Es war einmal ein armer Hirtenjunge, der hieß Antohn. Er war gerade auf dem Weg zur Wiese seines Vaters, als er sah, wie ein kleiner Zwerg über den Zaun sprang.
Auf der anderen Seite der Wiese rannte er und verschwand in einem Spalt am Fuße eines großen Berges.
Als Antohn das sah, trieb er schnell die Schafe auf die Wiese, schloss das Tor hinter sich und rannte hinter dem Zwerg her. Er sah in den Spalt und ging hinein.
Da sah er tausende von Zwergen. Es war eine riesige unterirdische Zwergenstadt. Plötzlich kam der Zwergenkönig, der hieß Fretrich der IV, und sagte: „Willst du drei Aufgaben lösen? Wenn ja, dann bekommst du alle Reichtümer der Welt. Wirst du es machen?“
Da sagte Antohn: „Ja, ja, ich werde es machen.“
Da sagte Fretrich der IV: „Dann musst du in den drei nächsten Vollmondnächten wieder kommen und drei Aufgaben lösen.“
Am nächsten Vollmond kam Antohn und suchte Fretrich. Als er ihn fand, sagt dieser: „Du sollst die Feeblumen vom Garten des Drachen Rachen pflücken. Dafür gebe ich dir einen speziellen Umhang, der dich unsichtbar macht, und eine magische Schere, die alles schneiden kann.“ Und er sagte weiter: „ Er lebt in den Wolken. Du wirst mit einer riesigen Taube dort hin fliegen.“
So geschah es. Antohn kam in das Reich des Drachen Rachen. Am Anfang war es sehr schwer zu laufen. Der Junge dachte, dass er auf Zuckerwatte stand und da wollte er ein bisschen probieren.
Dann zog er den Umhang an und plötzlich war er unsichtbar. Er ging in den Garden des Drachen Rachen hinein und pflückte vorsichtig alle Feeblumen.
Der Drache Rachen war sehr wütend geworden, als er sah, dass die Feeblumen weg flogen, und rannte hinter den Blumen her. Als er zum Garten raus ging, vergaß er zu fliegen und stürzte von der Wolke, weil er zu schwer war.
Antohn sprang auf die Taube und sagte: „Flieg zurück zum Zwergenkönigreich.“
Dort gab Antohn die Feeblumen an Fretrich den IV ab und erklärte, dass der Drache Rachen tot wäre.
So ging ein Monat mehr vorüber. Und Antohn war jeden Tag ein bisschen mehr gespannt, was geschehen würde.
Am Vollmond ging er zur Zwergenstadt und fand, dass die Zwerge freundlicher waren.
Er ging zu Fretrich den IV, und fragte: „Was muß ich dies mal machen?“
Der Zwergenkönig antwortete: „Dieses mal musst du in die Granate Höhle wo der Zyklop wohnt und sein Nest gebaut hat. Der Zyklop Cicero hat mir ein Seiden Diamanten Tuch gestohlen. Dieses Tuch war von meiner Mutter und ich würde es so gerne wieder haben. Zyklop Cicero hat es für die Zyklopen Kinder benützt.“
Fretrich der IV sprach weiter: „Dieses mal bekommst du eine spezielle Brille, die dich vor dem Einfluss von dem Auge des Zyklop Cicero beschütz. Es kann dich in Stein verwandeln. Du bekommst auch eine ganzartige kleine Nähmaschine, und eine riesige Bohrmaschine.“
Antohn ist in die Bohrmaschine eingestiegen und direkt zur Granate Höhle gefahren. Da hat er ein Loch ins Wohnzimmer gemacht. Die spezielle Brille hatte er schon angezogen, als er in der Höhle ankam. Vor ihm stand der Zyklop Cicero.
Der Zyklop Cicero wollte ihn in Stein verwandeln, aber die spezielle Brille reflektierte den Strahl von seinem Auge zurück und deshalb wurde der Zyklop Cicero in Stein verwandelt. Antohn nahme die Nähmaschine raus und das Seiden Diamanten Tuch flog zur Nähmaschine. Antohn kehrte zum Zwergenkönigreich zurück. Dort gab Antohn die Nähmaschine mit dem Seiden Diamanten Tuch an Fretrich den IV ab und erklärte, dass der Zyklop Cicero nun aus Stein war.
Im nächstem Monat am Vollmond war Antohn wieder in der Zwergenstadt, noch mals sehr gespannt. All die Zwerge waren sehr, sehr freundlich zu ihm und Fretrich der IV sagte: „Dies mal musst du die Prinzessin Lice retten.“
Er sprach weiter: „Heute bekommst du spezielle Muscheln, in denen riesige Luftblasen stecken, die es dir ermöglichen, Unterwasser zu atmen. Du musst gegen den Wasserdrachen Aquarius kämpfen. Wir zeigen dir wo sein Territorium ist.“
Und so gingen alle dahin. Danach sprang Antohn in einen ungefähr 100 qm großen See. Er nahm eine von den Muschel und öffnete sie. Er schwamm hinunter, bis er den Wasserdrachen Aquarius fand. Der stand neben einer Glaskuppel wo die Prinzessin eingesperrt war.
