an.

Dieser nickt und sieht mich geschockt an, danach wieder verwirrt zu Ethan der immer noch zittert.

„Hast du eine Ahnung wer den Supermarkt in die Luft gejagt hat?“.

Blake zieht scharf die Luft ein und ich spüre wie Ethans Blicke auf mir brennen.

„Ich weiß es nicht aber ich vermute es hängt mit der Ressourcenmangel zusammen. Die Länder bekriegen sich jetzt um das was übrig geblieben ist“, erklärt er und seine Stimme klingt ziemlich ruhig.

Ich nicke, kein –ich verstehe- nicken, sondern ein –sind die total behindert- nicken.

„Wusstest du dass die Ressourcen knapp werden? Wir haben uns doch getroffen als du dir alle mögliche Konservendosen gekauft hast“.

„Ja…also nein“, Blake fing an zu stottern, dann wurde seine Stimme ganz laut, er schrie mich beinahe an: „Meine Eltern haben es vermutet, sie wollten das man etwas ändert, sie dachten es sei noch nicht alles verloren! Aber du siehst was mit ihnen passiert ist! Ein Autounfall? Die haben sie getötet um eine Massenpanik zu vermeiden, sie dachten es wäre bereits zu spät und wir sollten einfach weitermachen und warten bis wir alle verrecken! Und sie hatten Recht, die Leute bekommen Panik, wahrscheinlich werden wir am Ende von unserer eigenen Nachbarn getötet und sparen uns somit die Qualen des Verhungerns!“

Das sollte wohl eine Anspielung darauf sein das ich gerade dabei war ihn zu töten. War ich das wirklich? Ich habe noch nie jemanden erschossen, geschweige den überhaupt irgendwo hin.

„Wer sind die?“, fragte ich ihn.

„Irgendwelche Leute in der Regierung, ich kenne keine Namen, ich kann nur vermuten“, antwortete er mir und seine Hände waren zu Fäusten geballt.

„Bist du vorbereitet? Hast du irgendeinen Plan?“

Er schwieg, wollte ihn mir wahrscheinlich nicht verraten, also wiederholte ich meine Worte, diesmal lauter:

„Hast du irgendeinen verdammten Plan wie man diese ganze scheiße irgendwie überstehen soll?“

Er nickte, ganz leicht, fast hätte ich es nicht bemerkt.

„Sag ihn mir!“, schrie ich ihn an.

Er blieb wieder stumm.

„Ich schwöre bei Gott ich erschieße dich auf der Stelle wenn du mir nicht sagst was du vorhast!“, schrie ich ihn schrill an.

„Ich…ich habe in der Garage, da steht ein Van, ich habe den Kofferraum mit Vorräten vollgestopft, sollte für eine Person mindestens für 2 Wochen reichen…danach fahre ich mit dem Van in eine Hütte im Wald, meine Eltern haben sie vorbereitet…dort treffe ich 2 weitere Personen, eine Freundin von mir und ihr Bruder…zusammen wollten wir…dort gibt es einen Stützpunkt…es gibt dort Platz für 10000 Leute und sie sind vorbereitet…wir wollten dort hin und…“, Blake brach ab und er wendete den Blick ab.

„Bring uns zu deinem Van“, forderte ich auf.

Blake starrte mich wieder an, er öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder.

„Jetzt!“, schrie ich und war bereit zu schießen wenn er nicht tun würde was ich sage.

Er nickte und drehte sich um und wir folgten ihm, mein Revolver war nun auf seinen Rücken gerichtet. Es wäre einfacher ihn zu töten wen ich ihn dabei nicht ansehen muss. Wir gingen durch den Flur, runter in den Keller, wieder in einen Flur, dann waren wir in der Garage. Dort sah ich den Van, er war weiß und größer als ich ihn mir vorgestellt habe.

„Gib mir die Schlüssel“, sagte ich ihm.

Blake drehte sich zu mir um und sah mich verzweifelt an: „Das kann ich nicht! Wie hoch stehen meine Chancen zu überleben wenn ich hierbleibe?“

„Deine Chancen stehen besser als wenn du nicht tust was ich sage den dann erschieße ich dich und ich glaube das zu überleben wird ein wenig schwierig“, meine Stimme klang gereizt, seine verzweifelt.

Blake schaute wieder den Van an, dann mich.

„Wenn du versuchst abzuhauen dann rate ich dir es schnell zu machen den ich zögere nicht Blake, ich würde es machen!“, schreie ihn an, jetzt höre ich mich auch verzweifelt an. Verzweifelt, panisch, gereizt, verrückt, ängstlich und traurig.

„Du kannst kein Auto fahren“, sagt Blake.

„So schwer wird das schon nicht sein“, entgegne ich ihm.

„Du hast keine Ahnung wo der Stützpunkt ist, ohne mich seid ihr geliefert. Chloe ich habe keine Lust hier von dir erschossen zu werden, ich dachte am Anfang du würdest es nicht machen, aber ich glaube du hast den Verstand verloren“-

„Komm auf den Punkt“, sage ich ihm genervt.

„Ihr überlebt nicht ohne mich. Ihr habt keine Ahnung wo die Hütte oder der Stützpunkt ist“, erklärte er und ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen, er hatte recht und das wusste er.

Ich wägte meine und Ethans Chancen ab, ohne Blake würden wir eine Woche durchkommen mit seinen Vorräten, aber was dann? Wo sollten wir hin? Wir könnten irgendwo in den Wald und im Van schlafen aber ich hatte keine Ahnung wie man jagt und was ist wenn der Winter kommt? Ich biss mir auf die Lippe, Blake hatte Recht, ich wusste nicht ob ich ihm vertrauen kann und ob er überhaupt die Wahrheit sagt, aber hatte ich überhaupt eine andere Wahl.

„Na schön Blake Hoffmann, aber solltest du mich anlügen“-

„…ja dann tötest du mich“, führte er meinen Satz zu Ende und rollte mit den Augen.

Findet er das irgendwie lustig? Blake sollte mich nicht reizen, oder er ist Lebensmüde, dann sollte er schön damit weitermachen.

Blake öffnete die Tür und ließ mich zuerst rein, danach Ethan und als letztes nahm er am Steuer Platz. Mit einer Fernbedienung öffnete er das Garagentor und fuhr auf die Straße. Keiner sagte ein Wort, nur Ethan, der hinten saß, wimmerte leise.

Ich beschloss die Waffe in den Rucksack zu packen, vielleicht macht sie Ethan Angst und ehrlich gesagt schmerzen meine Arme schon.

Als wir an unserem Haus vorbei kamen schrie jemand Stopp. Nach einer Weilebegriff ich das ich es war. Wir hatten irgendetwas vergessen, ich spürte es, aber ich wusste nicht was. Dann fiel es mir ein, Darth Vader! Wie konnte ich ihn nur vergessen?

„Ethan? Steig bitte aus und hol Darth Vader, okay?“

„Okay“, antwortete er.

Ethan öffnete die Tür und ich sah ihm nach wie er ihm Haus verschwand.

Ich und Blake sagten beide kein Wort, er hatte seine Lippen fest aufeinander gepresst und ich war damit beschäftigt die Sekunden zu zählen wann Ethan wieder kommt.

Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit stieg Ethan wieder ein mit Darth Vader auf seinen Armen. Dieser miaute nur und durchsuchte jede Ecke des Vans bis er merkte dass er gefangen war.

„Cho?“, fragte Ethan und seine Stimme klang seltsam schwer, als würde er seine Tränen unterdrücken.

„Ja?“, antwortete ich.

„Ist Dad tot?“

Für eine Weile blieb ich still, wusste nicht was ich sagen sollte.

Ich beschloss mich zu ihm nach hinten zu setzen, ich wollte ihn anschauen wen ich es ihm sage. Blake hatte die Luft angehalten, schien zu warten was ich sagen würde.

Also sagte ich: „Fahr endlich weiter!“

Blake tat was ihm sagte, konnte jedoch ein Kichern nicht unterdrücken.

Was soll der Scheiß? Findest er es lustig dass unser Vater gestorben ist? Und gleichzeitig dachte ich: was kicherst du? Kichern ist meine spastische Angewohnheit!

Dann sah ich wieder Ethan der kurz davor war zu weinen und ich wusste nicht ob ich mitweinen sollte oder Blake anschreien sollte. Also tat ich einfach beides. Zuerst kamen die Tränen, lautlos liefen sie über meine Wange, danach schrie ich Blake an: „Halt deine Klappe!“

Wut und Trauer vertragen sich nicht gut, sie verwirrten mich.

Als wir die Stadt schon verlassen haben, flüsterte ich Ethan leise zu: „Es tut mir so leid Ethan, so unendlich leid“.

Ethan sagte nichts sondern ich musste nur zusehen wie ihm Tränen runterflossen. Und das war schlimmer als wenn er ausgerastet wäre, es brach mir das Herz.

„Er hat gesagt das er dich liebt, Ethan es tut mir so leid“.

Er verzog keine Miene, weinte immer noch lautlos. Ich würde ihn gerne trösten, ehrlich gesagt brauchte ich auch eine Umarmung.

„Ethan…“, fing ich wieder an.

Dann drehte er sich zu mir um und sagte: „Das ist unfair! Cho das ist so unfair!“

Ich nahm ihn in den Arm und seine Tränen tropften auf meine Brust.

„Ich weiß ich weiß“, jammerte ich. „Ist schon okay“.

Ich wiederholte die Worte immer wieder, obwohl ich nichts wusste, obwohl nichts okay war. Ich wiederholte die Worte immer noch als es dunkel war und Ethan schon eingeschlafen ist. Ich wiederholte die Worte immer noch als Blake den Van parkte weil er auch schlafen musste.

Ich wiederholte die Worte immer wieder, bis der Schlaf mich endlich erlöste.

 

8. Kapitel

 Meine Brust hob und senkte sich gleichmäßig. Ich spürte die Hitze die sich auf mir wie eine Decke niedergelegt hatte. Als ich meine Augen öffnete war es dunkel. Ich blinzelte mehrmals um mich an das Licht zu gewöhnen. Wo zur Hölle bin ich? Ich lag in einem Auto auf den Rückbänken und neben mir schließ Ethan tief und fest. Er hatte sich an mich geklammert und ich machte ihn sachte von mir los um mich aufzurichten. Ich vernahm ein leises Schnarchen, es scheint von dem Fahrersitz zu kommen. Mein Puls beschleunigte sich, wir waren nicht alleine. Vorsichtig, darauf bedacht niemanden zu wecken, weder Ethan noch den unbekannten Fahrer, beugte ich mir vor um sein Gesicht zu sehen. Er lag friedlich da und sein schwarzes Haar war ihm in die Stirn gefallen und auf seinem Schoß schließ Darth Vader. Es war Blake. Und plötzlich fiel mir alles wieder ein und ich wünschte sofort ich wäre einfach liegen geblieben und hätte die Ungewissheit genossen. Bilder stürmten auf mich ein, der Fernseher der gerade die Nachrichten zeigte, ich benommen im Supermarkt, Dad tot auf dem Parkplatz, ich wie ich eine Waffe auch Blake richte, Ethan wie er weint. Die Bilder kommen viel zu schnell, viel zu intensiv. Sie ließen mich vergessen wie man atmet, ließen mein Herz vergessen wie man schlägt. Ich musste hier raus, ich musste hier raus, ich muss hier raus. Atmen Chloe, atmen! Ich reiße die Tür des Vans auf und stolpere in die Nacht. Unsanft komme ich auf dem Erdboden auf, spüre jedoch keine Schmerzen. Ich rolle mich zu einer Kugel zusammen und presse meine Augen aufeinander. Atmen Chloe, atmen! Ich spüre meinen Herzschlag wieder, der rasend schnell ist und bin beinahe erleichtert dass mein Herz überhaupt noch schlagen kann. Mein Atem geht auf wieder, flach und stoßweiße, aber funktioniert. Langsam beruhige ich mich.

„Alles ist gut“, wimmere ich. Ich bin nicht wütend auf mich das ich die Augen vor der Realität verschließe, nicht wütend das ich mich selber anlüge, nein ich bin dankbar den die Wahrheit vertrage ich einfach nicht. Mir ist heiß und trotzdem zittere ich.

 

Abendstille überall

Nur am Bach die Nachtigall

Singt ihre Weise klagend und leise durch das Tal

 

Meine Stimme klingt zittrig und ab und zu wird sie von einem Weinkrampf unterbrochen, doch ich höre nicht auf zu singen, wiederhole das Lied immer weiter. Ich weiß nicht wie lange ich dalag, zusammengekauert, weinend und singend. Irgendwann ist Blake aufgewacht und hat mich entdeckt. Ich höre ihn seufzen und ich sehe wie er sich neben mir in die Hocke niederlässt.

„Chloe“, fängt er an. „Chloe wir müssen weiterfahren“.

Ich verdränge seine Stimme, genauso wie alles andere.

 

Abendstille überall

Nur am Bach die Nachtigall

Singt ihre Weise klagend und leise durch das Tal

 

Er seufzt wieder, diesmal lauter. Ich sehe wie er näher kommt, ich spüre seine Arme die mich umschließen. Mit einem Ruck hat Blake mich über seine Schulter geworfen. Er öffnet die Tür mit einer Hand und lässt mich auf dem Beifahrersitz nieder.

