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Kapitel 1

Dieser Party würde ich schnell ein Ende setzen. Die laute Musik dröhnte bis in die Felder, das Weizen erzitterte und meine Ohren taten schon fast weh. Ich wusste, wer dieser Jugendliche war, welcher diese Party schmiss - er war gerade 19 geworden, eigentlich kein Alter, das man so feiern musste. 19. Das war nichts halbes und nichts ganzes.
Und ich würde dafür sorgen, dass er die 20 nicht mehr elrebte.
Ich war hungrig, meine Kehle murrte schon und ich leckte mir schon die Zähne. Ich bevorzugte jüngere Männer, sie waren köstlich.
Langsam richtete ich mich auf, reckte meine Glieder und starrte auf das voll beladene Haus. Ich blickte noch einmal um mich herum und lief dann los, wie eine Gazelle auf der Flucht - nur viel, viel Eleganter. Ich lächelte.
Chase Brooklyn war damals in meiner Schule gewesen. Ich hatte mich noch nie für ihn interessiert, für mich war er immer der hochnäsige Junge gewesen, und die Mädchen, die auf ihn standen, waren alle sinn- und hirnfrei.
Ich hatte fast alle getötet.
Und damit die Welt bereichert.
Kurz bevor ich am Haus angelangt war, blieb ich stehen, strich mir die Kleidung glatt, fuhr durch meine langen, braunen Haare und schaute gen Himmel - der Mond erleuchtete alles in meiner Umgebung. Ich musste aufpassen. Durfte jetzt nichts falsch machen.
Ich trat an die Haustür der Brooklyns, klopfte leise an. Nach wenigen Sekunden wurde sie geöffnet und Chase stand vor mir. Ein kühles Lächeln bildete sich auf meinen Lippen.
"Kate, was machst du denn hier?", fragte er erstaunt und schloss die Haustür hinter sich.
"Du hast Geburtstag, oder irre ich mich da?", erwiderte ich sanft und er nickte.
"Es überrascht mich, dass du dich daran erinnert hast.", erklärte Chase und lächelte. "Es freut mich, dass du hier bist."
"Ich freue mich ebenfalls." Ich lächelte ebenfalls. "Happy Birthday, Chase."
Dann stürzte ich mich auf ihn, wollte ihn an der Kehle packen, ihn beißen, doch er warf mich sofort zurück. Ich landete auf meinen Füßen, sah ihn geschockt an - woher hatte er diese Kräfte? Ich fletschte meine Zähne, knurrte ihn wütend an - und er tat es mir gleich...
Sofort hielt ich inne, richtete mich wieder auf. Geschockt blickte ich ihn an.
"Ist das dein Ernst?", wollte ich wissen und blieb dabei ruhig. Mein Essen war meinesgleichen!?
Ich sah, wie er schwer atmete.
"Du warst diejenige, die sie alle umgebracht hat?"
"Wen meinst du?"
"Shanay... Sie. Meine letzte Freundin."
Ich zuckte mit den Schultern. "Kann sein - warum fragst du?"
"Du warst eifersüchtig!"
Ich lachte auf, fletschte dann meine Zähne. "Ich war hungrig."
Er schüttelte seinen Kopf. "Lass mich in Ruhe, Kate. Geh deinen eigenen Weg. Wir werden niemanden davon erzählen."
"Das hättest du wohl gerne, ja? Ich habe schon lange nichts mehr gegessen Chase, und ich habe verdammten Hunger. Wenn ich dich nicht haben kann, dann deinen besten Freund!" Ich rannte los, stieß die Haustüre auf, rannte nach hinten in den Garten und stellte mich grinsend vor Sean - es war Chase's bester Freund.
"Sean!" Ich lächelte. "Chase sucht dich. Komm mit." Ich berührte ihn am Arm, zog ihn leicht mit und er folgte mir, wie ein reumütiger, treudoofer Dackel. Ich lächelte, als ich im Hausflur stand und sah, dass Chase angerannt kam.
"Da ist er ja!", sagte Sean und wollte auf ihn zugehen. Blitzschnell packte ich ihn an der Kehle, biss hinein, riss ihm ein Stück heraus und löschte meinen Durst und Hunger. Als ich fertig war, lag Sean leblos auf dem Boden und Chase stand reglos vor uns.
Ich verschrenkte die Arme vor der Brust und lächelte.
"Happy, Happy Birthday, Baby."


