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Im Hotel erwartete mich neben einer schlecht gelaunten Angestellten eine Nachricht.
"Bonjour Monsieur Lével.
Bienvenue à Bucharest.
Soyez-vouz au Jardin Cismigiu à 18h00 et nous pouvons entamer des négociations. Je vous trouverais.
À bientot. Elena Hagi."
Hm. Die gute Elena wollte mich also um achtzehn Uhr im Cismigiu-Garten treffen. Um Verhandlungen mit mir aufzunehmen. Die Zeilen waren zwar einfach und kurz gehalten, dennoch enthielten sie zu viele Unsicherheiten. Wer immer in diesem Geschäft so etwas schrieb, tanzte auf ganz dünnem Eis. Denn ich war mir ziemlich sicher, dass die Nachricht geöffnet wurde. Gepriesen sind die toten Briefkästen. Wenigsten war ich mir nun auch sicher, dass ich Begleiter hatte. Den ganzen Weg vom Hotel zum Park.


"Gradina Cişmigiu. S'il vous plaît."
Mit diesen Worten stieg ich in den für Monsieur Lével gebuchten Dacia. Der Taxifahrer sah mich erst dumm an, dann klingelte irgendwas und er fuhr los Richtung Cismigiu-Garten. Zwanzig Minuten später stieg ich aus. Ich war am Ziel, sollte hier Elena treffen. Ich suchte nach Schatten an meinen Hacken. Treffer. Dort, dort, dort und noch mal da. Sie waren zu sechst, welch Aufwand, wechselten sich ab und versuchten natürlich nicht Vorsicht walten zu lassen. Ich entschloss mich daher den Kameraden etwas Bewegung an frischer Luft zu verschaffen und wanderte einmal um den Park herum.
Da Verfolger meist nie auf mögliche Leute achten, die die Verfolger verfolgten, entging ihnen auch die hinter ihnen schleichende Frau. Sie machte das so geschickt, dass selbst ich einige Minuten brauchte, um sie zu bemerken. Das musste wohl Elena sein. Irgendwie musste ich nun versuchen, meine Begleiter loszuwerden, Elena auf die falsche Spur locken und ihr dann folgen. Sollte das dann schief gehen, konnte ich noch in die sowjetische Botschaft, oder in eines der sicheren Häuser.
Ein belebter Park ist definitiv nicht der beste operative Ort. Zuviele Zeugen, zuviele Unbekannte in der Gleichung, aber gut genug, um in der Masse unterzutauchen.
Mich verfolgte nun ein knapp zwei Meter großer Mann. Der fiel auf jeden Fall auf. Ich ließ ihn näher kommen, verlangsamte meinen Schritt, blieb plötzlich stehen, drehte mich um, ging ihm dann entgegen - er schöpfte wenig bis keinen Verdacht - um ihm dann im richtigen Moment einen hart geführten Schlag gegen den Solarplexus zuzufügen. Das war zwar nicht tödlich, verursachte aber eine tiefe Bewusstlosigkeit. Dieser Abschnitt war nun frei, ich musste nur auf Elena warten. Denn nun spielten wir dieses Spiel nach meinen Regeln. Ich setzte mich aber auf keine Bank, um zu warten, sondern schwamm im Strom Richtung Ausgang und wollte dort warten. Doch der Plan erfuhr eine Änderung, als ich den nach oben gerichteten Pfeil sah. Post war im Briefkasten. Ich ging zum zweiten Abfallkorb vor dem Ausgang, warf meine leere Zigarettenschachtel hinein und nahm im gleichen Zug eine andere leere Schachtel an mich, steckte sie in meine Tasche und ging. In der Schachtel fand ich einen Schlüssel für ein Schließfach im Gara Bucureşti Nord, dem Bukarester Hauptbahnhof. Dorthin fuhr ich.