„Schlaf weiter, es ist erst 3 Uhr morgens“, sagte er mir mit sanfter Stimme, als würde er mit einem Baby reden.

Ich antworte ihm nicht, singe einfach weiter.

„Na gut dann eben nicht“, er klingt amüsiert.

Ich starre auf die Landstraße als Blake weiterfährt. Darth Vader ist mir irgendwann auf den Schoß gesprungen denn als ich den Blick einmal von der Straße abwand, lag er da.

Meine Stimme wird immer leise, meine Sicht verschwommen.

 

 Abendstille überall

Nur am Bach die Nachtigall

Singt ihre Weise klagend und leise durch das Tal

 

 

9. Kapitel *Blake*

Es ist immer noch dunkel und das einzige was ich hören kann ist Darth Vader, die Katze der Humpfreys, wie sie im Van herum turnt und alles umschmeißt was man umschmeißen kann. Am liebsten würde ich diese Katze aus dem Fenster schmeißen. Neben mir liegt Chloe und schläft. Ich werfe ihr einen kurzen Blick zu und wie jedes Mal wenn ich sie ansehe bin ich überrascht darüber wie schön sie ist. Schnell wende ich meinen Blick ab, wieder auf die Straße. In meinem Kopf gehe ich wieder meinen Plan durch, Hütte, Ria treffen, Bunker. Unbewusst taste ich nach meinem Anhänger, er ist immer noch da. Während ich fahre schweifen meine Gedanken zu meinen Eltern ab, mein Herz fühlt sich 100kg schwerer an. Ich versuche mich zusammen zu reisen, ich brauche einen klaren Kopf. Sie sind tot, daran kann man nichts mehr ändern, ich sollte mich lieber darum kümmern nicht auch tot zu sein. Dank meinen ungewollten Begleitpersonen muss ich mich beeilen in die Hütte zu kommen, meine Vorräte reichen höchstens für 10 Tage und diesen verdammten Kater muss ich auch noch durchfüttern! In mir kommt wieder der Wunsch hoch ihn aus dem Fenster zu schmeißen. Der Kater muss spüren das ich an ihn dachte denn er miaut auf. Ich schaue in seine Richtung, wie er auf Chloes Schoß sitzt und mich mit seinen Glubschaugen anstarrt. Sofort wird mein Herz weicher. Wie sehr ich diesen Kater hasse!

 

Die Kilometer fliegen nur so dahin, meine Gedanken bleiben nirgendswo hängen, schweifen nur umher. Die Sonne ist vor kurzem aufgegangen, es ist 6 Uhr morgens. Ich bin müde, habe nur 4 Stunden geschlafen. Wir sind wohl die einzigen die um 6 Uhr auf dieser Landstraße fahren. Ich vermute die meisten Leute die auch beschlossen haben aus Panik zu flüchten fahren auf der Autobahn, das geht schneller. Aber ich habe extra darauf geachtete nicht die Autobahn zu nehmen. Stell dir vor, dein Land hungert und die willst einfach die Menschen eines anderen Landes töten um ihre Besitztümer zu stehlen, wie gehst du vor? Als erstes gehst du in die Großstädte mit einem Haufen Soldaten, tötest alle Menschen. Gut also alle Leute die in den Städten lebten sind jetzt tot. Alle anderen flüchten, sie nehmen ihr Auto und fahren weg. Und wo sind sie wohl wenn sie mit ihren Autos fahren? Genau auf der Autobahn. Also zerbombst du alle Autobahnen, dort gibt es sowieso nichts wichtiges, abgesehen von Menschen, das du zerstören kannst. Aber die Menschen sind ja genau dein Ziel also ist der Plan perfekt. Die Menschen die in den Wald etc., geflüchtet sind interessieren dich nicht mehr, was können sie dir schon anhaben? Ihre Städte hast du schon beraubt und dann futtern sie dir ein paar Kaninchen weg. Na und? Es wäre viel effektiver ein anderes Land zu berauben. Irgendwann bekommt ein Land Panik, zerbombt deins mit Atombomben. Die Welt ist zerstört was machen wir? Genau wir zerstören sie noch mehr! Der Sinn war doch eigentlich die menschliche Spezies zu retten aber yolo! Und genauso werden wir zugrunde gehen, von Atombombe, mit unseren eigenen Waffen geschlagen. Ich lache über die Menschen, natürlich ist es nur eine Theorie von mir, eine wilde Vermutung, um mich abzulenken, aber mir erscheint sie gar nicht unwahrscheinlich. Und ich vertraue meinem Instinkt. Wenn ich nicht einmal mir selbst vertrauen kann, bin ich verloren. Und deshalb tue ich so als ob ich es könnte, denn wenn ich das nicht tue, habe ich aufgegeben. Und ich werde nicht aufgeben, auch wenn aufgeben bedeutet seine Menschlichkeit über Bord zu werfen und sich rumzuschlagen wie Tiere. Und auch wenn alles verloren scheint, auch dann werde ich weiterkämpfen.

 

Im Van war es unerträglich stickig. Meine Haare klebten an meiner Stirn und Schweiß rinn meinen Rücken her runter. Wenn ich das Fenster aufmache, werde ich mir wahrscheinlich eine Erkältung holen. Vollgeschwitzter Typ trifft auch kalten Fahrwind, kommt nicht so gut. Andererseits hatte ich das Gefühl gerade zu sterben und dieses Gefühl war stärker als der Wunsch gesund zu bleiben. Ich öffnete also das Fenster und hatte das Gefühl noch nie in meinem Leben so etwas Angenehmes wie diesen kalten Wind gespürt zu haben. Plötzlich schreckte Chloe auf und ihre silbernen Augen waren vor Schreck geweitet. Sie starrte auf die Straße, danach auf mich.

„Auch mal aufgewacht“, sagte ich zu ihr, schaute aber immer noch auf die Straße.

Aus dem Augenwinkel sah ich dass sie sich beruhigt hatte und wieder eine gleichgültige Miene aufgesetzt hat.

„Ha-Ha“, sagte sie trocken, doch ich hörte noch einen Hauch Panik aus ihrer Stimme raus. Hatte sie einen Albtraum? Ich hatte das Bedürfnis sie in den Arm zu nehmen und zu trösten, unterdrückte es aber sofort.

„Du solltest mir mal das fahren beibringen“, meinte sie.

„Was?“, platze es aus mir her raus.

„Ich meine ja nur, du hättest etwas davon, ich hätte etwas davon“.

Ich sah sie nur perplex an und sie seufzte hörbar und kicherte danach kurz auf.

„Ich meine wir könnten uns beim Fahren abwechseln, du würdest mehr schlaf bekommen“, erklärte sie.

Was ihre Vorteile sind, war klar. Erstens kann es nie schaden etwas zu können, zweitens sie kommt bestimmt irgendwann in eine Situation wo sie fliehen muss und wenn man Auto fahren kann schadet das nie, und drittens, sollte mir irgendetwas passieren könnte sie ohne mich weiterfahren.

„Ich denke darüber nach“, antwortete ich ihr.

„Ja oder Nein? Ein ich denke darüber nach heißt so viel wie, nein, aber ich will dich nicht verärgern und hoffe das du es wieder vergisst“.

Diesmal war ich derjenige der seufzte.

„Na schön ich bringe es dir bei, aber nicht jetzt und auch nicht heute“.

Sie schien mit dieser Antwort noch immer nicht ganz zufrieden, sah aber ein dass man da jetzt nicht viel machen konnte.

„Und du musst mir von deinem Plan erzählen“, sagte sie eindringlich.

„Das habe ich doch schon“.

„Nein, das hast du nicht! Du hast in mir grob erzählt, aber ich kann so gut wie nichts damit anfangen. Wo ist diese Hütte? Wer sind diese Leute die du treffen möchtest? Wo ist dieser Unterschlupf?“, sagte sie gereizt.

„Wieso sollte ich dir das alles erzählen? Ich habe dich nur mitgenommen weil du mich mit einer Waffe bedroht hast!“.

Darauf weiß sie erst einmal nichts sondern schaut beleidigt wieder auf die Straße. Frauen! Wäre ich nicht so genervt von Chloe, wäre das eigentlich ein schöner Moment. Der Wind weht angenehm in mein Gesicht und die Bäume um uns herum beruhigen mich. Aber wie gesagt, ich bin genervt! Chloe kann nicht von mir verlangen ihr alles zu erzählen, schlimm genug das sie meine Vorräte verbraucht, in meinem Wagen sitzt und ihren kleinen Bruder und ihren Kater mitschleppt.

„Weißt du es wäre besser für uns beide wenn wir Verbündete wären. Wir beide müssten keine Angst haben vom jeweils anderen mitten in der Nacht erstochen zu werden. Bisher hatte ich noch keine, aber naja, vielleicht werden wir ja noch verrückt oder so. Vielleicht sind wir ja schon verrückt aber wir haben einfach noch nicht daran gedacht“, sagt Chloe schließlich, guckt aber immer noch gerade aus.

An ihrem Argument ist etwas dran.

„Und außerdem, sagen wir mal du verletzt dich, ich könnte dir helfen. Ich meine, würde dich weiß Gott wer anschießen, und wir sind keine Verbündeten, ich würde dich einfach verbluten lassen“, zählte sie weiter auf und kicherte. Anscheinend findet sie die Vorstellung dass ich verblute lustig, tolle Verbündete. In meinem Kopf gehe ich die Vor- und Nach-teile durch die es mitbringen würde mich mit Chloe zu verbünden. Und doch weiß ich schon dass ich ihr zustimmen werde. Vielleicht hat sie mich mit einer Waffe bedroht, vielleicht wäre es besser alleine zu sein, vielleicht verbraucht sie mein Essen, aber es ist immer noch Chloe. Chloe mit der ich meine Kindheit verbracht habe, die ich kenne seit sie ein kleines Baby ist, Chloe dessen Eltern die besten Freunde meiner Eltern waren.

„Okay du hast Recht, ich habe keine Lust zu verbluten. Von mir aus sind wir Verbündete, aber solltest du mir zu sehr auf die Nerven gehen, kann ich für nichts garantieren“.

Die Bemerkung sollte als Scherz gemeint sein, trotzdem zuckte sie kurz zusammen, hat sich aber eine Sekunde später wieder gefasst und lächelt mich an.

„Dann sind wir also Verbündete“, kicherte sie.

Ich schaue in ihre silberne Augen und stimme ihr zu: „Ja, das sind wir also“.

 

10. Kapitel

 

Rauch. Ich rieche ihn, bevor ich ihn sehen kann. Entweder jemand hat im Wald ein kleines Feuer gemacht, oder der Rauch kommt aus einem Kamin.

„Blake halt an!“

Blake legte eine Vollbremsung hin und wir wurden alle in unseren Sitzen nach vorne geschleudert. Ethan, der vor kurzem wach geworden ist fragte mich: „Was ist Cho?“

Einen Moment sagte ich gar nichts.

„Ähm, ich glaube ich habe Rauch gesehen“, antworte ich ihm.

Ich weiß, keine gute Antwort.

„Und das bringt dich dazu zu schreien ich solle anhalten? Du hast dich so angehört als würde gerade jemand sterben“, sagt Blake.

Ich öffne den Mund um etwas zu erwidern, schließe ihn dann aber wieder da ich nicht weiß was ich sagen soll.

Tatsache ist, ich hoffe der Rauch kommt aus einem Haus. Tatsache ist, ich möchte so gerne in ein Haus. Was ist wenn gerade niemand da ist? Ich weiß das ist unwahrscheinlich, wenn du weg gehst würdest du auch das Feuer im Kamin ausmachen. Aber trotzdem, ich muss mich duschen und mich umziehen und das mache ich wohl kaum vor Blake und Ethan. Und das wichtigste ist, ich muss Mum anrufen. Der Akku meines Handys ist am Arsch und ich glaube kaum dass es etwas bringen würde Blake nach seinem Handy zu fragen weil sein Akku bestimmt auch den Geist aufgegeben hat.

„Vielleicht kommt der Rauch aus einem Haus? Ich muss nachsehen, bitte. Ich muss unbedingt mit Mum telefonieren“, platz es aus mir heraus.

Blake sieht mich an und in seinem Blick steht ein klares Nein.

„Chloe, sogar wenn der Rauch aus einem Haus kommt, sind da bestimmt Menschen die darin wohnen und ich weiß nicht ob die eine Wildfremde zu sich ins Haus lasen um sie mit ihrer Mutter telefonieren zu lassen“, meint Blake.

„Aber vielleicht lassen sie mich ja ins Haus. Wenn ich es nicht versuche werden wir es nie erfahren“, antworte ich ihm.

„Chloe wir verschwenden damit nur unsere Zeit“-

Ich bin zu verzweifelt um wütend auf Blake zu sein. Was ist wenn es in Asien genauso zugeht wie bei uns hier?

„Bitte Blake! Mein Vater ist gestorben und ich muss wissen ob es Mum gut geht. Bitte Ethan ich muss es wissen. Bitte lass mich nachsehen, ich versuche auch mich zu beeilen“, flehe ich ihn an. Ich weiß ich bin den Tränen nahe und deshalb sage ich nichts mehr.

