Tatsachenentscheidungen
Peter
Nach einem langen Spaziergang kam ich wieder an der kleinen Hütte vorbei. Ich war in Gedanken. Tief. Wenn mich jemand gefragt hätte was in der letzten Stunde um mich herum passiert ist, ich hätte nicht antworten können. Trotzdem hatte ich das Gefühl heute schon mal an dem - an dieser Stelle größtenteils Flora- und Faunalosen Landschaft fehl wirkenden - Gebilde vorbeigekommen zu sein. Der Spaziergang dauerte durch meinen mentalen Hänger sowieso länger als ich geplant hatte, es wurde dunkel und als würde selbst der Himmel meine steigernde Depression begrüßen und unterstützen, fing es an zu nieseln. Kleine, aber nichtsdestoweniger störende Tropfen prasselten auf meine dünne Windjacke, deren Stoff sich schnell mit der Flüssigkeit voll sog. Dieses klamme Gefühl auf der Haut – nicht richtig nass, aber doch eine Spur mehr als feucht - bereitete mir Unbehagen.
Eigentlich hätte ich vor Einbruch der Dunkelheit wieder an meinem Auto sein wollen, aber der restliche Fußweg dessen, was man gut und gerne als kleinen Berg hätte erklären können, hätte unter normalen Umständen noch eine gute Stunde gedauert. Nicht abzuschätzen wie lange es im Dunklen dauern würde. Ich war tief in das kleine, als Naturschutzgebiet deklarierte Gebiet, hineingetaucht und bewegte mich auch darin wie unter Wasser schwimmend. Ich nahm nichts von dem, was an der Oberfläche – meiner Umgebung - passierte, wahr. Nun fokussierte sich mein Blick, kam - bildlich gesprochen - zu mir und stand vor der Entscheidung den, wie mir klar war, noch weiten Weg in Dunkelheit zurückzulegen oder die Nacht abzuwarten und mich morgen meinem finalen Ziel zuzuwenden. Ich kannte das windschiefe, Holzumrahmte Quadrat mit der kleinen Tür und dem winzigen Fenster von früheren Spaziergängen und war mir ziemlich sicher keinen permanenten Bewohner anzutreffen. Ich klopfte trotzdem, warum weiß ich nicht mehr, anerzogene Höflichkeit - denke ich. Wie erwartet erntete ich nur die stumme Missachtung des von Wind und Wetter ergrauten Holzes.
Ich trat ein und sah praktisch sofort, dass sich hier schon geraume Zeit kein Mensch des längeren aufgehalten hatte. Durch die Bewegung der Tür, von mir verursacht, wob Staub durch den kleinen Raum der Hütte, vollkommen ausgeleuchtet durch die sich in den Feierabend verabschiedende Sonne, die ihre Strahlen durch ein kleines Fenster schickend eine Abschiedsgala für den heutigen Tag gab. Die Atmosphäre glich der einer alten, seit Jahren stillliegenden Fabrikhalle. Mit eingeschlagenen Fenstern und den muffigen Geruch alter Penner die tagaus tagein in Ermangelung anderer Perspektiven in die Ecken gepinkelt haben.
Im letzten Licht des sich scheidenden Tages versuchte ich mir ein Bild vom Inneren des einzigen Raumes zu machen bevor ich die Tür schließen würde. Ich wollte nicht im Dunklen durch die mir unbekannten Räumlichkeiten tapsen – wenn auch schon auf Spaziergängen an der Hütte vorbeigekommen, bin ich doch nie darin gewesen - und mir den Hals brechen. Wobei ich mich der Ironie der Sache nicht verschloss.
In der hinteren, rechten Ecke stand ein roh zusammengezimmertes Bett, darauf eine Strohmatratze, angeschimmelt und stinkend. An der Wand hing ein alter, von unbekümmerten Wanderern verwahrloster, hölzerner, mit drei Türen versehener Schrank. Bis auf eine hingen alle Türen verzerrt in ihren Angeln. Andere Schränke, Truhen oder Kästen waren nicht zu entdecken.
