Salomons Geschichte
hier und heute
Es gibt Kreaturen auf dieser Welt, die wundern sich, wofür ich meine Zeit investiere. Nichtigkeiten sind es in ihren Augen. Verschwendungen nennen sie jenes, für das ich mich interessiere.
Wie kann ich Zeit vergeuden? Wenn ich von etwas mehr als genug habe, dann von Stunden, von Wochen, von Monaten und von Jahren.
Kann Zeit überhaupt wertvoll und zu knapp bemessen sein? Vielleicht, ja, für ein alterndes und sterbliches Wesen. Nicht für mich.
Ich bin alt. Ich kann weder sagen, wann ich zum ersten Mal das Licht der Welt erblickte, noch, wann ich die Sonne zum letzten Mal untergehen sah, doch ich bin älter als so mancher Gott.
Es gibt viele meiner Art die mit zunehmenden Alter nichts mehr mit sich, mit der Zeit und mit der Welt anzufangen wissen. Sie fühlen sich entfremdet und entrückt, denn die Welt und alles in ihr entwickelt sich weiter, während wir Ahnen still stehen.
Um dem vorzubeugen, erfreue ich mich immer wieder an meinen Nachkommen. Sie sind meine Verbindung zum Jetzt. Sie erfüllen meine wache Zeit mit neuen Rätseln, Abenteuern und manchmal auch Ärgernissen, denen ich mich aber gerne stelle. Dank ihnen nehme ich am Geschehen in der Welt teil, anstatt es an mir vorbei treiben zu lassen. Genau dies verstehen andere Älteste nicht, doch nachfolgende Generationen sind mir dankbar.
Ich bin ein wandelnder Schatz des Wissens und gebe ihn gerne weiter an jene, die zu mir kommen. Weil ich nicht unfehlbar bin, schreibe ich auf, was ich erfahre und sammel zugleich die Erlebnisse anderer.
Ich könnte von vielen Abenteuern aus meinem ewigen Dasein berichten. Vom Entstehen und Vergehen mächtiger Reiche, von Erfindungen und Fehlschlägen, von ewiger Liebe, ewiger Trauer und ewiger Langeweile. Mir gefällt die Geschichte, in welcher ich am häufigsten ein Narr genannt wurde, am besten.
Auch damals war ich bereits alt. Ich hatte die gesamte bekannte Welt bereist und galt als erfahren und weise. Ich war Herrscher über mehrere Ländereien und gleichermaßen angesehen in hohen Häusern, wie beliebt bei dem einfachen Volk. Ich übertreibe nicht.
Von meines Gleichen wurde ich oft belächelt, doch in jener Nacht, mit der meine Geschichte beginnt, geschah dies bei weitem noch nicht so häufig, wie in den darauf folgenden Jahren.
Robertos Geschichte im Jahre 1143
Haus von Sorcha O‘Connor
Vis Banken
Vlakkeland
18. Tag des Windúmemánodt
Früher Abend am Luönley
„Roberto, konzentriere dich auf das Ritual, nicht auf meine Tochter.“
Erschrocken huschte mein Blick auf die Frau, die mir gegenüberstand. Sorcha hielt die Lider gesenkt und rührte sich nicht. Hatten sich ihre Lippen überhaupt bewegt? Hatte sie die Worte ausgesprochen oder waren sie am Ende nur ein Produkt meines schlechten Gewissens? Ich schüttelte leicht den Kopf und warf einen verstohlenen Blick nach Links. Auch die Augen meines Bruders blieben geschlossen. Wenn Mario etwas bemerkt hatte, ließ er sich nichts anmerken. Ich beschloss, es ebenso zu halten. In dem Versuch, mich von allen äußeren Eindrücken zu befreien, atmete ich tief durch und senkte die Lider.
„Fühle dich selbst“, vernahm ich Sorchas Stimme. Sprach sie in Wirklichkeit oder in meinen Gedanken?
„Spüre deine Existenz, lausche deinem Herzschlag, horche auf deinen Atem.“
Die Tonlage ihrer Stimme blieb eindringlich und monoton, dabei aber nicht einschläfernd. Ich versuchte ihren Anweisungen zu folgen, horchte in mich, lauschte auf meinen Körper, mein Innerstes. Nach und nach verabschiedeten sich alle störenden Empfindungen des Alltags. Wärme und das Gefühl von Geborgenheit breiteten sich in mir aus.
„Spürt den Kreis, euch und uns.“
Ich konzentrierte mich auf jene, deren Hände ich umfasste. Zu meiner Linken stand mein Bruder, ein kleineres Ebenbild meiner selbst, sah man von dem Bart ab, den Mario jeden Morgen sorgsam stutzte. In der rechten Hand spürte ich Eyleens kühle Finger. Sie war Marios Frau und Sorchas Tochter. Auch sie strahlten nun Ruhe und Frieden aus, befanden sich in ihrem eigenen Gleichgewicht. Von ihrer Nervosität zu Beginn der Zeremonie war nichts geblieben.
Ohne Vorwarnung berührte mich eine heiße Welle von Energie. Sie durchdrang mich, durchflutete meinen Körper. Neben mir keuchte Mario auf. Sorcha war die Erfahrenste von uns. Sie leitete das Ritual, führte uns alle in eine andere Welt, ließ uns an ihrer Macht teilhaben. Während dieses Moments bekam ich einen Einblick in ihr Innerstes, ein Gefühl für alles, was sie erlebte, für das unschätzbare Wissen, dass sie in sich trug. Einen Herzschlag lang glaubte ich, mich in dieser Welle der Macht zu verlieren. Dann vernahm ich ihre Stimme.
„Tretet in den Kreis.“
Wir gehorchten gleichzeitig, traten jeder einen Schritt vor und berührten uns an den Schultern. Den Teppich aus Bast spürte ich kaum einen Lidschlag lang unter meinen bloßen Füßen, ehe ich in die Membran eindrang. Mario und Eyleen keuchten erschrocken auf. Beruhigend drückte ich ihre Hände. Beide taten diesen kleinen Schritt, diese Reise in eine andere Welt, zum ersten Mal.
Die Membran war zähflüssig und klebrig wie Honig, aber eiskalt. Sie umfing mich, hielt mich fest, wollte mich daran hindern, in die Welt dahinter einzutreten. Vielleicht hatte sie gar ein Bewusstsein. Zu meinen Seiten spürte ich, wie sich die beiden Menschen verkrampften, meine Hände regelrecht schmerzhaft umklammerten. Ich kämpfte um jeden Fingerbreit, winzige Schritte nach vorn, zog dabei meinen Bruder und meine Schwägerin mit. Nach einer gefühlten Ewigkeit waren wir hindurch. Die Kälte verschwand abrupt und wir konnten uns freier bewegen. Schweiß stand mir auf der nackten Haut.
Warum war es dieses Mal so anstrengend? Schon oft hatte ich die Membran durchschritten. Seit Jahren war mir der Übergang nicht mehr so schwer gefallen. Ich konnte es mir nur mit der Anwesenheit der beiden Menschen erklären. Während ich darüber nachdachte, öffnete ich die Augen und sah mich um. Nebel umwallte uns, streichelte klamm meine schweißfeuchte Haut. Sorchas lockiges Haar kräuselte sich dank der Feuchtigkeit, doch sie kümmerte sich nicht darum. Lächelnd ließ sie die Hände von Mario und Eyleen los und ich tat es ihr gleich.
Robertos Geschichte im Jahre 1143
Kréskah
18. Tag des Windúmemánodt
Früher Abend am Luönley
Als ich das erste Mal die Reise ins Kréskah
antrat, war ich aufgeregt, neugierig und ängstlich. Die Älteren meiner Gemeinschaft hatten mir schon so viel von dieser Welt erzählt, die zugleich Spiegel und Schatten unserer Realität war. Der Nebel dominierte immer und überall im Kréskah
. In ihm lebten farb- und leblose Gestalten, die so durchscheinend waren, dass jeder Windhauch sie auseinanderreißen musste. Selbst in Wirklichkeit feste Gegenstände bekamen in dieser Welt ein ganz neues Erscheinungsbild. Den Wänden von Sorchas Hütte, in der wir immer noch standen, fehlte die äußere Hülle. Ich blickte direkt auf eine Art Gerüst. Es sah anders aus, als die Struktur des Baumes, aus dem die Bretter einst gesägt worden waren. Es bestand aus Fäden oder Seilen, geschaffen aus einer eigentümlichen Energie. Ich hatte versucht, Mario zu beschreiben, wie Gebäude im Kréskah
aussahen, doch war es mir nicht gelungen. Jetzt stieß er einen Laut der Bewunderung aus. Er löste sich von meiner Seite, trat auf die nächste Wand zu und verfolgte mit seinem Blick einzelnen Strängen, deren Energie im Nebel leuchtete. Als er eine Hand ausstreckte, trat ich rasch dazu und hielt ihn auf.
„Es ist unheimlich“, hauchte Eyleen hinter uns. Ich warf meinem Bruder noch einen warnenden Blick zu und wandte mich zu den beiden Frauen. Fröstelnd rieb sich die Jüngere ihre nackten Oberarme.
„Es ist die Welt der Geister, der Seelen und der Ahnen“, erklärte Sorcha, „eine Welt, die nur wenige begreifen. Selbst die weisesten und erfahrensten Reisenden durch das Skah stehen immer wieder vor einem neuen Rätsel.“ Lächelnd schaute die Älteste erst zu ihrer Tochter, dann zu ihrem Schwiegersohn. Schließlich sah sie mich auffordernd an. „Doch heute werden die Geister uns helfen, ein Rätsel zu lösen. Setzt euch, Kinder.“
Nach einem knappen Nicken zu der Ältesten wandte mich ich von den Dreien ab. Ich begleitete meinen Bruder und dessen Frau nicht nur, um ihnen Beistand zu leisten, sondern vor allem zu ihrem Schutz. Während Sorcha, Mario und Eyleen im Nebel Platz nahmen, verließ ich das schimmernde Gerüst der Hütte.