Blake muss es auch wissen denn er sieht mich mitleidig an. Ich wende den Blick ab und versuche mich zu beruhigen. Ethan geht es auch gut obwohl sein Vater gestorben ist aber ich bin zu schwach um damit fertig zu werden. Und dann rollt mir wirklich eine Träne über die Wange, weil ich mich selbst bemitleide, weil ich schwach bin. So schnell ich kann wische ich die Träne weg und hoffe niemand hat sie gesehen. Natürlich haben sie sie gesehen! Und dann kommen mehr Tränen, zu viele um sie alle weg zu wischen. Ich weine weil ich schwach bin, weil ich meine Schwäche vor Blake und Ethan zeige, weil ich mich nicht einmal für Ethan zusammen reisen kann, ich weine auch wegen Dad, ich weine weil ich mir Sorgen um Mum mache aber am meisten weine ich weil ich mich selbst bemitleide, weil ich mich selbst erbärmlich finde.

Schokolade. Denk an Schokolade. Yummy yummy Schokolade.

Meine dummen Gedanken lenken mich für einen Moment wirklich ab, bringen mich fast zum Lachen. Ich schaue zu Blake, er sieht doch sowieso dass du geweint hast, da kannst du ihm auch deine verquollenen Augen zeigen.

In Blakes Augen sehe ich kein Mitleid wie ich vermutete habe, sondern Verständnis.

„Okay wir gehen zu der Stelle von der der Rauch kommt. Aber du gehst nicht alleine, hier im Auto zu warten bringt mir nichts, da kann ich genauso gut mitkommen“, sagt er.

Ich lächele ihn an und versuche ihm so meine Dankbarkeit auszudrücken weil ich Angst habe zu sprechen.

 

Blake parkte das Auto im Wald damit es niemand findet, aber immer noch nah genug an der Straße das man sie durch die Bäume sehen kann.

Ethan bleibt im Van weil das für ihn am sichersten ist.

Ich und Blake sind gerade losgelaufen und ich winke Ethan noch zum Abschied zu.

Dann drehe ich mich zu Blake um und flüstere: „Danke“.

Blake erwidert nichts, lächelt mich nur an und markiert einen Ast mit einem blauen Band. Zum Glück hätte Blake Bänder in seinem Van, auch wenn ich nicht weiß wieso er die mitgenommen hat, aber wenigstens verlaufen wir uns so nicht.

Ich sehe den Rauch immer noch zwischen den Bäumen empor steigen und wenn mich nicht alles täuscht sollten wir unser Ziel in 10 Minuten erreichen.

Während wir im Wald umherlaufen sagt keiner von uns ein Wort. Ich bin viel zu sehr damit beschäftigt darauf zu achten nicht über irgendwelche Äste und umgeworfene Bäume zu stolpern und Blake kümmert sich um die Bänder. Ich höre das Singen der Vögel und ich nehme den Geruch des Waldes in mich auf. Meine Gedanken schweifen ab, an einen anderen Ort, an eine andere Zeit.

 

Mir ist kalt aber das ist mir egal. Ich habe meine Arme um meine Beine geschlungen und lehne meinen Kopf gegen einen Baumstamm. Meine Augen brennen vom vielen weinen und ich habe Hunger, möchte aber nicht nach Hause gehen. Mama und Papa wollen nicht mehr verheiratet sein. Ich und Ethan müssen mit Mama nach London ziehen. Ich will nicht nach London! Mama und Papa suchen mich, das weiß ich weil ich sie gehört habe wie sie meinen Namen schrien. Zuerst haben sie im Garten gesucht nach dem sie gemerkt haben dass ich weggelaufen bin. Im Wald haben sie nicht geguckt, obwohl der hinter dem Garten ist, und da bin ich, im Wald. Es ist Herbst und die Blätter haben sich rot, braun und orange gefärbt. Es ist wunderhübsch. Aber nicht wunderhübsch um mich wieder glücklich zu machen. Glücklich würde mich eine Jacke machen, die habe ich nämlich vergessen als ich rausgerannt bin. Aber ich will keine holen gehen. Was ist wenn Mama und Papa mich dann sehen? Nimmt Mama mich dann nach London mit? Plötzlich höre ich ein Knacken. Ich kann mich nicht bewegen weil ich so Angst habe. Haben Mama und Papa mich gefunden? Aber sie sind doch mit dem Auto weggefahren, ich habe sie gesehen und sie sind bis jetzt nicht wieder gekommen.

„Chloe?“, höre ich Blakes Stimme und dann sehe ich ihn zwischen den Bäumen. Blake ist schon 12 und sieht so groß aus.

Ich sage nichts. Blake kommt näher uns setzt sich neben mich auf den Boden.

„Deine Eltern suchen dich“.

Ich nicke um ihn zu zeigen dass ich das schon weiß.

„Ich weiß dass sie sich scheiden lassen haben. Papa hat es mir gesagt“.

Die Tränen kommen wieder und ich presse die Lippen aufeinander um sie zu unterdrücken. Aber ich schaffe es nicht, sie rollen über meine Wange, tropfen mein Kin runter.

Blake nimmt mich in den Arm und sagt: „Es tut mir leid“.

Meine Tränen trocknen auf seiner Brust.

 

Wieso hat Blake mich heute nicht in den Arm genommen? Ich weiß damals war ich 8 und er 12, aber ich vermisse Blake. Ja, Blake steht neben mir, knapp einen halben Meter entfernt, aber ich vermisse den Blake der mein Freund war, der meine Tränen trocknete. Ich schaue Blake an und zum ersten Mal fallen mir seine Augen auf, die die Farbe des Waldes haben. Braun, mit grünen Sprenkeln. Blake sieht mich nicht an, sein Blick ist auf einem Ast geheftete den er gerade mit einem Band markiert. Der Rauch steigt mir wieder in die Nase, diesmal intensiver, es ist nicht mehr weit. Ich spüre das Adrenalin, ich bin bereit, für was auch immer ich bereit sein muss. Und da sehe ich es, ein altes Backsteingebäude aus dessen Schornstein Rauch hoch steigt. Um das Haus ist weder ein Zaun noch sonst irgendetwas, einfach ein Haus das auf einer kleinen Lichtung gebaut wurde.

Ich bleibe stehen, Blake macht es mir nach. Das Haus ist knapp 30 Meter von uns entfernt und ich soweit ich das von hier beurteilen kann ist es nicht verlassen. Ich bin ein wenig enttäuscht, aber eigentlich habe ich es auch nicht anders erwartet.

„Und willst du jetzt klingeln?“, fragt mich Blake leise und seine Augen blitzen mich herausfordernd an und er unterdrückt ein Lachen. Was? Hat er mich bis hier hin begleitet nur um mir zu zeigen wie behindert er meinen Plan findet? In mir kommt der Wunsch auf ihm eine zu klatschen.

„Hast du eine bessere Idee?“, fauche ich ihn leise an. Ich wünschte ich könnte ihn anschreien, aber das Risiko das uns jemand hört ist zu groß. Ich frage mich warum wir leise sind. Natürlich damit uns die Leute im Haus nicht hören können. Aber wieso sollen sie uns nicht hören? Wenn ich klingle bemerken sie uns sowieso. Das ist absurd. Und doch weiß ich dass es nicht absurd ist. Ich schaue zu Blake und da sehe ich dass er das gleiche denkt wie ich. Wie schön wäre es in dieses Haus zu gehen! Wir könnten für paar Tage eine Pause machen, ich habe das her rum fahren satt. Und bestimmt gibt es im Haus noch mehr zu essen. Aber wir können da nicht einfach reingehen und alles für uns beanspruchen, das weiß ich auch. Da drinnen sind Menschen und wie sollen wir sie loswerden? Wir können sie ja nicht einfach erschießen. Vielleicht können wir sie fesseln uns sie wieder losbinden wenn wir weiterfahren. Sogar wenn wir das schaffen würden und ich habe eigentlich überhaupt keine Ahnung wie wir das sollten, so würde dieser Plan trotzdem ein paar Risiken mit sich bringen. Das wichtigste ist das wir wissen wie viele Leute sich in diesem Haus befinden um einen Plan zu erstellen. Es scheint nicht übermäßig groß zu sein, aber groß genug für eine Familie.

„Bleib du hier“, flüstere ich Blake ins Oh und komme ihm dabei so nahe das ich seinen Atem auf meiner Backe spüren kann.

Blake nickt mir zu und schleiche vorsichtig näher an das Haus her ran. Ich verstecke mich hinter einem Baum der circa 5 Meter vom Haus entfernt ist und von dem ich eine gute Sicht auf das Seitenfenster habe. Das Licht ist an, obwohl es hell ist. Was für eine Stromverschwendung. Ich sehe eine kleine Küche in der eine Frau steht, sie telefoniert gerade und es sieht so aus als würde sie etwas backen. Ich schleiche mich weiter, ich muss alle Fenster einmal gesehen haben. Leider hängen überall im 2. Stock Vorhänge und ich hoffe dass sich alle Personen im ersten Stock befinden. Nach 5 Minuten erfahre ich dass das Haus einen Hinterausgang hat der zu einer kleinen Terrasse mit einem Tisch und 4 Stühlen führt, die Frau aber alleine zu sein scheint. Wahrscheinlich ist es eine Ferienwohnung denn wer will schon alleine abgeschieden in einem Wald wohne? Im 2. Stock sind bestimmt Kinderzimmer und auch der Esstisch im Wohnzimmer hatte 4 Stühle. Und welche Familie lebt im Wald? Noch dazu ist das Haus ziemlich gut in Takt und schön möbliert, also hat die Familie wahrscheinlich viel Geld. Keine Familie die viel Geld hat lebt abgeschieden im Wald! Ich beschließe zurück zu Blake zu gehen und im zu sagen was ich weiß. Vorsichtig schleiche ich den Weg zurück, darauf bedacht das niemand mich bemerkt. Nach 1 Minute höre ich ein leises Knacken, dass von einem Ast der gerade zertreten wurde. Blitzschnell drehe ich mich um. Hat die Frau mich gesehen? Hat mich vielleicht irgendjemand anderes gesehen der auch in diesem Haus wohnt? Vielleicht sind die anderen Familienmitglieder spazieren gegangen und jetzt kommen sie zurück. Doch ich sehe niemanden. Habe ich mir das Geräusch nur eingebildet? Ich glaube nicht, ich hoffe nicht. Dann höre ich das Geräusch wieder, das Knacken eines Astes. Ich drehe mich nach rechts, aus der Richtung aus der das Geräusch kam.

„Hallo?“, frage ich. Ein Hallo ist schon ziemlich blöd. Nur jemand der möchte das du ihn siehst würde auf ein Hallo antworten und jemand der möchte das du ihn sieht wird bestimmt nicht warten bis du ihm etwas sagst um sich bemerkbar zu machen. Jemand der möchte dass du ihn nicht siehst wird wohl kaum auf ein Hallo antworten.

Doch es gab noch eine dritte Variante, eine von der ich noch nichts wusste. Jemand der dir folgt und nicht möchte das du es bemerkst, der aber als er merkt das du etwas gesagt hast seine Tarnung aufgibt und zwischen den Bäumen hervor kommt hinter den er sich versteckt hat.

„Habe ich dir nicht gesagt du sollst warten?“, fauche ich ihn an.

„Du warst so lange weg da wollte ich mal nachsehen ob alles in Ordnung ist“, sagt er verlegen. Er lügt. Wenn er wirklich nachsehen wollte dann hätte er sich nicht vor mir versteckt sondern wäre zu mir hin gegangen. Ich beschloss dass es keinen Sinn hatte sich hier zu streiten.

„Ich glaube dass das Haus ein Ferienhaus ist. Ich habe nur eine Frau gesehen aber ich glaube das Ferienhaus gehört einer ganzen Familie“, flüstere ich ihm zu.

Er nickt gedankenverloren.

Eine Minute später sagt er: „Ich glaube ich habe einen Plan, keinen guten aber mir fällt nichts besseres ein. Du klingelst an der Tür, keine Ahnung, sag dein Auto hatte eine Panne. Wenn die Frau dich reinlässt musst die irgendwie die Tür öffnen und mich reinlassen. Ich halte die Frau fest und du suchst in der Zeit irgendetwas wo wir sie fesseln können oder irgendein Zimmer in das wir sie einsperren können“.

„Du hast Recht, der Plan ist nicht gut“, antworte ich ihm.

Blake verdreht seine Augen.

Erst jetzt wird mir bewusst wie dumm das Ganze ist. Wir wollen eine Frau fesseln nur um uns duschen zu können?

„Okay, das Ganze ist ein wenig riskant und ich weiß nicht ob wir gerade einfach nur langweile haben oder dumm sind, aber bist du dabei?“, fragt mich Blake.

Zu meinem Erstaunen sage ich: „Ja“.