Ich saß auf dem hohen Dach des Rathauses, die kühle Brise brachte meine Haare zum wehen. Nachdem ich Sean, Chase’ besten Freund verputzt hatte, war ich einfach so schnell verschwunden, wie ich erschienen war. Und während ich lief, hatte ich spitze Schreie und Weinen in meinen Ohren. Der lauteste Schrei konnte ich aber deutlich Chase zuordnen. Ich stellte mir vor, wie er vor Sean hockte, wie er weinte, dass er seinen besten Freund verloren hatte. Wie ungerecht die Welt doch wäre! Vielleicht würde er sich noch ein schlechtes Gewissen machen, schließlich war er auch meinesgleichen und hatte es nicht geschafft, ihn zu schützen. Ich lachte leise auf. Solch eine ungerechte Welt aber auch.
Als wäre er der einzige gewesen, der einen wichtigen Mensch verloren hätte…
Ich schüttelte meinen Kopf und blickte gen Himmel. Die Sterne leuchteten so stark, wie ich es noch nie gesehen hatte und ich fragte mich, was sie mir sagen wollten.
Vielleicht konnten sie mir den Weg weisen, denn ich wusste nicht, wo ich nun hingehen sollte.
Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir – Moment! Hinter mir!? Ich war auf einem Dach! Ich drehte mich blitzschnell um und sah, dass Chase vor mir stand. Argwöhnisch musterte ich ihn und ein Knurren kam über meine Lippen. Langsam stand ich auf, meine Haltung war ein wenig geduckt – ich war immer auf dem Sprung, sollte es brenzlig werden.
„Bleib ruhig, ich will nur reden.“, sagte Chase. Er stand aufrecht da, atmete schwer, seine Hände waren in seinen Hosentaschen vergraben.
„Was willst du?“, wollte ich wissen, blieb aber immer noch in derselben Haltung.
„Kannst du dich vielleicht normal hinstellen?“, zischte er. „Ich hab keine Lust, die ganze Zeit zu denken, dass du mich angreifst!“
Langsam richtete ich mich etwas auf. Nur ein kleines bisschen.
Chase seufzte und schüttelte seinen Kopf. „Warum hast du es auf Sean abgesehen? Warum? Wieso nicht irgendein anderer?“
„Warum irgendein anderer und nicht Sean?“, gab ich zurück. „Außerdem hatte ich es zunächst gar nicht auf ihn abgesehen.“
„Sondern auf mich – und das verstehe ich auch nicht. Was habe ich dir denn getan?“
Ich grinste. „Meinst du, dass ich nur die Leute töte, die was auf dem Gewissen haben? Ich suche mir die Leute nach persönlichem Empfinden aus.“
„Und was war an mir auszusetzen?“
„Deine Arroganz. Ich bitte dich, Chase. Das sagt doch alles. Ich konnte dich noch nie leiden. Und konnte es auch noch nie leiden, wie die Trauben von Mädchen sich praktisch um dich prügelten.“
„Aber dafür kann ich doch nichts!“
„Mir doch egal.“ Ich bleckte die Zähne. „Natürlich ist das nicht der einzige Grund. Ich kann dich einfach nicht leiden, deswegen hatte ich es auf dich abgesehen. Ich wusste nicht, dass du kein Mensch mehr bist. Und um dir eins reinzuwürgen, war Sean an der Reihe.“
Er schüttelte seinen Kopf. „Wie kannst du so fröhlich davon erzählen? Das ist widerlich.“
„Du tust dasselbe, Chase. Genau dasselbe.“
„Nein! Ich töte nur die, die schlecht sind!“
„Es ist genau dasselbe. Du tötest. Und das kann man mit nichts rechtfertigen. Egal, ob du gute oder schlechte Menschen tötest. Es ist dasselbe.“
Ich sprang vom Dach, rannte los und ließ Chase hinter mir. Ich konnte es nicht mehr ertragen.