Unter meinen bloßen Füßen fühlte sich die Straße, die in der Realität aus festgetretenem Lehm bestand, unwirklich weich an. Durchsichtige Schatten bewegten sich auf dem Weg, wo in Wirklichkeit die Bewohner des Dorfes entlanggingen. Einige von ihnen schwebten gar hinter dem wässrigen Abbild eines Huftieres. In der realen Welt saßen die Menschen auf einem Karren oder in einer Kutsche. Das Gefährt selbst war jedoch zu jung, um ein Ebenbild im Skah
zu hinterlassen.
Aufmerksam umrundete ich die Hütte. Sie stand etwas abseits der anderen Häuser. Hinten lag ein Garten, der im Frühjahr von den bunten Blüten der Wildkräuter regelrecht geleuchtet hatte. Inzwischen waren die meisten Pflanzen eingegangen oder abgeerntet. Grobes Gras, knorrige Wurzeln und ein kleiner Rübenanbau dominierten das Grundstück. Trostlos sah es in der Wirklichkeit aus, doch während ich diesen Garten in der Welt der Geister betrachtete, geriet ich ins Staunen. Ich hatte nicht gewusst, dass Sorcha, neben vielen anderen Talenten, auch ein Händchen für Pflanzen besaß. Viel zu selten dachte ich daran, dass dieses Grünzeug ebenfalls eine Seele in sich trug. Jetzt sah ich sie, kleine Wurzelkinder, die mir höchstens bis zum Knie reichten. Sie hatten mehr Substanz als die schattenhaften Abbilder der Menschen. Je nach Pflanze, deren Seele sie waren, war ihr Körper schmal und grazil oder knorrig und stämmig. Auch die Farbe ihrer Haut, sofern diese sphärische Hülle als solche zu bezeichnen war, stimmte mit den Farbtönen der Blätter und Wurzeln überein. Vertieft in ein Spiel, das ich nicht verstand, bemerkten sie meine Anwesenheit nicht.
Als ich weiter ging, fiel mein Blick auf den Kai und das Meer. Die Schiffe in der Bucht, die zum Teil seit einigen Jahren auf See fuhren, wirkten mit mit ihren dürren, schimmernden Streben und in diesem diffusen Licht regelrecht zerbrechlich. Am Lagerhaus entdeckte ich ein paar Taiwsý Fýdohraicht
. Sie waren Geister, die eben jene Halt bringenden Fäden webten und anordneten. Der Warenspeicher, der in der realen Welt noch nicht einmal zwei Jahre stand, war im Kréskah
kaum zu sehen. Die Taiwsý Fýdohraicht
gaben dem Schatten Struktur und Halt, ließen ihn sichtbar und das Gebäude in der stofflichen Welt stark werden, damit es noch viele Jahre überdauerte. Die Geister arbeiteten so langsam, dass ich glaubte, jemand hielte sie in der Zeit fest. Dennoch gingen sie mit einer Gründlichkeit und mit einem Geschick zu Werke, dass es eine Freude war, ihnen zuzuschauen. Davon musste ich Mario später unbedingt erzählen. Bei dem Gedanken an meinen Bruder riss ich mich von dem Anblick los und zwang mich, den Rundgang zu beenden.
Als ich wieder in die Hütte trat, saßen Sorcha, Mario und Eyleen im Kreis auf dem Boden. Zwischen ihnen schwebten grüne Lichtkugeln, die den Nebel vertrieben und ein mystisches Schattenspiel auf die Anwesenden warfen. In der Mitte stand eine Tonschale auf dem Boden. Sie war ebenso real wie in Wirklichkeit. Ein heißer Stein am Grund erwärmte das Wasser darin. Eine zweite Schale hielt Sorcha in ihren Händen. Nachdem ich meinen Platz zwischen Mario und Eyleen eingenommen hatte, reichte sie mir diese. Ich tunkte Zeigefinger und Mittelfinger in die Schüssel und nahm braune Farbe auf. Anschließend setzte ich beide Finger mit etwas Abstand mittig auf meine behaarte Brust und zog zwei Linien hinab bis auf den Bauch. Die Farbe fühlte sich wie warmer Schlamm an. Ich zeichnete vier Querlinien durch die Parallelen und malte zum Schluss einen kleinen Bogen dazwischen auf meinen Bauch. Dies war das Zeichen meiner Sippe, den Wak Fýdohr
, den Söhnen des Webers. Dasselbe Zeichen glänzte bereits auf Marios Körper. Ein weiteres Mal tunkte ich meine Finger in die braune Masse und malte einen Halbkreis auf meine Stirn. Dies war das Symbol des Halbmondes, unter dem ich geboren war.
Mit einem wohlwollenden Lächeln nahm Sorcha die Schale wieder an sich. Auf ihrer Stirn glänzte ein voller, kreisrunder Punkt, denn die alte Frau war unter dem Vollmond geboren.
Auf die Oberkörper der beiden Frauen hatte Sorcha das Zeichen ihrer eigenen Sippe gemalt. Es zeigte eine stilisierte Schriftrolle mit einem beinahe vollem Mond darin und stand für die Wak Fynskál
, die Söhne der Legende.
Sorcha stellte die Schale mit der Farbe neben sich und klaubte einige gehackte Kräuter und Pilze aus einem Tuch. Sie begann zu singen, während sie die Pflanzen in das heiße Wasser rieseln ließ. Ihrer kraftvollen Stimme hörte ich das Alter nicht an. Schon nach den ersten Tönen fielen Eyleen, Mario und ich in das Gebet an die Geister und Ahnen ein.
Wir sangen zu ehren von Sáilach
, der Göttin des Mondes, und baten sie um Schutz und Beistand während des Rituals. Den zweiten Vers des rhythmischen Gesangs widmeten wir Máhai Taláhv
, der Mutter Erde, für die Sorcha und ich mit jedem Atemzug kämpften. Ich lauschte lediglich den Worten, als die Weise den dritten Abschnitt allein anstimmte, die Seelen ihrer Ahnen, den Wak Fynskál
, zur Unterstützung rief. Ohne die Melodie zu unterbrechen, wiederholte ich diese Strophe beinahe wortgetreu und rief die Seelen der Wak Fýdohr
.
Die Älteste fuhr mit einem Sprechgesang fort, während wir übrigen summend die Melodie dazu angaben. Sorcha hob die Tonschale, in welcher der Sud dampfte, mit beiden Händen und reichte sie ihrer Tochter. Eyleen nahm sie entgegen, trank einen Schluck und gab das Gefäß an mich weiter. Ich beließ die warme Flüssigkeit einen Moment im Mund, genoss das würzige Aroma, ehe der Sud meine Kehle hinab rann und ich das Gebräu Mario anbot. Zuletzt trank Sorcha und die Melodie verklang.
Stille hüllte uns ein.
Erst als die Schale wieder in der Mitte des Kreises stand, fuhren wir mit dem Summen fort. Sorcha holte den warmen Stein aus dem Sud und zerrieb mit ihm die aufgeweichten Kräuter und Pilze. Das würzige Aroma, das ich noch schmeckte, kitzelte mir nun auch in der Nase.
Sie verrührte den Brei mit der Hand, nahm eine großzügige Portion und malte damit das Symbol des Lebens auf den rundlichen Bauch ihrer Tochter. Eyleen war im sechsten Monat schwanger und dieses Ritual hielten wir für ihr Kind ab.
Die Älteste rieb ihre Hände aneinander und hielt sie dann über die Schale, als wollte sie ihre Glieder wärmen. Eine Kugel aus Glut entstand zwischen ihren Handflächen. Aus unserem Summen wuchsen offene Töne, ohne dass wir die Melodie mit Worten füllten. Der Glutball schwebte zwischen Sorchas Händen. Als sie diese zurückzog, fiel das Licht in die Kräuterbrühe. Wasser zischte auf. Rauch umfing die Kugel, verschlang sie und suchte seinen Weg nach oben in den Nebel. Das Lied verstummte auf seinem Höhepunkt. Jeder von uns fixierte die Schale, in welcher der Kräutersud kochte. Die Glutkugel schmolz langsam dahin und ließ neuen Rauch aufsteigen.
„Wir bitten heute für ungeborenes Leben.“ Sorcha lächelte Eyleen aufmunternd zu, ehe ihre grünen Augen nacheinander über Mario und mich wanderten. „Wir bitten die Geister um Rat und um Weisung.“ Ich vermochte sie durch den Rauch, der weiterhin der Schale entsprang, kaum zu sehen, doch ihre Stimme drang klar an meine Ohren. „Eyleen“, die Älteste griff nach der Hand ihrer Tochter, „du trägst das Kind in dir. Dir gehört die erste Frage.“
Eyleen atmete tief durch, sah alle der Reihe nach an und sagte mit leiser Stimme: „Sáilach
, Herrin des Mondes, bitte sage mir, wird mein Kind gesund sein?“
Mein Blick blieb an der jungen Frau hängen. Sie stellte die typische Frage einer werdenden Mutter. Sicher hatten die Geister, hatte die Göttin des Mondes, sie unzählige Male gehört. Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie sich der formlose Qualm veränderte, und fixierte erneut die Tonschale. Der Rauch nahm Gestalt an, wuchs in einer schmalen Säule empor und verdichtete sich in Augenhöhe, bis er eine flackernde Kerze bildete.
„Das ist nicht möglich“, hauchte Mario zu meiner Linken. Er war das erste Mal bei einem solchen Ritual anwesend und im Allgemeinen sehr skeptisch eingestellt. Hätten Sorcha und ich nicht darauf bestanden, er hätte sich gegen den Ritus ausgesprochen.