11. Kapitel

Ich wische meine feuchten Handflächen an meinem Kleid ab, oder eher gesagt dem Kleiderfetzen was von meinem Kleid übrig geblieben wird. Meine Finger betätigen die Klingel und ich warte. Als ich an dem Küchenfenster vorbeilief, telefonierte die Frau immer noch. Von nahem sah ich das sie dunkle Haare hatte, die sie sich zu einem strengen Dutt zusammen gebunden hat. Was soll ich der Frau erzählen wenn sie aufmacht? Ja also ich hatte eine Autopanne und da dachte ich, yolo ich werde jetzt zu Tarzan und lebe im Dschungel, naja in meinem Fall Wald. Und deshalb habe ich mir auch mein Kleid zerfetzt, damit ich einen glaubwürdigeren Tarzan darstelle.

Als die Frau die Tür öffnet sieht sie mich verwundert an. Sie sieht aus wie man sich einen typischen reichen Snob vorstellt, nur das sie jünger ist und ihre Gesichtszüge weicher wirken.

„Hallo?“, fragt mich die Frau in einer hohen Stimme.

Mein Mund ist trocken, ich weiß nicht was ich sagen soll. Ich bin kurz vor einem Kicheranfall, also rede ich einfach drauflos, alles ist besser als jetzt los zu kichern.

„Mein Auto…es hat eine Panne…und ich habe mein Handy vergessen. Ich sah hier Licht brennen und dachte ich gehe mal hier hin um jemanden anzurufen der mich abholen kann“.

Genau, perfekt. Du stehst auf der Straße, man kann das Haus von da nicht einmal sehen, aber Chloe, ja Chloe kann sehen dass das Licht im Haus brennt.

Ich lächle die Frau an und erhoffe mir damit ein paar Sympathiepunkte.

Die Frau sagt erst einmal nichts sondern sieht mich nur abschätzend an. Dann sieht sie auf ihr Handy, das sie immer noch in ihrer Hand hält.

„Hier“, sagt sie mir und reicht mir ihr Handy. „Sie wollten doch jemanden anrufen“.

Ungeschickt nehme ich der Frau ihr Handy ab und weiß nicht was ich machen soll. Das läuft ja schon einmal gut, ich sollte es ja irgendwie ins Haus schaffen, aber nimm ihr Handy, wieso auch nicht.

Ich lächele die Frau an und sage: „Danke“.

Soll ich jetzt einfach irgendeine Nummer eintippen damit die Frau keinen Verdacht schöpft? Es scheint mir die beste Lösung in dieser Situation zu sein.

Meine Finger huschen über das Display und ich tippe willkürlich ein paar Zahlen ein. Das Handy piept erst einmal dann verkündet es das es diese Nummer nicht gibt.

„Ähm tut mir leid, es scheint gerade keiner zu Hause zu sein“, entschuldige ich mich.

„Kein Problem, versuchen sie es einfach woanders. Soll ich ihnen in der Zwischenzeit ein Glas Wasser holen?“, fragt die Frau.

Ich nicke und lächele sie dankbar an. Die Frau verschwindet in der Küche, ich weiß ich muss jetzt handeln.

Die Tür ist offen also drehe ich mich in die Richtung wo Blake sich hinter einem Baum versteckt hat. Mit meinen Lippen forme ich die Worte: Komm.

Ich sehe wie Blake wie Blake hinter einem Baum hervorkommt und zu mir hin rennt.

Als er neben mir steht frage ich fast lautlos: „Was jetzt?“

„Improvisieren“, antwortet er.

Wir beide hören wie die Frau zurück kommt und Blake versteckt sich um die Ecke.

Wenig später reicht sie mir ein Glas mit Wasser.

Ich weiß nicht wieso, ich weiß nicht was das für einen Sinn hatte, aber ich schmiss mich mit voller Wucht gegen die Frau.

Das Glas fiel ihr aus der Hand und zersprang in tausend Scherben, sie selbst kam unsanft zu Fall. Ich stolperte über die Frau drüber uns stand im hübsch dekorierten Flur. Hinter mir hatte Blake der Frau die Hände hinter dem Rücken verdreht und diese schrie laut auf: „Ich rufe die Polizei!“

Ich ging in die Küche und schaute mich nach irgendetwas sinnvollen um mit dem man die Frau fesseln könnte. Die Küche war modern und bestand aus weißem, glattpoliertem Holz. Ich öffnete ein paar Schubladen, aber das einzige was ich finden konnte waren Gabeln oder Schüsseln. Die Frau schrie weiter und ich hörte sie um sich schlagen. Als nächstes ging ich ins Badezimmer. Vielleicht bewahrt die Frau dort ein paar Schlaftabletten auf? Im Badezimmer im ersten Stock entdeckte ich nur Seife. Ich stieg die Treppen in den zweiten Stock hinauf und öffnete die erst beste Tür. Das ist wahrscheinlich das Elternschlafzimmer. Es war ganz in weiß und hellblau gehalten und in der Mitte des Zimmers stand ein großes Himmelbett. Auf einem Nachtisch sah ich eine Packung mit Tabletten. Ich ging näher heran und untersuchte die Packung genauer. Bingo! Schlaftabletten. Ich könnte vor Glück fast auflachen wäre da nicht die Tatsache das ich und Blake in ein wildfremdes Haus eingebrochen sind. Es muss am Zuckermangel liegen, oder der Tatsache das ich nicht rational denken kann weil man Vater gestorben ist und ich nicht weiß was mit meiner Mutter ist. Oder ich bin einfach nur geisteskrank und war es schon immer, auch bevor das alles passiert ist. Ich verließ das Zimmer und ging die Treppen wieder runter. Blake hielt der Frau eine Hand vor dem Mund und diese versuchte anscheinend ihn zu beißen.

Ich ging näher und zeigte Blake die Tabletten. Blake sah mich mit hoch gezogener Braue an und ich verdrehte nur meine Augen und musste danach kichern. Auf der Packung steht man soll abends 1-3 Tabletten einnehmen, je nachdem wie man sich gerade fühlt. Blake nahm seine Hand weg und augenblicklich fing die Frau wieder an zu schreien: „Ich rufe die Polizei! Damit kommt ihr nicht davon!“

Ich nahm 3 Tabletten in meine Hand und versuchte sie der Frau in den Mund zu stopfen. Das war gar nicht so einfach da sie immer noch zappelte und sich in Blakes Armen wandte. Langsam hörte sie auf zu schreien, merkte dass es keinen Sinn hatte. Ihre Augen sahen mich panisch, aber auch hasserfüllt an als ich ihr die Tabletten in den Mund legte, und das tat noch mehr weh als die Schreie. Ich presste meine Hand auf ihren Mund damit sie nicht auf die Idee kommen könnte die Tabletten auszuspucken, jedoch konnte ich ihr dabei nicht in die Augen gucken. Stattdessen schaute ich Blake an der die Frau angestrengt musterte. Nach ein paar Minuten war diese wegedämmt und wir legten die Frau in ein Kinderzimmer das zum Glück einen Schlüssel hatte und wir die Frau so einsperren konnten. Wir standen immer noch vor der Tür und lauschten ob sie aufwachen würde.

„Du hast mir deinen Plan immer noch nicht erzählt“, stellte ich fest. „Du hast gesagt wir sind Verbündete aber du hast mir deinen Plan nicht erzählt“.

„Wir müssen Ethan holen“, sagte Blake.

„Du hast gesagt wir sind Verbündete! Wie soll ich dir vertrauen wenn du mir nicht einmal erzählen möchtest was du vorhast!“, schrie ich ihn an. Es war Unfair, schließlich war ich diejenige die er nicht haben wollte, aber ich konnte nichts gegen die Wut tun die in mir aufgekeimt war.

Ich setze mich hin da ich Angst hatte umzukippen, ich war müde und mit den Nerven am Ende. Wir sind gerade in ein Haus eingebrochen verdammt! Ich konnte Blake nicht angucken, ich konnte es nicht.

Blake seufzte und setze sich mir gegenüber und er wusste nicht so recht was er sagen sollte.

„Nach einer Weile hatte er seine Stimme wiedergefunden und er sprach mit ruhiger Stimme los: „Wie du schon weißt ist unser erstes Ziel die Hütte meiner Eltern. Sie haben sie vorbereitet für Notfälle wie diese. Naja ich weiß nicht ob man die Hütte wirklich eine Hütte nennen kann. Sie ist in Petersfield, genau genommen befindet sie sich im Keller der Schule. Meine Eltern dachten das dort niemand rechnet einen Unterschlupf zu finden“. Er lachte kurz auf und ich warf ihm einen kurzen Seitenblick zu und mein Herz wurde sofort weicher als ich ihn lächeln sah.

„In der Hütte befinden sich Vorräte die für 1 Jahr reichen sollten. Meine Eltern haben sie jedes halbes Jahr aufgefrischt. Dort befinden sich auch alle möglichen Waffen und anderer Kram. Aber daran bin ich gar nicht interessiert. Es war nur geplant dort einen kleinen Zwischenstopp einzulegen. Ich habe eine Freundin, naja ich weiß nicht ob man direkt eine Freundin sagen kann, aber ich habe sie durch diese Bunkergemeinde kennengelernt. Keine Bunkergemeinde, eher eine Geheimorganisation. Wir wollten uns in der Hütte meiner Eltern treffen, ich weiß nicht ob sie alleine kommt oder nicht. Übrigens heißt sie Ria, ich weiß nicht ob das so unglaublich wichtig ist“, Blake unterbricht sich wieder kurz um zu lachen und redet dann weiter: „Ich weiß nicht genau wo der Bunker ist aber ich glaube das meine Eltern die Informationen in der Hütte versteckt haben. Wenn wir die Informationen haben werden wir zu dem Bunker gehen, zusammen mit Ria“.

Ich erinnere mich an Ria, Blake hat sie erwähnt als ich ihn mit der Waffe bedroht habe. Bei dieser Erinnerung muss ich kichern und ich frage mich was bei mir schief gelaufen ist.

Blake lächelt mich amüsiert an und fragt: „An was denkst du?“

„Daran das ich einen totalen Schaden habe“, antworte ich ihm lächelnd und wir beide fingen an zu lachen. Ich hatte gerade den Lachflash meines Lebens während hinter der Tür, an der ich und Blake uns anlehnten, eine Frau lag die wir mit Schlaftabletten betäubt haben.

 

Das einzige was ich hören konnte war mein Atem, der ruhig und gleichmäßig ging. Es war irgendwie beängstigend alleine mit einer fremden Frau in diesem Haus zu sein. Blake ist weg gegangen um Ethan zu holen. Eigentlich wollte ich gehen, aber ich konnte ja kein Auto fahren, auch wenn ich gesagt habe das Blake schlecht mit dem Van im Wald rum fahren kann, meinte er trotzdem, er würde irgendwie einen Weg finden. Nervös biss ich mir auf die Unterlippe, wann würden sie endlich wieder kommen? Ich saß immer noch vor der Tür zum Kinderzimmer und die Frau schien immer noch zu schlafen. Hoffentlich bleibt das auch so, ich möchte mir nicht ausmalen was passiert wenn sie aufwacht bevor Blake kommt, oder wenn andere Familienmitglieder eintreffen. Nach paar min hatte ich Hunger und machte mir ein Brötchen was ich sofort verschlang als wäre es das leckerste was ich jemals gegessen habe. Danach ging ich wieder auf meinen Posten vor der Tür und machte mir Sorgen. Eine Frage quälte mich am meisten, wie sollen wir Ethan erklären das da eine fremde Frau betäubt in einem Bett liegt? Und ich machte mir Sorgen um Mum, ich wollte sie so gerne anrufen, hatte aber Angst zu telefonieren weil die Frau mich ja hören könnte. Also blieb ich Mucks Mäuschen still und lauschte ob irgendjemand kommt. Es kam niemand, nicht nach 5, aber auch nicht nach 10 Minuten. Die Zeit verstrich und ich fragte mich wo die beiden so lange blieben. Nach einer halben Stunde hörte ich wie ein Auto näher kam. Erleichtert schaute ich aus dem Fenster und war glücklich nicht mehr alleine zu sein. Doch das war nicht der weiße Van, es war ein schwarzer Mercedes. Mein Herz klopfte wie verrückt. Das ist nicht Blake. Atmen Chloe, atmen. Der Wagen parkte neben dem Haus und ein Mann, ich schätze ihn auf Mitte 30, etwa in dem Alter der Frau stieg aus. Ich verließ meinen Wachposten und rannte die Treppe runter. Was jetzt? Wie wäre es mit einem Überraschungsangriff? Ich habe mal 2 Jahre Karate gemacht, trotz den 2 Jahren habe ich nur den gelben Gürtel. Okay, Chloe ganz ruhig. Da ist ein Mann, wahrscheinlich gehört ihm dieses Haus, wahrscheinlich ist er der Mann der Frau die ihr gefangen hält. Und wenn schon? Ihr könnt auch beide gefangen halten.

Aber wie soll ich einen erwachsenen Mann gefangen nehmen?

