Cover

Die Tür öffnet sich mit einem leisen Schrei. Sie kommen zu viert. Er liegt in einer Ecke der Zelle, zusammengekauert, ein dreckiges Laken um sich gehüllt, verkrampft, halb träumend, halb wartend, den Gedanken an die Männer vorauseilend der Tatsache, dass sie nun da sind. Es muss ungefähr drei Uhr morgens sein. Die Zikaden scharren metallen in seinen Ohren, gierig, lüstern in der dampfenden Hitze der Tropen. Er steht auf, drängt sich in eine Ecke der schwarzen, kotbeschmierten Zelle, mit dem winzigen, vergitterten Fenster über seinem Kopf. Er spannt die letzten Kräfte in seinem Körper, die Männer erwartend. Ausgezehrt von dem kargen Essen, den täglichen Verhören, den Schlägen, der Isolation, der Blicke voller Verachtung, der Sehnsucht nach dem Leben in dieser Hoffnungslosigkeit, schafft er es gerade einen von ihnen niederzustrecken. Unter einem Hagel von Schlägen fällt er auf die Knie, sie verkleben seinen Mund, aus dem Laken knoten sie einen Strang, binden ihn an das winzige Fenstergitter fest, die Luft so entsetzlich stickig, schwitzende Körper, die ihr Mörderhandwerk schnell und gekonnt ausführen. Aus dem Strang wird eine Schlinge, einer reisst sie ihm um den Kopf, sie heben ihn hoch, lassen ihn zu Boden fallen, immer wieder, unter kaum hörbaren Gelächter und Palaver, bis ihn das Knacken in seinem Genick durch den ganzen Kopf hindurch erschüttert. Erst zappelt er hilflos um sein Leben, bis endlich sein Lebensnerv reisst und er leblos am Gitter hängt. Die Männer zählen in Gedanken den Sold für ihr Werk. Dann ist er allein mit seinem toten Körper in der nach Kot und Pisse stinkenden Zelle. Er spürt das Lauschen der anderen Inhaftierten in ihren Zellen. Das Entsetzen und gleichzeitig die Erleichterung selbst noch einmal davongekommen zu sein. Sie hatten ihm alle Knochen gebrochen. Sie verarzteten ihn dann, um schliesslich wieder von vorn zu beginnen, wieder alle Knochen zu brechen, bis er endlich bereit war zu reden. Und damit war sein Todesurteil unterzeichnet. Denn er musste reden, damit sie wussten, was er wusste, aber natürlich dürfte es niemals offiziell ans Licht kommen und deshalb musste er sterben. Nun hing da der leblose Körper und wurde von einer Seele betrachtet, die im Blitzlicht einer Sekunde Bilanz zog. Die Flut der Bilder seines Lebens floss durch diesen Blitz. Sah sich fahrend auf einer hellblauen Harley-Davidson durch andalusisches Felsenland mit einem jungen Mädchen, sah seine spielenden Kinder, seinen Sohn, seine Tochter ihn zärtlich umarmend. Den ernsten, zweifelnden Blick seiner Frau, die sich von ihm trennte als sie von seinen Geschäften mit den Drogen erfuhr und sich trotzdem nie ganz seiner Ausstrahlung entziehen konnte. Sein Bruder, seine Schwester, die ihm folgten und halfen beim einfädeln der Deals, bei denen es um Hundertausende ging, gierig, beide, wie er. Wie er sie mit kräftiger, überzeugter Stimme einweihte und teilhaben liess am nächsten Geschäft, denn keiner von ihnen wollte die quälende Monotonie eines Arbeitslebens ertragen. Die Erinnerungen an die 6 Jahre in französischen Gefängnissen, wo sie einen nicht foltern, aber wie den letzten Dreck behandeln. Die täglichen Erniedrigungen, sie lassen dich spüren, dass du nichts wert bist. Aber als er raus war, wusste er genau: Nie mehr ein normales Leben führen. Nie mehr Lohnsklave sein. Geschäfte einfädeln und diesmal in Afrika, mit Bekannten, die auch schon lange im Geschäft sind, der letzte grosse Deal und dann ein Leben in Ruhe und Frieden, den Kindern etwas zu bieten haben, reich sein, Mädchen haben und auf alles scheissen. Sie hatten einen Tipp bekommen, er fuhr ihnen morgens direkt in die offenen Arme, dachte er könnte sich noch irgendwie rausreden, ein afrikanisches Mädchen war schwanger von ihm. Die Richter kannten keine Gnade. Dreissig Jahre und er kannte die wichtigen Männer des Landes, die in das Geschäft verwickelt waren und das war sein Tod. War es nicht schade, so sinnlos zu sterben, aber er hatte ja nie anders gekonnt......

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 26.11.2008

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /