Charlie
Seelenruhig zog ich durch die Straßen Venedigs, über den Markusplatz, vorbei an den vielen bunten Läden mit Masken und allerlei Souvenirs. Weiter ging ich durch viele Gassen, die so unbedeutend waren, das ich nicht einmal ein Schild mit dem Namen sehen konnte. Über den Kanal Grande schipperte eine Gondel an mir vorbei, von denen es hier so viele gab. Ich grüßte den Gondoleur mit meinen Brocken italienisch, welcher mich nur schmunzelnd betrachtete, mit meiner unverkennbaren Kamera in der Hand, die mich gleich als Tourist abstempelte, was ich auch war.
Doch plötzlich war es vorbei mit der Ruhe. Ich wurde zur Seite, geradewegs in den Kanal geschubst, und eine schmale Gestalt zischte wendig an mir vorbei, ohne sich bei mir zu entschuldigen. Ein paar Augenblicken lang sah ich nichts, bevor ich strampelnd wieder an die Oberfläche kam. Ich spuckte hustend das Kanalwasser aus und sah mich nach dem Schuldigen um. Da entdeckte ich ein Mädchen, welches von zwei Polizisten festgehalten wurde, sich jedoch panisch wehrte und versuchte zu entkommen, was ihr jedoch misslang. Ihre Hände wurden von einem der Polizisten stark festgehalten, sodass sie keine Chance hatte. Trotzdem zappelte sie weiterhin wild herum und stieß Beschimpfungen aus, die ich jedoch nicht verstand, da sie italienisch sprach.
Sie unternahm einen letzten Versuch, frei zu kommen, indem sie dem Polizisten hart in die Hand biss, an welche sie gerade so ran kam, welcher aber nicht los ließ, sondern nur wütend mit den Zähnen knirschte. Nun gab sie endgültig auf und warf mir lieber einen hasserfüllten Blick zu, da ich ihr anscheinend den Fluchtweg versperrt hatte. Ein übles Schuldgefühl nagte an mir! Trotzdem konnte ich nicht umhin, sie neugierig zu betrachten. Sie hatte braune Augen, die mich immer noch wütend musterten, und hüftlange, schwarz gelockte Haare. Ihre Haut hatte einen starken Braunton, der jedoch nicht dem der Italiener glich. Alles in allem sah sie überaus wild aus!
Als man das Mädchen nun endlich fest im Griff hatte, half mir der eine Polizist aus dem Wasser und fing an auf italienisch auf mich einzureden. ,, Ähm, ich spreche kein italienisch.”, unterbrach ich ihn, woraufhin er verständnisvoll nickte und in Englisch weiter sprach, was ich verstand. ,, Danke, dass du ihr den Weg versperrt hast! Wir haben schon seit einer ganzen Weile nach ihr gesucht!”, meinte er dankbar und lächelte mich großherzig an. ,, Kein Problem! Was hat sie denn getan? Ist sie von Zuhause weggelaufen?”, fragte ich neugierig, wobei mir zum ersten Mal auffiel, dass das Mädchen uns mit zusammen gekniffenen Augen beobachtete. Der Polizist schüttelte den Kopf. ,, Nein, nein! Sie ist eine überaus begabte Diebin und hat uns ziemlich viel Ärger gemacht!”, meinte er und musterte sie spöttisch.
Sie durchbohrte in mit ihrem Blick und murmelte eine Verwünschung, was ihr eine Ohrfeige von dem Polizisten eintrug. Durfte man das überhaupt? Der Polizist wandte sich wieder mir zu und sprach:,, Es tut mir jedoch außerordentlich Leid, das deine Sachen nun total nass sind. Können wir dir irgendwie helfen?” Er schaute mich mit einem Vertrauens erweckenden Blick an, doch ich schüttelte nur den Kopf. ,, Nein, nein! Mein Hotel ist hier ganz in der Nähe. Aber eine Frage habe ich noch: Was passiert jetzt mit ihr?”, fragend sah ich ihn an. ,, Sie kommt in ein Waisenhaus und dort werden wir nach ihren Eltern suchen lassen. Wenn sich niemand meldet, muss leider dort bleiben.”, erklärte der Polizist. Ich nickte nur und warf ihr einen mitleidsvollen Blick zu. ,, Gut, dann schönen Tag noch!”