Geh in die Küche riet mir die kleine Stimme in meinem Kopf. Ich tat was sie sagte da, einfach nur rumstehen, auch nicht der beste Plan war. Und jetzt? Doch die kleine Stimme in meinem Kopf blieb stumm. Mein Auge blieb an der Schublade mit den Messern haften, ich habe sie entdeckt als ich nach etwas gesucht habe mit der man die Frau fesseln könnte. Doch ich verwarf den Gedanken schnell, jemanden einsperren, noch dazu in seinem eigenen Haus ist jetzt nicht das legalste und freundlichste Verhalten, aber jemanden verletzen oder sogar umbringen? Ich wollte gar nicht daran denken. Es würde nicht mehr lange dauern dann würde der Mann rein kommen. Schnell Chloe, schnell. Aus einer Panikreaktion nahm ich eine Pfanne. Soll ich den Mann damit erschlagen? Es schien mir nicht die beste Idee aber etwas anderes fiel mir nicht ein. Mit meiner Pfanne als Waffe, stellte ich mich neben den Eingang um den Mann wenn er reinkommt damit eins rüber zu braten. Ich zählte die Sekunden bis er reinkam. Eins, zwei, drei, ich höre Schritte, vier, fünf, sechs, ein Schlüssel wird ins Schloss gesteckt, sieben, acht, neun, die Tür wird aufgeschlossen, zehn, elf, zwölf, der Mann schiebt die Tür auf. Ich sehe nur seinen dunklen Hinterkopf. Jetzt! Ich hebe die Pfanne mit meinen zittrigen Händen an und schlage zu. Leider habe ich den Mann mit meinem Schlag nicht k.o. geschlagen, aber er stolpert nach hinten und landet auf dem Boden. Ich werfe mich auf ihn drauf und bin bereit zu kämpfen. Hoffentlich zahlen die Karatestunden sich jetzt aus. Doch dann merke ich dass ich gar nicht den Mann eins rüber gewischt habe, sondern Blake. Dieser sieht mich leicht benommen an und auch er registriert was ich getan habe.

„Blake?“, frage ich perplex.

Aber ich habe doch den Wagen gesehen? Und den Mann! Ich habe sein Gesicht gesehen, das war nicht Blake! Werde ich jetzt verrückt? Werde ich jetzt endgültig verrückt.

„Wie lange habe ich schon auf dem Moment gewartet an dem du endlich auf mir drauf liegen würdest? Allerdings habe ich ihn mir ein wenig anders vorgestellt“, sagte Blake zu mir und schaut mich übertrieben lüstern an.

Der Schlag muss ihm wirklich zugesetzt haben, trotzdem kann ich kein Mitleid empfinden.

„Blake!“, schreie ich ihn stattdessen an.

Ethan kommt jetzt auch hinter der Tür hervor und sieht ein wenig verwirrt aus angesichts der herrschenden Situation. Ich bin so erleichtert ihn zu sehen das ich fast vergessen was ich getan habe.

„Ich habe da diesen Mann gesehen und plötzlich bist du da! Woher hast du einen Schlüssel?“, frage ich Blake aufgebracht.

Es ist schwierig rational zu denken wenn Blakes Gesicht nur 10cm von meinem entfernt ist, meine Hände seine Arme auf dem Boden fixieren und meine Beine um seine Taille geschlungen sind.

Seine Augen, seine Augen die so aussehen wie der Wald blicken direkt in meine, die so aussehen wie nichts außer grau.

„Ich und Ethan fuhren direkt hinter dem Mann, als dieser ausstieg habe ich ihn k.o. geschlagen. Den Schlüssel habe ich ihm einfach abgenommen ich konnte ja nicht ahnen das ich deshalb so freudig erwarten werden würde“, antwortete mir Blake und war wieder der alte.

Ich nickte und kam mir irgendwie dumm vor, aber andererseits könnte er mich auch vorwarnen das er gleich rein gehen würde.

„Okay, es tut mir leid dass ich dich so freudig erwartete habe. Aber ich dachte du wärst dieser Mann“, sagte ich ihm.

„Ja ist schon okay“, antworte er mir. Ich konnte ihm nicht antworten, alles an was ich denken konnte waren unsere Hände die sich berührten, unsere Hüften die sich genauso berührten und mein Gesicht das so nahe an seinem war. Er roch nach einer Mischung aus Wald und irgendeinem Aftershave. Meiner Meinung harmonierten diese beiden Düfte ganz wunderbar miteinander. Chloe hör auf dich wie eine Irre zu benehmen!

„Ähm würdest du bitte von mir runter gehen?“, fragte mich Blake.

„Äh, ja klar“, erwiderte ich schnell und wendete meinen Kopf ab damit er nicht sieht wie rot ich geworden bin. Chloe warum bist du nur so dumm? So schnell ich konnte machte ich mich von Blake los und stellte mich neben Ethan der immer noch ein wenig verwundert aussah. Auch Blake richtete sich langsam auf und zu dritt standen wir in dem Flur, immer noch mit geöffneter Tür.

Blake räusperte sich: „Ähm, ich glaube ich kümmere mich mal um den Typen der draußen herum liegt“.

Ohne ein weiteres Wort verschwand er aus der Tür. Ihm musste die ganze Situation bestimmt genauso peinlich sein wie mir.

„Cho?“, fragte mich Ethan und blickte mich aus seinen großen strahlenden Augen an.

„Ja?“.

„Wieso hat Blake den Mann geschlagen?“.

„Äh ja“, antworte ich ihm. Hammer Antwort, ich bin begeistert. „Also…weißt du, wir leihen uns das Haus für ein paar Tage aus“.

Ethan sieht mich verständnislos an: „Und deshalb müsst ihr sie schlagen?“

„Und einsperren“, füge ich hinzu.

In Momenten wie diesen frage ich mich ob ich der dümmste Mensch auf der Welt bin. Sogar Ethan, mein kleiner 8-jähriger Bruder scheint mehr Intelligenz zu besitzen als ich.

„Kannst du mir mal die Tür offen halten?“, fragt mich Blake der gerade den Mann auf dem Boden schleift.

Ich mache was er sagt, kann aber ein Kichern nicht unterdrücken, wieso auch immer.

Wenig später liegt der Mann in dem 2. Kinderzimmer, genauso mit Schlaftabletten vollgedröhnt wie die Frau.

Glücklicherweise hat Blake die gleiche Größe wie der Mann, denn wegen Blakes, nennen wir sie mal spontaner Abreise, hatte er keine Zeit sich Klamotten mitzunehmen. Mir hingegen passen nur die Schuhe der Frau und ich beschließe meine Stiefel gegen Turnschuhe einzutauschen. Nach dem wir alle geduscht und angezogen im Wohnzimmer sitzen und Fernseher schauen, beschließe ich endlich Mum anzurufen.

„Hallo Humpfrey“, meldet sich Mum.

Natürlich, sie kennt die Nummer nicht.

„Hallo Mum“, antworte ich ihr.

„Chloe?“, fragt sie überrascht. „Wo bist du?“

„Ähm, bei einer Freundin“, lüge ich schnell. Ich weiß nicht warum ich lüge, sollte ich Mum nicht die ganze Wahrheit erzählen? Aber ich glaube das ist einer dieser Gespräche die man nicht am Telefon führen kann.

„Wie schön dass es dir gut geht. Chloe du glaubst gar nicht was passiert ist. Vor ein paar Tagen wurden wir alle evakuiert“, ihre Stimme klingt ängstlich und ein wenig panisch.

„Was?“, schreie ich.

„Die Amerikaner haben Japan angegriffen! Sie haben sofort alle Städte evakuiert und in sichere Bunker gebracht als sie merkten dass die amerikanischen Soldaten einmarschierten. Oh Chloe, es war so schlimm. Sie haben uns in spezielle Bunker der Regierung gebracht. Ich bin so froh das es dir, Ethan und deinem Vater gut geht“.

Ihre Stimme klingt tränenschwer. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt um zu sagen das gar nichts in Ordnung ist, aber ich bringe es nicht übers Herz meiner Mutter, der es ohnehin schon nicht gut geht, auch noch mit unseren Problemen zu belasten.

„Ja uns geht es gut“, sage ich mit brüchiger Stimme.

Mum atmet erleichtert auf: „Ich muss jetzt Schluss machen. Ich liebe dich mein Schatz“.

„Ja, ich dich auch“.

Das Piepen setzt wieder ein und ich lasse mich aufs Sofa plumpsen neben Ethan.

„Mum geht es gut“, sagte ich ihm.

Und ich habe sie angelogen. Und die Amerikaner haben beschlossen die armen Japaner anzugreifen. Und wahrscheinlich sind es nicht die einzigen Länder die Krieg führen. Was hat Blake noch einmal gesagt? Die Leute bekommen Panik, wahrscheinlich werden wir am Ende von unserer eigenen Nachbarn getötet und sparen uns somit die Qualen des Verhungerns.

„Was ist los Cho?“, fragt Ethan.

„Ach nichts“, sage ich ihm und nehme ihn in den Arm. „Es wird alles gut“.

Ich glaubte mir kein Wort.

 

12. Kapitel

 

Es war irgendwie merkwürdig wie normal der restliche Tag war. Blake und Ethan schauten Filme an, da es in diesem Haus keinen Fernsehempfang gab und ich las mein Lieblingsbuch Hinter den Sternen. Zum Glück habe ich es mitgenommen, ich wollte mir gar nicht ausmalen wenn ich ohne es leben müsste. Ich verspürte das Bedürfnis mein Buch an mich zu pressen und nie mehr los zu lassen, jedoch saßen Ethan und Blake neben mir und ich weiß nicht ob das so gut bei ihnen ankommen würde. Meine Augen blieben bei einem Satz hängen. Und ich weiß nicht vor was ich mehr Angst habe. Vor etwas neuem, unbekannten, oder dass alles gleich bleibt wie es ist. Und auch ich stellte mir die Frage, vor was hast du mehr Angst Chloe? Ich wusste es in diesem Moment nicht. Natürlich wünschte ich mir sehnlicher als alles andere das ich eines morgens aufwache und das alles nur ein Traum war, aber eigentlich waren diese paar Tage das spannendste was mir je passiert ist.

„Cho?“, fragte mich Ethan.

„Mhh?“, machte ich und drehte mich in seine Richtung.

„Ich hab Hunger“, sagte er und ich musste beinahe lachen. Irgendwie war das zu viel des normalen, in so einer Situation wie dieser, sind normale Sachen die unnormalen. Ergibt das irgendeinen Sinn? Ich glaube nicht.

Ein Blick aus dem Fenster verriet mir das es schon dunkel war.

„Wie wär es wenn ich uns allen etwas kochen würde?“, fragte ich Ethan und streichelte ihm übers Haar.

„Kannst du machen“, antworte er und wendete sich wieder dem Fernseher zu. Ein bisschen mehr Begeisterung habe ich schon erwartet, aber was will man machen? Ich legte mein Buch beiseite und schlenderte ihn die Küche. Auch hier war es komisch wie normal das alles von außen aussehen musste, ein 15jähriges Mädchen macht Spagetti Bolognese. Aber wie sollte man auch wissen das es nicht ihre Küche war in der sie stand?

 

Ich lauschte auf Ethans gleichmäßigem Atem. Er hatte sich zu einer Kugel zusammen gerollt und ich lag auf der anderen Seite des Bettes und beobachte ihn. Ich konnte nicht schlafen, nicht in diesem Haus das nicht unseres war, nicht in diesem Doppelbett in dem die Leute normalerweise schliefen die wir gefangen hielten. Obwohl das Bett warm und kuschelig war konnte ich einfach nicht zur Ruhe kommen. Ich beschloss nach unten zu gehen und weiter zu lesen. Vorsichtig stieg ich aus dem Bett und schlich mich aus dem Zimmer. Nur in einem T-Shirt, das dem Mann gehörte, und meiner Unterwäsche bekleidet, tapste ich ins Wohnzimmer. Blake lag auf dem Sofa und starrte an die Decke mit nicht mehr als seiner Hose bekleidet. Ich spürte wie ich rot wurde und war dankbar dass es dunkel war. Und Blake, nicht schlecht, du könntest öfter dein T-Shirt ausziehen. Ich könnte mich sofort für diesen Gedanken ohrfeigen.

„Konntest du auch nicht schlafen?“, fragt mich Blake, sein Gesicht immer noch der Decke zugewandt. Nein, eigentlich bin ich total müde aber es macht mir Spaß in der Nacht durchs Haus zu laufen.

„Jap“, sage ich stattdessen nur. Meine Blicke verweilten meiner Meinung nach ein wenig zu lange auf Blakes Oberkörper denn ich musste mir wirklich Mühe geben nicht los zu kichern.

„Wir sollten bald aufbrechen, wer weiß wann die Wirkung der Schlaftabletten nachlässt?“, meinte er.

„Mhh“, machte ich nur. Was soll das Chloe? Hör auf ihn zu begaffen! Du tust ja als hättest du noch nie einen halb nackten Typen gesehen! Abgesehen von Filmen, Werbungen oder Freibadbesuchen (bei den Freibadbesuchen hätte ich auch gerne auf diese Erfahrung verzichtet)? Nein.

Mit hochrotem Kopf sagte ich: „Äh, ich wollte mal bisschen frische Luft schnappen. Also ja ich geh dann mal raus“.

Im Versuch cool und gelassen zu klingen höre ich mich an als hätte ich gerade Durchfall.

„Ich glaub ich komm mit“, sagte Blake und zog sich ein T-Shirt über.

Nein!

War ich enttäuscht dass er mitkommen würde obwohl ich eigentlich Abstand zu ihm gesucht habe oder weil er sein T-Shirt wieder angezogen hat?

