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Kapitel 1

 

Der See funkelte silbern im Sonnenlicht. Kein Blättchen rührte sich im Wind, kein Geräusch war zu hören, es schien, als ob die Bergwelt unter der drückend heissen Sonne eingeschlafen wäre.
Leonie räkelte sich genüsslich auf ihrem Badetuch. Die Augen geschlossen ruhte sie im Schatten der Bäume, etwas abseits von Ricardo und Stefan, die sich von den warmen Sonnenstrahlen bräunen liessen.
An diesem paradiesischen Sommertag vergass man beinahe, dass man sich in irdischen Gefilden befand. Dank der Ruhe und der Abgeschiedenheit am Silva See, zusammen mit der Sonne, die fröhlicher nicht hätte strahlen können, glaubte man sich beinahe im Garten Eden.
Die Wanderung hatte fünf Stunden gedauert, war beschwerlich gewesen und alles andere als ungefährlich, aber sie hatte sich eindeutig ausbezahlt.
Ein leises Lächeln glitt über Leonies Lippen, als sie sich im Stillen dazu gratulierte, Bruder und Cousin zu dem Abstecher an den See überredet haben zu können.
Wo sonst gab es heute noch einen Ort auf dieser Welt, an dem man einen ganzen See für sich allein haben konnte?
Sich in das unberührte, still liegende Wasser zu stürzen hatte sich fast zu gut angefühlt, um wahr zu sein. Während sie mit Stefan und Ricardo um die Wette geschwommen und getaucht war, hatte sie ihre Sorgen völlig vergessen. Der Ausflug mit Stefan und Ricardo war eine gute Idee gewesen, um den ewig gleichen Gedanken, die sich in ihrem Kopf drehten wie ein Karussell, endlich einmal entfliehen zu können. Der Silva See machte diesen Sonntag zu einem ganz aussergewöhnlichen Tag.
Jetzt mussten sie nur aufpassen, dass sie sich nicht zu spät auf den Heimweg machten, den der Rückweg, auf dem es vor allem bergauf gehen würde, versprach noch anstrengender zu werden, als der bereits beschwerliche Hinweg.
Leonie blinzelte und warf einen trägen Blick auf ihre Armbanduhr.
Da sah sie sie. Gross und mächtig zeichneten sie sich am Himmel ab, ihre dunkle Farbe eine einzige Warnung: Gewitterwolken.
Sekundenlang verharrte Leonie mit offenem Mund, als könne sie nicht glauben, was sie da sah. Wann waren diese Spielverderber aufgezogen und was wollten sie hier? Wie hatten sie sich bloss unbemerkt anschleichen können?
Leonie blickte zu Stefan und Ricardo, welche die Gefahr ignorierend seelenruhig am Ufer schliefen.
„Stefan, Ricardo.“
Ein Gewitter hier oben würde verheerende Konsequenzen haben: Wenn der Pfad, der sie nach Bandrin zurückführen sollte, erst einmal nass war, würde es kein Zurück mehr geben: Der Silvaweg war auch bei trockener Witterung zu gefährlich, als dass er als offizieller Wanderweg gelten würde; wäre er erst einmal nass, wäre eine Rückkehr reiner Selbstmord. Ein Fehltritt würde genügen und statt zurück im Dorf würde man in der Rheinschlucht enden.
Leonie schluckte, als ihr ein erster Regentropfen dick und frech auf die Stirn klatschte. Was jetzt?
Bei der Vorstellung, die Nacht in den Bergen verbringen zu müssen, verwandelte sich das Bild der idyllische Berglandschaft in eine bedrohliche Szenerie.
„Scheisse, verdammte.“
So konnte man es auch ausdrücken, dachte Leonie resigniert und beobachtete, wie ihr Bruder wütend auf die Beine sprang.
„Was ist das? Was soll das?“, brummte Stefan benommen, als wäre er noch nie im Leben schwarzen Wolken begegnet.
„Ich sag dir, was das ist, du Träumer. Das ist die freundliche Einladung, die Nacht in den Bergen zu verbringen.“
Ihr Bruder ging von Null auf Hundert, wie immer, wenn etwas seine Pläne durchkreuzte. „Leonie. Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?“, schrie Ricardo wütend, als wäre das Unwetter ihre Idee gewesen.