Eyleens Augen, die so grün waren, wie die ihrer Mutter, leuchteten vor Glück und Erleichterung. Da blies ein Wind durch den Kreis. Die Flamme aus Rauch flackerte auf und erlosch. Zurück blieb die Säule und eine feine Rauchfahne, die sich ihren Weg nach oben in den Nebel suchte.
Marios Augen wurden groß. Instinktiv griff sich Eyleen an den runden Bauch und selbst auf Sorchas Gesicht zeichnete sich Sorge ab.
„Was bedeutet das?“, fragte die Schwangere atemlos. „Mutter, was bedeutet das?“
Wie die beiden Menschen sah ich die weise Frau an, die weiterhin angestrengt die qualmende Schale fixierte. Eyleen keuchte leise auf, als ein neuer, dunklerer Rauchstoß die Säule emporschoss, den schmalen Docht umschloss und als neue Flamme ruhig auf der Kerze saß. Ganz langsam drängte weiterer Rauch nach oben und umschlang das Bild.
„Mutter?“
Die Furchen auf der Stirn der Ältesten glätteten sich. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. „Sáilach
gab dir Antwort, meine Tochter. Dein Kind wird gesund auf die Welt kommen. Doch es wird von Gefahren umgeben. Eines Tages wird der Tod an seiner Seite stehen und nach ihm greifen, doch dein Kind wird stark sein und den Tod besiegen.“
Ich spürte die Erleichterung, die von den werdenden Eltern ausstrahlte, regelrecht und tastete nach ihren Händen. Zum Zeichen, dass ich immer an ihrer Seite wäre, drückte ich sie leicht. Jeden Schaden wollte ich von ihnen und ihrem Kind fernhalten.
„Mario, dein Kind wird geboren, du wirst sein Vater. Die nächste Frage gehört dir.“ Auffordernd nickte Sorcha ihrem Schwiegersohn zu. Ich vermochte ein Schmunzeln nicht zu unterdrücken, denn ich ahnte, welche Frage meinem Bruder auf dem Herzen lag.
„Sáilach
, bitte sage uns, werde ich einen Sohn haben?“
Das war seit Wochen ein heißer Diskussionspunkt, denn Mario sprach immerzu von seinem Sohn. Wenn Eyleen es hörte, hielt sie ihm laufend vor, er könne nicht wissen, dass er einen Jungen bekäme und über eine Tochter freute er sich sicherlich ebenso.
Der Qualm in der Schale wallte abermals auf und schoss in die Höhe. Er verdichtete sich, doch ehe ich ein Symbol erkannte, flog ein Schatten hinab. Aus den Augenwinkeln sah ich eine Klinge aufblitzen. Ein dumpfer Schmerz zuckte durch meinen Schädel. Dann war es dunkel.
Ein Schrei! Schmerzhaft, qualvoll, hell. Die Stimme einer Frau. Hektisches, atemloses keuchen. Ein neuer Aufschrei.
„Eyleen?“
Ich versuchte meine Augen zu öffnen, die Lider zu heben. Es ging nicht. So schwere, bleierne Vorhänge. Finsternis langte nach meinem Geist. Ich wollte um Hilfe rufen, warnen, schützen, doch auch meine Lippen bewegten sich nur träge.
„Eyleen.“
Mein Herz raste dagegen, mein Blut rauschte durch meinen Körper wie ein wilder Fluss. Es war beinahe so laut, wie das Kreischen.
Schreie, schrill, angstvoll, panisch, überall. Wo waren sie? Nichts als Dunkelheit. Worte zwischen den Jammerlauten. Wer sprach dort? Eine Frau? Nicht Eyleen, nein. Nicht Sorcha. Was sagte sie? Sie schrie nicht. Sie blieb ruhig, beruhigte mich. Die Stimme drang in mein Herz ein, strich sanft darüber, wie der Frühlingswind auf meiner Haut.
Was wollte sie von mir? Ich konnte sie nicht verstehen. Ich versuchte es, doch die Schreie waren so laut.
Ein Kribbeln im Nacken, das Gefühl von Gefahr. Es nahm mir den Atem, lähmte meine Glieder noch zusätzlich.
Panisches Kreischen mischte sich in die Stimme der Frau. Jemand rief meinen Namen. Ich roch Blut und Angst. Wut kam in mir auf. Die Kraft der Göttin überschwemmte meinen Körper. Woher kam das Blut? Wessen Angst witterte ich?
Ein neues Geräusch. Der helle, erste Schrei eines Neugeborenen.
Ich hob träge eine Hand, fasste mir an den schmerzenden Schädel. Dieser Laut war so falsch. Er gehörte nicht in das Hier und Jetzt. Zugleich war er wichtig, bedeutete alles. Es war der Schrei des Erben! Mit jeder Faser meines Körpers spürte ich die Kraft des Kindes. Sie erfüllte mich mit Hoffnung und Wärme.
Wind kam auf und mit ihm ein Flüstern. Kaum zu verstehen, übertönte es dennoch das schrille Weinen des Säuglings.
„Ein Kind wird geboren von mehr als zwei Stämmen. Gesucht von mehr als zwei Seiten, lebt es in mehr als einer Welt. Gelehrt von mehr als einem Wesen, wird es geplagt von mehr als zwei Stimmen. Gejagt von mehr als zwei Feinden wird es einmal Frieden bringen.
“
„Roberto!“ Der Ruf, so schrill, dass er in meinen Ohren schmerzte, vertrieb den flüsternden Wind mühelos. Alles drang zugleich auf mich ein, Stimmen der Furcht, Geräusche des Kampfes, ein kalter Luftzug, klammer Nebel, der Gestank von Angst und Blut. Ich zwang meine Augen auf. Silber blitze vor mir.
Mein Körper, geübt durch viele Kämpfe, reagierte ohne mein Zutun. Meine Muskeln spannten sich an. Ich rollte zur Seite, schlug mit dem rechten Fuß aus und traf den Bauch meines Angreifers. Erst als ich den Widerstand spürte, rastete irgendetwas in meinem Kopf ein. Ich erkannte, wo ich war, was um mich herum geschah. Ich war ein Krieger in einer Schlacht. Denken war überflüssig. Ich drehte mich auf dem nebeligen Boden und entging einer niedersausenden Klinge um haaresbreite. Ein erneuter Tritt, traf meinen Gegner am Knie und brachte ihn zu Fall. Sofort war ich über ihm, rammte ihm meine rechte Faust in die Nieren. Sein Stöhnen nahm ich kaum wahr. Mit der anderen Hand umfasste ich seine Waffenhand, schlug sie immer wieder wuchtig auf den Boden, bis er den Säbel fallenließ. Ich verpasste der hässlichen Fratze einen Schlag, der den Kerl ins Reich der Träume schickte, und rappelte mich auf. Mein Blick flog herum und erfasste die Situation innerhalb weniger Herzschläge.
Sorcha hatte sich verwandelt und nahm es gleich mit zwei Angreifern auf. Marios Brust war Blut verschmiert. Er hatte sich schützend vor seine Frau gestellt und versuchte mit bloßen Händen seinen bewaffneten Gegner abzuwehren. Der Anblick weckte die Bestie in mir.
Ich sprang auf, war mit zwei schnellen Sätzen bei dem Schwertschwinger. Noch während der Bewegung konzentrierte ich mich auf den Zorn und auf Sáilachs
Kraft in mir. Ich verwandelte mich. Knochen verschoben sich knirschend und Muskeln wuchsen. Ich traf mein Ziel mit solcher Wucht, dass der Kerl schwankend zu Boden fiel. Haare wucherten auf meinen Armen und schwollen zu einer Felldecke an. Ich rammte dem Liegenden meine Hand in den Bauch und traf mit Klauen, die aus meinen Fingern brachen. Er heulte vor Schmerz auf, doch das kümmerte mich nicht. Ich musste Mario und Eyleen in Sicherheit bringen.
Ich rappelte mich auf und stapfte auf die beiden Menschen zu, die nackt und zitternd auf dem Boden lagen. In ihren Augen las ich Panik. Ich war nun vollständig bedeckt mit Fell, mit Klauen statt Händen und mit einer Wolfsfratze statt eines Gesichts, und ragte über ihnen auf. Doch sie kannten mich, kannten Sorcha. Nicht ich weckte die Furcht in ihnen.
Meine spitzen Ohren zuckten. Feuchte Luft wurde schwer in eine Lunge gesaugt. Mein Angreifer war unerfahren, viel zu laut. Jeden seiner Schritte erkannte ich, ohne mich umdrehen zu müssen. Eine Klinge sirrte durch den Nebel. Ich beugte sich über Eyleen, wich dadurch der Waffe aus und stieß zugleich ein Bein nach hinten. Der Feind brach den Angriff keuchend ab. Ich sah mich nicht nach ihm um, umfasste stattdessen die beiden Menschen mit meinen behaarten, langen Armen. Mit dem nächsten Schritt konzentrierte ich mich auf die reale Welt. Mario und Eyleen keuchten auf, als die Kälte zwischen den Welten uns wie Eis umschloss. Dann fielen wir auf den Lehmboden in Sorchas Hütte.
Auf die Landung konnte ich keine Rücksicht nehmen. Ich ließ sie los und deutete auf die Tür. “Raus! Lauft!” Hoffentlich gehorchten sie. Die reale Welt bot eine trügerische Sicherheit. Von den Dörflern und Arbeitern draußen ließen sich die Angreifer vermutlich mehr abhalten, als von der Kälte zwischen den Sphären.
Ohne einen weiteren Blick auf die beiden, stemmte ich mich hoch. Mit drei Schritten durchquerte er nicht nur den Raum, sondern auch von Neuem die Barriere zum Skah
. Kaum das ich im Nebel stand, sah ich mich suchend nach Sorcha um.
Die Älteste kämpfte immer noch mit zwei Angreifern zu gleich. Es handelte sich um Bestien, halb Wölfe und halb Menschen. Sie boten eine erschreckende Ähnlichkeit zu meiner eigenen Gestalt. Zwei weitere riesige Kreaturen lagen besiegt am Boden.
