Die Zigarette.
Heissgeliebter, stinkender, lieblicher, tödlicher, genussvoller, giftiger Engel.
Gott, könnte ich eine gebrauchen.
Sie steht hier vor mir. Grinst mich an. Lacht mich aus. Höhnisches Ding. Luder. Schlampe.
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Ich könnte sie vernichten, oh ja. Leicht. Sie anzünden, verbrennen. Bis nichts von ihr überbleibt.
Aber das will das Mistding ja.
Drei Tage sind es jetzt. 72 Stunden. Hölle.
Wie bin ich eigentlich auf die beknackte Idee gekommen, mit dem Rauchen aufzuhören?
Ja, ich weiß, es ist ungesund. Es bringt mich um. Nein, würde mich umbringen. Ich habe ja aufgehört.
Fuck.
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Der „Seminarleiter“ gibt mir freundlich die Hand. Warm ist sie. Trocken. Angenehm. Mit der linken umfaßt er auch noch meine hilflos ausgestreckte Hand. Nimmt sie gefangen. Tätschelt meine Rechte, die jetzt in Unterzahl geraten ist, leicht.
Warum ist der so Mitfühlend? Ist jemand in meiner Familie gestorben?
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„Ich freue mich so, dass du gekommen bist“, sagt er. Ja, nur ich? Was ist mit den anderen. Freut er sich da auch? Oder bin ich Niedersachsenweit als harter Hund bekannt, der eh nur macht, was er will.
Der niemanden an sich heran lässt. Auf keinen hört.
Und wieso dutzt der mich?
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Als erstes erzählt er uns, dass wir froh sein können, aus den Fängen der Tabakindustrie entkommen zu sein. Die ja nur viel Geld mit uns verdient hat. Und uns süchtig gemacht hat.
Süchtig sind wir. Junkies. Drogenabhängige.
Warum guckt der jetzt mich an? Die anderen auch. Bitte.
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Apopo viel Geld verdient. Dreizehn Leute sitzen hier. Jeder davon hat 150 Euro gezahlt.
Na? Auch nicht schlecht Cash für einen Nachmittag, oder? Die armen Raucher ausziehen. Ist doch egal wer es macht.
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Fünf Stunden soll ich hier sitzen. Fünf Stunden, in denen ich belabert werde. Gehirnwäsche. Was anderes ist es nicht. Rauchen ist uncool. Nichtraucher sind viel besser drauf. Leben länger. Haben ´nen längeren. Was weiß denn ich. Bin ich blöd? Weiß ich doch alles selber.
Es ist ganz einfach, mit dem Rauchen aufzuhören. Dass freut mich doch zu hören. Es gibt so etwas wie einen körperlichen Entzug nicht. Sagt er. Das ist doch fein.
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Nikotin ist die Abhängikeitsdroge Nr. 1. Sagt er auch. Noch vor Heroin. Ein Zug und du bist gefangen. Hörst nie wieder auf.
Sagte er nicht, es macht nicht körperlich abhängig?
Ach so, geistig. Mental. Mein Hirn betrügt mich. Das also auch noch. Klasse.
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Das Ding steht immer noch vor mir. Was mach ich denn damit? Wie kann etwas so kleines, unscheinbares mein Leben bestimmen?
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Ich bin total durch den Wind. Mein Hirn macht mich sauer. Richtig sauer. Ich könnte schreien. Um mich schlagen. Toben, kreischen, kratzen. Meinem Gegenüber die Fresse polieren.
Von mir aus auch mir selber. Hauptsache Gewalt. Alles regt mich auf.
Ich bin voller Hass.
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Meine Kollegen. Na, rauchst immer noch nicht? Ha,ha …
Halt den Rand, du Spinner und lass mich in Ruhe.
Bist´n bisschen agressiv heute, oder?
HAU AB …
Idiot, hab dir nichts getan.
FUCK OFF
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Fünfzig Prozent derjenigen, die mit dem Rauchen aufhören, haben überhaupt keine Entzugserscheinungen. Logisch, schon einer mal davon gehört? Nein, natürlich nicht.
Ey, weiß nicht, was du hast. Hab auch Hardcore geraucht, wa. Von einer Sekunde auf die andere aufgehört. Überhaupt kein Ding. War ganz easy.
Lügner, allesamt Lügner.
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Jetzt geht die Gruppenkacke los. Hirnwäsche * 2, jetzt im Schleudergang. „Klopfen“.
Wir klopfen unsere Suchtpunkte und erzählen dann im Chor, dass wir uns auch ganz doll selber liebhaben, falls wir versagen.
Falls! Ha,ha.
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Ich find so was peinlich. Vielleicht liegt das ja an mir. Aber ich mag mich halt nicht mit – oder auch vor – lauter fremden Leuten „schütteln“ und „brrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr- hen“, als würde ich unter einer Dusche mit kalten Wasser stehen.
Der neben mir bekommt einen spastischen Anfall. Ich erschrecke mich und zucke zurück. Natürlich kann ich deswegen nicht mitschütteln. Wenn das Nichtrauchen jetzt nicht klappt, ist dann der Typ neben mir schuld?
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Na, du kleine, runde Drecksschlampe? Oder bist du eher zylindrisch? Ist mir scheißegal.
„Glücklicher Nichtraucher“. Am Arsch.
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Nichtrauchen ist scheisse. Rauchen ist auch Scheisse. Aber Nichtrauchen ist richtig scheisse.
Was will mein verdammtes Hirn denn von mir?
Dauernd nur ein Gedanke. Rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine, rauch eine.
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Rauchenentwöhnung ist wie ein „kleiner Schnupfen“. Sagt der Typ.
Ist der auf Pattex, oder was?
Ich kann bei einem kleinen Schnupfen schon leiden wie ein Großer. Was weiß denn der Komiker.
Er erzählt uns, dass er vor fünfundzwanzig Jahren mit dem Rauchen aufgehört hat. Mit dem Saufen auch gleich.
Was? Soll ich jetzt vor ihm niederknien? Gott preisen?
Fickt er wenigstens? Oder atmen. Herrjeh.
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Ich hab gar kein Feuer. Scheisse. Rauch ich die jetzt oder nicht.
Ich habe ja ernsthaft drüber nachgedacht. Scheiss auf die anderen. Was die sagen, interessiert mich nicht.
Meine Tochter: Papa, ich bin stolz auf dich.
Toll. JETZT kommt das verdammte Gewissen. Treibt sich doch sonst irgendwo rum, wo es keiner findet.
Ich brings nicht über mich. Ich hab wahrlich schon schlimmeres gemacht im Leben, als an so ´ner Fluppe zu ziehen.
Geht dann jetzt die Welt unter? Bestimmt nicht.
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Hemingway.
Mit dem Rauchen aufhören ist ganz einfach. Ich habs schon tausendmal geschafft.
Der wusste wenigstens, was er sagt. Na ja, er hat dann ja aufgehört. Ziemlich effizient sogar.
Man kann es ja auch übertreiben.
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Was willst du? Drecksding. Guck mich nicht an. Ich bin größer. Und stärker. Ich mach dich platt wenn ich will.
Was bist du denn schon?
Ne Zigarette.
Tag der Veröffentlichung: 06.11.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Gewidmet meiner ersten Zigarette.
Die gleich nach meiner letzten kam.