Ich machte kehrt und ging Richtung Markusplatz. Ich warf einen letzten Blick zurück und sah wie die Polizisten das Mädchen den anderen Weg entlang mitnehmen wollten, doch sie fing wieder an sich zu wehren. Kurz bevor sie um die Ecke verschwanden, warf sie noch mal einen flehenden Blick in meine Richtung, wodurch ich noch mehr Schuldgefühle bekam und mich dafür verfluchte im Weg gestanden zu haben.
Giulietta
Warum musste dieser Junge auch im Weg gestanden haben? Ausgerechnet in diesem Augenblick? Warum musste Paolo sich unbedingt ausprobieren müssen? Warum? Diese Fragen schwirrten mir im Kopf herum, während ich von zwei Carabinieri abgeführt wurde. Natürlich nicht in den Knast sondern nur ins Waisenhaus, da ich minderjährig war, aber eigentlich war beides fast das gleiche, abgesehen davon, das die Fenster im Waisenhaus nicht vergittert waren.
Als ich jedoch sah, welche Richtung die beiden Polizisten einschlugen blieb ich ruckartig stehen und sah die Beiden entgeistert an. ,, Ihr bringt mich doch nicht etwa ins Ospedale della Pietà?!”, fragte ich aufgebracht. Das Ospedale della Pietà war ein reines, kirchliches Mädchenwaisenhaus. Man sagt, dass man dort behandelt wird, wie eine echte Nonne, 6 Uhr aufstehen, beten und so, und man muss sogar die gleichen Roben anziehen, wie die Nonnen. Dazu kommt, das es keinen Weg aus dem Kloster heraus gibt, der nicht überwacht ist, was heißen würde, dass ich bis ich 18 Jahre alt bin in diesem Kloster feststecken würde, da mein Vater mich definitiv nicht abholen würde und ich nicht ausbrechen könnte. Der reinste Horror! Natürlich gäbe es noch die Variante, dass ich adoptiert werden würde, aber wer adoptiert schon eine 14 Jährige Diebin?
,, Gibt’s da etwa Probleme?, fragte mich der eine Polizist mit einem fiesen Lächeln auf den Lippen. Vielleicht war ich doch etwas zu hart zu den Polizisten gewesen, die mich mal verfolgt hatten… ,, Ähm, ich bin nicht gläubig!”, überlegte ich mir schnell, wobei dies nicht einmal eine Lüge war. ,, Das waren andere davor auch nicht, doch jetzt sind sie´s!”, meinte er leichthin und ich wurde weitergezerrt, wobei ich mich heftig zur Wehr setzte, was mir jedoch nichts brachte. Am Ende kamen wir dann jedoch im Kloster an und ich wurde von einem von einer Nonne aufgenommen. Die Polizisten verabschiedeten sich, ohne eine Erklärung für mich, was mir überaus merkwürdig vorkam, und die große hölzerne Tür fiel ins Schoss-mein Ende!
Die Nonne-eine überaus streng dreinblickende, große, blonde Frau-führte mich durch die verwirrenden Gänge bis zu einem großen Raum mit mehreren Tischend, an denen die Mädchen, die hier lebten, und die Nonnen saßen. Alle Blicke waren auf mich gerichtet, als ich den Raum betrat und Schweigen erfüllte den Saal. Eine kleine, freundlich drein blickende Nonne kam auf mich zugewatschelt und meinte:,, Ach! Ein Neuzugang! Wie großartig! Na komm meine Liebe! Komm mit, wir gehen jetzt deine Papiere ausfüllen und dann kannst du mit den Anderen essen!” Ich fühlte mich, wie eine Dreijährige, aber folgte ihr kommentarlos.