„Wir müssen einen Platz finden zum Unterstehen.“
„Ich muss morgen arbeiten, verflucht nochmal. Es tanzen nicht alle im Staatsballett und es haben nicht alle Sommerpause!“
„Jetzt reg dich doch nicht so auf, Ricardo. Das ist doch nicht ihre Schuld.“
Die verteidigenden Worte ihres Cousins wurden von einem ersten Donner verschluckt, dessen Echo gefährlich laut in den Bergen widerhallte. Alle drei erstarrten sie, als hätte der Donner ihnen eben einen Schlag verpasst. Als das dunkle Brummen in den Bergen verklungen war, setzten sie sich wie auf Kommando gleichzeitig in Bewegung, schnappten ihre Habseligkeiten, packten Trinkflaschen, Reste von Sandwiches, Sonnencreme und Kleider in ihre Rucksäcke und flüchteten sich unter eine Gruppe schützender Bäume.
Still standen sie dicht beieinander, ein verlorenes Trio, das in den Bergen so klein wirkte wie Ameisen in der Stadt.
„Warum gehen wir nicht zum Haus?“, durchschnitt Stefan plötzlich die angespannte Stille.
Ricardo gab ein trockenes Auflachen von sich. „Genau, und warum setzt du uns nicht eine Tasse Tee auf?“
„Rick. Hör auf damit.“ Sie liebte ihren Bruder über alles, ein Gefühl, das auf Gegenseitigkeit beruhte, doch wenn Ricardo sich so zickig aufführte wie jetzt gerade, hatte Leonie gute Lust, ihm einen kräftigen Tritt in den Hintern zu verpassen.
„Nein. Im Ernst.“ Stefan fuchtelte plötzlich wild mit den Händen. „Ich habe mich hier vorher etwas umgesehen. Ihr braucht nur auf den Hügel dort zu steigen um das kleine Holzhaus dahinter zu sehen.“
„Was? Eine Wanderhütte? Hier oben?“
Leonie legte sich vor Erleichterung eine Hand aufs Herz. Wenigstens würden sie die Nacht nicht im Freien verbringen müssen. Wer immer auf die Idee gekommen war, am Silva See, der offiziell eigentlich gar nicht zugänglich war, einen Zufluchtsort für gestrandete Wanderer zu bauen - sie würde ihm oder ihr auf ewig dankbar sein. Normalerweise mied sie zwar Übernachtungen in den vom Staat kostenlos zur Verfügung gestellten Wanderhütten, denn es widerstrebte ihr, mit einer Handvoll Unbekannten unter einem Dach zu schlafen. Aber unter den gegebenen Umständen und in Begleitung von Stefan und Ricardo wäre dies wirklich kein Problem.
Unter den ersten Regentropfen folgten Leonie und Ricardo Stefan auf den kleinen Hügel, der auf der Hinterseite in eine weite Wiese abfiel. Am Ende der Wiese erstreckte sich ein Wald, dessen erste Bäume sich tatsächlich um ein kleines Häuschen schmiegten.
Der Weg querfeldein hätte sie am schnellsten zur Hütte geführt. Doch über das offene Feld zu gehen war in Anbetracht der Blitze zu gefährlich. Deshalb folgten sie den Büschen und Bäumen am Wiesenrand und machten einen grossen Bogen um das hohe Gras. Sie retteten sich gerade keuchend und ausser Atem auf die überdeckte Veranda, als die sporadischen Regentropfen sich in einen heftigen Regenguss verwandelten.

Die Tür war verschlossen. Ricardo rüttelte entschlossen an der Türfalle, als würde sie sich doch noch öffnen, wenn er nur genügend Kraft aufwandte.
Kopfschüttelnd stand Leonie auf der Veranda, die Arme eng um den Körper geschlungen. Sie war so überglücklich über Stefans Entdeckung gewesen, dass sie nie im Leben auf die Idee gekommen wäre, die Hütte könnte verschlossen sein. Sie hatte fest damit gerechnet, dass ihr dieses Häuschen Schutz für die Nacht bieten würde.
„Ich versteh das nicht. Eine Wanderhütte, die verschlossen ist?“, fragte sie nachdenklich.