Ich ließ die Tür hinter mir offen stehen und ging herüber an den Hängeschrank. Hinter der einen geschlossen Türe fand ich eine alte Öllampe – die sich nach einem prüfenden Schütteln als mit Flüssigkeit gefüllt herausstellte – und stellte sie auf den kleinen, ebenfalls hölzernen und auf wackligen Füßen stehenden Tisch in der Mitte des Raumes. Anschließend entzündete ich erfolgreich erst den Docht der Lampe und anschließend an derselben Flamme mir ein Zigarette. Mit dem ersten tiefen Zug drehte ich mich um warf ich noch einen letzten Blick auf die sich jetzt definitiv wie ein Raubtier in die Dunkelheit zurückziehende Landschaft und schloss die Tür. Als ich mich wieder umdrehte und dem Raum zuwandte, zog ganz kurz der Gedanke an mir vorbei, wie das Öl überhaupt
in die Lampe kam. Hatte ich nicht von Anfang an das Gefühl, dass seit langem kein Mensch mehr die Hütte betreten hatte? War erst vor kurzem jemand hier gewesen? Verdunstete das Zeug nicht nach einiger Zeit?
Aber was brachte es darüber nachzudenken. Ich würde es nie rausfinden. Viel Licht warf die Lampe nicht, der Rest der Hütte verbarg sich nach wie vor in dunklen Schatten, die dazu noch tanzten wie Derwische aus unbenannten Dimensionen und ihre Finger nach allem in der Hütte ausstreckten, mir inbegriffen. Ich dachte kurz über meine Absicht zu bleiben nach und die Möglichkeit diese Karikatur eines Bettes zu nutzen. Nein, bei all meinen späteren Absichten würde ich dennoch die Überwindung jetzt nicht aufbringen. Ich setzte mich mit Blickrichtung auf die Tür an den Tisch und entspannte mich. Ich würde bleiben, ja, und in den nächsten Stunden vor mich hin sinnieren. Falls ich einschlafen sollte, würde es hier am Tisch geschehen. Aber ich musste wenigstens keine Entscheidungen treffen. Entscheidungen waren doch im Endeffekt die Gründe, die mich hierher geführt hatten.
Die Entscheidung, zuviel zu trinken.
Die Entscheidung, trotzdem selber mit dem Wagen zu fahren.
Nicht zu vergessen natürlich die Entscheidung, die Frau einfach auf der Straße liegen zu lassen und abzuhauen.
Ja, Entscheidungen waren ganz gewiss mein Ding.
Ich saß mitten im – eigentlichen – Nichts, in einer vergessenen alten Hütte am Rand eines ebenso vergessenen Wandergebietes und hing schon wieder meinen – mich täglich wie ein hartnäckiger Steuereintreiber verfolgenden - Gedanken nach, sah die Unfallszene vor meinem inneren Auge, nicht der eigentliche Stoß, als doch die Frau unter meiner Stoßstange, ihren Blick, der in mein Inneres ging und doch nichts als Leere erblickte. Jetzt sah ich es sogar besser als an dem Tag an dem es passierte. Diesen Blick.
Mein eigener war zu diesem Zeitpunkt reichlich verschwommen.
Vor Jahren hatte ich einmal mit Kriegsveteranen gesprochen. Sie erzählten mir, bestimmte Situationen, in denen sie Feinde von Angesicht zu Angesicht getötet hatten, heute viel besser wahrnehmen zu können als zum Zeitpunkt der eigentlichen Geschehnisse. Einer hatte mir erzählt, dass er nicht den Tag des Mordes mehr bestimmen könne, allerdings die genaue Uhrzeit. Er lass sie auf der Armbanduhr des Toten ab. Und er sah den Sekundenzeiger auf der von Blut besudelten Hand heute noch ticken.
Als es an der Tür klopfte, bekam ich beinahe einen Herzinfarkt. Ich sprang auf, der Stuhl auf dem ich saß - sowieso wackelig - fiel, von mir unbeachtet, hinten um.
Die Tür öffnete sich und schwarzes Nass ergoss sich in den Raum. Eine Person stand im Türrahmen, ein Schatten innerhalb der Schatten. So musste der Tod aussehen, schoss mir durch das Hirn. Keine Gestalt mit einer schwarzen Kapuze, sondern die ganze Gestalt Schwärze in sich
. Die tiefe Nacht des Universums in eine – vielleicht - menschliche Form gepresst, Kälte ausstrahlend und hypnotisierend.
Der Tod holte einen nicht, nein, man wanderte gedankenlos geradewegs in das Nichts. Zumindest die Frau, die ich überfuhr tat genau das.
Der Schatten trat einen Schritt in die Hütte, gab Einzelheiten und Farben zu erkennen und der makabere Gedanke verflüchtigte sich sofort, machte Platz für neue - alte - Sorgen.