Chloe reis dich zusammen!

Blake stand auf und gemeinsam liefen wir zur Tür. Die kühle Abendluft war mir mehr als willkommen und ich unterdrückte den Wunsch die Luft aus Dankbarkeit zu umarmen. Der Mond schien auf uns herab und erleuchtete die kleine Lichtung. Das Gras fühlte sich wunderbar unter meinen nackten Zehen an. Schweigend gingen wir neben einander her bis wir uns schließlich an einer Stelle hinter dem Haus niederließen. Der Himmel war klar und ich sah ein paar Glühwürmchen wie sie zwischen den Bäumen herum fliegen. Für einen Moment hielt ich die Luft an und sog die ganze Schönheit der Nacht in mich auf.

 

Es war ein kühler Sommerabend und ich und Dad lagen auf dem Boden, umgeben von den Bäumen meines kleinen Waldes. Der Wind wehte um meine Haare und ich schaute in den Himmel. Der Himmel war klar und die Sterne schienen auf mich herab. Sie schienen so fern und doch dachte ich wenn ich mich auf einen Baum klettern würde, konnte ich nach ihnen greifen. Es ist seltsam sich vorzustellen, dass überall auf der Welt die Menschen in den gleichen Sternenhimmel schauen wie du. Manchmal glaube ich die Sterne sind nur für mich da, natürlich gehören sie auch anderen, aber manchmal denke ich dass sie nur für mich scheinen. Dad der neben mir lag, deutete mit seinen Fingern auf eine Anordnung von Sternen die ich vorher gar nicht bemerkt habe weil sie so klein und unscheinbar wirkten.

„Siehst du das?“, fragte Daddy.

Ich nickte.

„Das ist der Luchs“, erklärte er mir.

Luchs? Meiner Meinung sah er aus wie ein krüppeliger Blitz.

„Wieso zeigst du mir ausgerechnet den?“, fragte ich Daddy, verwundert wieso er mir kein anderes Sternenbild zeigte, ein schöneres, das mehr strahlt.

Schließlich fragte ich Daddy genau das.

„Es sind nicht immer die großen Dinge die etwas zählen“.

 

„An was denkst du?“, fragt mich Blake, der sich in einen Schneidersitz gesetzt hat.

„Daran wie klein jeder einzelne von uns ist“, antworte ich ihm.

„Und an was denkst du?“, frage ich wenig später uns sehe ihm dabei in seine Augen, die im Sternenlicht aussahen wie Gold.

Nach einer Weile antwortet er: „Daran das du einer der einzigen Menschen bist die ich kenne, die die Wahrheit sagen wenn man sie fragt was sie denken“.

Das stimmte nicht, ich sagte nicht immer die Wahrheit. Wenn mich jemand fragt was ich denke, was nicht sehr häufig vorkommt, erzähle ich ihnen meistens irgendwelche Geschichten von wegen, ja ich mache mir voll Sorgen um die nächste Französischarbeit.

„Du weißt doch gar nicht ob ich die Wahrheit gesagt habe“, antworte ich ihm.

„Okay, du bist einer der einzigen Menschen die ich kenne, bei denen ich glaube das sie die Wahrheit sagen“, verbessert er sich.

Ich und Blake sitzen uns so nahe, das unsere Knie sich berühren.

„Ich würde nicht allen die Wahrheit sagen“, gestehe ich ihm.

Und ich kann es kaum fassen dass ich ihm dabei in die Augen sehen kann, ohne mich zu schämen.

Und noch weniger kann ich es fassen das Blake meinen Blick erwidert ohne mich zu verspotten.

Stattdessen sagt er: „Ich sollte auch ehrlich sein. Eigentlich war ich das schon, aber es war nicht die ganze Wahrheit“.

Gespannt hielt ich die Luft an. Werde ich jetzt einen kleinen Einblick in den Kopf von Blake Hoffmann bekommen?

„Ich muss die ganze Zeit daran denken seit du im Van geweint hast“, fängt er an.

Ich werde rot, wieso konnte ich mich auch nicht zusammen reisen?

Blake fängt wieder an zu reden und seine tiefe sanfte Stimme lässt meinen Scham verfliegen.

„Vor 2 Monaten warst du ein Wochenende bei deinem Vater. Du und dein Vater hattet einen heftigen Streit, man konnte euch bis zu meinem Haus hören“, fing er an. Blake hatte meinem und nicht unserem Haus gesagt und mir wurde wieder schmerzlich bewusst dass die Hoffmanns tot waren, genauso wie mein Vater.

„Du bist zur Tür herausgerannt und hast ihn als Säufer beschimpft, dass er sich wenigstens für Ethan zusammen reisen soll. Er hat geantwortet dass er doch sowieso nicht mehr für euch verantwortlich ist, da ihr bei eurer Mutter lebt. Du hast ihn angeschrien dass er euer Vater ist und sehr wohl für euch verantwortlich ist. Ich weiß nicht was er dann gesagt hat, man hat es nicht gehört. Aber du hast ihm danach gesagt dass du ihn hasst und wünschtest nie mehr zu ihm gehen zu müssen“, Blake stockte kurz.

Ich erinnerte mich sehr wohl an diesen Abend, habe ihn bisher einfach nur verdrängt. Dad hat gesagt das es ihm egal sei. Er hat mir einfach ins Gesicht gesagt das es ihm scheiß egal sei ob er unser Vater ist oder nicht. Dad war zu der Zeit stockbesoffen, hat ein wenig zu sehr Wodka getrunken der ihn immer gemein werden lässt. Trotzdem ballte ich meine Hände zu Fäusten und Tränen stiegen mir in die Augen. Egal wie besoffen er war, nichts konnte diesen Abend entschuldigen.

„Du bist abgehauen, ich habe dich gesehen wie du an unserem Haus vorbei gerannt bist. Ich habe gesehen dass du geweint hast, ich habe dich gesehen. Ich sollte dir nachlaufen, dir ging es schlecht, aber ich war immer noch sauer das du nach dem meine Eltern gestorben sind, nicht einmal angerufen hast. Ich dachte, wenn ich dir scheiß egal bin, dann solltest du mir auch scheiß egal sein. Aber es war falsch von mir. Chloe mir ist egal ob ich dir am Arsch vorbei gehe, Chloe es ist mir sowas von egal, aber du solltest wissen das du mir wichtig bist. Ich hätte zu dir hin gehen sollen, ich hätte dich nicht nur dann, sondern immer trösten sollen. Denn egal, ob du das möchtest oder nicht, egal ob ich dir auf die Nerven gehe…Chloe du und Ethan seid alles was ich habe, meine Eltern sind tot und glaube mir ich habe keine Freunde, was ich nicht sonderlich schlimm finde, aber…du warst die einzige richtige Freundin die ich je hatte. Und du bist der einzige Mensch der mir wirklich etwas bedeutet…und es tut mir alles so furchtbar leid, dass ich nie für dich da gewesen bin…“

Für einen Moment war ich sprachlos, bedeutete ich Blake wirklich so viel? Und mir wurde klar, dass er mir mindestens genauso viel bedeutete. Ich hatte nur mal nur noch ihn, Ethan und Mom.

„Blake…das mit deinen Eltern…Blake du bist mir nicht scheiß egal…Dad hat es mir erst Monate später erzählt…und ich hatte irgendwie Angst…ich dachte du hasst mich….“, meine Stimme brach ab da ich kurz davor war zu weinen.

Blake lächelte mich an: „Hey, wir waren beide Idioten“.

Ich lächelte ihn jetzt auch an: „Also sind wir jetzt quitt?“

Blake nickte und ich musste beinahe lachen so glücklich war ich. Nach einer Weile hatten wir uns einfach ins Gras gelegten und schwiegen. Es war schön einfach mal nichts sagen zu müssen und zu wissen dass der andere einen trotzdem versteht. Mein Herz, von dem ich gar nicht wusste dass es litt, hatte sich heute Nacht langsam wieder erholt.

Ich erinnerte mich aus einem Satz aus meinem Lieblingsbuch: Wenn ich in die Sterne sehe, sehe ich ihn und ich hoffte das er auch mich sieht, denn so konnten wir uns niemals verlieren.

Ich schaute in den wunderschönen Sternehimmel und fragte mich was ich in den Sternen sehe. Nach einer Weile fragte ich Blake: „Was siehst du wenn du ihn die Sterne schaust?“.

Dieser antworte nur: „Ich habe noch nie darüber nachgedacht“.

„Ich auch nicht, aber das können wir ja jetzt machen“, entgegnete ich flüsternd.

Gemeinsam schauten wir in die Sterne und ich glaubte zu wissen was ich dort sah.

Nach einer Weile fragte mich Blake: „Und?“

„Du willst es mir doch auch nicht verraten“, antwortete ich, da ich noch nicht bereit war mein Geheimnis preiszugeben.

Blake lachte: „Da hast du Recht“.

Irgendwann fingen wir an uns Geschichten zu erzählen, von schöneren Tagen, manchmal auch von Schmerzhaften. Als Blake mir von der Beerdigung seiner Eltern erzählte, suchte meine Hand ganz automatisch die seine. Und ich war überrascht als er sie ergriff. Ich weiß nicht wie lange wir dalagen, Blakes warmer Hand mit meiner verschränkt, und ich wusste auch das es nicht wichtig war. Denn das einzige was mir in diesem Moment wichtig war, waren die Menschen die ich liebte. Es mochten nicht viele sein, wir mochten dem Universum noch so winzig erscheinen und doch waren sie alles für mich.

13. Kapitel

 „Adam!“.

Ich hörte einen gedämpften Schrei und ein Klopfen. Nein, kein Klopfen, hektischer, stärker.

„Hilfe!“.

Die Stimme gehörte einer Frau und klang ziemlich gequält. Nicht, einer Frau, der Frau. Die Stimme gehörte der Frau die wir gefangen halten und die Stimme schreit. Ich reiße meine Augen auf und weiß gar nicht wo ich hinsehen soll. Auf Blake, der schlafend neben mir lag oder auf das Fenster im 2. Stock. Die Vorhänge waren zur Seite gerissen und entblößten eine kreischende Frau die mit ihren Fäusten gegen die Scheibe trommelte. Ich fragte mich wieso sie nicht einfach das Fenster öffnete und aus dem Fenster sprang, es war hoch und sie würde sich wahrscheinlich ein paar Prellungen zu ziehen, aber sie schien ziemlich verzweifelt und verzweifelte Menschen machen oft dumme Dinge. Dann bemerkte ich das Gitter, in der Dunkelheit hätte ich es fast nicht bemerkt. Wieso baut man Gitter hinter die Fenster eines Kinderzimmers? Ich glaube diese Familie hat mehr Probleme als ich dachte, fast so viele wie wir.

„Blake“, sagte ich und rüttelte ihn wach. Gestern Abend sind wir wahrscheinlich eingeschlafen es war schon spät. War heute überhaupt schon der nächste Tag? Aufgrund der Dunkelheit konnte man sich nicht sicher sein, aber mein Gefühl sagte ja.

„Blake“, sagte ich diesmal lauter.

Er sah so süß aus wenn er schlief und dafür würde ich ihm am liebsten eine klatschen. Ich war wirklich versucht und kurz davor es zu machen, als Blake die Augen öffnete und mich verwirrt musterte. Und in diesem Moment sah er aus wie ein kleiner Junge und dafür könnte ich ihn doppelt klatschen.

Dann sah er wieder so aus wie immer und fragte: „Was ist passiert?“ Doch wenig später schrie die Frau wieder und Blake stand auf.

„Komm Chloe“, sagte er und reichte mir seine Hand. Ich ergriff sie und er half mir auf.

Blake rannte ins Haus und ich gab mir Mühe mit ihm Schritt zu halten.

„Geh in die Küche und nehme was zum Essen mir, wir müssen los“, erklärt er mir uns steigt die Treppen hoch. Ich stand immer noch verdutz da, auch als Blake mit Ethan über seinem Arm die Treppe runter ging.

„Hilfe!“, schreit die Frau wieder.

Erst jetzt wird mir der Ernst der Lage so richtig bewusst und ich gerate ein wenig in Panik. Hektisch rase ich in die Küche und schmeiße alle haltbaren Lebensmittel in ein paar Plastiktüten. Nach dem ich 3 Tüten vollgestopft habe plündere ich das Süßigkeiten Fach und ich bereue es nicht, ohne Witz das war die beste Entscheidung die ich seit langem getroffen habe. Gummibärchen, Käsecräker, Schokolade, Karamellbonbons,…

Mit meinen Eroberungen gehe ich wieder in den Flur wo Blake schon wartete, der vollbepackt wie sonst was aussieht. Ich würde kichern wenn mich der Schrei der Frau nicht zusammen zucken ließ. Blake legt unsere Rucksäcke in den Kofferraum, genauso wie eine neue Tasche die er wahrscheinlich geklaut hat. Danach nimmt er mir meine Tüten ab und legt sie daneben. Blake geht wieder ins Haus und lässt mich ohne eine weitere Erklärung zurück.

Ich höre wieder die Schreie der Frau und war glücklich das Ethan noch schläft.

„Bitte hilft mir!“.