Ich eilte der Ahnin zu Hilfe. Ihr Fell glänzte dunkel und war zu Büscheln verklebt. An ihrer Hüfte hing es gar in Fetzen herab. Kein Laut des Schmerzes erklang von ihr, doch sie atmete rasselnd und keuchend, während sie sich erneut auf ihren Gegner stürzte. Dies erfüllte mich mit mehr Furcht, als es jeder Schmerzensschrei vermocht hätte.
Ich drängte meine Sorge in den hintersten Winkel meines Selbst und verwandelte sie in blanke Wut. Mit dem Schrei eines Berserkers sprang ich einen der Feinde an. Dieser taumelte, fiel gegen die verletzte Älteste und zog sie mit. Zu dritt rollten wir durch den Nebel; ein Knäuel aus Muskeln, Zähnen und Klauen. Wie ein heißer Blitz jagte der Schmerz durch meinen Arm, als mich die Klinge traf, ließ mich aufbrüllen. Es war nur ein kleiner Schnitt, doch das Silber fraß sich wie Säure in meine Haut und erlahmte die Muskeln. Ich biss zu ohne darauf zu achten wohin. Mit wölfischen Fängen riss ich an seinem Fleisch und diesmal keuchte mein Feind auf. Er musste ein unerfahrener Kämpfer sein. Der Schmerz raubte ihm so viel seiner Kraft, dass ich ihn auf den Rücken warf und sofort über ihm war. Ich langte mit der Pranke nach seiner Kehle und ließ ihm keine Gelegenheit zur Kapitulation. Es gab keinen Schrei mehr, nur ein gurgelndes Röcheln. Der Körper zuckte, lag dann still. Angewidert warf ich die Sehnen, die an meinen Klauen hingen, fort und drehte mich nach Sorcha um.
Trotz der Verletzungen hielt die Alte ihren Gegner immer noch in Schach. Doch kaum das dieser registrierte, dass er der Letzte war, stieß er ein helles Heulen aus. Sorcha setzte ihm nach. Ihre Kiefer schnappten ins Leere, als der Körper der Bestie verschwamm und in die Tiefen der Geisterwelt floh. Einer dunklen Ahnung folgend, huschte mein Blick zu den bewusstlosen Widersachern. Einer nach dem anderen verschwanden sie ebenso. Ihre Körper wurden einfach durchsichtig und verwehten im Nebel.
Ich hätte sie sofort töten sollen.
Seufzend atmete ich durch. Sie waren fort und es brachte nichts, darüber zu grübeln, was hätte getan werden müssen. Es gab Wichtigeres. Neben Sorcha blieb ich stehen. Meine Stimme klang rau und besorgt. „Bist du in Ordnung?“
Sorcha verwandelte sich bereits zurück. Das cremefarbene Fell, in dem vom Alter silbrig weiße Streifen schimmerten, schwand und machte ihrem wallenden, blondem Haar Platz. Die tiefen Risse im Pelz wuchsen mit der Haut zusammen, bis nicht mehr als blutverschmierte Striemen übrigen blieben.
„Nur ein paar Kratzer“, kommentierte sie. Herrisch deutete sie mit dem Kopf auf den toten Angreifer. „Kümmere dich um den. Ich werde nach den Kindern sehen.“ Sie verschwand mit dem nächsten Schritt aus dem Kréskah
, ohne dass sie mein Nicken sah.
Während ich mich neben den Toten hockte, verwandelte ich mich zurück in meine menschliche Gestalt. Aufmerksam betrachtete ich die haarige Bestie. Er war ein Recke der Mondgöttin Sáilach
, halb Mensch und halb Wolf - genau wie ich.
Am Anbeginn der Zeit hatte die Göttin den Menschen zum Wolf gelegt und ihren Silberschein in die Zusammenkunft gegeben. Auf diese Weise waren die Fiulchú
entstanden, machtvolle Kämpfer zwischen den Welten. Unsere Aufgabe war der Schutz Máhai Taláhvs
, der Mutter Erde und Schwester der Mondgöttin, vor finsteren Mächten.
Ich verdrängte den Gedanken, dass wir irgendwie von der gleichen Art und unsere Ahnen einst Brüder gewesen waren. Sorgfältig betastete ich den Leichnam. Es musste einen Hinweis auf die Abstammung dieses Kriegers geben.
Es gab viele Sippen unter Sáilachs
Streitern. Vor Dekaden waren wir Eins gewesen, hatten nebeneinander gekämpft, gelebt und geliebt. Doch in der Zeit, als der Llyngyr
, das Böse, in die Herzen der Menschen gekrochen war, hatte es auch unsere menschliche Seite getroffen. Die alten Fiulchú
wurden herrschsüchtig, eigensinnig und eitel. Jeder sah einen Konkurrenten in seinem Gegenüber und bald galt das erste Gesetz nicht mehr, das besagte, kein Fiulchú
dürfe einen anderen töten. Statt Máhai Taláhv
zu schützen, bekämpften die Krieger des Mondes sich gegenseitig - bis Sáilach
ein Machtwort sprach. Darauf vereinigten sie sich zu Sippen und änderten das Gebot. Kein Fiulchú
einer Sippe durfte einen Gleichgesinnten töten.
Da dieses Gesetz selbst heute das Wichtigste von allen war, konnte der Tote weder den Wak Fýdohr
noch den Wak Fynskál
angehören. Normalerweise trug jeder Fiulchú
stolz das Zeichen seiner Sippe, doch bei diesem fand ich nichts dergleichen. Lediglich die rituelle Narbe, die jeder meiner Art bei dem Ritus des Erwachsenwerdens erhielt, entdeckte ich. Das war allerdings auch der einzige Beweis eines Kampfes. Die meisten meiner Art sahen in ihren Narben Beweise für ihren Mut und ihre Kampfkraft. Bei feuchtfröhlichen Gelagen waren sie oft Anlass für spannende Geschichten. Da ich bei diesem keine weiteren Kampfspuren fand, musste er ein sehr junger oder unerfahrener Artgenosse gewesen sein. Damit fand ich immerhin mein Gefühl aus dem Kampf bestätigt. Womöglich handelte es sich bei dem Rudel um Lyainí
, die zu ihrer ersten Quest ausgesandt wurden, um zu Ruhm und Ehre zu gelangen. War ich meinen Feinden denn nicht mehr wert, dass sie halbe Kinder auf mich hetzten? Irgendwie kratzte dieser Gedanke an meinem Stolz.
Ob ich mit dem Geist des Jünglings reden sollte? Gelegentlich sprachen die Toten in einem letzten Anflug von Reue zu ihren Richtern. Allerdings war mein Talent in diesem Bereich der Magie nicht besonders ausgeprägt. Ich kannte zwar den Ritus, der eine Seele aus dem Körper befreite, damit sie zu ihren Ahnen zurückkehren konnte. Die Technik, den Geist zu binden, ihn am Gehen zu hindern und zu zwingen, meine Fragen zu beantworten, war mir fremd.
Nach kurzem Zögern schloss ich die Augen, atmete tief durch und sammelte die Energie Sáilachs
in mir. Als ich die Lider hob, murmelte ich beschwörende Worte aus der alten Sprache meines Volkes. Dabei legte ich meine Hand erst auf das Herz des toten Kriegers, führte sie dann zu dessen Stirn, betastete jedes Seelenfenster und hielt über seinem Mund inne. Nachdem ich die Hand wegzog, leuchtete der Körper. Atemlos beobachtete ich, wie sich die Seele vom Fleisch löste, wie sie sich aufsetzte und mich ansah. Die Augen schimmerten unwirklich in weiß und grau mit einer strahlenden, goldenen Iris. Ich keuchte erschrocken auf, als ich spürte, wie der Geist in mein Innerstes eindrang. Vor ihm fühlte ich mich nackt und durchleuchtet. Ich glaubte, meine Gedanken und Gefühle lägen offen vor dieser Gestalt aus dem Äther. Er musste alles von mir wissen. Seine Stimme klang wie trockenes Laub im Herbst. Obwohl sie nicht lauter als ein Flüstern war, ging sie mir durch Mark und Bein, brachte eine Gänsehaut auf meine nackten Arme.
„Der rechte Weg ist dir noch verschlossen, mein Richter, doch eines Tages wirst du mich verstehen.“
Ein leiser Funken Wut wuchs in mir heran. Hätte ein lebender Fiulchú auf diese Weise ein Gespräch angefangen, hätte ich ihn zurechtgewiesen. Die Höflichkeit erforderte eine Vorstellung, ehe man ein weiteres Wort an sein Gegenüber richtete. Allerdings machte es bei der Seele eines Getöteten vermutlich nicht viel Sinn, auf Anstand und Regeln der Etikette zu pochen. Ich ließ mich jedenfalls nicht auf dieses Niveau herab, sah mein Opfer mit erhobenem Kopf an und stellte mich vor: „Ich bin Roberto di Natichio, Moltoy
und Wak Fýdohr
.“
Der Geist lächelte, während er in die Höhe schwebte. Rasch stand ich auf, nur um nicht unter meinem einstigen Gegner zu knien.
„Ich weiß wer du bist. Du bist der Wächter des Auserwählten. Dein Name steht auf der Liste der Toten. Du wirst den rechten Weg noch sehen.“ Mit einem Lachen, das noch kälter war als das Eis des Nordens, stieg die Seele hinauf.
„Warte!“, rief ich irritiert. „Was soll das bedeuten? Wer bist du?“
„Bring meinen Körper in das Reich der Wak Folín
“, gab der Geist von sich, ehe er im Nebel verschwand.
