Mein Name ist Piphanno, kurz Pip, ich bin Maotaner vom Clan der Wuzzi, geboren im Jahr Mirach unserer Zeitrechnung. Demnach bin ich in Menschensprache ausgedrückt ungefähr 20 Jahre alt. Zusammen mit meiner Gefährtin Lynnandra begab ich mich auf einem Erkundungsflug in unserer Reisekugel, um für unsere Abschlussarbeit eine Sternenkarte unseres Sternensystems anzufertigen. Doch auf dieser Reise gab es eine Kollision mit einem Meteoritenschauer, der uns vom Kurs abkommen ließ. Bei der Eingabe der Kurskorrektur musste mir ein Fehler unterlaufen sein, denn anstatt in unserem Planetensystem gelangten wir, in eine, für uns völlig fremde neue Spiralgalaxie. Das war der Anfang einer Katastrophe, wir wussten nicht wo wir waren und konnten keinen Kontakt zu unseren Planeten aufbauen. Unser Navigationssystem spielte verrückt und unser Antriebssystem würde nicht mehr lange weiterfliegen. Wir wussten, unser Ende stand bevor, deshalb trafen wir eine Entscheidung. Mit unserem letzten Energieschub wählten wir eine Richtung und würden ein letztes Mal auf Worseantrieb schalten, der uns in Lichtgeschwindigkeit voran bringen würde, bis der letzte Rest unserer Antriebskraft erschöpft wäre. Dann würden wir entweder schwerelos durch das All treiben oder abstürzen, so oder so, wir würden zusammen sterben. Ein seltsamer Moment überkam uns, als alle Vorbereitungen abgeschlossen waren.
Wir hatten so viele Pläne gehabt und wollten noch hoch hinaus. Ich, als Bester meines Jahrgangs in Navigationswissenschaften, Kommunikation und Sprachlehre, Lynn, als exzellente Pilotin und Meisterin verschiedener Kampfsportarten sowie Waffenexpertin, wir wollten uns beide der Raumfahrt widmen und neue Errungenschaften für Maotan erlangen. All unsere Studienjahre hatten wir erfolgreich darauf hingearbeitet, um jetzt an unseren letzten Test zu scheitern? Ohne Erklärungen, ohne Auszeichnungen würden wir einfach verschwinden und niemand würde je erfahren, was mit uns passierte? Verzweifelt umarmten wir uns und schalteten gemeinsam auf Worseantrieb. Die Geschwindigkeit presste uns in unsere Sitze und die Sicht verschwamm in einem Strudel aus Licht und Farben, der Computer nannte uns in Abständen die erreichte Entfernung in Lichtjahren. 25, 50, 75...als die Stimme des Computers bei 100 Lichtjahren ankam, stoppte plötzlich der Worseantrieb und mit rotblinkenden Warnleuchten und Alarmgeräuschen teilte uns unser System den Notstand an Energie mit. Es war vorbei. Resigniert blickten wir auf den Erkundungsbildschirm, um wenigstens unsere Umgebung aufzuzeichnen. Vielleicht würden diese Aufzeichnungen unser Volk doch irgendwann erreichen und zu neuen Erkenntnissen führen. Beinahe gleichzeitig entdeckten wir einen wunderschönen blauen Planeten in unmittelbarer Nähe. So unglaublich nahe, dass eine Landung möglich wäre. Das teilte mir zumindest, inmitten all der Alarmgeräusche, Lynn aufgeregt mit und ohne groß auf meine Einwände einzugehen, gab sie alle erforderlichen Befehle an den Computer weiter. Dessen Mahnung, die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Landung, läge nur bei 15% und wäre nicht empfehlenswert, umging Lynn indem sie auf manuelle Steuerung umstieg und uns in einem rasanten Sturzflug diesem neuen geheimnisvollen Planeten näher brachte. Lynns Aussage, es würde keine sanfte Landung werden, kam im selben Moment, wie die Computermeldung, dass alle Systeme in 10 Sekunden abgestellt werden würden. In Sekundenbruchteile hatten wir die Atmosphäre durchbrochen und steuerten Richtung Grund. Keine Lichter empfingen uns und leiteten uns den Weg, nur Dunkelheit herrschte um uns herum. Der Computer zählte den Countdown herunter, 9,8,7...
Plötzlich erschien unter uns ein flackerndes Licht. Ohne lange darüber nachzudenken hielt Lynn darauf zu. Wir erkannten so etwas wie einen riesigen finsteren Turm, indem es ab und zu schwach aufleuchtete. Mit letzter Kraft und den letzten Sekunden des Countdown steuerte unsere Kugel auf ein klaffendes Loch in der Kuppel des Turms zu, die Systeme fielen aus und wir kamen mit einem heftigen Aufprall auf, schlitterten eine Weile über den Boden und wurden dann abrupt gebremst. Stille umfing uns und wir sahen uns an, hin- und hergerissen zwischen Glück und Verzweiflung, wussten wir doch nicht wo wir hier gelandet waren und was das für unsere Zukunft bedeuten würde. Wir hatten keine Antriebskraft mehr und die restliche Energie reichte nur noch für die Notbeleuchtung und einige wenige Funktionen, nicht aber um uns von unseren derzeitigen Standpunkt wegzubringen. Ich entschloss mich, unsere Erkundungsaufnahme mit einer kurzen Nachricht an unserem Heimatplaneten zu senden, solange die letzten Reserven noch dafür ausreichten. Lynn ließ den Computer inzwischen eine kurze Analyse unseres möglichen Standpunktes durchführen. Mit zittriger Stimme teilte uns das System mit, dass wir uns ca. 200 Lichtjahre von Maotan entfernt befanden. Was sollten wir nur tun, soweit von zu Hause entfernt? Vielleicht gab es auf diesen Planeten ja irgendeine Möglichkeit, unser Antriebssystem wieder aufzuladen und nach Hause zurückzukehren, sollten wir je herausfinden, in welche Richtung dieses lag. Dazu mussten wir natürlich erst einmal unsere Umgebung erkunden. Während Lynn sich mit ihrer Laserwaffe ausrüstete, schnappte ich mir meinen Kommunikator und meinen Handcomputer. Momentan konnte dieser uns nur eine Analyse der Atmosphäre liefern, welche in ihrer Zusammensetzung eigenartigerweise in etwa der unseren glich. Sollten wir wirklich so viel Glück im Unglück haben? Würden die Bewohner dieses Planeten uns in Aussehen und Intelligenz genauso ähnlich sein? Lynn öffnete den Ausstieg unserer Reisekugel, Rücken an Rücken verließen wir langsam unsere schützende Umgebung. Lynn hielt sich in absoluter Kampfbereitschaft. Wir konnten nichts hören und nichts erkennen, es war dunkel und roch eigenartig muffig. Der Gegenstand, der unsere Kugel gebremst hat, war an der Aufprallstelle leicht eingebeult, sah aber ansonsten aus, wie eine riesige Wand.
Plötzlich ertönte ein sehr lautes knarrendes Geräusch, irgendwo aus der Dunkelheit. Ein flackernder Lichtkreis erschien und stieg langsam immer höher. Verängstigt verfolgten wir das Licht mit unseren Augen, es schien von etwas empor gehoben zu werden. Gleichzeitig ertönten weitere Geräusche, Geräusche, die sich wie Stimmen anhörten, aber in unbekannten Lauten artikulierten. Während Lynn in Angriffsposition ging, tippte ich hektisch auf meinem Kommunikator ein, um vielleicht eine Übersetzung zu erhalten. Im Lichtkreis erschien mehrere Mao-Meter über uns der Umriss einer Gestalt, die auf uns hinunter starrte und dabei seltsame Laute ausstieß. Mein Übersetzungsprogramm lieferte immer noch kein Ergebnis und die Situation wurde langsam brenzlig...