Am liebsten würde ich sie anschreien das sie endlich leise sein soll, aber dann wäre ich nicht viel besser als sie.

Wenig später ging Blake wieder raus mit noch mehr Taschen und lagerte auch diese im Kofferraum.

„Blake?“, fragte ich leise als dieser Anstalten machte sich in den Fahrersitz zu setzen.

„Komm steige ein wir müssen weg“, antwortete er.

„Blake? Was machen wir? Wir können doch nicht einfach abhauen…wir müssen sie irgendwie wieder rauslassen…“, ich redete während ich mit meinen Händen wild Gesten in die Luft malte.

Blake sah mich eindringlich an: „Chloe, wir können ihnen nicht einfach die Türen aufschließen und sagen hey, ihr könnt jetzt raus, man sieht sich“.

„Nein natürlich nicht…aber…aber wenn wir gehen…Blake was wird dann aus ihnen?“, fragte ich ihn verzweifelt.

Mein schlechtes Gewissen meldete sich vielleicht in einem ziemlich schlechten Zeitpunkt, aber ich wusste dass ich mir das niemals verzeihen könnte wenn ich diese Menschen einfach in ihren Zimmern sterben lasse.

„Chloe…“, Blake stockte kurz und fuhr sich durch die Haare, dann sah er mich wieder an: „Irgendjemand wird sie schon finden und jetzt komm wir müssen los“.

„Und wenn nicht?“.

Darauf wusste auch Blake keine Antwort.

Ich fragte mich ob er mich vielleicht einfach in den Van setzt und weiterfährt, wenn wir erst einmal los fahren ist es sowieso zu spät. Stark genug dafür wäre er und Blake ist nicht einer der Typen die sich wegen so etwas schlecht fühlen würden. Mir blieb nur eine Wahl.

Ich rannte Richtung Eingang und war froh das Blake vergessen hat die Tür zu schließen.

„Chloe, was soll das?“, rief er mir hinterher.

Ich hörte ihn seufzen und seine Schritte die mir folgten.

„Chloe bleib stehen!“.

Aber ich ignorierte ihn und stieg die Treppen hoch. Ich ging ins Schlafzimmer wo wir die Schlüssel auf dem Nachttisch gelegt haben. Als ich aus der Tür schlüpfte war Blake schon da und schlang seine Arme um mich.

„Las mich los!“, schrie ich ihn an. Ich zappelte wie eine Furie und versuchte ihn zu beißen.

„Chloe, halt still“, flüsterte er mir zu Ohr und sein Atem kitzelte in meinem Ohr. „Mach jetzt bitte nichts Unüberlegtes“.

„Blake hör auf! Lass mich los!“.

Ich strampelte weiter, doch er ließ mich nicht los.

Als ich immer ruhiger wurde und fast aufgegeben hatte, flüsterte mir Blake zu: „Ich lass dich jetzt los. Bleib bitte stehen“.

Ich nickte.

Langsam ließ Blake mich los, ich blieb ruhig stehen und hielt den Atem an.

Dann, als ich frei war, holte ich aus und rammte meinen Ellenbogen in Blakes wohlgeformtem Waschbrettbauch.

Ich nutze den kleinen Schockmoment und schloss die Tür zum Kinderzimmer des Mannes auf. Hoffentlich schläft er noch, wenn er aufwacht kann er auch der Frau helfen. Dann rannte ich weg, wieder zum Van, dicht gefolgt von Blake. Ich atmete erleichtert auf, als ich draußen war und das Gras unter meinen Füßen spürte.

Ich nahm im Beifahrersitz Platz und entdeckte Darth Vader wie er an dem Sitz von Blake knabberte. Verdammt wir haben ihn die ganze Zeit hier gelassen ohne ihn zu füttern, ich war echt nicht dafür gemacht auf ein Tier aufzupassen, auf irgendjemanden aufzupassen. Ich nahm mir fest vor Darth Vader sofort zu füttern wenn sich eine Gelegenheit dafür bot.

Dann öffnete Blake die Tür und funkelte mich böse an. Als nächstes verscheuchte er Darth Vader von seinem Sitz und raste los. Ich bin mir ziemlich sicher dass es nicht so praktisch ist auf einem Waldweg mit 90 km/h zu fahren aber ich blieb wieder stumm weil Blake so aussah als würde er mich jeden Moment zerfleischen.

10 Minuten lang sagte keiner etwas, dann öffnete Blake den Mund: „Du weißt dass das dumm von dir war?“.

Es klang nicht wirklich wie eine Frage aber ich antwortete trotzdem: „Vielleicht“.

„Ja oder Nein? Ein vielleicht heißt so viel wie, nein, aber ich will dich nicht verärgern und hoffe dass du es wieder vergisst“, zitierte Blake meine Worte.

Wie gerne ich ihm gerade eine klatschen würde, aber ich glaube ihm geht es nicht anders.

„Na schön, du willst eine Antwort, hier hast du sie. Nein“, antwortete ich patzig. „Dumm wäre es diese Leute verrecken zu lassen nur weil wir kein Risiko eingehen wollen. Ich weiß nicht wie es dir geht, aber ich habe nicht große Lust jemanden umzubringen. Dann wäre ich nämlich kein Stück besser als die Leute die meinen Vater umgebracht haben“.

„Chloe…ich meine nur du müsstest das mit mir absprechen“, erwiderte er und seine Stimme klang nicht mehr ganz so feindlich gesinnt, nicht freundlich, aber auch nicht so als würde er mich zerstückeln wollen.

„Ja, aber du wolltest ja nicht mit dir reden lassen. Außerdem müsstest du mir ja nicht folgen, du könntest weiter fahren und du müsstest dir keine Sorgen machen ob dir etwas passiert. Ich würde wahrscheinlich ins Gefängnis kommen, aber ich meine, selber Schuld“, sagte ich.

Blake seufzte: „Chloe du weißt das ich nicht ohne dich wegfahren würde“.

Im nächsten Moment fuhr Blake eine scharfe Kurve in die Landstraße und ich wurde gegen die Scheibe gepresst.

Blake fuhr jetzt 110 km/h und ich hatte Angst dass er gleich in einen Baum rasen würde.

„Okay, es tut mir leid und ich versuche in Zukunft nicht mehr so viele unüberlegte Sachen zu machen“, sagte ich und meine Stimme klang ein wenig gereizter als ich das beabsichtig hatte: „Aber du hörst bitte damit auf zu fahren als würdest du uns alle umbringen wollen“.

Blake lachte: „Wie sie wünschen Prinzessin“.

Augenblicklich wurde er langsamer und ich atmete aus.

„Nenn mich nie wieder Prinzessin, das nächste Mal ramme ich dir meinen Fuß in die Eier“, sagte ich ihm schläfrig.

Ich war hundemüde und nicht sicher ob ich eine Sekunde länger wach bleiben könnte.

Als Blake anfing zu lachen antwortete ich: „Ich meine es ernst Blake“.

Er antwortete: „Das ist ja genau das lustige. Die meisten Menschen sagen so etwas nur dahin, aber bei dir bin ich mir sicher dass du es wirklich machen würdest“.

Das letzte was ich sagte war dann sind wir uns einig, dann dämmerte ich weg.

 

Als ich aufwachte war es bereits hell. Die Straße war umgeben von Bäumen die einen mit ihren Ästen fast umschließen und ich mir vorkam wie in einem Tunnel. Das Licht das durch die Bäume fiel tanzte auf der Straße. Am liebsten würde ich ein Foto machen um diesen Moment festzuhalten und ihn immer wieder anschauen zu müssen, doch im Moment hatte ich wirklich andere Probleme.

„Auch mal wach?“, fragte Blake.

Was bildet er sich eigentlich ein? Ich drehte mich zu ihm und öffnete meinen Mund um ihm irgendeine schlagfertige Antwort an den Kopf zu werfen, aber ich war nicht wirklich gut darin schlagfertige Antworten zu verteilen also blieb ich stumm.

„In paar Metern halten wir an um zu essen oder unsere Klamotten zu wechseln“, erklärte mir Blake und musterte mich währenddessen.

Ich wurde sofort rot da ich nun mal nicht viel anhatte.

„Okay“, presste ich heraus und schaute aus dem Fenster damit Blake meinen hochroten Kopf nicht sah.

Wie Blake gesagt hatte, blieben wir nach paar Metern stehen. Blake machte sich nicht die Mühe den Van zu parken sondern hielt einfach auf der Straße an.

„Also ich weiß ja nicht wie es dir geht, aber ich habe nicht große Lust das irgendein Auto in den Van rein fährt“, sagte ich ihm.

„Hier fährt doch keiner, also warum sich Umstände machen?“, fragte er mich.

Und er hatte Recht, wir waren die einzigen die hier lang fuhren.

Wir alle stiegen aus dem Van und machten uns über die Vorräte her, als Ethan die Süßigkeiten entdeckte strahlte er mich selig an. Leider hatten wir kein Katzenfutter und ich hatte keine Ahnung was eine Katze so isst außer Katzenfutter. Nach ein wenig Suchen entdeckte ich Tunfisch in der Dose, Fisch klingt so als würden Katzen es essen als stellte ich Darth Vader das hin.

Als ich satt war und Darth Vader auch beschloss ich mich umzuziehen.

„Also ich bin dann mal kurz weg“, verkündete ich, schnappte mir meinen Rucksack und verschwand im Wald. Der Asphalt war warm, trotz des Schattens und ich war froh wieder Gras unter meinen Füßen zu spüren. Je weiter ich in den Wald lief auf desto mehr Stöcke und Steine trat ich und das schöne Gras unter meinen Füßen Erlebnis wurde zur Qual. Von Ethan und Blake war nichts mehr zu hören und das einzige was ich wahrnahm waren die Geräusche des Waldes. Ich schaute mich noch kurz um, nicht das hier irgendwo Spanner sind, aber Vorsichtig ist ja bekanntlich besser als Nachsicht. Schnell tauschte ich meine Klamotten aus, ich glaube in rekordverdächtigen 30 Sekunden. Ich glaube das lag aber daran das ich keine Lust hatte länger als 2 Sekunden nackt im Wald zu stehen. Da stand ich also, in Jeans, einem schwarzen T-Shirt und Turnschuhen, nicht bereit wieder zurück zu gehen. Es tat so gut mal wieder alleine zu sein. Nicht dass ich ein Einzelgänger bin, aber zu viel Menschlichen Kontakt vertrage ich auch nicht. Ich lauschte auf einen Vogel der eine fröhliche Melodie trällerte und ich tastete nach meinem Vogelanhänger denn ich die ganze Zeit nicht ausgezogen habe. Und wieder wünschte ich mir ich könnte fliegen, weg von all dem hier. Ich fragte mich wie mein Leben sich innerhalb paar Tagen so drastisch ändern konnte und nicht nur mein Leben. Wie konnte sich die Welt so schnell ändern? Aber die Welt änderte sich ständig, nicht nur jetzt, das war schon immer so. Vielleicht war das genau das Schöne am Leben, man muss jeden Moment genießen da er viel zu schnell wieder vorbei sein kann. Genauso wie dieser Moment auch bald wieder vorbei sein wird. Ich atmete tief durch und steuerte meinen Rückweg an. Der Rückweg war um einiges angenehmer da ich Schuhe trug. Die ganze Zeit fragte ich mich wieso wir nichts unternommen haben. Der Grund wieso die Welt gerade in dieser Situation steckt ist nicht ihre Schuld, sondern ganz allein die der Menschen und so auch meine. Wieso mussten wir auch immer so egoistisch sein? Hätten wir ein klang wenig mehr auf unsere Umwelt geachtet wäre Dad vielleicht noch am Leben. Ich hasste sie alle! Diese ganzen Regierungsfutzis haben es gewusst und uns nicht gewarnt. Wieso? Und ich musste feststellen dass sie mich an mich selbst erinnerten. Probleme werden so lange ignoriert bis sie verschwinden. Nur das dieses Problem nicht einfach so verschwindet, denn wir waren mittendrin.

Vorsichtig.

Meine Nackenhaare stellten sich auf und ich hielt meinen Atem an. Irgendetwas lief hier ganz verkehrt. Ich konnte es nicht sehen, aber ich konnte es spüren. Mein ganzer Körper hatte sich angespannt und ich lauschte angestrengt. Ein Brausen, das eines Autos. Sind Blake und Ethan ohne mich weggefahren? Die Vermutung war dumm, das würden sie doch nicht machen. Oder? Mein Herz pochte laut gegen meine Brust und mein Mund wurde trocken. Dann hörte ich wie das Auto anhielt, das waren gar nicht Blake und Ethan. Doch ich wollte mich trotzdem nicht beruhigen, nein ich wurde immer panischer. Vielleicht ist doch jemand hier entlang gefahren und der Van versperrte ihnen den Weg. Aber wären sie dann nicht einfach ausgewichen und würden nicht anhalten? Vielleicht wollen sie Blake aber auch anschreien dass sein Verhalten Rücksichtslos und eine Gefahr für seine Mitmenschen ist.

„Stehen bleiben!“, hörte ich eine tiefe Stimme rufen.