Sie brachte mich in einen anderen Raum, in dem nur ein einzelner hölzerner Tisch und zwei Stühle standen. Die Nonne setzte sich hinter den Schreibtisch und ich nahm auf dem Stuhl ihr gegenüber Platz. ,, Okay, meine Liebe, wie ist dein Name?”, fragte sie mich freundlich. ,, Carlotta!”, log ich und musste gleich an meine Freundin denken, die jetzt bestimmt mit den Anderen im alten Lagerhaus saß, in dem wir wohnten, und vielleicht auch an mich dachte. ,, Carlotta? Das ist aber ein schöner Name!”, freute sie sich und sah mich lächelnd an, ,, Und wo sind deine Eltern, Carlotta?” Mein erster Instinkt war zu lügen, aber das hätte mich auch nicht weiter gebracht. ,, Meine Mutter ist tot und mein Vater wohnt hier in Venedig, will mich jedoch nicht!”, sprach ich die bittere Wahrheit aus.
Erstaunt sah die Nonne hoch. ,, Er will dich nicht?! Nein, nein, Schätzchen, dass hast du bestimmt falsch verstanden. Wir rufen ihn einfach mal an und dann wird er dir alles erklären! Wie ist eure Telefonnummer?”, fragte sie mich ungläubig. Ich verdrehte jedoch nur die Augen und griff nach dem Telefonbuch. Ich suchte die richtige Seite mit der Nummer von Luscenco Salviati und reichte der Nonne das Buch zurück. Sie nahm das Telefon zur Hand und wählte die Nummer. Das Telefon war so laut, dass ich das Tuten und auch die unverkennbare Stimme meines Vaters deutlich hören konnte und somit das Gespräch mitverfolgen konnte.
Die Stimme meines Vaters machte mich nervös, da ich nicht gerade gute Zeiten mit ihm verbracht hatte! ,, Pronto!”, drang es aus dem Hörer. ,, Bon giorno Signor Salviati, hier ist Schwester Ginabella aus dem Kloster Ospedale della Pietà. Wir haben ihre Tochter Carlotta gefunden.”, erzählte die Nonne. Einen Moment lang war Stille, dann antwortete mein Vater:,, Ich habe keine Tochter namens Carlotta. Ich habe eine Tochter namens Giulietta und die ist vor vier Jahren von Zuhause ausgerissen, kurz bevor sie zu ihnen kommen sollte!”, sprach er mit kalter Stimme. Na toll! Jetzt hatte er der Nonne erzählt wer ich bin und nun stehe ich zur Adoption frei! Ätzend!
Schwester Ginabella warf mir einen fragenden Blick zu, welchen ich unbewusst beantwortete, indem ich nach unten sah. ,, ich glaube genau die haben wir gerade aufgegabelt. Schwarzes Haar, braune Augen und frech?”, fragte sie scharf und warf mir dabei einen spitzen Blick zu, der mir sagte, dass ich es mir mit ihr verdorben hatte, indem ich sie angelogen hatte. ,, Genau so! nun ist sie also endlich da, wo sie hingehört. Ich hoffe es findet sich jemand, der dieses freche Gör aufnimmt und züchtigen kann. Ciao Schwester!”, meinte er bitter und legte auf.
Charlie
Als ich mit meinen klitschnassen Sachen bei meiner Mutter ankam sah sie mich einen Moment lang an und meinte dann:,, Eigentlich hatte ich immer gedacht, dass du die Dusche magst, aber wenn du den Kanal bevorzugst.” Sie sah mich noch einmal an und sagte dann:,, Na komm! Lass uns ins Hotel gehen, damit du dir was trockenes Anziehen kannst. Kanal okay, aber krank werden musst du nicht!” Wir machten uns auf den Weg ins Hotel und sie fragte nicht, wieso ich so nass war. So war sie immer! Sie fragte nicht nach Einzelheiten oder dem Warum und das war auch gut so, denn mit neugierigen Leuten konnte ich nicht allzu viel anfangen, obwohl ich selbst so war.