„Tom, wach auf, hast du das gehört?“ Sybille rüttelte ihn unsanft aus dem Schlaf, schlaftrunken drehte Tom sich auf die andere Seite: „Geh wieder ins Bett, Syllie, du hast nur geträumt und weckst noch das ganze Haus auf mit deinem Geplärre.“ „Komm schon Tom, wach endlich auf, ich habe gerade ein lautes Poltern auf dem Dachboden gehört!“ Syllie hörte nicht auf Tom zu schütteln. „Das ist bestimmt ein Einbrecher, genau wie bei den Meyers letzte Woche, er wird uns im Schlaf erschlagen, eben wie die arme alte Frau Meyer, Gott sei ihrer Seele gnädig!“ Während Tom versuchte sich ein Kissen über den Kopf zu ziehen, fing im Gitterbett, der kleine 2jährige Danny an zu weinen. Fluchend warf Tom sein Kissen an die Wand und drehte sich wütend zu seiner Schwester herum. „Siehst du was du angerichtet hast? Jetzt wird uns dein eingebildeter Einbrecher wohl kaum im Schlaf erschlagen können, was mir viel lieber wäre, als mitten in der Nacht von meiner kreischenden Schwester geweckt zu werden, wegen irgendeinem Geräusch auf dem gottverdammten Dachboden! Danny, komm schon hör auf zu weinen und schlaf weiter. Syllie hat nur schlecht geträumt.“ Mit den Worten stand Tom auf und ging zum Bett seines kleinen Bruders, um ihn zu beruhigen. Hinter ihm sagte seine Schwester in beleidigten Tonfall: „Thomas William Illenhausen, du sollst nicht fluchen, das habe ich dir schon viel zu oft gesagt. Und ich habe wohl ein Geräusch gehört und werde jetzt nachsehen gehen, ob mit dir oder alleine!“.
„Niicht schla..schlagen. Will Mahami!“ schluchzte der kleine Danny. Voller Sorge horchte der 14jährige Tom, ob seine Eltern von dem Gezeter aufgewacht waren. Im blieb nur eine Wahl, wenn er Sybille und Danny beruhigen und endlich weiterschlafen wollte, musste er den kleinen Quälgeistern beweisen, dass nichts, aber auch gar nichts auf dem Dachboden war. Die Logik seiner 10jährigen Schwester, was wohl ein Einbrecher auf dem Dachboden suchen sollte, begriff Tom zwar nicht, aber Syllie konnte mit ihren Gezeter selbst Tote wieder zum Leben erwecken, geschweige denn ihre Eltern und das war das Letzte, was Tom wollte.
„Also gut, in Ordnung, gehen wir nachsehen, was Syllie gehört hat. Wahrscheinlich ist nur eine Eule durch das Fenster geflogen, auf der Suche nach Mäusen...Aber ihr seid leise und bleibt hinter mir. Wenn Mutter oder Vater wach werden, Sybille, machst du einen Monat lang meine Hausarbeiten!“
Sie hatten ihr Zimmer im obersten Stockwerk, direkt unter dem Dachboden. Über eine Leiter, die Tom an einer Leine herunterzog, kletterten sie nacheinander hinauf zur Dachbodenluke. Syllie flüsterte leise vor sich hin und Danny hielt sich schluchzend an ihrem Hemdzipfel fest. Die Geschwister zur Ruhe ermahnend, öffnete Tom langsam die Luke zum Spitzboden und leuchtete dabei mit seinem Kerzenhalter in den Raum. Zuerst sah er gar nichts, dann schien es ihm plötzlich, als befände sich am anderen Ende, nahe des Fensters, ein eigenartiges Licht am Boden. „Was ist das?“ Tom kletterte noch weiter die Leiter hoch und ging auf das Licht zu. Syllie folgte ihm aufgeregt, den kleinen Danny hinter sich herziehend. „Hast du etwas entdeckt? Es ist doch kein Einbrecher?“
Nein, das waren keine Einbrecher, zumindest nicht die Art, die seine Schwester meinte. Was sich da Toms Augen bot, war so fantastisch und fremdartig, dass sie bestimmt alle denselben Traum haben mussten. Mit offenem Mund blieb Tom ruckartig stehen und dabei trat ihn Sybille schmerzhaft in die Hacken. „Aua.“ Nein, das war kein Traum, dachte Tom. Aber was war das für eine überirdische Leuchtkugel? In ihrem sanften Himmelblau sah sie aus wie eine Seifenblase. Aber, was noch viel unglaublicher war, waren die zwei kleinen bunten Wesen vor der Leuchtkugel. Eines kauerte hinter einen Pappkarton, das andere stand aufrecht davor. Sie waren ungefähr 30 cm groß, wie kleine Puppen, sehr zierlich und überall am Körper befanden sich leuchtende oder flimmernde Elemente. Man konnte nicht genau sagen, ob diese Leuchtpunkte von ihren Leib ausgingen oder eine Art Kleidung oder Schmuck darstellten.
Überhaupt hatte Tom noch nie solche kräftigen und strahlenden Farben gesehen, selbst die Puppenkleider seiner Schwester Sybille oder Dannys Wachsmalstifte waren noch lange nicht so bunt, wie diese kleinen Figürchen.
Das eine Wesen, welches sich in aggressiver und feindseliger Pose vor ihnen aufgebaut hatte, konnte er am besten betrachten. Es hatte lange, glatte purpurfarbene Haare, zu einem dicken Zopf am Hinterkopf gebunden, fast wie der Schwanz eines Eichhörnchens. In die Stirn des Wesen fiel eine witzige Haarsträhne, die aussah wie eine Pfeilspitze und bei jeder Bewegung auf- und abwippte. Seitlich am Kopf sah er fühlerartige Ohren, die in einen Bündel von blinkenden Kugeln endeten. Noch nie hatte er so lange Haare gesehen, von der eigenartigen Farbe einmal abgesehen. Seine Schwester trug ihre immer geflochten und selbst seine Mama, Tom hatte sie einmal heimlich beim Bürsten ihrer Haare beobachten können, hatte bei weitem nicht so eine Mähne. Sie reichten fast bis zum Boden und umrahmten den Körper der zierlichen Gestalt. Außerdem trug niemand, den er kannte, so eine Frisur, außer vielleicht die Pferde im Stall, musste er grinsend feststellen. Tom vermutete wegen dieser Haarpracht, dass das winzige Wesen eine Art Weibchen darstellte, auch wenn es kein Kleid trug, sondern so etwas wie einen Schlafanzug, so schien es ihm zumindest. Angesichts der Tatsache, dass Tom so etwas noch nie in seinem Leben gesehen hatte, konnte er kaum beschreiben, was er da eigentlich sah. Es war enganliegend, wie eine zweite Haut, von einem noch kräftigeren Purpur mit schwarzen Streifen an Armen und Beinen und blinkenden, glitzernden Lichtern am Oberkörper. Das Weibchen tänzelnde nervös hin und her und fuchtelte ständig mit einem kleinen flimmernden Gerät in ihre Richtung. War es gefährlich? Konnte es ihnen mit diesem Gerät wehtun? Er befahl seinen Geschwistern sich hinter ihm zu verstecken und keinen Mucks von sich zu geben. Danny war angesichts des Spektakels sowieso schon ganz eingeschüchtert und unter das Nachthemd seiner Schwester gekrochen, Syllie, hin- und hergerissen zwischen Neugier und Entsetzen, gehorchte ausnahmsweise einmal, ohne ihm mit langen Tiraden zu widersprechen. Er war der große Bruder und deshalb würde er nicht nur seine Geschwister beschützen sondern sich auch todesmutig dem kleinen blinkenden Wesen stellen, auch wenn das sein Ende bedeuten sollte. Langsam machte Tom einen Schritt nach vorn in Richtung der Leuchtkugel und der nun hüpfenden und zirpenden Gestalt. Er ließ sich auf alle Viere hinunter gleiten, ohne auf die zischenden Proteste seiner Schwester zu achten, das hüpfende Wesen immer im Auge behaltend. Jetzt konnte er auch erkennen, dass es sich immer wieder in Richtung der Leuchtkugel umdrehte, wo die zweite blaue Gestalt ebenfalls aufgeregt zirpend antwortete. Sprachen sie etwa miteinander? Eine Sprache, die er nicht kannte oder nicht verstehen konnte, weil sie so klein waren. Wenn er sie doch nur aus unmittelbarer Nähe betrachten könnte. Tom beugte sich noch tiefer, mit ausgestreckter Hand in Richtung der purpurfarbenen Erscheinung und in diesem Moment traf ihn ein blendend heller Strahl zwischen die Augen, ein stechender Schmerz schoss ihm sofort in den Kopf und machte ihn blind und taub. Die Hände auf die schmerzenden Augen gepresst, warf er sich wimmernd auf dem Boden hin und her, um diesen hartnäckigen Brennen irgendwie zu entgehen. Tom konnte weder das verängstigende Heulen seines kleinen Bruders noch das wütende Gekreische seiner Schwester vernehmen, die sich nun schützend vor ihm aufgebaut hatte und auf das kleine Wesen eine Reihe von wüsten Beschimpfungen hinunter schrie.