-Verzeihen Sie, sind Sie der Eigentümer dieser Hütte?
Schüchtern, war der erste Eindruck den ich vom ihm hatte. Hängende Schultern, leise Stimme, nichts als Defensive ausstrahlend.
-Nein, Ich bin praktisch auf der Durchreise. Kommen Sie rein.
Der Mann trat näher und machte die Tür hinter sich zu. Er trat an den Tisch und warf einen kleinen Rucksack von der Schulter.
-Ich war wandern und habe die Zeit wohl falsch eingeschätzt. Haben Sie etwas dagegen wenn ich hier bleibe?
-Es ist nicht meine Hütte, ergo kann ich Ihnen nicht verbieten hier zu bleiben.
Er hatte etwas an sich, was mich zum kochen brachte. Er schien es zu bemerken und hob beschwichtigend die Hände.
-Es tut mir leid, ich wollte Sie nicht belästigen
Ich wusste meine Reaktion war verkehrt, aber ich war stinksauer so erschreckt worden zu sein.
-Das weiß ich auch.
Ich redete schroff mit ihm, aber beruhigte mich auch schon wieder. Vielleicht war es im großen und ganzen nicht so schlecht, wenn ich nicht alleine die Nacht verbringen musste.
-Setzen Sie sich. Gibt es noch mehr Überraschungen?
-Ich denke nicht. Auf jeden Fall nicht von meiner Seite aus. Danke.
Er versuchte ein mühsames Lächeln, Er setzte sich an die nächste Kante des Tisches. Zu meiner linken.
-Auch überrascht?
Wie würde ich ihm klar machen können, dass ich keine Lust auf Unterhaltung hatte.
-Bitte?
-Hat die Dunkelheit Sie auch überrascht, fragte ich?
In diesem Moment blickten wir uns das erste mal direkt in die Augen. Was ich sah, war eine Mischung aus Angst, Verzweiflung und tiefer Müdigkeit. Ich fragte mich was er in meinem Gesicht sah.
-Nein.
Ich sah keinen Grund, ihm mitzuteilen was ich hier tat.
-Ich habe heute Mittag einen Ford unten auf dem Parkplatz gesehen. Nicht viel los hier um die Jahreszeit. Ihrer?
Konversation, dachte ich und fragte mich im selben Moment wieder, ob ich das wirklich wollte.
Aber etwas anderes fiel mir jetzt ein.
-Shit.
Ich kramte in meinen Jackentaschen. Nutzlos. Ich ließ meine Hände, die nicht gefunden haben was sie suchten, wieder auf die Tischplatte sinken. Der andere schaute mich fragend an.
-Ich habe meine Autoschlüssel im Wagen liegen lassen. Ich hatte nicht vor so weit wegzugehen.
Ich zuckte mit den Schultern.
-Na ja. Es wird nicht wegkommen. Ich habe den ganzen Tag auf meiner Wanderung keine Menschenseele gesehen. Ich würde sie ja im Notfall morgen früh gerne mitnehmen, aber ich bin von der Stadt aus hergewandert. Habe also kein Auto da
Nett von ihm mich aufzumuntern, aber sein Auto würde mir wahrscheinlich nicht viel weiterhelfen. So oder so. Aber mir fiel etwas anderes auf, dass er gesagt hatte. Aus der Stadt hergewandert? Ein ganz schönes Stück zu Fuß und sein Rucksack sah nicht so aus, als hätte er viel Verpflegung darin. Das kam mir allerdings merkwürdig vor. Als hätte er in meinen Gedanken gelesen, nahm er seinen Rucksack auf, öffnete ihn und kramte darin herum. Ich beugte mich wie zufällig ein wenig vor, alles was mein Blick erhaschen konnte war ein Seil. Ziemlich dick. Auch er schien nicht zu finden was immer er gesucht hatte, schloss den Rucksack und stellte ihn wieder neben sich auf den Boden. Ich bemerkte, das er den Rucksack dicht neben seine Füße stellte, sogar Kontakt mit einem Fuß herstellte, als hätte er Angst etwas wertvolles zu verlieren. Er begann auf die Öllampe zu starren. Ich fing an darüber nachzudenken ob ich nicht doch gehen sollte. Was sollte passieren.
Karsten
Gott, ich hasste diesen Kerl. Ich kam nur 5 Minuten vor ihm an. Ich hörte ihn von oberhalb des Weges kommen und lebte in der Hoffnung, dass er nur einen Blick in die alte Hütte werfen und wieder verschwinden würde. Er schien sich auszukennen, ging zu dem alten Hängeschrank, holte die Öllampe hervor, zündete sie an und setzte sich an den Tisch. Ich wusste nicht was ich tun sollte, auf ungewisse Zeit neben der Tür zu stehen war wohl unmöglich. Ich musste mich bemerkbar machen und versuchen abzuwarten bis er wieder verschwand. Was mir am meisten Gedanken machte, war die Tatsache, dass das Öl, das ich in der letzten Woche vorsichtshalber in die Lampe füllte, nicht die ganze Nacht reichen würde. Ich vergewisserte mich, aber hatte die Flasche natürlich nicht mitgenommen. Das war nicht Teil des Planes. Was machte er überhaupt hier. Lässt seinen Wagen unverschlossen auf dem Parkplatz und läuft den ganzen Weg hier herauf. Mein einziger Wunsch war es, dass er wieder verschwinden würde. Die halbe Nacht im Dunklen mit einem fremden Mann zu sitzen, baute mich nicht gerade auf. Ich hoffte nur, dass mich mein letztes bisschen Mut bis morgen früh nicht im Stich ließ. Ich wollte ihn gerade auf das Problem mit dem Öl aufmerksam machte als sich die Tür öffnete und eine Frau hereintrat. Ich fasste es nicht.
-Verzeihen Sie, ich sah das Licht von draußen, ich …
Der andere unterbrach sie.
-...Sie waren in Gedanken und es ist dunkel und zu weit zum Parkplatz und Sie haben gedacht, Sie könnten die Nacht hier verbringen. Richtig?
-Ähh, ja. So ähnlich.
Sie lächelte nicht, im Gegenteil. Sie schien nicht erfreut jemanden hier zu sehen. Das Gefühl kannte ich.
-Kommen Sie ruhig herein.
Auch wenn eine weitere Person mehr als störte, konnte und wollte ich sie nicht so schroff anfahren wie der andere Mann. Sie setzte sich mir gegenüber. Sie hatte keinerlei Utensilien bei sich. Keinen Rucksack, keine Tasche. Nichts außer einer Windjacke an.
Ich muss zugeben, ich war neugierig.
-Was machen Sie hier draußen?
-Ich fuhr an der Hauptstrasse vorbei, sah den Parkplatz und dachte mir ein kleiner Spaziergang sei nicht verkehrt. Ich habe wohl unterschätzt, dass es so früh Dunkel wird hier draußen.
Sie lächelte entschuldigend.
Der andere Mann grinste sarkastisch.
-Ganz schöner Gewaltmarsch hierher. Für einen kleinen Spaziergang, meine ich.
Sie ging nicht darauf ein, schien ihn gar nicht zu hören. Vielleicht ignorierte sie ihn auch einfach nur. Mir fiel die Problematik mit der Öllampe wieder ein.
-Ich möchte die Unterhaltung ja nicht unterbrechen, aber weiß jemand wie lange diese Lampe noch brennen wird?
Ich erwähnte natürlich nicht, dass ich es sehr wohl wusste. Nicht mehr lange, soviel stand fest. Der andere Mann packte die Lampe am Henkel und schaukelte sie leicht.
-Es ist nicht mehr viel drin.
Es schien ihn nicht sehr zu stören. Bei der Frau sah das anders aus.
-Shit. Heißt das, wir müssen hier den Rest der Nacht im Dunklen sitzen? Vielleicht ist hier noch irgendwo etwas versteckt.
Sie stand auf und ging zum Schrank, reichte hoch und öffnete die Türen. Sie würde nichts darin finden, das wusste ich. Sie versuchte in die letzten Ecken des Schrankes zu reichen und dabei verschob sich ihre Windjacke ein wenig nach oben. Der Anblick der 9 Millimeter in einem Gürtelholster verwirrte mich. Ich blickte zu dem anderen Mann aber er starrte die Lampe an und schien nichts bemerkt zu haben. Ich überlegte eine Sekunde ob ich sie darauf ansprechen sollte, entschied mich aber dagegen. Was ging es mich an. Ich wollte nur, dass alle verschwanden.
-Nichts zu finden. Was machen wir jetzt?
Sie setzte sich, niedergeschlagen.
-Vielleicht sollten wir versuchen zum Parkplatz zu kommen?