Schon nach wenigen kamen wir an unserem Hotel, dem Allogi Santa Sofi, an, welches nicht weit vom Markusplatz entfernt stand. Wir betraten das große Gebäude und gingen af unser Zimmer. Ich ging zu meinem Kleiderschrank hinüber und nahm mir trockene Sachen heraus. Es waren nicht gerade viele Sachen in dem Schrank, da wir nicht lange hier bleiben würden. Mama wollte unbedingt ein Kind adoptieren und das hier aus Venedig. Ich hatte zugestimmt, solange es kein Kleinkind ist, da ich keine Lust auf ein kleines Kind hatte. Ein Freund von mir hatte eine Kleine Schwester, welche der Horror schlechthin ist! Dann gibt’s natürlich auch noch den Bruder eines anderen Freundes, welcher auch nicht gerade der Freundlichste ist. Er hatte mir einmal in meine Hand gebissen, seitdem hatte ich dort eine Narbe.
Meine Erfahrungen mit kleinen Kindern sind also nicht gerade die Besten, da ich außerdem auch nicht mit ihnen umgehen kann! Ich wollte mir gerade die Sachen anziehen als Mama meinte:,, Ähm Schatz, willst du nicht vielleicht erstmal duschen, denn du sinkst und wir wollen ja keinen schlechten Eindruck machen, wenn wir heute zu dem letzten Waisenhaus fahren!” Sie seufzte schwer. Bis jetzt hatte sie noch niemanden gefunden und es war nur noch ein Waisenhaus in Venedig übrig, ein Kloster mit ausschließlich Mädchen! Na toll!
Ich verdrehte die Augen, ging dann aber ins Bad und duschte mich. Danach föhnte ich mir die Haare und zog mir dann meine Sachen an. Ich putzte mir auch noch die Zähne, da ich den widerlichen Geschmack von Kanalwasser im Mund hatte. Dann ging ich zurück zu Mama, welche sich mit einem Buch auf ihr Bett gesetzt hatte und las. Als ich hereinkam schaute sie auf und lächelte. ,, Na dann! auf zu unserer letzten Station!”, flötete sie und sprang auf. Ich lächelte halbherzig, da ich nie wirklich begeistert von der Idee gewesen bin, ein Geschwisterchen zu bekommen-und dann dazu auch noch ein Mädchen!
Ich lächelte aber brav und folgte Mama aus der Tür. Wir nahmen uns eine Gondel und schipperten den Kanal Grande entlang. In der Nähe des Klosters stiegen wir aus und legten den Rest Weg zu Fuß zurück, wobei wir mehrere Leute nach dem Weg fragen mussten, was sich als relativ schwierig heraus stellte, da keiner von uns italienisch sprach.
Das war auch eine sehr tolle Logik von meiner Mutter, ein italienisches Kind adoptieren zu wollen, aber kein Wort italienisch sprechen können. Aber irgendwie hatte sie es doch geschafft, die Einwilligung des Jugendamts zu bekommen. Das hatte sie nämlich schon im voraus gemacht, damit es auch sicher klappte!
Mama klopfte mit dem großen Türklopfer, der in Form eines Löwen gehalten war, gegen die große, hölzerne Tür, woraufhin sie nach ein paar Minuten von einer Frau in schwarzen Roben geöffnet wurde. Die Frau betrachtete uns mit mürrischem Blick und meinte dann:,, Signora Behrens, wir haben sie schon erwartete!”, meinte die Nonne in deutsch mit einem starken italienischen Akzent.
Sie führte uns in einen Raum mit nur einem Tisch und zwei Stühlen, wobei sie sich auf den Einen und Mama auf den Anderen setzte, wodurch ich stehen musste. ,, Okay Signora, sie wollen also eines unserer Kinder adoptieren. Gibt es irgendwelche besonderen Dinge, die sie vorlieb nehmen würden?”, fragte sie geschäftsmäßig und legte ihre Fingerkuppeln aneinander, wodurch sie leicht bedrohlich wirkte. ,, Also ich und mein Sohn hatten vereinbart, dass das Kind nicht allzu jung sein sollte, aber ansonsten gibt es nichts.”, antwortete Mama im gleichen Tonfall, wobei sie die gruselige Art der Nonne nicht zu bemerken schien, genauso wenig, wie dass sie über die Kinder wie über Ware sprachen. ,, Welches Alter ungefähr?”, fragte sie. ,, So ab 10 Jahre.”, improvisierte meine Mutter, denn darüber hatten wir nicht geredet.