Robertos Geschichte im Jahre 1143
Haus von Sorcha O‘Connor
Vis Banken
Vlakkeland
18. Tag des Windumemánodt
Später Abend am Luönley
„Du hast sie aus dem Kreis geschickt, du Narr?“
Ich spürte noch die Kälte zwischen den Welten auf meiner Haut, als Sorcha mich derart anfuhr. Ein paar nette Worte zu unserem siegreichen Kampf waren offenbar zuviel verlangt. Prüfend glitt mein Blick über Mario, dessen Oberkörper mit einem weißen Leinenverband verbunden war. Die Kräuter darin witterte ich regelrecht. Mit einer lockeren Seemannshose bekleidet, saß er in einem groben, mit Fellen und Decken gepolsterten, Holzstuhl. Eyleen reichte ihm einen Becher mit dampfendem Tee. Ein ärmelloses Unterkleid umspielte ihren Körper. Den Göttern zum Dank entdeckte ich an ihr keine Verletzungen. „Sie leben oder nicht?“, bemerkte ich und trat zu dem Stuhl, auf dem ich vor dem Ritual meine Kleidung abgelegt hatte. Den silbernen Säbel, den ich von meinem Feind erbeutete, legte ich auf den Tisch, ehe ich die Hose anzog.
Sorcha schnaubte. „Da draußen hätte sie jemand angreifen können! Solange der Kreis besteht, sind sie darin sicher. Niemand kann ihnen im Zirkel etwas anhaben.“
„Dann muss an deinem Kreis im Kréskah
irgendetwas falsch gewesen sein, Sorcha-krýnya
.“ Mit der ehrenwerten Anrede für die Weisen und Ältesten, versuchte ich meinen Worten ein wenig Schärfe zu nehmen. Ich widersprach der Ahnin nicht gerne, sah mich allerdings dieses Mal im Recht. Immerhin war Mario verletzt und hätten die Angreifer es in die reale Welt geschafft, hätten sie ihn und Eyleen getötet.
„Hört auf zu streiten, bitte! Wir leben noch und Marios Verletzungen sind, Sáilach zum Dank, nicht so schlimm“, unterbrach die junge Frau unseren Disput.
Mir entkam lediglich ein Schnauben. Mario war zwar mein großer Bruder, doch nur ein Gyultá
, ein Verwandter, kein Fiulchú
wie Sorcha und ich. Seine Wunden heilten so schlecht wie bei jedem anderen Menschen. Meinen besorgten Blick winkte er allerdings ab und meinte: „Es sind nur ein paar Kratzer. Es sah ernster aus, als es ist. Sag mir lieber, was mit deinem Arm ist.“
Mit gerunzelter Stirn betrachtete ich meinen Waffenarm. Die Verletzung, die ich während des Kampfes erhalten hatte, blutete immer noch. Die Haut rund herum prickelte und brannte. Der Muskel protestierte bei jeder Bewegung. Gewöhnlich war es dennoch nichts, das ich besonders erwähnt hätte. Ich war ein Krieger und auf den ersten Blick sah dieser kleine Schnitt nur halb so gefährlich aus, wie Marios aufgerissene Brust. Mein Bruder war jedoch gewöhnt, dass die Wunden eines Fiulchús innerhalb weniger Minuten heilten.
„Er hat mich damit getroffen“, beantwortete ich die Frage und deutete auf die Waffe des Feindes.
Sorcha trat mit einem Tuch und ihrer Kräuterschale hinzu. Mit strenger Miene wies sie auf einen weiteren mit Fellen gepolsterten Stuhl. „Setz dich und lass mich das ansehen. Und erzähle uns endlich, was du herausgefunden hast. Eyleen, brüh ihm auch einen Tee auf.“
Wir gehorchten den resoluten Anweisungen sicherheitshalber. Die Ahnin klang nicht so, als wollte ich sie weiterhin reizen.
Ich überlegte einen Moment, ehe ich mit bedauernder Stimme erklärte: „Viel erfuhr ich nicht. Der eine, den ich erwischt habe, war ein Wak Folín, die anderen vermutlich ebenso. Die Folín
kämpfen nur selten gemeinsam mit fremden Sippen.“
„Warum haben sie uns überhaupt angegriffen“, fragte Eyleen, während sie mir einen dampfenden Becher reichte.
„Die Wak Folín
und die Wak Fýdohr
waren noch niemals Freunde“, entgegnete ich. „Sie paaren sich nicht mit Menschen. Die Art, wie wir den Fortschritt und die Städte verehren, bezeichnen sie als Verrat an Máhai Taláhv
. Wenn sie könnten, wie sie wollten - autsch!“ Ich zuckte zusammen und sah Sorcha vorwurfsvoll an, die meine Wunde nicht eben behutsam behandelte. Die Alte verzog keine Miene, meinte gleichmütig: „Du bist ein Krieger Sáilachs
, stell dich nicht so an.“
„Ich glaube nicht, dass sie hinter dir oder mir her waren“, warf Mario ein. Ungeachtet des besorgten Blicks seiner Frau erhob er sich vorsichtig. Wenn mein Bruder nachdachte, saß er niemals still. Man müsste ihm schon ein Bein abhacken, damit er nicht hin und her lief wie ein Wolf in einem Käfig. „Sie griffen Eyleen an und wirkten äußerst überrascht, dass sie geradewegs auf dich fielen.“
Ich senkte den Kopf und betrachtete den warmen Tee in meiner Hand.
Warum hatte ich auch gleich zu Beginn des Kampfes das Bewusstsein verlieren müssen. Einem Lyainí
, der gerade seine ersten Prüfungen hinter sich hatte, mochte man so etwas durchgehen lassen. Doch ich war ein Déagoy
, hatte bereits einige Schlachten hinter mir und führte ein Rudel. Wenn die anderen davon erführen, hätten sie schön etwas zu lachen.
Wächter des Auserwählten
, so nannte mich der Geist des Kriegers. Sein raues Flüstern klang noch immer in meinen Ohren: Dein Name steht auf der Liste der Toten.
Fröstelnd zog ich die Schultern hoch. Ich fürchtete mich nicht zu sterben, doch diese Worte verkürzten meine Lebenszeit von vielen Jahren auf - was? Ein paar Monate, Wochen oder Tage? Ich war das Ziel gewesen, nicht Eyleen. Obwohl -.
Mein Blick blieb an ihrem gewölbten Bauch hängen. In meinen Gedanken hörte ich den Schrei eines Neugeborenen und das Wispern einer Frau.
„Roberto?“ Sorchas warme Hand an meiner Wange und ihre sanfte Stimme holten mich zurück in die Gegenwart. Aus ihren Augen sprachen die Güte und Besorgnis einer Mutter und eine Frage, die ihre Lippen nicht verließ. Ich schüttelte den Kopf. Weder von dem Geist, noch von der Frauenstimme, wollte ich vor den beiden Gyultá
erzählen.
Wächter des Auserwählten.
Ich atmete tief durch, stellte den Becher auf den Tisch und erhob mich. Sorcha betrachtete mich zwar prüfend, ließ mich aber gewähren, als ich nach meinem Hemd und den Stiefeln griff.
„Wo willst du hin?“, fragte stattdessen Eyleen.
„Zum Schiff. Wir werden morgen früh wie geplant auslaufen.“ Ich wich ihrem Blick aus, während ich mich anzog.
Eyleen öffnete protestierend den Mund, doch Mario schloss sie beruhigend, zugleich bestimmend in die Arme. „Er hat Recht. Wenn wir länger warten, friert der Kanal zu und du überredest mich, eine weitere Saison zu bleiben. Wir müssen zurück, mein Schatz.“
„Aber das Ritual“, wagte sie noch einen vorsichtigen Einwand. Hilfe suchend blieben ihre grünen Augen an der Mutter hängen. Die schüttelte jedoch den Kopf. „Sáilach
hat entschieden, dass dein Kind keinen Ritus braucht, um ins Leben zu finden.“
Ich hüllte mich in meinen warmen Mantel und trat zur Tür. Mit einem Blick zurück und einem beruhigenden Lächeln auf den Lippen riet ich: „Ruht euch heute Nacht aus. Mit dem Morgengrauen hole ich euch ab.“ Dann verschwand ich in der windigen Herbstnacht.
Robertos Geschichte im Jahre 1143
Hafen
Vis Banken
Vlakkeland
19. Tag des Windumemánodt
Morgen am Taláhvley
Das Rauschen schwoll an und entfernte sich wieder. Es war ein Geräusch, das von Ewigkeit erzählte. Kraftvoll, zerschmetternd, tot bringend und doch so sanft in meinen Ohren. Dies war der Klang meines Lebens, meiner Heimat, ganz egal wo ich mich befand. Obwohl ich die Augen geschlossen hielt, sah ich die Wellen vor der Küste. Ein leises Brausen, das stetig anschwoll, während das Wasser sich hob und dann teilte. Genau vor mir platschte die Woge gegen die Kaimauer und hüllte mein Gesicht in einen Schauer. Ich rührte mich nicht, lauschte, wie das Meer ein Stück weiter nördlich gegen ursprünglichen Fels krachte. Weiße Gischt sprengte über einen Meter hoch. Jeder, der dort stünde, wäre durchnässt bis auf die Haut. Die Augen weiterhin geschlossen hob ich den Kopf. Die Arbeiter am Kai mochten durchaus glauben, dass ich die Möwen beobachtete. Das Kreischen der Seevögel war im ganzen Dorf zu hören. Dies alles bedeutete Heimat. Die Geräuschkulisse der Welt vor mir unterschied sich nicht von der Küste Lepaens. Solange ich die Augen geschlossen hielt, vermochte ich mir selbst weiszumachen, ich wäre zu Hause. Tief sog ich die salzige Luft in meine Lungen. Mit den Gerüchen verschwanden die Trugbilder, die meine Fantasie aufbaute. Es fehlten die Düfte Lepaens. Sogar das Meer roch hier anders. Mein eben noch begeistertes Lächeln schrumpfte zu einem Ausdruck der Wehmut. Ich öffnete die Augen, betrachtete die See und die kleinen Inseln am Horizont. Sogar die Stimmen klangen fremd in meinen Ohren.