„Was soll ich tun, Pip? Sie sind riesig und ich weiß nicht, wie viele es sind, ich kann nichts sehen!“ Lynn fuchtelte wild mir ihrer Laserpistole hin und her zwischen dem Riesen am Boden und dem anderen, der jetzt vor ihr aufragte. Den ersten Angriff hatte sie gerade so abgewehrt, aber lange würden sie wohl nicht standhalten. „Hör auf, deine Laser auf sie abzufeuern, Lynn, du hast sie wütend gemacht! Warte bis ich ein Übersetzungsprogramm gefunden habe.“
Der Kommunikator lief auf Hochtouren, noch 10%, dann war die Überprüfung abgeschlossen. „Beeil dich lieber, der erste Angreifer kommt langsam wieder zu sich und ich weiß nicht, wie lange ich den zweiten noch in Schach halten kann. Außerdem haben sie ihren Alarm angestellt und wer weiß wie viele dann noch auftauchen?“ „Schon gut, die Überprüfung ist abgeschlossen. Es handelt sich um eine sehr primitive Sprache, die unser Volk vor sehr vielen Jahren aufgezeichnet hat. Sie beruht aber auf ähnlichen Lauten, wie unsere Sprache, auch sie kommunizieren über Stimmorgane. Nur ist ihre Lebensweise der unseren eher unterentwickelt. Oje.“ Pip ahnte schlimmes.
„Könntest du jetzt bitte das Gerät einschalten und diesen Lebewesen mitteilen, dass sie uns bitte nicht töten sollen? Sämtliche meiner Kampftechniken sind bei dieser Größe nämlich völlig nutzlos.“
„...kleinen, hinterhältigen Wichtel. Ihr habt Tom wehgetan und der weint sonst nie. Außerdem habt ihr meinem kleinen Bruder Angst eingejagt, das ist so gemein. Wenn jetzt noch Mama und Papa aufwachen, bekommen wir großen Ärger und ich muss wahrscheinlich wieder die ganze Wäsche alleine ausbessern. Wie könnt ihr es wagen, wir haben euch doch gar nichts getan...“
„Was soll das, Pip? Kommt das von dem Riesen vor mir? Es hört sich nicht nach Todes-Drohungen an, sondern eher verzweifelt. Ich kann jedenfalls nichts davon verstehen.“ „Hm“, Pip tippte auf seinem Gerät herum, „Mama und Papa in ihrer Sprache bedeutet wirklich Eltern in unserer Sprache. Könnten das Kinder sein?“ „Kinder? Du meinst, sie sind klein?“ schrie Lynn entgeistert. „Hör auf, Lynn, wenn das Kinder sind, haben sie vermutlich genauso viel Angst vor uns wie wir vor ihnen. Wir müssen sie beruhigen, dann können wir mit ihnen reden und bekommen vielleicht etwas über unsere Umgebung heraus. Kinder sind nicht so gefährlich wie ausgewachsene Wesen.“
„Na toll, dieser Fuß vor mir könnte mich jedenfalls sofort zerquetschen und das nennst du nicht so gefährlich...“ Lynn hörte sich aber schon etwas entspannter an und sah zu, wie Pip etwas in seinem Kommunikator eingab. „Pass auf, Lynn. Das ist unsere Chance.“ meinte der Maotanijaner zu seiner Gefährtin und nickte in Richtung der großen Wesen.
Die Betäubung des Lasers hatte wieder nachgelassen und Lynn´s vermeintlicher Angreifer hatte sich erhoben. Der zweite hatte aufgehört zu sprechen und hielt eine kleinere Version wiegend in den Armen. Gemeinsam schauten sie auf Pip und Lynn herunter.
„Wir sind Maotanijaner vom Planeten Maotan aus der Galaxie Andromeda. Wir sind nicht in feindlicher Absicht hier, wir hatten eine Notlandung und werden euch nichts tun. Es tut uns leid, dass wir einen von euch verletzt haben, das war nur der Schreck. Wir werden unsere Waffe nicht mehr auf euch feuern, solange ihr uns nicht angreift. Wir können hier nicht weg, weil unser Antriebssystem ausgefallen ist und brauchen eure Hilfe.“
Tom hielt sich stöhnend den Kopf, Syllie starrte mit offenem Mund auf die kleinen, fremden Wesen und Danny hatte sogar vor Erstaunen aufgehört zu weinen. Ab und zu schluchzte er noch auf, dann steckte er sich den Daumen in den Mund und fing an schläfrig daran zu nuckeln.
„Sie haben gesprochen!“ meinte Syllie atemlos, „Hast du gehört, sie wollten uns gar nicht wehtun.“ Tom antwortete mit einem leisen Stöhnen. „Oh Tom, wie geht es deinem Kopf?“ besorgt betrachtete Sybille ihren großen Bruder. „Ach, der brummt nur noch ein bisschen, es geht schon wieder…Ist das zu glauben, sie haben wirklich zu uns gesprochen! Obwohl die meisten Worte gar keinen Sinn ergeben, scheinen sie unsere Sprache zu sprechen.“ Tom sprach etwas gepresst, sein Schädel fühlte sich an, als hätte ihm jemand einen Stein an den Kopf geworfen und dabei hatte ihn doch nur ein Lichtstrahl aus einem winzigen Gerät getroffen. Es war wirklich kaum zu glauben, was sich hier auf ihren Dachboden gerade abgespielt hatte. Vorsichtig, um die Wesen nicht wieder zu erschrecken, beugte Tom sich mit zusammengekniffenen Augen vor, um einen Blick auf die nächtliche Erscheinung zu werfen. Beide Wesen hatten sich ebenfalls hingesetzt und beobachteten die Kinder stumm. Sie sahen irgendwie traurig aus, was sie wohl gerade dachten?
„Sie sind so klein.“ meinte Tom nachdenklich zu seiner Schwester, „Was meinst du, was das für Wesen sind, Syllie? Vielleicht sind es Kobolde, die hier auf dem Dachboden wohnen oder Elfen?“ „Es können keine Elfen sein, sie haben keine Flügel und für Kobolde sind sie doch viel zu hübsch. Aber es könnten Wichtel sein, vielleicht haben sie sich nur verlaufen?“.