Atmen Chloe, atmen! Panisch streifte ich meinen Rucksack ab und griff nach dem Revolver. Die Waffe wirkte nicht gerade bedrohlich in meinen zittrigen Händen, aber das muss reichen, für was auch immer. Die Straße war etwa 100 Meter entfernt und ich verspürte den Drang zu ihnen zu rennen. Aber ich hatte Blake das ich versuchen würde nicht mehr so viele unüberlegte Sachen zu machen. Vorsichtig kletterte ich auf einen Baum der in meiner Nähe wuchs um die Situation besser betrachten zu können. Die Rinde war rau, fühlte sich aber vertraut an. Ohne groß nachzudenken, und vor allem ohne nach unten zu sehen, kletterte ich immer höher, bis ich die Baumkrone erreicht hatte. Hier waren die Äste zu dünn und ich traute mich nicht noch höher zu klettern. Als ich doch nach unten schaute, bildete sich ein flaues Gefühl in meinem Magen. Ganz ruhig, ganz ruhig. Ich versuchte mich zu konzentrieren. Von hier oben hatte man wirklich eine bessere Aussicht. Ein herunter gekommener Jeep hatte hinter unseren Van geparkt und 2 Männer standen Ethan und Blake gegenüber und einer richtete eine Pistole auf Ethan. Er richtete eine Pistole auf Ethan. Plötzlich wirkte die Höhe neben der neuen Angst so harmlos dass ich fast über sie lachen musste. Höhenangst du bist ja so niedlich, denkst du wirklich das dich irgendjemand ernst nehmen kann? Wirklich? Du solltest mal die Angst oh mein Gott dieser Typ richtete eine Waffe auf meinen kleinen Bruder und ich hocke nur unnütz auf einem Baum und schaue zu kennen lernen. Mein Herz das ohne hin nicht in bester Verfassung war, schien wackeliger als ein baufälliges Gebäude, ein Windhauch und es würde in sich zusammen fallen. So schnell ich konnte kletterte ich nach unten und rutschte mehrmals ab doch das nahm ich gar nicht richtig war. Die letzten 5 Meter sprang ich einfach nach unten. Beim Aufprall schmerzten mir meine Füße und ich kam unsanft auf der Erde auf. Aber auch das realisierte ich nebenbei, so wie oh die Sonne scheint, oh da ist ja ein Vogel, oh meine Füße schmerzen so als wären sie 10mal gebrochen wurden. So leise ich konnte sprintete ich näher bis ich nur noch 5m Entfernung zur Straße hatte.

„Gut und jetzt gib uns schön die Schlüssel zu eurem Van“, sagte einer der beiden Männer. Beide sahen schäbig und schmutzig aus.

,,Guck uns nicht so behindert an. Na los mach schon“, sagte er zu Blake und gluckste auf.

Am liebsten würde ich zu ihm hinrennen und ihm die Augen ausstechen.

Blake hatte die Lippen fest aufeinander gepresst und sah die beiden Männer gequält an, Ethan neben ihm zitterte. Schnell Chloe, mach irgendetwas! Zitternd richtete ich meinen Revolver auf denjenigen mit der Waffe. Tausend Gedanken rasten mir durch den Kopf und mein Auge zuckte nervös. So funktioniert das nicht! Chloe reis dich zusammen! Reis dich einmal in deinem erbärmlichen Leben zusammen!

„Okay, aber wenn ich das mache dann passiert keinem von uns etwas“, antwortet Blake einem der Männer und ich war überrascht wie gefasst er in dieser Situation war.

Die beiden sahen sich an und lachten übertrieben laut.

„Ach sei mal locker, wir werden dein hübsches Gesicht schon nicht verunstalten“.

„Ich meine das ernst“, antwortete Blake und sah sich nervös um.

„Du hast doch keine Wahl. Wenn du nicht tust was wir sagen erschießen wir euch beide sofort“, sagte sie ihm.

Plötzlich entdeckte Blake mich wie ich verängstigt mit dem Revolver hinter einem Baum stand. Er sah mich entsetzt an und schüttelte kaum merklich den Kopf.

„Los! Mach!“, schrie ihn der Mann an und schlug ihm mit seiner Hand ins Gesicht.

Blake sah sich mit hassverzehrter Miene an, doch er steckte seine Hand in die Hosentasche wo er die Autoschlüssel immer aufbewahrt. Er kann ihnen doch nicht einfach die Schlüssel geben! Aber anscheinend konnte er doch. Blake nahm sie heraus und hielt sie den Männern hin, währenddessen war sein Blick immer noch auf mich gerichtet. Schieß Chloe! Mach doch irgendetwas! Steh hier nicht so dumm da! Mein Revolver war immer noch auf den mit der Waffe gerichtet. Mein Herz schlug immer noch wie verrückt und mein Blut rauschte mir in den Ohren. Ich konnte an nichts anderes denken, nichts anderes sehen, außer mein Revolver und den Mann. Und dann drückte ich ab.

 

Ab da ging alles so schnell das ich mir nicht sicher war ob es gerade wirklich passierte. Die Kugel, die Kugel die ich abgefeuert hab traf den Mann in seiner rechten Schulter. Er schrie vor Schmerz auf und lies seine Waffe los, mit seiner anderen Hand hielt er sich seine blutende Wunde.

„Verdammte scheiße!“, fluchte er.

Blake holte aus und schlug den anderen, der ziemlich verstört aussah, mitten ins Gesicht. Als nächstes schnappte Blake sich Ethan und setze ihn in den Van, bevor er selber einstieg rief er mir zu:

„Chloe komm!“

Ich war jedoch unfähig mich zu bewegen. Atmen Chloe, atmen! Der Mann, der nicht gerade dabei war zu verbluten stürmte auf Blake zu. Ich sah nicht was Blake dann machte, mein Blick war auf den anderen gerichtet. Er hatte sich auf den Boden gekauert und spuckte Blut. Mir wurde schwindelig und ich wusste nicht wie lange ich mich noch auf den Beinen halten konnte. Der Mann sackte schließlich in sich zusammen. Er war tot. Ich habe einen Menschen umgebracht. Ich hörte wie ein Körper auf dem Boden geschleudert wurde und einen Schrei. Meine Kehle brannte und ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Ich suchte Ethan, ich musste unbedingt zu ihm um zu wissen ob alles in Ordnung war. Doch alles was ich sehen konnte ergab keinen Sinn mehr, war nur noch ein Gewirr aus Farben.

„Cho!“, schrie Ethan.

Reis dich zusammen! Ich schloss kurz meine Augen und atmete tief ein. Als ich meine Augen wieder öffnete konnte ich wieder normal sehen und analysierte schnell die Situation. Die beiden Männer lagen auf dem Boden, der eine war tot, der andere röchelte noch. Ethan saß im Van, genauso wie Blake und sie schienen auf mich zu warten. Röchelnder Mann kriecht auf die Stgw 57.

Ohne zu wissen wieso renne ich auf ihn zu. Von nahem sieht er noch zerlumpter aus und ich ekelte mich vor ihm. Er sah aus wie einer dem man abends nicht so gerne begegnet weil du Angst hast dass er dich entweder tötet, ausraubt, oder vergewaltigt. Vielleicht auch alles gleichzeitig.

Mit voller Wucht trat ich ihm auf die Hand die nach dem Sturmgewehr griffen.

„Du verdammtes Miststück!“, schrie er auf.

„Halt deine erbärmliche Fresse!“, fuhr ich ihn daraufhin an.

Ich hob das Stgw 57 an und presste es schützend an mich.

Danach ging ich zu dem verrosteten Wagen mit dem diese Mistkerle überhaupt zu uns gekommen sind. Zum Glück waren sie so dumm und haben vergessen abzuschließen und ich konnte den Kofferraum öffnen. Ich wusste nicht was ich suchte, nur das ich nach etwas suchte.

„Chloe verdammt was machst du für einen Scheiß?“, schrie Blake mich an der plötzlich hinter mir stand.

„Ich suche nach nützlichen Gegenständen die unsere beiden Besucher vielleicht besitzen“, fauchte ich ihn an.

Irgendwie war ich sauer, ich weiß nicht warum aber ich verspürte das dringende Bedürfnis irgendjemanden in die Eier zu treten.

„Wir haben keine Zeit. Komm Chloe lass uns wegfahren“, sagte er mir eindringlich.

Ich drehte mich um, um Blake eine zu klatschen, ließ es aber weil er mir näher war als ich vermutete habe.

Blake stand 10cm von mir entfernt und von nahem sah er fast noch besser aus. Seine Haare waren ein wenig länger geworden und standen ihn ein wenig wuschelig vom Kopf ab, das braun seiner Augen schien einen zu wärmen und das grün sorgte dafür das ich eine Gänsehaut bekam, sein Dreitagebart sah so aus wie der eines Models und ich wollte erst gar nicht von seinem Körper anfangen. Wieso musste er auch so aussehen als wäre er gerade aus einem Actionfilm entsprungen? Ich wagte es nicht zu atmen wenn er so nah vor mir stand also nahm ich all meine Selbstbeherrschung zusammen und drehte mich um.

„Wir haben alle Zeit der Welt, der eine ist tot und der andere sieht nicht so aus als wäre er scharf darauf mit uns zu kämpfen“, sagte ich ihm, immer noch gereizt.

Es war schwer mit Blake befreundet zu sein, in manchen Momenten würde ich ihm am liebsten eine klatschen und in anderen wollten meine Hormone sich nicht in den Griff kriegen nur weil er so verdammt scharf war.

Habe ich das gerade wirklich gedacht? Hör auf Blake scharf zu finden! Vergiss nicht er ist ein Freak.

Ich konzentrierte mich wieder auf den Kofferraum, doch dort befand sich nichts außer Schrott. Als nächstes inspizierte ich den Rest des Wagens, Blake immer dicht hinter mir und mit verschränkten Armen. Bingo Munition! Triumphierend hielt ich sie Blake unter die Nase und suchte dann weiter. Bis auf ein wenig Geld und Whiskey entdeckte ich nichts Wertvolles. Das Geld nahm ich an mich, wer weiß vielleicht wird irgendwann alles wieder normal, die Whiskeyflaschen nahm Blake.

„Was machst du?“, kreischte ich ihn an und wollte ihm die Whiskeyflasche aus der Hand schlagen.

Geschickt wich Blake aus und nahm einen Schluck.

„Willst du dich ausgerechnet jetzt besaufen?“.

„Warum nicht?“, antwortete er.

Warum nicht? Am liebsten hätte ich ihm eine geklatscht, auf ihn eingeprügelt und ihn angeschrien.

„Willst du auch etwas?“, bot er mir an und hielt mir die Flasche hin.

Angewidert rümpfte ich die Nase und lehnte ab.

Ich drehte mich um und ging mit 2 Waffen und einer Packung Munition zurück zum Van, Blake folgte mir.

„Weißt du ich hätte echt mehr von dir erwartetet“, sagte ich und funkelte ihn böse an.

„Ja?“, fragte er und hob eine Auge bevor einen weiteren Schluck nahm.

„Jep. Kaum gibt es irgendein Problem sauft ihr Typen euch voll“, schrie ich ihn an.

Blake sah mich amüsiert an: „Und was macht ihr Frauen wenn ihr Probleme habt?“.

„Naja, es gibt mehrere Arten von Problemen. Bei Liebeskummer oder Stress stopft man sich mit Schokolade und Eiscreme voll. Und bei allen anderen Problemen, ignoriert man sie einfach und versucht damit zu leben. Manche lösen sie auch, aber mir ist die erste Variante lieber“, erklärte ich ihm.

„Und was schlägst du mir jetzt vor“, fragte er und schien mich immer noch nicht richtig ernst zu nehmen.

„Schmeiß den verdammten Whiskey weg und lass und wegfahren“, antwortete ich ihm.

„Okay wie sie wünschen Prinzessin“, spottete er, legt die Flaschen aber ab.

Das ging zu weit. Ich habe ihn gewarnt.

Keine Minute später ging ich wie eine Furie auf ihn los und trat ihn in die Eier.

Blake stöhnte vor Schmerzen auf und fuhr mich an: „Musste das sein?“

„Jep“.

„Du bist unmöglich Chloe“.

„Kann schon seit“, entgegnet ich ihm.

Ich setzte mich in den Beifahrersitz und legte meine Sachen neben Ethan, die Waffen habe ich natürlich zuerst entsichert. Auch wenn erst 8 ist und es nicht immer sinnvoll ist einen kleinen Jungen in die Nähe von Waffen zu bringen, sind sie bei Ethan wahrscheinlich am besten aufgehoben. Er ist der reifste von uns allen.

„Ethan, fass am besten nichts an“, sagte ich ihm und wuschelte ihm durchs Haar.

„Okay Cho“, versicherte er mir und lächelte mich an.

Er scheint die Tatsache dass er fast erschossen wurde und dass seine Schwester einen Menschen umgebracht hat erstaunlich gut verarbeitet zu haben.

Wenig später kam Blake rein und sah mich finster an.

Daraufhin musste ich kichern und sagte ihm: „Die Prinzessin erwünscht das der Hofnarr Blake zu fahren begingt“.

Blake verdreht seine Augen und fuhr los.

„Ich lag falsch Chloe. Du bist mehr als nur unmöglich“.

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Tag der Veröffentlichung: 11.12.2014

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