Ich lebte seit über zwei Sonnenläufen an dieser Küste. Als ich das erste Mal hier herkam, bestand die Siedlung lediglich aus ein paar Fischerhütten und einem großen Gemeindehaus. Mein Bruder und seine Handelsschiffe hatten Wohlstand in das Dorf gebracht. Dank Marios treibender Kraft waren eine kleine Werft, die Reederei und einige Lagerhäuser gebaut worden. In atemberaubender Geschwindigkeit war das winzige Fischerdorf zu der Siedlung herangewachsen, die den Seefahrern als Vis Banken bekannt war.
Ich war stolz auf meinen großen Bruder. Er hatte seine eigenen Ziele verfolgt, mit seinen Kontakten der Sippe geholfen und sie gestärkt. Wenn man nun in Paese von Mario di Natichio sprach, dann nicht nur als den Enkel und den Bruder zweier Fiulchú
. Jetzt war er der Händler mit eigenen Erfolgen. Und er war die Verbindung zwischen den Wak Fýdohr
und den Wak Fynskál
.
Ein Seufzen entfloh meinen Lippen. Die Gedanken an Lepaen und Paese ließen neue Bilder vor meinem geistigen Auge entstehen. Ich sah Amerigo, Giraldo und Ballerino-Luno, die Mitglieder meines Rudels. Seit fast sieben Mondläufen hatte ich sie nicht mehr gesehen. Oft wanderten meine Gedanken zu ihnen. Was taten sie, während ich hier meinem Bruder half? Stritten sie um die Führung des Rudels? Führten sie ihre kleinen Rangeleien gegen die anderen Gruppen der Gemeinschaft auch ohne mich? Ob die Ältesten sie auch zu dritt auf abenteuerliche Questen schickten? Allzu bald würde ich es erfahren, wäre endlich wieder mit ihnen vereint.
In der Ferne, irgendwo hinter den Inseln der Bucht, glaubte ich meinen Großvater zu sehen. Er stand dort mit langem Haar, zerfurchtem Gesicht, aber klaren, blauen Augen, und blickte über das Meer zu mir hinüber. Er wartete, rief mich, leitete meinen Weg. Ja, bald sähen wir uns wieder.
Das Bild am Horizont verschwand, als ein beladener Wagen hinter mir vorbei polterte. Ein schales Gefühl breitete sich in mir aus. Trotz aller Sehnsucht nach der Heimat, hatte die Abreise etwas von einer Flucht.
„Es war unser Sieg!“, rief ich bei dem Gedanken an den gestrigen Kampf den Wellen zu, mochte es jedoch selbst nicht glauben. Zu viele Feinde waren entkommen, konnten berichten.
Außerdem hatten wir das Ritual nicht beenden können, das uns so wichtige Fragen beantworten sollte. Es ging mir nicht um so alltägliche Dinge, wie die Gesundheit und das Geschlecht des Ungeborenen. Ich hätte noch nicht einmal gefragt, ob dieses Kind das Erbe der Fiulchú
in sich trüge. All das erfuhren wir spätestens bei der Geburt. Mir, und ganz bestimmt auch Sorcha, ging es um die Weissagungen und Träume.
Wenn das Baby in Eyleens Bauch jenes Kind war, auf das wir alle warteten -. Ich wagte kaum, diesem Gedanken zu folgen.
„Der Wächter des Auserwählten“, wiederholte ich die Worte des Geistes so leise, dass die Brandung sie mir von den Lippen riss.
Ich war Marios Hüter und Begleiter. Als ich mich vor vielen Sonnenläufen in einen Wolf verwandelte und mein Bruder ein Mensch blieb, hatte ich geschworen, ihn jederzeit mit meinem Leben zu schützen. Und Mario war gewiss nicht der, auf den alle warteten.
Vielleicht ist es sein Kind? Sollte ich auch dessen Beschützer werden? Das verstand sich allerdings von selbst. Ob auserwählt oder nicht, mein Rudel und ich, wir würden jeden Schaden von Mario, seiner Frau und seinem Kind fernhalten. Was also hatte die Seele gemeint? Ging es um jemand ganz anderen? Warum hatten sie uns dann angegriffen?
„Hey! Roberto! Die Flut wird nicht schneller kommen, nur weil du aufs Meer starrst.“ Die heimatlichen Worte brachen durch die Halsschmerzen verursachende Mundart der Einheimischen, wie ein Sonnenstrahl durch die Wolkendecke. Mit einem Lächeln auf den Lippen drehte ich mich zu meinem Bruder und dessen Familie um.
Gut gelaunt lief Mario vor den drei Frauen her. Sein Bart war frisch gestutzt. Das feine Leder und das bunte Tuch seiner Kleidung wirkten wie Zeugen seines Reichtums. Der praktische Schnitt ohne überflüssigen Schnickschnack brachte zum Ausdruck, dass er als Händler keine Arbeit scheute. Die blaue Schärpe mit dem Silberrand und der gleichfarbige Dreispitz auf dem schwarzen Haar kennzeichneten seinen Stand als Kapitän eines Schiffes. In der Sonne schimmerten die eingewebten Fäden, die die Zeichen der Wak Fýdohr
und der Wak Fynskál
bildeten. Durch die Hochzeit mit Eyleen schuf Mario ein Bündnis zwischen den Sippen, wie man es seit Dekaden nicht sah. Zugleich trugen sie die Bürde der Hoffnung auf Frieden und Einigkeit, wie sie die Ahnen beider Völker erwarteten.
Ein Kind wird geboren von mehr als zwei Stämmen, wisperte eine Stimme in meinem Kopf. Ich straffte die Schultern und vertrieb die Erinnerung mit energischen Schritten, als ich der Familie entgegen trat.
Ohne viel Rücksicht auf die schmerzhaften Überbleibsel der vergangenen Nacht zu nehmen, umarmten wir uns. Mario und ich waren Paesen, stolz genug keinen Schmerz zu zeigen und die zukünftigen Narben als harmlose Kratzer abzutun. Abgesehen davon segelten wir beide in Gedanken bereits auf See, mit Kurs auf die Heimat.
Die Augen meines Bruders blitzten vergnügt, als er mir auf die unverletzte Schulter klopfte. Er musste hoch greifen, denn obwohl ich der Jüngere von uns war, blieb er der Kleinere.
„Ich könnte schwören, du wolltest uns im Morgengrauen abholen. Verrätst du mir, was dich abhielt? Oder sollte die Formulierung eher lauten: Wer dich abhielt?“
Ach ja, das hatte ich bei all meinen Grübeleien ganz vergessen. Doch hatte ich nicht vor, Mario mit meinen Gedanken zu belasten und schüttelte mit einem Augenzwinkern den Kopf. „Später vielleicht.“ Sollte er ruhig glauben, ich hätte ein letztes Mal bei einer Hafendirne gelegen.
Das Thema beendete ich, indem mein Blick über die drei Frauen glitt. Lächelnd begrüßte als Erstes meine Schwägerin. Eyleen trug ein schlichtes, grünes Kleid, das zu ihren Augen passte. Es war so geschickt geschnitten, dass ihr rundlicher Bauch kaum auffiel. Um ihre Schultern lag ein wärmendes, braunes Wolltuch und ihre Füße steckten in festen Lederschuhen. Wesentlich sanfter, als ich Mario umarmt hatte, legte ich meine Hände an ihre Arme und küsste sie auf jede Wange, wie es in meiner Heimat Brauch war.
„Du wirst die schönste Frau an Bord sein“, versprach ich, worauf Eyleen mir lachend vor die Brust knuffte.
„Ich werde die einzige Frau an Bord sein, du Schuft!“
Das ließ ich sicherheitshalber unkommentiert und begrüßte die Ahnin der Wak Fynskál, indem ich ihr einen Kuss auf die Hand hauchte. Ein Blick in ihre grünen Augen verriet Besorgnis und Neugier, doch sie bedrängte mich nicht. Hinter diesen oberflächlichen Gefühlen entdeckte ich die Erfahrung vieler Jahre, die Weisheit eines wachen Geistes und die Liebe einer Mutter für ihr Kind. Ich nickte ihr lächelnd zu, ließ Sorchas Hand los und drehte sich zu der dritten Frau.
„Sage mir, warum lerntest du deinen Gatten kennen, ehe meine Liebe zu dir fand, du Schönste von Eyleens Schwestern?“, schmeichelte ich, während ich ihr ebenso zwei Küsschen auf die Wangen hauchte. Bebhinn ähnelte den beiden blonden, eher stämmigen Frauen der Familie äußerlich überhaupt nicht. Sie trug ihr Haar zwar ebenfalls lang, doch es war so rot wie das Meer, wenn die Sonne darin unterging. In den letzten Monaten hatte ich oft überlegt, was für ein Mann eine solch zierliche Tochter zeugte und wie er wohl neben der robusten Sorcha ausgesehen haben mochte.
Sie schürzte die vollen Lippen und ihre sonst so sanften, braunen Augen funkelten belustigt auf, als sie konterte: „Ich bin Eyleens einzige Schwester, du Banause von einem Lüstling.“ Vom Wesen her stand sie meiner Schwägerin in nichts nach.
„Nun, wenn du mich so von dir stößt“, tat ich beleidigt und hakte mich bei Sorcha unter: „gestatte, dass ich deine Mutter für eine kleine Weile entführe, während du dir das Schiff meines Bruders zeigen lässt.“ Dreistimmiges Gelächter kommentierte die Worte.
„Na, dann wollen wir das Paar mal alleine lassen.“ Mario reichte je einen Arm seiner Frau und deren Schwester. Feixend schlenderten sie den Steg entlang auf den Dreimaster zu.