Als der Morgen so langsam anbrach, kam ich aus meinem kleinen Versteck raus. Am Strand, nah am Hafen, gab es eine kleine Hütte, die nachts über nicht besetzt und auch nicht abgeschlossen war. Dort gab es einen gemütlichen Sessel, in den ich mich hineinkuschelte und darauf wartete, dass die Nacht endlich vorüber war. Ich liebte es, der Sonne beim aufgehen zuzusehen und ließ es mir nie entgehen. Auch heute nicht. Als sie endlich ganz aufgegangen war und sie in meine Augen stach, blinzelte ich kurz und streckte meine müden Glieder. Ich war nicht müde und auch nicht geschwächt, Sean hatte mir viel Energie gebracht.
Langsam bahnte ich mir den Weg durch die Hütte, schloss die Tür leise hinter mir und schritt durch den weichen Sand des Strandes. Früher, als ich noch kein Vampir war, war ich oft hier entlang gegangen. Ich liebte es, meine Zehen im Sand zu vergraben, braun zu werden, schwimmen zu gehen und Volleyball zu spielen. Nun konnte ich das alles nicht mehr.
Ich wandte meinen Blick auf das offene Meer, eine leichte, kühle Briese wehte durch meine Haare.
„Kate!“, hörte ich plötzlich und als mir bewusst wurde, wem die Stimme gehörte, verzog ich mein Gesicht. „Kate… Bleib bitte kurz stehen. Ich muss mit dir reden. Dich um etwas bitten. Kate.“ Er japste auf.
Ich drehte mich um und seufzte. „Was willst du, Chase?“
„Ich will mit dir kommen!“, sagte er.
Das machte mich stutzig. „Wie bitte? Mitkommen? Wohin denn!?“
„Da, wo du hingehst. Hör mal…“ Er sah mich traurig an. „Ich habe hier gar nichts mehr. Keine richtige Familie. Ich kann ihnen nicht die Wahrheit sagen und weiß es auch gar nicht. Die Äl…“
„Ruhe!“, fauchte ich. „Erwähne sie niemals.“
Er hob seine Arme. „Ja… Tut mir leid! Wie gesagt… Ich hab hier gar nichts mehr. Keine richtige Familie und auch keine Freunde. Klar, sie kennen mich, den alten Chase, aber was ist, wenn ich so hungrig bin, dass ich sie verletze? Das ist nicht auszuschließen. Und jemanden, der so ist wie ich, kenne ich nicht – außer dir. Bitte, Kate – nimm mich mit.“
„Hör mal, ich lunger sowieso nur hier herum und jage. Ich mache nichts besonderes. Besteige keinen Berg und flieg’ auch nicht ins Weltall.“
„Das weiß ich.“, sagte er. „Aber ich brauche einfach jemanden an meiner Seite.“
„Ich habe keine Lust, dich mit mir herum zu schleppen wie ein dummes, kleines Baby, welches nichts selbst auf die Reihe kriegt. Wie lange bist du schon so?“
„Ein halbes Jahr in etwa.“
„Und dann hast du es geschafft, keinen umzubringen?“, fragte ich wütend.
Er zuckte mit den Schultern, antwortete mir nicht.
„Hör mir zu, ich habe darauf echt keinen Bock. Such dir jemand anderen!“
„Kate, bitte. Nimm mich mit! Ich brauche jemanden! Und du hast Erfahrung, ich kann soviel von dir lernen… Bitte!“
„Okay. Zur Probe. Eine Woche.“, zischte ich, ohne wirkliche Lust zu verspüren, ihn mitzuschleppen.
„Danke!“ Chase grinste dümmlich. Normalerweise müsste er mich zerfleischen, schließlich hatte ich seinen besten Freund verschmäht.

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Tag der Veröffentlichung: 24.09.2011

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