Erregt wirbelte Ricardo zu ihr herum. „Wanderhütte? Am Silva See? Wo denkst du hin? Ich habe keine Ahnung, wem diese Hütte gehört, aber eine Wanderhütte ist es ganz bestimmt nicht.“
Was war es denn dann?
Nach Ricardo versuchte Stefan sein Glück mit der Tür. Leonie liess die Jungs seufzend am Eingang zurück, stellte sich in eine geschützte Verandaecke und öffnete ihren Rucksack. Sie waren so hastig aufgebrochen, dass sie keine Zeit mehr gehabt hatten, sich anzuziehen und stattdessen sämtliche Kleidung in den Rucksack gestopft hatte. Nun trug sie nichts als einen Bikini und Wanderschuhe. Nicht gerade modisch, aber das interessierte hier oben ja niemanden. Doch nun fror sie in ihrer futuristischen Aufmachung. Die Temperatur war genauso schnell gefallen, wie der Regen eingesetzt hatte: Im Nullkommanichts hatte sich die Luft um zehn Grad abgekühlt. Leonie schätzte die Temperatur auf knapp achtzehn Grad, doch bei Wind und regennasser Haut fühlten sich diese nicht sehr komfortabel an. Hastig schlüpfte sie in Jeans und Oberteil und band ihre schwarzen Locken zu einem Pferdeschwanz zusammen.
In diesem Moment wurde die Haustür aufgerissen und eine tiefe, dunkle Stimme schleuderte solch eisige Worte auf die Veranda, dass die Temperatur um mindestens fünf weitere Grade sank: „Was zum Teufel tut ihr hier? Lasst meine verdammte Haustür in Ruhe und verschwindet dahin, wo ihr hergekommen seid.“

 

Kapitel 2

Leonie konnte nicht glauben, was sie da hörte. Begrüsste man so schutzsuchende Wanderer, die vor einem Unwetter flohen?
Sie legte unwillkürlich eine Hand auf das Verandageländer, als wolle sie sich daran festhalten, und presste sich eng gegen die Hauswand.
Der Hausbesitzer trat mit einem lauten Poltern auf die Veranda. Leonies Augen weiteten sich, sie konnte nicht anders, als ihn furchtvoll anzustarren.
Er war gross. Über eins neunzig. Und so kräftig gebaut, dass sie wohl schon umfallen würde, wenn er ihr nur mit dem Zeigfinger auf die Schultern tippen würde. Er trug nichts als eine Jeans, was den Blick auf einen durchtrainierten Oberkörper und muskulöse Arme freigab.
Leonie umklammerte das Verandageländer fester.
Der Mann musste so hart sein wie Stahl. Wie er nun die Arme vor der Brust verschränkte und Stefan und Ricardo wütend anfunkelte, verspürte Leonie den Drang, so schnell wie möglich so weit wie möglich zu fliehen. Sie war nur froh, dass er ihre Wenigkeit in der Hausecke nicht entdeckt hatte.
„Entschuldigen Sie uns bitte“, vernahm sie Stefans Stimme. „Wir wurden vom Regen überrascht und wollten hier Zuflucht suchen.“
Im Gegensatz zum aufbrausenden Ricardo war Stefan stets auf Harmonie und Ausgleich bedacht. Wahrscheinlich verstand sie sich deshalb so gut mit ihm.
„Verfluchte Städter! Es ist immer dasselbe mit euch. Stapft an den See und fühlt euch wahnsinnig naturverbunden dabei und dann, kaum fällt der erste Regentropfen, rennt ihr mir die Hütte ein.“
„Wenigstens sind wir so zivilisiert, dass wir uns um ein freundliches Gespräch bemühen!“, rief Ricardo erregt aus.