Ich sah ihnen sowohl lächelnd, wie Kopf schüttelnd nach. Als mein Blick jedoch auf Sorcha fiel, die mich ernst und mit erhobener Augenbraue ansah, nahm ich meinen Arm rasch zurück. Mit der dazu gehörigen Hand strich ich mir verlegen durch das braune Haar.
„Ähm, gehen wir ein Stück?“, fragte ich und deutete vom Schiff weg den Kai entlang. Sorcha betrachtete mich prüfend und nickte schließlich.
Nach ein paar Schritten in Richtung des Lagerhauses, dass ich in der Nacht zuvor in der Geisterwelt bestaunt hatte, brach die Ahnin das Schweigen: „Wenn du in der letzten Stunde, die du in diesem Land verbringst, noch ein Techtelmechtel mit mir beginnen möchtest, musst du wirklich verzweifelt sein. Die vergangene Nacht verbrachtest du wohl nicht in der Hafenpinte.“ Die grünen Augen der Alten schimmerten sanft, als sie an mir hochschaute. „Wenn du aber darüber sprechen möchtest, was dich von solchen Gelüsten abhielt, dann gebrauche doch bitte deinen Mund.“
Ich seufzte tief. „Ich werde dich wirklich vermissen, Sorcha-krýnya. Du wirst uns allen fehlen, ganz besonders deine weisen Worte.“ Lächelnd sah ich die Wak Fynskál
an. „Du würdest dich wunderbar mit Großvater verstehen.“
Sorcha nickte. „Da hast du vermutlich Recht. Ich verspreche dir, wenn es der Wille der Geister ist, dann werdet ihr mich wiedersehen, sobald mein Enkel geboren ist.“ Ohne Eile umrundeten wir das Lagerhaus. Auf der Rückseite blieben wir stehen und blickten über die Klippen hinweg zu den Inseln, die in der blaugrauen Flut lagen.
„Der Wille der Geister ist manchmal sonderbar“, begann ich so leise, dass die Brandung meine Stimme beinahe übertönte. Ich spürte Sorchas abwartenden Blick auf mir ruhen. Mit entschlossener Mine drehte ich den Wellen den Rücken zu und sah sie an.
„Sáilach
sprach zu mir, als der Kampf anfing und ich hörte den Schrei eines Kindes. Es war wie in den Träumen, von denen allen berichten, aber ich war wach und-“
„Du warst bewusstlos. Zumindest hattest du einen ziemlich heftigen Schlag auf den Kopf bekommen. Auch wenn die Zeit noch so kurz war, reichte sie für die Mondgöttin. Zweifle nicht an ihr, Roberto.“ In einer mütterlichen Geste legte sie ihre Hand auf meinen Arm. Selbst durch den Stoff des Hemdes spürte ich ihre Wärme.
„Das tue ich nicht“, behauptete ich, „Wenn mein Großvater mich eines lehrte, dann Vertrauen in unsere Göttin. Es ist nur-.“ Ich suchte nach Worten, die das zu beschreiben mochten, was mir im Kopf herum spukte. „Wir alle dienen Sáilach
und doch legen wir die Träume unterschiedlich aus. Vielleicht ist die Art, wie wir sie interpretieren, dieser Frieden, nicht der richtige für die Fiulchú
.“
Sorcha schwieg, hob eine Augenbraue und sah mich aus ihren grünen Seelenfenstern an, bis ich seufzend den Blick abwandte und gestand: „Es klingt absurd, ich weiß.“
Eine Weile lauschten wir dem Kreischen der Möwen, dem Rauschen der Brandung und den Wortfetzen gebellter Befehle, die vom Kai herüber drangen. Sorcha wartete geduldig, bis ich weitersprach.
„Der Geist dieses Folín
meinte, ich sähe den richtigen Weg nicht. Er deutete an, dass dies mein Tod wäre.“
„Und natürlich hat der Geist desjenigen, dem du wenige Minuten zuvor das Leben nahmst, keinerlei selbstsüchtige Gedanken der Rache, die ihm diese Worte in den Mund legen.“
Mir fiel nicht ein, was ich darauf erwidern sollte. Die Seele hatte nicht nach Rache geklungen. Allerdings war der Angriff des Rudels bereits hinterhältig gewesen. Nur mal angenommen, ich hätte es mit einem Rúna
zutun gehabt; ich hätte ganz sicher nicht gemerkt, wollte dieser mich hintergehen.
„Mein Junge, ich bin erstaunt, dass du mehr über einen Wak Folín
nachsinnst, denn über Sáilach
. Sie sind Fanatiker, Roberto. Unsereins haben sie schon immer verachtet. Sie glauben, der Wolf allein könne Máhai Taláhvs
Wächter am Leben erhalten und jeder weiß, dass sie darin irren. Wir sind Fiulchú. Nur wenn Menschen und Wölfe weiterhin zusammenfinden, eine Einheit sind, vermögen wir Mutter Erde zu schützen.“
Ich nickte ergeben. „Das weiß ich doch alles, Sorcha-krýnya, aber bist du wirklich überzeugt, dass dies der Frieden ist, von dem Sáilachs
Träume erzählen? Bist du sicher, dass es um jene geht, die als Wolf geboren und jene, die als Mensch geboren sind?“
„Ja.“ Die Alte nickte bekräftigend. „Es wird eine Generation von Wak Folín
geben, die die Wahrheit erkennt. Das Kind, auf das wir alle warten, wird ihnen den Weg weisen.“
Was sollte ich gegen so viel Überzeugung sagen? Sorchas Worte klangen wenigstens logisch, während ich lediglich dieses beunruhigende Drücken in meinem Bauch spürte. Nach einem Moment des Zögerns erzählte ich: „Er nannte mich den Wächter des Auserwählten.“
In der Mine der Ahnin erkannte ich neues Interesse. „Das ist tatsächlich ein spannendes Rätsel. Lag dieser Folín
damit genauso falsch, wie mit allem anderen oder könnten dies wahrhaftig Worte der Weisheit gewesen sein? Wenn es das ist, was dir Sorgen bereitet, so schiebe sie von dir, mein Junge. Den Lügen eines Fanatikers solltest du keine Beachtung schenken.“
„Und wenn es die Wahrheit ist? Auch die Folín
hören Sáilachs
Stimme. Sie legen sie anders aus, aber vielleicht haben sie in einigen Punkten Recht.“
Sorcha drückte meinen Arm fester. „In diesem Fall darfst du sicher sein, dass dein Weg bis zum Tod noch weit ist. Das Kind, auf das wir warten ist noch nicht geboren. Wenn du sein Wächter wirst, schätze dich glücklich. Doch bevor du Sáilach
zum Dank preist, lausche ihren Träumen. Wenn du es wirklich bist, wird sie es dir selber sagen.“
„Das klingt, als glaubtest du nicht, dass dein Enkel der Auserwählte wird. Warum sollten sie uns sonst angegriffen haben?“
„Hast du mir nicht zugehört?“ Zumindest vernahm ich den sanften Tadel in der Stimme der Ahnin. „Die Folín
glauben an die Reinheit des Blutes. Sie töten selbst ihre trächtigen Weibchen, wenn sie bei einem Menschen lagen. Gerade in dieser Zeit, in der sie die Träume so falsch auslegen, ist keine werdende Mutter sicher, die das Blut der Fiulchú in sich trägt. Ich hätte Eyleen lieber in meiner Nähe, wo ich sie verteidigen kann. Aber nachdem, was gestern geschah, vertraue ich sie deinem Schutz an, Roberto. Ich weiß nicht, ob der Wächter des Auserwählten wirst, doch sei der Patron meiner Tochter und meines Enkels.“
Ich nahm die runzeligen Hände in meine, hauchte einen Kuss darauf und versprach: „Sie sind ein Teil meiner Familie. Du hast mein Wort, dass ich mein Leben für sie geben werde.“ Mit einem wehmütigen Lächel fügte ich hinzu: „Obwohl ich mir immer noch wünschte, du würdest uns begleiten.“
Sorcha entzog mir die Hände und tätschelte meine Wange. „Ich werde mit Bebhinn gehen.“
„Warum?“, entfuhr es mir empört. „Sie hat einen Menschen geheiratet, der nichts von der Nation der Fiulchú weiß.“
„Eben darum. Sie ist meine Tochter und damit trägt sie das Erbe Sáilachs
in sich. Wer von diesen Unwissenden soll sie schützen, wenn in ihrem Leib ein Kind heranwächst?“ Mit einem Kopfschütteln hinderte sie mich an einem Einwurf. „Der Rat der Wak Fynskál
vermochte mich nicht umzustimmen und du glaubst, dir sollte es gelingen?“
Mit einem stummen Seufzer ließ ich zu, dass sie meinen Arm umfasste und wir den Weg um das Lagerhaus gemeinsam zurückschritten.
„Mir fällt der Abschied bestimmt nicht leicht, aber wenn wir ihn noch länger aufschieben und ihr die Flut verpasst, dann wirfst du mir als erstes vor, ich wollte euch noch einen Winter hier halten.“
A
Airé
ist das westlichste Königreich des Kontinents Neisarue
. Geographisch betrachtet liegt A. gegenüber des Königreichs Vlakkeland
auf dem Kontinent Mennenerr
. Sorcha O'Connor
und ihre Töchter sind gebürtige Airén.
Amerigo
ist ein Mitglied von Robertos
Rudel und hält sich in Lepaen
auf.
B
Ballerino-Luno
ist ein Mitglied von Robertos
Rudel und hält sich in Lepaen
auf.
Bebhinn O'Connor y Graciano
ist eine gebürtige Airén
. Als Tochter der Fiulchú Sorcha
ist sie eine Gyultá
. Verheiratet ist sie mit einem Pferdezüchter aus dem Königreich Tires
, der vor der Hochzeit nichts von der Existenz der Fiulchú
wusste.