„Wir sind keine Wichtel, wir sind Maotanijaner.“ Kam plötzlich eine seltsam monotone Antwort von unten herauf. „Wir können euch verstehen, unser Kommunikator übersetzt uns alles, was ihr sagt. Könnt ihr uns sagen, wo wir hier gelandet sind und wie euer Planet heißt?“ Verblüfft sahen sich Tom und Sybille an. Was sollten sie darauf nur antworten? Während Tom noch angestrengt überlegte, fing seine vorlaute Schwester schon an zu plappern.
„Ich weiß nicht was Maotaner sind oder ein Kommunigator, aber ich freue mich, dass ihr uns verstehen könnt. Ich dachte ihr seid Wichtel, weil ihr so klein seid, aber wenn ihr das nicht seid, nun ihr werdet schon wissen, zu welchen Wesen ihr gehört. Ihr seid auf dem Dachboden der Familie Illenhausen gelandet und ich weiß zwar nicht was ein Planet ist, aber ihr seid hier auf Gottes Erde und wir sind alle Gottes Kinder. Zumindest sagt uns das immer Pfarrer Benedikt in der Sonntagsschule. Achso, ich bin die Sybille, Sybille Marie um genau zu sein, aber alle nennen mich Syllie. Die kleine Schlafmütze hier neben mir ist mein kleiner Bruder Danny, eigentlich Daniel Oswald, aber das ist viel zu kompliziert und Danny ist ja noch ein Baby. Der Griesgram neben mir ist Tom, dem habt ihr ordentlich eine verpasst, aber er will ja auch immer unbedingt den großen Helden spielen...Uff...“ Sybilles Redeschwall wurde unsanft von einem Boxhieb unterbrochen. „Warum hast du das getan?“ beleidigt rieb Syllie sich ihre Seite, „Ich wollte sie doch noch nach ihren Namen fragen.“ „Schau sie dir doch an“ meinte Tom kopfschüttelnd, „sie haben kein Wort von dem verstanden, was du gesagt hast. Du redest viel zu schnell und viel zu viel auf einmal.“
Tom holte tief Luft und blies sich die Haarsträhnen aus der Stirn. „Syllie, ich sag es ja nur ungern, aber wir müssen wieder ins Bett. Wir können nicht die ganze Nacht hier auf dem Dachboden sitzen und Danny ist schon eingeschlafen. Wir müssen bald wieder aufstehen und unsere Arbeiten machen. Vater wird schimpfen, wenn wir am Frühstückstisch einschlafen.“ „Aber was machen wir denn dann mit den kleinen Kerlchen? Sie haben gesagt, sie brauchen unsere Hilfe und sie können hier nicht weg. Vielleicht hält ein Zauber sie gefangen? Schau doch nur, wie diese Kugel leuchtet, das muss ein Zauber sein…“ Sybille schaute ihren Bruder flehend an.
„Was auch immer sie sind und woher auch immer sie kommen, auf unseren Dachboden sind sie erst einmal in Sicherheit. Wir bringen ihnen morgen etwas zu essen hoch und nach der Stallarbeit, wenn Mutter und Vater auf dem Feld sind, kommen wir wieder hoch. Dann versuchen wir alles zu klären. Bestimmt müssen sie auch schlafen. Komm schon, Syllie, morgen ist auch noch ein Tag.“ fügte Tom jetzt bestimmter hinzu und zog dabei gleichzeitig seine störrische Schwester auf die Beine. Vorsichtig nahm Tom seinen kleinen Bruder auf die Arme. Stirnrunzelnd drehte er sich nach seiner Schwester um, sie war mit der Kerze in einer Ecke des Dachbodens verschwunden. „Was machst du denn da, ich habe gesagt, wir gehen jetzt wieder runter!“ „Warte, sie sollen doch nicht frieren…“ kam es dumpf hervor. Anscheinend kramte Syllie in einer Kiste herum. Resigniert wandte Tom sich an die zwei Leuchtgestalten und sagte deutlich: „Wir kommen morgen wieder. Wir müssen jetzt schlafen.“ Seine Schwester erschien wieder an seiner Seite und beugte sich zu den kleinen Wesen herunter. In der Hand hielt sie mehrere Stofffetzen. „Bitte sehr, damit habt ihr es warm und bequem. Habt keine Angst, wir sind bald wieder bei euch. Gute Nacht.“ Sybille winkte zum Abschied und kletterte eilig hinter ihren Bruder die Leiter hinunter. Mit einem letzten Blick auf die zwei winzigen zusammengekauerten Flimmerwesen schloss sie langsam die Dachbodenluke. Zurück blieben zwei kleine, ratlos aneinander geklammerte Maotanijaner, im Lichtschein ihrer Reisekugel, voller Fragen und voller Sehnsucht nach ihrem zu Hause.
Die Stille und die Dunkelheit, die um uns herrschte war beängstigend. Das waren wir nicht gewohnt, in unserer Welt sind wir umgeben vom Licht. Nicht nur unser Volk, nein auch die Pflanzen und die Tiere, unser ganzer Planet strahlt nur so vor Licht und Farben, es ist unser Lebenselixier, es bestimmt unser Zusammensein, drückt unsere Gefühle aus und hält uns am Leben. Alles Leben beginnt bei uns im und mit dem Licht, ohne diese Kraft sind wir verloren.
Wie traurig, dass wir ausgerechnet auf einen scheinbar so dunklen Planeten landen mussten. Nach der ganzen Aufregung durch die harte Landung und dieser äußerst erschreckenden Begegnung, hüllte mich nun die Schwermut langsam ein. Ich blickte hinüber auf meine kleine Lynn, sie hatte ihren Kopf an meine Schulter gelegt und sah gedankenverloren in die Dunkelheit. Keiner traute sich das Schweigen zu brechen, unsere düsteren Gedanken auszusprechen. Der einzige Trost, der uns umgab, war das Leuchten unserer Kugel. Wie lange würde die Energie noch dafür ausreichen? Würden wir etwas finden, um sie wieder aufzuladen? Eine Lichtquelle ähnlich der unseren? Ich erinnerte mich an die Notizen unseres Volkes, die ich flüchtig überflogen hatte, bevor ich das Übersetzungsprogramm laufen ließ, die Erkenntnisse waren alles andere als ermutigend. Ich musste es Lynn mitteilen, aber was dann? Sie war eine hervorragende Kämpferin und eine außerordentliche Pilotin, aber ich kannte auch ihre sanfte Seite und wusste, wie empfindsam sie war. Jetzt war ich an der Reihe, sie zu beschützen. Sanft drückte ich Lynn fester an mich.
Vielleicht hatte sich ja, seit dem letzten Besuch unseres Volkes, auf diesem Planeten das Leben weiterentwickelt. Es musste sehr lange her sein, ich kannte keine Eintragungen über dieses Planetensystem und ich hatte wirklich alle, der uns bekannten studiert. Also entweder waren die Aufzeichnungen verloren gegangen oder unseren Urahnen nicht wichtig genug erschienen. Vermutlich würde dann auch niemand in diesem Sternensystem nach uns suchen, es war so gut wie aussichtslos, gerettet zu werden...
Nein, ich würde jetzt nicht aufgeben. Wir hatten diese unglückliche Reise überstanden, eine fast aussichtslose Landung überlebt und Kontakt zu einem fremden Volk aufgenommen. Neue Erkenntnisse für Maotan, noch unbekannte Planeten erforschen, das war doch unser gemeinsamer Traum gewesen. Jetzt waren wir mittendrin und somit eindeutig nicht der Zeitpunkt sich in Mutlosigkeit sinken zu lassen! In diesem Moment, in dieser Dunkelheit, mit Lynn an meiner Seite leistete ich einen Schwur.