Innerlich hoffte ich, dass jemand den Vorschlag machen würde. Der fremde Mann tat mir den Gefallen. Ich wollte es natürlich selber nicht. Komischerweise schien aber auch die Frau nicht wild darauf sein in der Dunkelheit einen Fußmarsch zu unternehmen. Das verstand ich jetzt am wenigsten. Vielleicht noch eine halbe Stunde Licht.
Katrin
So eine verdammte Scheiße. Seit Wochen bin ich diesen Weg Dutzend mal gelaufen, immer am späten Nachmittag. Zwei Mal bin ich sogar erst nachts mit einer Taschenlampe wieder zurück zum Parkplatz. Obwohl ich ein wenig Angst hatte. Ich wollte sicher gehen, dass nie jemand in dieser Hütte übernachtet. Das war der Fall. Überhaupt gab es sehr wenig Wanderer. Aber das lag vielleicht an der Jahreszeit. Und jetzt kam ich auf die Hütte zu und sah Licht. Verdammt, verdammt. Durch das Fenster sah ich zwei Männer an dem Tisch sitzen, aber ich entschied mich trotzdem reinzugehen. Vielleicht machten Sie nur eine Pause und gingen bald wieder. Ich würde schon einen Grund finden alleine in der Hütte zu bleiben. Der jüngere Mann war nicht sehr nett, aber ich entschied mich freundlich zu bleiben. Der ältere war schon netter und bat mich herein. Ich setzte mich dem netten gegenüber und überlegte, was ich jetzt tun sollte. Der jüngere machte mich schon wieder an und ich ignorierte in. Sie sollten nur verschwinden. Ich freute mich innerlich als der ältere fragte wie lange die Lampe noch brennen würde. Vielleicht würden sie gehen. Ich tat so, als würde es mich irritieren und suchte den einzigen Schrank in der Hütte nach was Brennbaren ab, Paste oder Öl. Ich fand natürlich nichts. In einer Hütte die sowenig frequentiert war wie diese, gab es keine Vorräte. Im Gegenteil, ich wunderte mich, dass in der Lampe sowieso Öl war. Bei meinem vorletzten Besuch hier war sie staubtrocken. Jemand musste in der Zwischenzeit hier gewesen sein. Tatsächlich fragte der jüngere ob wir nicht besser zurückgehen sollten, Dunkelheit hin oder her. Ich jubilierte innerlich und feilte an meiner Ausrede dort zu bleiben.
-Leider habe ich furchtbare Angst in der Dunkelheit, so eine Art Phobie. Aber Sie können natürlich gehen, machen Sie sich keine Sorgen um mich.
Ich versuchte es einfach und mir fiel im selben Moment ein, dass ich ja dann alleine in der Dunkelheit der Hütte sitzen würde. Keine plausible Ausrede. Der ältere Mann versteifte sich.
-Selbstverständlich würde ich keine Frau alleine hier lassen
Na, vielen Dank. Ein Gentleman.
-Ohne Licht in der Dunkelheit? Wir würden uns sofort verlaufen und nie zu Ihrem Auto kommen
Natürlich hatte er Recht. Er konnte aber auch nicht ahnen, dass ich nie wieder von hier weg wollte.
Ihrem Auto? Das hieß, der Ford unten auf dem Parkplatz war der Wagen des jüngeren. Da der andere dann kein Auto dabei hatte und sie sich nicht zu kennen schienen, hieß das, der ältere hatte sich her fahren lassen oder war gelaufen. Ich hatte mir den Ford genauer angeschaut, ich wollte wissen wer sich noch in der Gegend rumtreibt. Der Wagen war nicht verschlossen, der Schlüssel steckte.
Das einzig Merkwürdige lag auf dem Rücksitz. Ein mindestes fünf Meter langer Plastikschlauch, fünfundzwanzig Zentimeter im Durchmesser und eine Menge alte Wolllumpen. Keiner der beiden machte Anstalten zu gehen und sie waren augenscheinlich auch nicht in der Stimmung weiter zu reden, beide stierten stumm die Lampe an, als könnten sie sie mit ihren Gedanken dazu bringen länger Licht zu spenden.
Okay. Wir würden die Nacht in der Hütte verbringen. Mir war es egal. Ich konnte warten ob sie entweder irgendwann gingen oder blieben. Ich hatte auch keine Angst. Notfalls hatte ich sieben Kugeln in meiner Automatik. Mehr als ich brauchte. Wirklich mehr als ich brauchte.
Tag der Veröffentlichung: 28.05.2009
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