D
Déagoy
ist ein Wort aus der Sprache der Götter und bedeutet „Heranwachsender“. Die Fiulchú
bezeichnen ihres gleichen, die dem 2. Rang angehören als D. Roberto
ist ein D.
E
Eyleen di Natichio
ist eine gebürtige Airén
, die in Vis Banken
aufwuchs. Als Tochter der Fiulchú Sorcha
ist sie eine Gyultá
. E. ist mit dem Händler Mario
aus Paese
verheiratet und erwartet von ihm ein Kind.
F
Fiulchú
ist ein Wort aus der Sprache der Götter. Wörtlich übersetzt bedeutet es „Wolfskrieger“. Gemeint sind die heiligen Streiter der Mondgöttin Sáilach
. F. sind Menschen oder Wölfe, die zum einen die Gestalt des jeweils anderen, als auch diverse Mischgestalten annehmen können. F. können die Welt der Geister bereisen und mit diesen kommunizieren.
G
Giraldo
ist ein Mitglied von Robertos
Rudel und hält sich in Lepaen
auf.
Gyultá
ist ein Wort aus der Sprache der Götter und bedeutet „Verwandter“. G. bezeichnet alle Menschen und Wölfe die mit Fiulchú
verwandt sind. Sie tragen den Seegen der Mondgöttin in sich, können sich aber nicht verwandeln. G. können Fiulchú
, weitere G. und gewöhnliche Menschen, bzw. Wölfe, zeugen und gebären.
K
Kréskah
ist ein Wort aus der Sprache der Götter. Übersetzt bedeutet es soviel wie „Erdschatten“. Es bezeichnet den Teil der Geisterwelt, welcher der realen Welt am nächsten ist und diese spiegelt.
krýnya
ist ein Wort aus der Sprache der Götter. Übersetzt bedeutet es soviel wie "die/der Weise". Es wird als Ehrenbezeichnung an den Namen einer Respektsperson angehängt, z.B. Sorcha
-krýnya.
L
Llyngyr
ist ein Wort aus der Sprache der Götter. Übersetzt bedeutet es soviel wie "Wurm". Nach dem Glauben der Fiulchú
ist ein überdimensionaler Wurm in der Geisterwelt das personifizierte Böse. Alles, das Böses in sich trägt, gehört für sie zur Brut des L.
Luönley
ist der 1. Tag der Sieben-Tage-Woche. Zu Ehren der Mondgöttin wird er auch Mondtag oder Saílachstag genannt.
Lyainí
ist ein Wort aus der Sprache der Götter und bedeutet übersetzt „Kind“. Die Fiulchú
bezeichnen mit L. die Rangniedrigsten ihrer Art.
M
Máhai Taláhv
ist der Name der Erdgöttin und bedeutet soviel wie "Mutter Erde". Je nach Auslegung des Glaubens ist M. die Mutter oder die Schwester der Mondgöttin Sáilach
.
Mario di Natichio
ist gebürtiger Paese
. Von Beruf ist er Reeder, Händler und Kapitän eines Schiffes. Sein Heimathafen liegt in der Küstenstadt Lepaen. Er ist ein Gyultá
. Sowohl sein älterer Bruder Roberto
, als auch sein Großvater Leonardo
sind Fiulchú
. M. ist mit Eyleen
verheiratet, die ein Kind von ihm erwartet.
Moltoy
ist ein Begriff aus der Sprache der Götter und bedeutet "Rechtsprecher". Nach dem Glauben der Fiulchú
haben jene, die unter dem Halbmond geboren sind, eine besondere Gabe alle Seiten einer Situation oder einer Sache zu betrachten. Aus diesem Grund eignen sie sich besonders gut als Rechtsprecher. Roberto ist ein M.
P
Paese
ist die südliche Halbinsel des Kontinents Mennenerr. Geographisch fällt das Königreich durch seine Stiefelform auf. Die Familie di Natichio
stammt aus Paese.
R
Roberto di Natichio
ist gebürtiger Paese
und der jüngere Bruder des Händlers Mario
. Er ist ein Fiulchú
und gehört der Sippe der Wak Fýdohr
an. Unter dem Halbmond geboren, ist er ein Moltoy
.
S
Sáilach
ist der Name der Mondgöttin. Obwohl das Wort in der Sprache der Götter "Mond" bedeutet, wird er ausschließlich als Name der Göttin genutzt. S. ist die Schutzpatronin aller Fiulchú
.
Skah
ist ein Wort aus der Sprache der Götter und wird mit „Schatten“ übersetzt. Als S. wird die gesamte Geisterwelt bezeichnet. Innerhalb dieser gibt es verschiedene Welten, Reiche und Tiefen, die jeweils ihren eigenen Namen haben. Das S. ist durch eine mystische Membran von der stofflichen Welt getrennt. Die Fiulchú
haben die Fähigkeit, diese Membran zu durchschreiten und das S. zu bereisen.
Sorcha O'Connor
ist eine gebürtige Airén
, die mit ihren Töchtern Eyleen
und Bebhinn
in das Fischerdorf Vis Banken
in Vlakkeland
übersiedelte. Sie ist eine Fiulchú
und gehört der Sippe der Wak Fynskál
an. Von ihrem Volk wird sie als weise Ahnin geachtet.
T
Taiwsý Fýdohraicht
ist ein Begriff aus der Sprache der Götter und bedeutet soviel wie „webende Geister“. Es handelt sich um jene spinnenartige Wesen, die den festen Gegenständen aus der Realität in der Geisterwelt Struktur geben. Die T. weben ebenfalls die Membran zwischen den Welten.
Taláhvley
ist der zweite Tag der Sieben-Tage-Woche. DEr wird auch Erdtag genannt.
V
Vis Banken
war einst eine Ansammlung von Fischerhütten in der Bucht von Vlakkeland
. Nachdem der Händler Mario di Natichio
das Dorf zu einem seiner Handelspunkte erklärte, wuchs die Siedlung schnell. Inzwischen hoffen die Einwohner, in Kürze das Marktrecht zu erhalten.
Vlakkeland
ist ein Königreich auf dem Kontinent Mennenerr
. Im Westen, Süden und Süd-Osten ist es von Meeren umschlossen. V. grenzt an den Staatenbund Lointain
, das Königreich Míd
und das Königreich Tires
. Geographisch betrachtet liegt V. gegenüber des Königreichs Airé
auf dem Kontinent Neisarue
.
W
Wak Folín
nennt sich eine Fiulchú
-Sippe. Übersetzt bedeutet der Name "Söhne des reinen Blutes". Die Angehörigen der Sippe paaren sich ausschließlich mit Wölfen. Menschen und alle als Menschen geborenen Fiulchú
betrachten sie als Brut des Llyngyr
.
Wak Fýdohr
nennt sich eine Fiulchú
-Sippe. Übersetzt bedeutet der Name „Söhne des Webers“. Diese Sippe lebt zwischen den Menschen in den Städten und genießt die Vorzüge des Fortschritts und der neusten Erfindungen. Die Familien vieler W. sind wohlhabende Händler, Handwerker, Großbauern oder Bänker. Roberto
gehört zu den W.
Wak Fynskál
nennt sich eine Fiulchú
-Sippe. Übersetzt bedeutet der Name „Söhne der Legende“. Einer solchen zufolge sollen die ersten W. aus dem Königreich Airé
stammen. Die Mitglieder der Sippe rühmen sich, die Legenden aller Fiulchú
zu wahren. Sorcha
ist eine weise Ahnin der W.
Windumemánodt
ist der 10. von 12. Monaten im Jahr und hat 31 Tage. Er zählt zu den drei Herbstmonaten und wird auch Weinmonat genannt.
Hintergrund- und Zusatzinfos gibt es bei...
...Facebook auf der Seite "Joselito de Tonadas"
https://www.facebook.com/pages/Joselito-de-Tonadas/
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...Google+ auf der Seite "Zwischen Wölfen und Königen"
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Leseprobe
Von Erinnerungen und Träumen
Eine Reise in die Vergangenheit
...Wir waren in Gefahr. Eltern und Nachbarn konnten jederzeit aus einem Fenster oder von einem Balkon blicken und uns entdecken. Wir mussten rasch handeln und selbst immer die Häuserfronten im Auge behalten. Wenn zwei von uns auf der Mauer saßen, schaffte das Dritte eilig das Fahrrad fort. Meistens war ich dieses Kind, denn ich war die Leichteste. Wenn ich zurückkam, streckte ich meine Hände nach oben und wurde hinauf gezogen.
Hinter der Mauer erwartete uns das Abenteuerland. Die Überreste eines ausgebrannten Einfamilienhauses standen nahe. Das Dach hatte ein riesiges Loch. Wir konnten die Balken des Dachstuhls sehen, die schwarz waren wie Holzkohle.
Von der Mauer sprangen wir auf das Dach und drangen durch das Loch ein. Im Innern standen verrußte Möbel. Der metallene Federkern einer Matratze lehnte träge in einer Ecke. Ein Stuhl balancierte wacklig auf drei Beinen. Ein Schreibtisch, dessen Holz an den Ecken angesengt war, stand mit offenen Schubladen da.
Eine Treppe gab es nicht mehr. Wir mussten durch ein Fenster auf ein Vordach klettern, dort hinunter springen und konnten dann in den unteren Räumen des Hauses umher streunen. Die Ruine warf unser Fort, die Festung, das Räuberversteck oder einfach nur das Sommerhaus. Es war unsere Zentrale, wenn wir als Entdecker unser Land erkundeten. Es stand an der Spitze eines Dreiecks, dass es nur in Gedanken gab. Die anderen beiden Spitzen bildeten zwei weitere Ruinen...
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Texte: © Sonja Murach
Bildmaterialien: Cover: Moonwolf Blue © Zoa@fotolia.de
Tag der Veröffentlichung: 30.12.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für Petra, Lenny und Chrissi.
Danke für viele Jahre gemeinsamer Kreativität und für die Inspiration.