Die Nonne-die uns immer noch nicht ihren Namen verraten hatte-nickte andächtig und nahm einen ausgefüllten Bogen Papier hervor, den Mama anscheinend schon ausgefüllt hatte. Sie las ihn durch und vergewisserte sich dann:,, Sie sprechen also kein italienisch?” Mama schüttelte den Kopf und sprach:,, Nein, aber mit dem Jugendamt habe ich diese Angelegenheit schon geklärt. Eine sehr gute Freundin und Nachbarin ist Italienerin und wird eine Weile bei uns wohnen, um uns zu helfen, solange das Kind kein deutsch spricht.” Das schien mir wirklich komisch, denn ich hatte immer gehört, dass das Jugendamt in Sachen Adoption überaus streng ist und das ist wirklich hart!
Die Nonne nickte wieder. ,, Gut! Sie haben keine Haustiere?”, hakte sie nach. ,, Nein! Mein Sohn hat eine Allergie gegen so ziemlich jedes Tierfell und somit ist dies für uns unmöglich!”, sagte Mama. ,, Sie arbeiten als Kinderärztin?”, fragte sie weiter. Mama nickte nur. ,, Sie wohnen also in Biere, einer Kleinstadt in Sachsen-Anhalt? Und arbeiten dort auch?”, sprach sie mit leicht zusammengekniffenen Augen. ,, Ja, aber es ist eher ein Dorf, als eine Kleinstadt!”, korrigierte Mama die Nonne, wodurch sie einen hasserfüllten Blick kassierte, welcher sie jedoch nicht einschüchterte, wie er es bei mir getan hätte. ,, Gut! Das waren alle Fragen! Ich werde ihnen nun die Kinder vorstellen!”, meinte die Nonne hochnäsig und verließ mit wehenden Roben den Raum, gefolgt von uns.
Giulietta
Sie hatten es wirklich geschafft! Sie hatten mich in eines dieser Nonnenteile gesteckt, da mit ich ja gut für den ,,Verkauf” aussah! Wütend starrte ich alles an, was mir ins Auge fiel. Sie hatten wirklich meine Unterlagen gefunden, die mein Vater vor vier Jahren hier abgegeben hatte. Nun stand ich bereit, um verkauft, nein, wohl eher verschenkt zu werden! Und der erste Kunde war schon eingetroffen, um irgendwen aus dem Knast hier rauszuholen und dann in einen weiteren zu stecken, die Schule! Jeder, egal wer, von meinen Freunden hatte, genau wie ich, immer einen weiten Bogen um Schulen, Polizeistationen und Waisenhäuser gemacht. Was geschieht mir? Ich stecke in einem Waisenhaus fest und stehe vielleicht kurz davor in eine Schule gebracht zu werden. Also fehlte nur noch der Knast, der wahrscheinlich auch bald kommen würde!
Von einer der Nonne wurde ich wieder an meinen Platz geschoben, neben ein braunhaariges Mädchen, welches anscheinend gar nicht erwarten konnte von einer Familie abgeholt zu werden, in eine lange Reihe, in Zweierpaaren zusammengestellter, Mädchen. Insgesamt waren wir ungefähr 17 Mädchen und alle schätzte ich in meinem Alter, 1, 2 Jahre mehr oder weniger. Wir kamen in die Halle, in die ich zuerst gekommen war und in der mir Schwester Ginabella versprochen hatte, später etwas Essen zu können, was mir jedoch nicht gegönnt wurden war.
Als ich die Familie erblickte, die ein Kind adoptieren wollte, blieb ich ruckartig stehen und brachte damit Unruhe in die Reihe. Es war der Junge, wegen dem ich überhaupt hier war! Er hatte mich anscheinend auch gesehen, denn er starrte mich genauso entgeistert an, wie ich ihn. ,,Du!”, rief ich mit zusammen gekniffenen Augen und sah ihn hasserfüllt an. Stille herrschte mit einem Mal im Raum und alle Blicke waren auf mich und den Jungen gerichtet.