Ich bin Piphanno vom Clan der Wuzzi, ich werde alles tun, um diesen Planeten zu erforschen und egal wie lange es dauern würde, eines Tage werde ich zusammen mit Lynnandra nach Hause zurückkehren und unserem Volk von all den Abenteuern berichten. Ich glaube fest daran, bei all unseren Lichtgeistern, diese Reise wird nicht vergebens sein.
Neben ihr begann Pip sich ruckartig aufzusetzen und schreckte Lynn so aus ihrer Versunkenheit. Sie sah wie ihr Gefährte seinen Kommunikator an den Handcomputer anschloss. Lynn hatte sich in ihren ganzen bisherigen Maotan-Leben noch nie so verloren und gleichzeitig so angespannt gefühlt. Der Clan, dem sie angehörte, war bekannt für seine Stärke und Tapferkeit, allen Mitgliedern wurden von Kindheit an Durchsetzungsvermögen, Mut und Kampfgeist gelehrt. Eine Hazel würde niemals den Kopf in den Sand stecken! Aber genau das wollte sie in diesem Augenblick tun, denn noch nie war sie sich, trotz oder gerade wegen ihres ganzen Kampfwissens, so hilflos vorgekommen.
„Was tust du denn da?“ fragte sie deshalb auch wenig begeistert, denn sie spürte Pip´s Energie und Tatendrang, konnte und wollte sich dieser Kraft jedoch nicht anschließen.
„Ich gebe alles, was der Kommunikator aufgenommen hat, an den Computer weiter.
Wollen doch einmal sehen, was der uns alles so über diese neue Sprache erzählen kann. Vielleicht kann ich mir auch gleich ein paar der gehörten Vokabeln aneignen. Wir können ja schlecht die ganze Zeit mithilfe des Übersetzungsprogrammes kommunizieren.“ fuhr Pip gedankenversunken fort. „So wie es aussieht, sitzen wir hier erst einmal fest, also werde ich das tun, was ich am besten kann: Eine neue Sprache lernen!“ Pip war so mit seiner Aufgabe beschäftigt, dass er den entgeisterten Gesichtsausdruck seiner Gefährtin gar nicht bemerkte. „Wie kannst du nur so seelenruhig davon reden, diese neue Sprache lernen zu wollen? Das heißt ja, dass du weiterhin mit diesen unbeschreiblich riesigen Kreaturen kommunizieren willst. Wir sollten das nicht tun, sie könnten uns zerquetschen oder zertreten und wenn nicht sie, dann wahrscheinlich die ausgewachsenen Exemplare. Was eine gerade zu furchtbare Vorstellung für mich ist. Warum versuchen wir nicht, von hier zu fliehen oder uns zu verstecken?“ Angesichts der Tatsache, das sämtliche Argumente ihrerseits an Pip´s fortwährender Beschäftigung abprallten, wurde Lynn langsam wütend. „Piphanno, ich kann nicht glauben, was du da tust! Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Willst du uns in ernsthafte Gefahr bringen?“ Lynn´s Stimme wurde immer lauter und aufgebrachter, sie fühlte sich, durch seine Stärke und Zuversicht verraten und mit ihrer Verzweiflung alleingelassen und das war etwas, was sie nicht ertragen konnte. Schließlich war sonst immer sie die Stärkere, so wie es sich für eine Hazel gehörte. Ein Wuzzi war schlau, aber eine Hazel war Kraft und Führung. Pip konnte nicht auf einmal beides sein, das nahm ihr den letzten Halt.
Natürlich spürte Pip ihren Schmerz, aber er wollte Lynn doch nur aus ihrer Mutlosigkeit heraus helfen. Schließlich kannte er seine Gefährtin, sie gehörten zusammen, waren eine Einheit, Pip wusste das sie bald wieder neuen Mut schöpfen würde und bis dahin war eben er ihr Beschützer.
„Sei unbesorgt, Lynn. Ich habe schon einiges herausgefunden, ich werde uns nicht in Gefahr bringen, das verspreche ich dir. Außerdem kenne ich dein Gespür für gefährliche Situationen. Wenn du das wirklich glauben würdest, hättest du uns schon längst von hier weggebracht. Ich vertraue dir immer mein Leben an, das weißt du doch.“ Zärtlich sah Pip auf sie herunter und durch seine Blicke voller Vertrauen beruhigte Lynn sich langsam wieder. Er hatte Recht, sie mussten sich ihrer Lage klar werden, die Geheimnisse ihrer neuen Umgebung verstehen lernen. Dann würden sie auch überleben.
„Ok, schon gut. Ich war nur einen Moment in Panik. Was hast du herausgefunden?“ Lynn schüttelte den letzten Rest von Verzagen von sich, sie würde ihre Stärke schon wieder finden.
„Schau mal, laut diesen Aufzeichnungen waren unsere Vorfahren, lange bevor wir geboren wurden, schon einmal hier. Allerdings haben sie wohl nicht allzu viel herausgefunden oder die Daten sind unvollständig. Neben dem Übersetzungsprogramm gibt es nur ein paar Anmerkungen:
Wir bereisten einen Planeten, ein Vielfaches größer dem unseren und von einer unendlichen Weite. Feste Landmasse wird von blau glitzernden flüssigen Feldern abgelöst, in dem man eintauchen und auch wieder festen Grund finden kann. Eine Sonne, um einiges stärker, als unsere, beleuchtet diesen Planeten. Es herrscht eine Zeit des Lichtes und eine Zeit der Dunkelheit. Die Zeit des Lichtes, ist wie bei uns, die Zeit des Lebens. Bewohnt sind nur die oberen Gebiete, außerhalb der Flüssigkeit. Es sind nicht viele an der Zahl und die Völker sind weit verstreut. Fremde Völker kommunizieren nicht miteinander, sie sprechen verschiedene Sprachen, sie leugnen ihre Einheit, bekämpfen sich sogar. Auch unterwerfen sie jedes andere Lebewesen, herrschen über die Pflanzen und die Tiere und leben nicht miteinander in Harmonie. Sie sind uns zwar in Größe überlegen, aber in ihrer Entwicklung befinden sie sich weit hinter unserer Zivilisation. Es sind egoistische und zerstörerische Wesen, auf Fremdartiges reagieren sie zuerst mit Angst und Feindseligkeit, dann mit Besitzansprüchen. Sie verletzen einander aus den einfachsten Gründen. Eine Kontaktaufnahme zu diesen Wesen ist nicht empfehlenswert. Nur in den kleineren Gruppen, innerhalb der Clans oder wie sie es nennen: Familie, finden wir einen ähnlichen Zusammenhalt wie in unserem Volk. Dort finden wir Einheit und Frieden, eine Hoffnung. Erst wenn das gesamte Volk dieses Planeten gelernt hat, so zu leben und sich nicht weiter zu bekämpfen, werden wir wiederkehren und uns offenbaren. Sie nennen diesen Planeten Erde.“ Konzentriert lasen Pip und Lynn die Ausführungen ihrer Urahnen. „Hm, ich glaube jetzt verstehe ich, warum ich im Navigationssystem und in den Büchern noch nie etwas von diesem Planeten und seiner Galaxie gesehen habe.“ teilte Pip nachdenklich seiner Gefährtin mit. „Ich glaube, sie hielten diese Zivilisation nicht für würdig genug, um darüber zu lehren. Sie rieten damals von jeglicher Kontaktaufnahme ab und haben die Daten vermutlich gelöscht. Nur die Sprachaufzeichnungen nicht, damit kann ja auch niemand etwas anfangen. Meinst du die Welt hat sich hier seitdem wünschenswert verändert? Leider weiß ich nicht, aus welcher Zeit diese Aufzeichnung stammt.“
„Ach Pip, wir können es nur hoffen.“ meinte Lynn niedergeschlagen. „Es hört sich so an, als wäre dieser Planet Erde für eine Forschungsreise sehr ungeeignet...Aber etwas hört sich für mich sehr gut an, sie schreiben, es gibt eine Lichtquelle, eine starke Sonne. Das könnte auch unsere Rettung sein.“ fügte Lynn schon wieder fröhlicher hinzu. „Weißt du Lynn, die drei Erdenwesen, die wir heut kennenlernten, sahen aus, als würden sie zu einem Clan gehören, so wie sie sich gegenseitig beschützten. Ich habe einiges für mich übersetzen können, sie sprachen davon, dass sie wiederkommen und wir hier in Sicherheit sind. Ich habe die Hoffnung, dass wir von ihnen Hilfe bekommen. Das eine Erdenkind hat sehr viel gesprochen, ich werde mir die Stellen noch einmal durchlesen, um noch mehr herauszufinden.“ Pip nahm den Computer wieder in die Hand, um sich die Daten ein weiteres Mal anzusehen. „Wie wäre es, wenn du dich um eine Schlafstatt für uns kümmerst? Sie haben uns dort dafür etwas hingelegt, so habe ich es zumindest verstanden. Es sieht sogar sehr bequem aus.“ Schmunzelnd sah Lynn auf den Haufen vor sich, schlafen war eines von Pips Lieblingsbeschäftigungen, wenn er nicht gerade ein Buch las. „Du hast recht, wir sollten etwas schlafen. Uns stehen ungewisse Anstrengungen bevor.“
Während Pip etliche neue Worte und Silben vor sich hinmurmelte, entwarf Lynn aus den weichen blätterähnlichen Gebilden ein bequemes Bett direkt vor ihrer Reisekugel. So konnten sie in deren Licht und Wärme einschlafen. Wenigstens ein bisschen Heimatgefühl, dachte Lynn sehnsuchtsvoll. Gemeinsam, dicht aneinander gekuschelt, versuchten sie in ihrer neuen Umgebung etwas erholsamen Schlaf zu finden.