„Ach, ja? Fremde Häuser zu beschädigen ist auch zivilisiert?“
Stefan versuchte hastig, die Wogen zu glätten und hob abwehrend die Hände. „Es tut uns Leid, wir wussten nicht, dass das Haus bewohnt ist.“
„Bewohnt oder nicht, wo ist da der Unterschied? Wenn die Tür verschlossen ist, ist sie verschlossen.“
„Wir wären einfach nur froh, wenn Sie uns Unterschlupf gewähren könnten, bis der Sturm vorbei ist.“
„Der Sturm? Welcher Sturm? Wo seht ihr hier einen verdammten Sturm?“ Der Fremde lachte trocken auf. „Der Sturm ist für morgen Abend angesagt. Das hier...“ Er machte eine ausholende Handbewegung. „... ist noch nicht einmal das verdammte Vorspiel. Die Antwort ist nein.“
„Wie bitte?“
„Nein wie das Gegenteil von Ja. Ich werde euch beide auf keinen Fall reinlassen. Ich bin doch kein verdammtes Fünf-Stern-Hotel.“
Er hatte sie noch immer nicht gesehen. Leonie konnte nicht sagen weshalb, doch diese Erkenntnis erleichterte sie ungemein. Sie hoffte nur, er würde wieder ins Haus verschwinden, ohne sie zu bemerken. Auf die Bekanntschaft mit einem solch ungeschliffenen Rohling konnte sie gut verzichten.
„Noch nie etwas von Nächstenliebe gehört?“
Ganz genau, pflichtete Leonie ihrem Bruder im Stillen bei. Die Temperatur sank weiter, der Wind pfiff heulend durch die Gegend und peitschte den Regen hart auf die Veranda. Es wäre doch nur menschlich gewesen, die gestrandeten Wanderer aufzunehmen, bis sich das Unwetter wieder gelegt hätte. Doch der Fremde schien das anders zu sehen.
„So nahe, dass ich euch liebe, steht ihr mir nun auch wieder nicht“, erwiderte er lakonisch.
„Von einem einfältigen Hinterwäldler kann man wohl auch nicht allzu viel erwarten.“
Die Situation veränderte sich. Plötzlich lag ein Zittern in der Luft, eine Spannung, die fast greifbar war, und die nicht vom aufziehenden Gewitter herrührte.
„Wie hast du mich gerade genannt?“ Der Hausbesitzer trat einen Schritt vor.
Leonie konnte deutlich erkennen, wie sich sein Körper anspannte. Er spannte die Arme an und ballte die Hände zu Fäusten, bereit zu einem Zweikampf.
Stumm funkelten sich der Fremde und Ricardo an, wie zwei Raubtiere, die die Kraft ihres Gegners einzuschätzen versuchten, bevor sie sich aufeinander stürzen wollten.
Atemlos verfolgte Leonie das Geschehen, während sie schnell überlegte. Ihr Bruder würde sich bei dem Fremden nicht entschuldigen. Sie kannte Ricardo gut genug, um das mit Sicherheit sagen zu können. Und der Fremde war ganz offensichtlich nicht gewillt, den „einfältigen Hinterwäldler“ wegzustecken. Es wäre nur eine Frage von Sekunden, bis die beiden Hitzköpfe aufeinander losgehen würden.
Da handelte Leonie impulsiv. Ohne nachzudenken sprang sie aus ihrem Versteck hervor und stellte sich schnell zwischen Ricardo und den Fremden.
„Bitte“, sprach sie hastig. „Wir können doch vernünftig miteinander reden.“
Nun ruhte die gesamte Aufmerksamkeit des Unbekannten auf ihr, was ihr alles andere als angenehm war. Er starrte sie an als käme sie von einem anderen Planeten, musterte sie eindringlich von Kopf bis Fuss, den Körper noch immer angespannt, die Fäuste bereit zum Schlag.
Leonie blinzelte nervös und trat einen Schritt rückwärts. Musste er sie so anstarren? Was gab es denn schon zu sehen? Es stimmte doch alles mit ihr? Unwillkürlich warf sie einen Blick an sich selbst hinunter, als wolle sie ihr Aussehen überprüfen. Ihre hautengen Jeans passten nicht wirklich zu den Wanderschuhen, aber das kümmerte in den Bergen ja auch niemanden. Zu den Jeans trug sie ein dunkelblaues Top, das unter beiden Brüsten mit einem spielerischen Band geschmückt war, welches sich unter den weiblichen Rundungen verknüpfen liess und sowohl die Oberweite wie auch die Taille betonte. Soweit sie sehen konnte, war mit ihr alles in Ordnung.
„Sieh mal einer an“, durchdrangen die Worte des Fremden Leonies Gedanken. „Wo kommst du denn plötzlich her, Kleine? Wo haben sie dich versteckt? Ich wünschte, du wärst allein hier aufgetaucht.“
„Was hast du gerade gesagt?“, brauste Ricardo auf, das Gesicht rot vor Wut.
