16. tor: meere versetzen
meere versetzen
I.
wir suchten am grund der tiefen, tiefen see
und die fische blickten sehr erstaunt
sie, denen das meer überallhin folgt
dort war es dunkel und nicht menschengemäß
und keiner der fische hielt uns für fische
sie hielten uns für maßlos ertrunkene
dort tanzten sie uns den todestanz
reckten die weißen bäuche still
und zupften plankton aus dem wasser
wir sahen, wie die quallen sterbend zu boden sanken
zu manganknollen und öl
zu sand, alten schiffen und schlamm
und wir sahen, wie sie sich wieder gebaren
waren mit ihnen eine neue generation
und scheiterten fast schon
II.
du steigst als erster an land
dein tangkleid ist schön
und lässt zu, daß die hitze dich verschwinden macht
am gebirge brichst du in regenpracht
da liege ich still, rotblondes land
mit saftigem scham- und achselhaar
wie du mich nässest fühle ich da
die fruchtbringende pflugschar
III.
erst später in den städten, als die häfen untergingen
und dome, deiche und dämme brachen
und als wir aufzugeben uns traurig versprachen
nassgeprasselt von schwarzwütigem grollen
hielten wir, schicksalsvolle, ein und wurden gewahr
was da im wesensgrunde geschah:
wir sind aus dem fragen getreten und aus dem gewinnen
wir begrenzen uns nicht mehr auf innen
was wir tun und wo wir sind, bestimmt
was geschieht, wer uns folgt und wer uns belügt
wir sind die fische, uns folgt das meer
wir tragen es in uns und um uns her
versetzen es ganz mühelos
mit deinem schoß in meinen schoß
Tag der Veröffentlichung: 24.07.2010
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