Dichte Vegetation bedeckte den samtigen Boden, so dicht dass man darin zu versinken schien. Doch jeder Schritt, den man tat, ließ einen zurückfedern und fast schwerelos über die Felder gleiten. Es war eine wahre Wohltat in dieses Meer aus Farben und Düften zu tauchen. Die Natur schien einen dabei willkommen zu heißen und zu wiegen, alles um einen herum war weich und samtig und voller Harmonie. Jede Berührung ließ die Pflanzen freudig, glitzernd aufleuchten. Es war ihre Art der Kommunikation und man konnte dieses Leuchten bis in sein Inneres spüren. Über den Blütenfeldern schwebte ein schweres, blau schimmerndes Licht. Das Licht der Freude, welches jedes Lebewesen mit seiner ganz eigenen Energie erfüllte. Es strahlte tief hinein und hinterließ ein warmes, kribbelndes Gefühl.
Endlos weit erstreckten sie sich diese Felder, die Luft war erfüllt von einem schweren, würzigen Duft. Azurblaue Blüten mit grün-violett gesprenkelten Blättern antworteten bei jeder Bewegung mit einem lieblichen Glockenklingen und wenn man sie darum bat, gaben sie honigsüße, nahrhafte Tautropfen preis. Die Nektarfelder.
Hier war Pip am liebsten. Stundenlang konnte er zwischen den Pflanzen umherstreifen, sich vom Licht tragen lassen oder auf dem Samtboden liegend in die schimmernde Atmosphäre blicken und träumen. Er liebte die kleinen durchsichtigen, silbrig glänzenden Fairyluxe, die flink zwischen den Blüten hin und her flogen und Nektarperlen sammelten. Ihr helles Zwitschern vermischte sich mit dem leisen Klingeln der Blüten und munterte ihn jedes Mal aufs Neue auf. Diese Welt hier war etwas ganz besonderes, es war ihre Nahrungsquelle und wie die kleinen Flügelwesen, so lebten auch alle Maotanijaner von dem erquickenden Blütentau. Es war eine ehrenvolle Aufgabe sie zu sammeln, viele seiner Stammesangehörigen wurden hierfür ausgebildet. Manchmal dachte Pip, er wäre auch ein guter Nektarsammler geworden, er hätte seine Zeit sehr gern hier unten verbracht. Aber das Schicksal hatte für ihn den Weg eines Gelehrten bestimmt und diesem war er mit Feuereifer gefolgt, dass durfte er nicht vergessen. Schließlich hatten ihn seine Lehren zum besten Navigator seines Jahrganges gemacht und ihm allerhand Auszeichnungen beschert. Außerdem konnte er so auch die schönste Pilotin für sich gewinnen. Verträumt blickte Pip über die Felder zu den Wäldern hinüber.
Er sah die dicken rostroten Stämme der Cayannabäume, an denen schwammartige Baumpilze wuchsen, die in einem fluoreszierenden Licht pulsierten. Sie bildeten Treppen auf denen man in die Baumkronen gelangte. Dort befand sich, inmitten des dichten, gelbschimmernden Blattwerks, die Forschungsstation Exor. Ein Ort, indem alles Wissen aller Generationen von Maotanijaner zusammengetragen wurde. Das wichtigste und imposanteste Gebäude seiner Heimat. Die riesige Kristallkuppel beherbergte die klügsten Köpfe und bildete den Nachwuchs für Weltraumforschung, Navigation und Sprachwissenschaften aus. Die Erforschung fremder Völker war ein, seit Ewigkeiten, bestimmender Antrieb in Maotan und wer sich in seine Dienste stellen konnte, wurde besonders hoch verehrt.
Hinter den Cayanna-Wäldern erstreckte sich das Tal mit Pips Heimatstadt Leandor. Seiner Meinung nach, die schönste Siedlung von ganz Maotan. Ein architektonisches Meisterwerk aus auf Säulen gebauten Lichtkugeln, in denen sich die verschiedenen Wohn- und Gemeinschaftszentren befanden. Sie waren über geschwungene Gleitbänder und Tunnel miteinander verbunden. Alles war makellos rein und strahlte in sanftem Lichterglanz. Es war keine bestimmte Farbe, die von den Kugeln ausging, sondern eher ein ganzes Spektrum, so dass jeder Blickwinkel ein anderes Farbspiel hervorbrachte. Pip liebte diesen Anblick. Von seinem Standort aus, konnte er zwar nur das Leuchten der Stadt wahrnehmen, aber er brauchte nur ein kleines Stück in die Höhe steigen und schon lag alle Schönheit und aller Stolz vor ihm.