„Mit dir habe ich nicht gesprochen“, konterte der Fremde seelenruhig, ein spöttisches Funkeln in den Augen. «Hab völlig vergessen, dass du noch da bist.»
Das konnte ja nicht gut kommen. Leonie wünschte plötzlich, Stefan hätte die Hütte nie entdeckt. Wenn sie doch nur am See geblieben wären und unter den Bäumen Schutz vor dem Regen gesucht hätten. Wenn sie doch nur….
Plötzlich wurde sie am Oberarm gepackt. Erschrocken keuchte sie auf, als Ricardo sie unsanft beiseite schob. Noch ehe sie wusste, wie ihr geschah, stürzten sich ihr Bruder und der Fremdem auch schon aufeinander wie zwei trainierte Kampfhunde und verstrickten sich in einen Faustkampf, bei dem die Knochen krachten.
Stefan und Leonie sprangen zur Seite und beobachteten die Schläger fassungslos.
„Rick!“, rief Leonie erschrocken aus, als ihr Bruder einen starken Schlag in den Magen erhielt. Ricardo ging in die Knie, gab sich jedoch noch nicht geschlagen. Als Polizist war er gut trainiert, war sogar überdurchschnittlich gut in Form, doch gegen einen Mann wie diesen Einsiedler, dessen einziger Zeitvertrieb Bodybuilding zu sein schien, würde selbst Rick keine Chance haben. Leonie legte sich eine Hand an ihr heftig schlagendes Herz, als wolle sie es beruhigen. Da musste Ricardo einen weiteren Schlag einstecken und diesmal sackte er tatsächlich langsam aber sicher zu Boden.
„Stefan“, flehte Leonie leise, wobei die unausgesprochene Bitte „Tu doch was“ in seinem Namen mitschwang. Doch Leonie wusste, dass Stefan in diesem Kampf so gut wie nichts ausrichten konnte. Stefan war Tänzer genauso wie sie. Sein schlanker Körper war zwar muskulös, wies aber niemals dieselbe Kraft auf wie die harten Muskeln des Fremden. Dieser kniete nun über Ricardo, verpasste ihm einen letzten Fausthieb in die Magengegend und verharrte dann grätschend über ihm. Erst als sich Ricardo mehrere Sekunden lang nicht rührte, erhob sich der Mann mit einem selbstzufriedenen Grinsen im Gesicht.
„Rick“. Leonie stürzte zu ihrem Bruder und kniete sich angstvoll neben ihm nieder. „Rick, bist du okay?“ Ihre Stimme zitterte vor Sorge.
„Keine Sorge, Kleines, ihm geht’s gut. Er ist nur etwas angeschlagen, das ist alles.“
„Wie können Sie nur so brutal sein!“ Leonie warf dem Mann einen Blick voller Abscheu zu. „Rick, sag etwas, bitte sag etwas.“
Langsam schlug ihr Bruder die Augen auf. „Verdammt, Leonie, das Ganze war eine Scheissidee.“
Leonie atmete erleichtert auf. Trotz dem K.O.-Schlag war Rick noch ganz der Alte. Es konnte nicht allzu schlimm um ihn stehen, wenn er seine Situation noch so gut einschätzen konnte.
„Verdammt richtig“, pflichtete der Fremde Rick zu.
Er wandte sich ab und wollte schon in der Hütte verschwinden, als Leonie ihm nachrief: „Bitte, können wir die Nacht nicht wenigstens auf der Veranda verbringen?“
„Ja, das wäre wirklich wahnsinnig grosszügig», warf Rick am Boden lakonisch ein.
Leonie warf ihrem Bruder einen strafenden Blick zu, den dieser jedoch geflissentlich ignorierte.
„Ich will später einmal nicht vorwerfen lassen müssen, ich hätte euch in den sicheren Tod geschickt. So entgegenkommend wie ich bin, stelle ich euch meine Veranda natürlich gerne als Obdach zur Verfügung», spöttelte der Fremde.
Leonie atmete erleichtert auf. Wenigstens hatten sie nun ein Dach über dem Kopf.
„Und was dich anbelangt, Kleines. Du bist jederzeit im Haus willkommen. Ein Klopfen genügt.“

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Tag der Veröffentlichung: 11.02.2022

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