Antohn nahm drei Muscheln und öffnete sie und schmiss sie in das Maul von dem Wasserdrachen Aquarius. Weil der Bauch des Wasserdrachen danach voll mit Luft war, tauchte er auf und explodierte.
Antohn befreite die Prinzessin und ging mit ihr zur Zwergenstadt. Als er da ankam, wollte er nicht mehr alle Reichtümer der Welt. Er wollte nur die Prinzessin heiraten, da er sich in sie verliebt hatte und sie sich auch in Antohn.
Als sie sich vor dem Zwergenkönig küssten, verwandelten sie sich in Zwerge. Antohn bekam alle Reichtümer der Zwergenwelt und heiratet die Prinzessin. Die Feeblumen waren der Brautstrauß und das Seiden Diamanten Tuch das Brautkleid. Antohn war der neue Zwergenkönig.
Wenn Sie noch nicht gestorben sind dann leben sie noch heute.
von Ruben Heinz Tobon Eimanns
10 Jahre im November 2011
„Ich mag aber nich.“ Joselito stand am Ufer des Sees und blickte missmutig auf die kleinen Wellen zu seinen Füßen.
„Du möchtest doch schwimmen lernen, Lito?“, fragte Serhan. Der Vater des Jungen stand im Wasser, das lediglich seine Oberschenkel umspielte, und hatte die Hände in die Hüften gestemmt. „Alle mutigen und tapferen Männer können Schwimmen. Du willst doch ein mutiger und tapferer Mann sein, oder nicht?“
Der Junge nickte, fühlte sich dabei jedoch alles andere als wohl in seiner Haut. Er war doch noch klein, erlebte eben erst seinen vierten Sommer und hatte noch so viel Zeit um ein mutiger Mann zu werden.
„Das Wasser is kalt“, fand er einen neuen Grund, obwohl das Nass kaum seine Zehenspitzen erreichte. Ganz sicher war es auch unheimlich tief. Außerdem hatte Pierre, der Trinker aus dem Dorf, erzählt, dass es sogar Nixen geben sollte, die erwachsene Männer unter Wasser ziehen. Im Allgemeinen war Joselito kein Angsthase, aber dieser Gedanke ließ ihn doch noch einen Schritt vom Wasser zurück weichen.
„Du bist ein Hasenfuß“, hörte der Junge Serhans Stimme vom See her. Er hob den Blick und sah noch, wie der große Mann ins Wasser eintauchte. Nur einen Augenblick später erschien der nasse Kopf wieder. Serhan schwamm ein paar Züge, drehte sich dann im Wasser und winkte seinem Jungen zu.
„Na komm!“, rief er. „Du brauchst doch keine Angst haben! Das Wasser ist herrlich! Und ich bin bei dir!“
Joselito atmete einmal tief durch. Er bewunderte seinen Vater. Serhan war ein mutiger, großer und starker Mann. Niemals könnte irgendjemand ihm wehtun. Serhan könnte ganz sicher auch gegen die Nixen bestehen. Und ganz bestimmt würde er dabei auch noch auf ihn aufpassen. Der Bursche atmete noch einmal durch, blickte wieder auf die Wellen vor sich und watete langsam hinein.
Das Wasser war nicht ganz so kalt, wie der Junge erwartete. Ein erleichtertes Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab und er wagte sich gar noch zwei weitere Schritte hinein. Doch dann stieß er mit dem Fuß gegen etwas Weiches, Glitschiges. Es fühlte sich eklig an und Joselito blieb augenblicklich stehen. Sicher waren das die glitschigen Finger der Nixen, die schon nach ihm griffen.
„Papa!“, rief er voller Furcht: „Papa!“
Angstvoll glitten die blauen Augen des Jungen über die Wasseroberfläche, die so trügerisch glatt und glitzernd in der Sonne lag. Doch von Serhan war nichts zu sehen.
Joselito spürte, wie sein Herz in der Brust immer schneller pochte. Voller Panik schrie er: „Papa!“
Die Nixen hatten ihn geholt.
Aber nein, das wollte Lito nicht glauben. Sicher kämpfte Serhan noch mit den Nixen, irgendwo unter der Wasseroberfläche. Der Junge löste die Hände von seinen Ärmchen, knetete die Finger und betete, dass sein Papa ebenso stark sein würde wie immer. Jeden Augenblick musste Serhan auftauchen.