Schließfach zwanzig war meins. Dort fand ich eine Aktentasche, nahm diese und fuhr ins Hotel zurück.
Zwei Stunden später war ich um vieles schlauer. Wenigsten machten meine Quellen in Moskau ihre Hausaufgaben.
Elena Hagi war im wahren Leben die aus Ungarn stammende Suzanna Anda. Ihre Eltern wurden beim Volksaufstand Neunzehnhundertsechsundfünfzig verhaftet und im Schnellverfahren zum Tode verurteilt. Sie kam in ein staatliches Weisenhaus. Irgendwann hatte ihr irgendwer die Geschichte über ihre Eltern erzählt und Suzanna beschloss für die Gegenseite zu arbeiten. Hauptsächlich für die amerikanische CIA. Gut, dass ich das nun wusste, besser wäre es gewesen, wenn ich es vor der Reise gewusst hätte. Eine Adresse lag auch drin. Bulevardul Basarabia 85. In mir kämpfte sich das Verlangen hoch, Fräulein Anda zu besuchen. Denn die einzige Spur die ich hatte, verlief langsam im Sand. Toll. Besuchen wollte ich sie nicht, aber ich steckte eine Nachricht in ihren Postkasten. Wenn sie nicht dumm war, verstand sie die Warnung.
"Madame.
Je suis vraiment desolée. Mais il me faut de rompre notre négociations. Il n'y a rien de plus mortel.
Hénry."
Mir tat es eben leid, dass ich die Verhandlungen abbrechen musste. Denn das war absolut tödlich. Ich überließ es den Rumänen ihren Vogel aus dem Nest zu werfen und ging schlafen. Am nächsten Tag spazierte ich durch Bukarest und wartete auf Nachricht Nummer zwei. An der Metrostation 1 Decembrie 1918 wurde ich fündig.

"Bruder des Objekt traf gestern in Prag ein. Länge Aufenthalt unbekannt. Hotel unbekannt."

Das war nicht viel, aber immerhin etwas. Ions Bruder musste ziemlich dumm sein, er musste doch wissen, dass sein Bruder auf der Flucht war, da fuhr man nicht einfach in der Welt umher, sondern versteckte sich. Für viele mögen ja die Länder des sogenannten Ostblocks barbarisch sein, aber wenn jemand was verkehrt macht, gibt es ab und an schon einen warnenden Hinweis.
Ich musste nun von Bukarest nach Prag kommen. Nicht mit dem Flugzeug, nicht mit dem Bus und nicht mit der Eisenbahn...
Ich wartete bis zum einbruch der Nacht, dann ging ich auf dem Bulevardul Basarabia auf und ab und fand das passende Auto. Einen uralten Dacia. Tür- und Zündschloss waren kein Problem, dann ging's Richtung Norden. Mein Plan war es die rumänisch-ungarische Grenze zu überqueren. Ich rechnete mit keinen Problemen. Denn ich hatte das sprichwörtliche Ass im Ärmel. Die Fahrt ging von Bukarest über Pitesti, Sibiu, Deva und Arad nach Ungarn. An der Grenze half mir der Ausweis des Securitate Manns aus dem Park in Bukarest, auf ungarischer Seite der Pass von Hénry Lével. Von Szeged ging es dann entspannter weiter nach Budapest. Mit der Bahn. Den maroden Dacia ließ ich in den Vororten von Szeged, zusammen mit dem Securitateausweis. In Budapest nutzte mir das nichts mehr.

Budapest, 22. März 1984

Nach meiner Ankunft im Budapester Bahnhof Keleti pályaudvar ging ich dort direkt auf die Suche, nach einem mir sehr ähnlich sehendem Mann. Er musste ungefähr meine Größe und Haarfarbe haben, den Rest erledigte ich dann. Meine Suche dauerte eine Stunde, dann stolperte ich in mein ungarisches Ebenbild und er war seine Brieftasche los. Ich hatte einen neuen Ausweis. Jetzt musste ich nur noch dieses Foto mit dem in Herrn Lévels Pass ersetzen, dann konnte ich in die Tschechoslowakei.
Ich mietete ein ein kleines Zimmer in einem versteckten Hotel und morgen früh ging mein Schnellzug nach Prag. Dort hatte ich schon ein Zimmer im U Konicka. Direkt in der Altstadt, direkt am Václavské náměstí, dem Wenzelsplatz. Prags belebtester Platz. Genau dort hoffte ich den Bruder von Ion zu finden!

wird fortgestzt.......

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Tag der Veröffentlichung: 13.08.2009

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