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Träume

Die Nacht war dunkel und schwer. Die vielen, sich eng aneinander drängenden Wolken hinterließen eine nasse trostlose Gegend. Straßen waren zu Schlammgruben verwandelt worden und jeder Schritt verursachte ein schmatzendes Geräusch. Die Leute hatten sich in ihre Holzhütten verkrochen und versuchten sich an einem Feuer zu trocknen und wärmen. Die paar Menschen die noch draußen waren und umherschlitterten waren auch auf dem Weg nach Hause. Der Wind pfiff durch die Häuser und jagte einem einen Schauer über den Rücken. Riesige Pfützen besprenkelten den Boden. Es gab keine Pflasterwege, nur festgetretene Erde. Schließlich interessierte es die Reichen oder den König nicht was mit den anderen war, Hauptsache ihnen ging es gut. War denen doch egal, wie man den Ochsenkarren oder Eselwagen aus dem Schlamm ziehen , welche Kraft man aufbringen musste, ihr Essen kam ja immer. Sie mussten nicht einen Finger krümmen! Es ging ihnen ja so was von gut! Dazu durften sie in einem Schloss leben, einer Burg, und wurden jeden Tag bedient, ja wurden wahrscheinlich auch noch angekleidet! Gingen jede Woche zu ihren dummen Festen und redeten mit den edelsten Leuten. Ihnen regnete es nicht ins Haus und sie hatten immer genug Geld. Viel zu viel Geld, sodass sie nicht einmal wussten was sie damit anstellen sollten. Alles war so ungerecht! Dazu wussten sie es wahrscheinlich nicht einmal zu schätzen, dieses Leben im Überfluss. Sie hatten es ja so leicht! <Wütend trat der Junge in Gedanken versunken einen Ast aus dem Weg. Und dann gab es ja auch noch dieses verwöhnte Prinzesschen. Würde ihn nicht wundern wenn sie grauenvoll hässlich währ. Deswegen schminkten die Reichen sich doch bis in den Himmel, stinkerten sich mit ihrem Parfümchen hier und da ein. Konnte auch sein, dass er sich das alles nur einbildete, aber was all die Leute erzählten konnte doch nur die Wahrheit sein. Wieso sollten sie lügen? All die Leute konnten sich nicht irren, schließlich erzählten sogar die Diener die im Palast wohnten was da so abging.
Er fuhr sich durch die Haare und seufzte. Wie oft hatte er schon geträumt, dass der König gestürzt und alle gleichberechtigt wären. Oder wenigstens, es klang ein wenig egoistisch, dass er im Palast wohnen dürfte. Er schaute auf. Er stand vor der Haustür, öffnete sie und schlüpfte in die warme Stube. Seine Eltern schauten nicht einmal auf als er eintrat und aßen einfach weiter. Er setzte sich an den Tisch, nahm sich ein Brotstück und biss ein Stück ab. Kauend betrachtete er seine Eltern. Sein Vater war ein großer kräftiger Mann, mit schwarzen Haaren und einem groben Gesicht. Die Augen waren klein, das Kinn spitz und sein Mund war eine einzige strengen Linie. Ganz anders war seine Mutter: Sie war eher von zierlicher Statur ,ihre Augen wirkten freundlich, obwohl ihr Gesicht kantig und schmal war. Sie hatte einen kleinen Mund, eine knubbelige Nase und lange blonde Haare. Er konnte nicht einschätzen ob sie hübsch oder hässlich war, für ihn war sie einfach seine Mutter.
Plötzlich lugte Herolds Kopf unter dem Tisch hervor. Grinsend gab er ihm ein Stückchen Brot. Sofort brummte sein Vater böse : “Lass das, Artas! Der Hund bekommt kein Brot! Weißt du das wenig Brot das wir haben nicht zu schätzen du dummer Bengel? Man sollte dir Manieren beibringen!”
“ Nur weil du es vergeigt hast, Vater?”, dachte Artas gereizt. Er stand auf und verzog sich in sein Zimmer, wo er den Rest des Brotes aufaß. “Sollst du verhungern, oder was?”, nuschelte er dem Hund zu, während er ihn kraulte. Herold winselte leicht. “ Tja die Reichen haben es ja so leicht! Vor allem diese “Prinzessin”, pah!”, flüsterte Artas verärgert. Herold legte seinen Kopf auf Artas Schoß. So saß Artas einfach da, lauschte den Regentropfen und streichelte dem Hund beruhigend auf den Kopf. Eigentlich musste er sich beruhigen, nicht der Hund. Nach einer Weile rollte sich Herold neben ihm zusammen und schlief ein. Das gleichmäßige atmen des Hundes war so vertraut. Artas stützte sein Kinn auf sein Knie und grübelte weiter vor sich hin. Wenn er einfach weglaufen würde, so dachte er, wäre das vielleicht besser als zu Hause nur jeden Tag vor sich hin zu arbeiten, bis man alt und grau wurde und dann irgendwann tot umfiel. Es musste doch im Leben noch was anderes geben. Die Welt war doch groß! Sollte sie dann nicht mehr zu bieten haben?
Schließlich hörte er auf zu denken und gab sich seiner Müdigkeit hin. Er legte sich neben Herold auf den Holzboden und versuchte einzuschlafen. Nach ein paar Minuten schwebte er auch schon in seinen Träumen.
"Er rannte durch Straßen einer ihm unbekannten Stadt. Er konnte genau die Gesichter der Menschen, die an ihm vorbeizogen, erkennen. Die Häuser flogen an ihm vorbei. Er rannte schneller. Kurz blickte er zum fast schwarzen Himmel. Er wusste genau, dass es bald ein heftiges Gewitter geben würde. Leute die er fast rammte riefen ihm wütend hinterher, doch er drehte sich nicht einmal zu ihnen um. Entschuldigte sich auch nicht. Wenn sie wüssten! Dann würden sie sich entschuldigen ihm überhaupt im Weg zu stehen! Er wusste nicht einmal wieso und wohin er rannte. Er wusste nur er musste laufen. Seine Beine bewegten sich scheinbar von allein. Schon brachen die ersten fetten Regentropfen aus den Wolken heraus und platschten hart auf seinen Kopf, auf die Straßen und Häuser. Die Zeit verstrich und nun regnete es in Strömen. Innerhalb von Sekunden war die Sonne verschwunden und nun herrschte das Gewitter. Der Wind kam von hinten und schien ihn schneller voranzubringen. Er fing an zu lachen. Er war so glücklich wie noch nie. Er blieb kurz stehen, drehte sich im Regen und ging dann weiter. Dann, endlich war er da. Ein wenig nervös zupfte er an sich herum. Gleich würde er sie sehen-…"
Artas schreckte aus seinem Schlaf. Herold hatte sich ängstlich an ihn gekuschelt und winselte leise. Draußen donnerte es. Herold hatte schon immer Angst vor Gewitter gehabt.

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Tag der Veröffentlichung: 06.09.2009

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