Doch der See blieb ruhig. Kleine Wellen umspielten die Waden des Burschen und von den Bäumen auf der Wiese sangen die Vögel. Nichts wies auf den grausigen Kampf hin, der sich in den Tiefen abspielte. Allmählich begann Joselito zu zweifeln. Was, wenn Serhan nicht stark genug war, um die Nixen zu besiegen?
Plötzlich teilte sich das Wasser nur wenige Schritte vor dem Jungen. Eine riesige Wasserfontäne spritzte auf und ließ Joselito aufschreien. Aus dem Wasser kam ein Ungeheuer. Es war riesengroß, hatte zottelige, lange, grüne Haare und Hände, die zu Klauen geformt waren. Es war eine Nixe, die nach ihm greifen wollte und ihn ebenso wie zuvor Serhan in die Tiefen des Sees ziehen würde. Joselito schrie schrill auf, hob schützend die Hände und stolperte Rückwärts. Er landete auf dem Hintern, schloss die Augen so fest er konnte und rollte sich ganz klein zusammen.
„Lito.“
Joselito spürte, wie warme, nasse Hände nach ihm griffen und er schrie noch einmal auf. „Joselito, beruhige dich. Ich bin es doch.“
Der Junge erkannte die raue Stimme seines Vaters. Zögernd, unsicher und mit Tränen verschleiertem Gesicht öffnete er die Augen und lugte zwischen seinen Armen hindurch. Da kniete Serhan vor ihm. Eben schob er einen ganzen Haufen von langblättrigen, grünen Seetang von seinem Kopf.
„Papa!“ Erleichtert sprang der Junge auf und warf sich in die Arme seines Vaters. Mit weinerlicher Stimme fragte er nach: „Die Nixen habn dich nich geholt, ja?“
„Aber ich bin doch hier. Von was sprichst du denn?“ Serhan schob den Jungen ein wenig von sich und betrachtete ihn. Joselito zitterte am ganzen Leib und seine Lippen waren blau angelaufen. Rasch schloss er das bibbernde Kind wieder in seine Arme und trug es den Hang hinauf zur Decke, wo ihre Sachen lagen. Joselito drückte sich dicht an seinen Vater. Tränen rannen immer noch aus seinen Augen und es dauerte einen Moment, ehe er antwortete: „Die Nixen, die im See wohnen tun. Der Pierre hat gesacht, die ziehn alle unter Wasser.“
„So, das sagt der Pierre also.“
An der Decke angekommen, zog Serhan dem Burschen sein Hemd über. Er fasste Lito an den Armen und der Junge sah sich den prüfenden und ernsten Blicken des Vaters ausgesetzt. Ängstlich erwiderte das Kind den Blick. Doch als Joselito von Serhan fest in den Arm genommen und gedrückt wurde, wusste er, dass Serhan verstand, welche Furcht er ausgestanden hatte, weil der Vater so plötzlich verschwunden war.
„Weißt du was?“, sagte Serhan. „Die Nixen hätten mich gar nicht fangen können. Ich kenne nämlich ein Mittel, dass sie überhaupt nicht leiden können.“
Joselito schniefte, wischte sich mit dem Handrücken unter der Nase entlang und sah seinen Vater erwartungsvoll an. Serhan lächelte ihm geheimnisvoll zu, griff dann in den Essenskorb und zog einen Apfel heraus. Die blauen Augen des Jungen wurden skeptisch.
„Du flunkerst“, behauptete er.
„Aber nein“, Serhan schüttelte den Kopf und drückte dem Burschen den Apfel in die Hände. „Sage ich nicht immer, du wirst groß und stark, wenn du deinen Apfel auf isst?“
Joselito nickte.
„Siehst du? Das ist so, weil in jedem Apfel ein klein wenig Stärke drin ist. Und davor haben die Nixen natürlich unglaubliche Angst.“ Joselito drehte den Apfel in den Händen und betrachtete abwechselnd die Frucht und seinen Vater. Dieser nickte ihm aufmunternd zu. Schließlich biss der Junge einfach hinein. Er schloss die Augen und kaute auf der saftigen, süßen Frucht.
Im Geiste schwamm er neben Serhan im See, tief unter ihm bibberten die Nixen vor Angst und keine traute sich zu ihm nach oben.
von Sonja Bohmann-Murach
Texte: Cover: © Ancello - Fotolia.com
Märchen: Antohn im Zwergenland © Ruben Heinz Tobon Eimanns
Bild zum Märchen: © andreapetrlik - Fotolia.com
Märchen: Nixen im See © Sonja Bohmann-Murach
Bild zum Märchen: © liliya kulianionak - Fotolia.com
Tag der Veröffentlichung: 21.11.2011
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