Mit einem Blick nach oben in die rosa pulsierende Sonne, stellte er fest, dass er schon wieder viel zu lange in den blauen Feldern geträumt hatte. Es wurde Zeit heimzukehren. Wenn die Sonne sich tiefrot färbte, trafen sich alle zum gemeinsamen Mahl im Speisesaal, bevor sich jeder in seine Schlafzelle zur Nachtruhe zurückzog. Eine Verspätung zeugte von schlechten Manieren und war nicht in Pips Sinne. Beschwingt streifte er durch die Blüten, umschwirrt von zahlreichen Fairyluxe, die fröhlich ihr Lied für ihn sangen. Am Waldrand wartete sein Gleiter. Mit einem Satz schwang er sich auf das Gerät und mit geübten Griffen startete er in die Höhe. Mit, durch das blaue Licht, angestacheltem Übermut, schoss Pip rasant über die Kronen der Cayanna-Bäume. Er beschloss noch kurz eine Runde über Leandor zu drehen, um dessen Anblick zu genießen. Immer höher schraubte er hinauf, Lynn wäre überaus stolz auf seine Luftakrobatik und seine Ausgelassenheit. Wie schade, dass sie heut nicht dabei sein konnte. Mit einer Schleife kam er in der Luft zum Stehen und sah auf seine schöne Stadt hinab. Er sah das große Gemeinschaftszentrum für Versammlungen aller Art, deren Kuppel sich über allen anderen erhob und den Kern von Leandor bildete. Die Wohnzentren waren kreisförmig drum herum angeordnet und die restlichen Vergnügungs- und Verwaltungsgebäude befanden sich am äußeren Rand. Pip setzte seinen Gleiter wieder in Bewegung und steuerte mit hohem Tempo auf die hohe Lichtkugel zu. Er konnte schon seine Brüder und Schwestern sehen, wie sie in den Versammlungsraum strömten. Jetzt musste Pip sich beeilen. Er hatte die Kuppel fast erreicht als ein ohrenbetäubendes brüllendes Geräusch seinen Anflug unterbrach. Uiikerikii…uiikerikiee erscholl in seinem Kopf und plötzlich war Pip völlig blind, in schwarzer Dunkelheit stürzte er hinab, immer schneller und schneller. Gleich würde er den Aufprall spüren…
Mit einem Schrei des Entsetzens wurde Pip wach. In seinem Kopf herrschte Chaos und orientierungslos sah er hin und her. Was war passiert? Gerade noch war er über Leandor geflogen und dann…Uiikeriki. Wieder erscholl dieser Lärm und ließ Pip vollends zu sich kommen. Eingehüllt in fremdartige Stoffe starrte ihn eine völlig entgeisterte Lynn an. Hysterisch schnappte sie nach Luft. Sein Blick viel auf ihre Raumsphäre, um sie herum die braunen hochaufragenden Felswänden und über ihnen der schwarze Himmel ohne einen Funken Licht. Langsam kam die Erinnerung zurück. Er hatte nur geträumt, sie waren hier gestrandet auf einem fremden Planeten und hatten Kontakt zu diesen riesigen Wesen gehabt. Sie hatten tatsächlich geschlafen, in dieser seltsamen und doch bequemen Schlafstatt und jetzt wartete allerhand Unbekanntes auf sie. „Hast du das gehört?“ japste neben ihn seine Lynn. „So ein schreckliches Geräusch! Was für Monster warten hier nur auf uns? Diese Welt lauert voller Gefahren…“ Beruhigend strich Pip ihr über die zerzausten Haare und griff nach seinen Kommunikator. „Ganz ruhig, Lynn. Lass mich erst einmal nachprüfen, um was es sich handelt.“ Stirnrunzelnd drehte Pip sich in die Richtung, aus der die Laute gekommen waren und hielt überrascht inne. „Sieh nur, Lynn.“ Aufgeregt sprang er auf. „Sieh nur, ein Licht! Orangefarbendes Licht genau, wie bei uns zu Hause…“ Auch Lynn wandte sich jetzt zu ihm um und betrachtete mit erstauntem Gesichtsausdruck das Phänomen. „Wir kamen in völliger Dunkelheit und nun dieser Wandel. Ein Wechsel von Schatten und Licht, wie seltsam.“ sinnierte Pip neben ihr. „Wie in der Aufzeichnung beschrieben, eine Zeit der Dunkelheit und eine Zeit der Sonne. Lynn, das müssen wir näher untersuchen. Ich muss wissen, welches Spektrum hier herrscht. Wer weiß, vielleicht…“
Ein knarrendes Geräusch riss Pip aus seinen Gedanken. Dasselbe hatten sie gestern schon einmal gehört, er wusste was es bedeutet. Schnell stellte er seinen Kommunikator in Betriebsbereitschaft, während Lynn alarmiert in die Dunkelheit blickte.
Sybille kroch langsam auf alle Vieren über den Boden des Dachbodens. Sie war sehr zeitig aufgewacht und während Tom und Danny noch schliefen, hatte sie es einfach nicht länger ausgehalten. War das letzte Nacht nur ein seltsamer Traum oder waren wirklich geheimnisvolle Zauberwesen auf ihren Dachboden erschienen? Eigentlich hatte Tom ihr gestern noch streng verboten, ja nicht alleine auf den Dachboden zu steigen, aber ihre Neugier war einfach zu groß. Sie hatte ihre Eltern unten in der Küche hantieren hören und ihr blieb nicht viel Zeit. Die Sonne ging gerade auf und leuchtete schwach durch die Dachbodenluke. In den sanften Sonnenstrahlen hätte Syllie die Leuchtkugel beinahe nicht gesehen und sich schon enttäuscht wieder abwenden wollen, als sie noch rechtzeitig eine Bewegung am Fuße des Fensters wahrnahm. Kniend beugte sie sich tiefer. Ja, da standen sie und starrten sie an, die kleinen Wichtel. Egal, was sie gestern gehört hatte, für Syllie waren es Wichtel. Zauberhaft in ihren Farben, violett und blau, mit Sternenstaub übersät und wie Puppen so klein. Wie gern würde sie mit ihnen spielen. Aber noch zu gut erinnerte sie sich an den Lichtstrahl der Tom so große Schmerzen zugefügt hatte. Vorsichtig rutschte sie näher heran. „Guten Morgen.“ flüsterte sie. „Ich hoffe ihr habt gut geschlafen. Ihr seid wirklich hier, ich dachte schon, es war nur ein Traum. Könnt ihr mich denn wieder verstehen?“
„Ja, wir verstehen dich.“ scholl die blecherne Stimme zu ihr herauf. „Oh, wie schön. Ihr wisst noch, ich bin Syllie, aber ach ich weiß gar nicht, wie ihr heißt. Ich wollte unbedingt noch nach euch sehen, bevor wir herunter müssen. Ich kann es immer noch nicht glauben…“
„Wir heißen Pip und Lynn. Wir sind Maotanijaner. Bitte sprich nicht so schnell. Wir können deine Worte sonst nicht übersetzen.“
Syllie wollte gerade antworten, als sie hinter sich jemand die Leiter hochklettern hörte. „Sybille! Was habe ich dir gesagt? Was machst du denn hier oben? Wenn Mutter oder Vater nun kommen und uns hier erwischen! Was glaubst du, was sie tun würden?“ zischte Tom wütend in Richtung seiner Schwester. Tom hatte eigentlich selbst vorgehabt vor dem Aufstehen schnell nach den Wesen zu sehen. Natürlich war ihm seine vorlaute Schwester zuvor gekommen. Barfuß und noch im Nachthemd kniete sie auf dem Boden, die kleinen Männchen direkt vor ihr. Sie hatten miteinander gesprochen, das hatte er gehört und er war ein wenig eifersüchtig. „Ich wollte sie doch nur fragen, was sie überhaupt essen. Wir wollen ihnen doch etwas bringen, aber wir wissen doch gar nicht, ob sie unser Essen mögen.“ verteidigte Syllie sich. Oh, was für ein Naseweis seine Schwester doch war. Aber ihre Frage brachte Tom zum Grübeln. Was glaubten sie eigentlich, was sie hier taten? Sie wussten gar nichts, weder über die Bedeutung des Ganzen, noch welchen Gefahren sie sich aussetzten. Ihre Eltern könnten die Wesen entdecken und diese glaubten an Geister, Hexen und bösen Omen. Er wusste nicht, wie sie reagieren würden, aber sicherlich nicht gerade erfreut. Wollte er wirklich der Beschützer für die unbekannten Winzlinge sein? Was sollte er nur tun? Für seine kleine Schwester war das alles unheimlich spannend. Tom hatte ihre freudig glitzernden Augen gesehen, bevor sie sich wieder den kleinen bunten Wesen zuwandte.
„Tom ist ein großer Griesgram, macht euch nichts daraus. Er meint es nicht böse. Jetzt muss ich nach unten zum Frühstück. Danach wartet die Stallarbeit auf uns. Wenn unsere Eltern weg sind, kann ich euch schnell etwas zum Essen bringen. Es gibt warme Milch und Brot mit Butter. So klein, wie ihr seid, wird es niemand merken, wenn ich davon etwas nehme. Es wird euch bestimmt schmecken.“ Sybille hatte sich Mühe gegeben langsam zu sprechen und schaute erwartungsvoll auf ihre Wichtel hinab. Aber es wartete nichts als Schweigen auf sie. Die Wesen standen nur stumm da, mit ihrem kleinen Gerät in der Hand und schauten verloren zu ihr hinauf. Am liebsten hätte Syllie sie tröstend gestreichelt, aber ihre Vernunft hielt sie davon ab. Und bevor sie noch irgendetwas sagen oder tun konnte, spürte sie plötzlich wie sie an ihren Beinen gepackt und ruckartig nach hinten gezogen wurde. „Autsch, Tom lass mich los! Du tust mir weh!“
„Komm schnell, ich höre Mutter. Wir müssen uns beeilen.“ Jetzt war keine Zeit mehr, für irgendwelche Fragen. Eilig kletterten Tom und sie die Leiter hinunter. Kaum standen sie unten, erschien ihre Mutter am Treppenabsatz. Verwundert blickte sie die Kinder an und fragte misstrauisch „Was tut ihr denn da? Warum seid ihr noch nicht angezogen und wo ist Danny? Wir warten schon mit dem Frühstück auf euch und euer Vater wird langsam ungeduldig!“
Betreten blickten sich die Geschwister an. Was sollten sie nur sagen, damit ihre Mutter keinen Verdacht schöpfte? Tom sah seiner Schwester an, dass sie am liebsten mit der unglaublichen Entdeckung herausgeplatzt wäre. Schnell, bevor Sybille einen Ton heraus bringen konnte, wandte er sich seiner Mutter zu: „Wir waren auf dem Dachboden.“ schoss es aus seinem Mund. Er spürte förmlich die starr verwunderten Blicke seiner Schwester in seinen Rücken und um ihr zu verdeutlichen, still zu sein, trat er ihr ein wenig auf ihre nackten Füße. „Ja, Sybille hatte in der Nacht Geräusche gehört und mich geweckt. Ich habe sie nur wieder zum Schlafen bekommen, weil ich ihr versprach später mit ihr nachzusehen. Und sie hatte Recht, Mutter! Denk dir nur, wir haben eine kleine Eulenfamilie unter unserem Dach. Sie nisten auf in der Ecke über dem Fenster und haben zwei kleine Eulenkinder.“ Tom hatte sehr schnell und aufgeregt gesprochen und seine Mutter dabei genau beobachtet. Sybille antwortete auf seinen Tritt mit einem leichten Klaps in seinem Rücken, dass sie verstand. „Oh ja, Mutter“ nahm sie die Geschichte mit freudig glitzernden Augen auf. „Sie sind einfach goldig, so winzig und flauschig, mit ihren riesigen Augen. Wir wollen sie weiter beobachten, wie sie groß werden…“
„Um Gottes Willen!“ rief ihre Mutter entsetzt aus. „Eulen auf unseren Dachboden?“ schaudernd wandte ihre Mutter sich ab. Sie fürchtete sich vor diesen Tieren und das war den Kindern natürlich bewusst. „Ich mag Eulen nicht und sie machen unheimlich viel Dreck. Ich werde Vater bitten, sich darum zu kümmern.“ sprach sie zum Entsetzen der Kinder aus, die sie mit großen Augen anblickten. Wie auf Knopfdruck füllten sich die Augen seiner Schwester mit Tränen. Normalerweise hasste Tom diese Fähigkeit seiner Schwester, da sie so immer versuchte ihren Willen durchzusetzen. In diesem Fall erwies sie sich endlich einmal als nützlich. „Bitte nicht, Mutter.“ Bettelten beide Kinder wie aus einem Munde. „Bitte lass die Eulen in Ruhe, sie tun niemanden etwas und wir haben sie sofort ins Herz geschlossen.“ ereiferte sich Sybille mit flehender Stimme. „Ja, Mutter, bitte sag Vater nichts davon. Ich kümmere mich um den Schmutz“, versprach Tom seiner Mutter und einen Geistesblitz folgend fuhr er fort „Sieh mal, ich brauche doch noch ein Thema für mein Referat in der Schule. Ich werde über die Aufzucht von Eulen berichten. Du weißt, Vater legt sehr viel wert auf gute Schulnoten…“ Gespannt blickte Tom seine Mutter an, während seiner Schwester die Tränen weiterhin wirkungsvoll über die Wangen kullerten. Die Blicke seiner Mutter wanderten weiterhin voller Unbehagen zwischen der Dachbodenluke und ihren aufgebrachten Kindern hin und her. Sie hatte nicht vor, in nächster Zeit den Boden zu nutzen und im Gegensatz zum Vater konnte sie ihren Kindern selten einen Wunsch ausschlagen.
„Nun gut. Ich werde euren Vater nichts von den ungebetenen Gästen berichten. Ich verlange aber, dass ihr euch in eurer Freizeit um den Eulendreck kümmert und dass eure Arbeiten nicht darunter leiden. Haltet diese Viecher bitte von mir fern. Ich möchte nichts davon hören oder sehen.“ Voller Abscheu schüttelte sie sich. „Jetzt zieht euch bitte endlich an. Sybille du kümmerst dich um Danny. Ich werde euren Vater beruhigen. Er ist bereits sehr gereizt. Das Heumachen wartet auf uns und es sieht nach Regen aus, das macht ihn nervös. Beeilt euch!“
Mit diesen Worten wandte sich ihre Mutter wieder der Treppe zu. Erleichtert blieben Tom und Sybille am Absatz zurück. Sobald sie außer Sicht war, rannten die Geschwister zurück in ihr Zimmer. Sie konnten es kaum glauben, dass sie gerade nicht nur die perfekte Ausrede gefunden hatten, sondern auch gleichzeitig dafür gesorgt hatten, dass ihre Mutter den Dachboden nun unter allen Umständen meiden würde. Ihre Wesen waren nun in Sicherheit, jetzt konnten sie sich über alles Weitere Gedanken machen. In Windeseile zogen sich Beide an und auch der schlaftrunkene Danny wurde aus dem Bett geholt. Für ihn war das Abenteuer in der Nacht wohl zu viel gewesen. Sonst immer als Erster munter, war er diesmal sehr quengelig und ließ sich nur mühsam von seiner Schwester ankleiden.
Ob er sich überhaupt noch an das nächtliche Ereignis erinnern konnte? Und wenn ja, würde er wirklich unbewusst etwas verraten? Die Eltern nahmen den kleinen Jungen mit auf das Feld und die Geschwister konnten so nicht verhindern, dass Danny etwas ausplauderte, dachte Tom nachdenklich. Andererseits, wer würde schon glauben, dass etwas so Übernatürliches tatsächlich passiert ist. Seine Eltern würden es bestimmt für einen verrückten Traum halten. Genauso würde es zumindest Tom gehen, wenn er nicht mit absoluter Sicherheit wüsste, dass die zwei kleinen Wesen über ihren Köpfen wirklich real waren. Während Sybille mit dem widerspenstigen Danny kämpfte, um ihn in sein Kittelchen zu bekommen, überlegte Tom, ob er Danny einschärfen sollte, alles was er in der Nacht gesehen hatte, als großes Geheimnis zu behalten. Aber es war wohl besser gar nichts zu sagen. Womöglich erinnerte sich der kleine Junge gar nicht mehr und so wäre es am besten.
Texte: Die Rechte an Text und Idee der Geschichte liegen bei der Autorin.Copyright Susann Bloch
Tag der Veröffentlichung: 06.02.2011
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