Eine Nonne regte sich und fragte mich;,, Kennst du ihn?” ,, Oh ja!”, antwortete ich bitter ohne den Blick von dem Jungen zu nehmen. Eine weitere Nonne ging zu dem Jungen hinüber und fragte ihn auf deutsch das Gleiche. Er erklärte ihr, das er Schuld sei, dass ich überhaupt hier sei, woraufhin die Nonne ihn anlächelte und ihm dankte, da sie mich schon vermisst hätten. Pah! Das ist ja wohl echt eine Lüge! Sie wussten nicht einmal meinen Namen, aber behaupten mich vermisst zu haben. Das ich nicht lache!
Auch die anderen Mädchen begannen sich nun zu regen und tuschelten aufgeregt. Ein paar Fetzen schnappte ich auf, wie:,, Oh ist der süß!”, oder ,, Vielleicht wählt mich ja die Familie aus und ich bin dann so was wie die Schwester von dem Süßen!”
Der ,,Süße” schien sich aber für niemand anderen zu interessieren, als für mich, da er mich immer noch anstarrte, als wäre ich eine neu entdeckte Lebensform. ,, Hey!, wollte ich rufen, ,,Wie sind hier nicht im Zoo!”, aber damit hätte ich verraten, dass ich deutsch sprach und dass hätte meine Chancen vermindert, in Venedig bleiben zu können, denn dann hätte ich nur eine Chance wegzulaufen und da gäbe es immer noch die Möglichkeit, dass ich nicht schaffte und nach Deutschland müsste. Also würde ich hoffen, der Junge und seine Mutter-oder so-würden mit wem anders verschwinden und ich würde auf Venezianer warten, die ein Kind adoptieren wollen. Mehr konnte ich nicht tun, als zu hoffen, während die Zeit so langsam verrinnt, als wäre das ihr Absicht!
Charlie
Oh mein Gott! Ausgerechnet ihr begegne ich hier, dem Mädchen, welches ich überhaupt erst hier rein gebracht hatte! Aber das sie eine Nonne war, hätte ich mir nie im Leben vorstellen können. Doch nun stand sie vor mir, mit einem Blick, der mich zu erdolchen versuchte, in den schwarzen Roben einer Nonne. Ich konnte es nicht fassen! Auch sie hatte mich gesehen und zischte nur überaus wütend, aber so laut, dass der ganze Saal verstummte:,, Voi!” Ich hatte keinen Schimmer, was das bedeutete, aber auch ohne das Verständnis wusste ich, dass ich nicht gerade willkommen war.
Eine Nonne regte sich und fragte sie etwas, was sich anhörte, wie:,, Loh Konoschie?” Sie antwortete, was ich jedoch nicht verstand. Die Nonne-die uns auch willkommen geheißen hatte, kam zu mir herüber und fragte mich überaus misstrauisch:,, Du kennst ihn?” Ich nickte, ohne den blick von dem Mädchen zu nehmen, und erklärte:,, Ja! Ich bin Schuld daran, dass sie überhaupt hier ist! Sie wurde von zwei Polizisten verfolgt und floh, jedoch stand ich im Weg und sie musste mich erst in den Kanal schuppen, bevor sie weiterlaufen konnte. Währenddessen hatten die Polizisten sie jedoch geschnappt!” Ein fieses Lächeln lag auf den Lippen der Nonne und sie meinte:,, Gut gemacht Junge! Wir haben sie nämlich schon vermisst! Vor vier Jahren sollte sie herkommen, doch sie ist abgehauen und seitdem suchen wir sie, da sie nur Unheil anrichtet!”
Ich dachte über ihre Worte nach, denn ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass sie so war, und fragte dann:,, Hat sie große Chancen, adoptiert zu werden?” Die Nonne schüttelte mitleidlos den Kopf und sprach:,, Nein! Unsere Aufgabe ist es, der Familie, die sie adoptieren will, von jeder Tat, die sie begangen hat, zu erzählen und wenn diese hört, dass sie die Diebin ist, die uns so viel Ärger beschert hat, wir sie höchstwahrscheinlich ablehnen!” Nervös biss ich mir auf meine Lippe, während an mir tiefe Schuldgefühle nagten. Wegen mir ist sie hier und wird wahrscheinlich bis sie 18 ist nicht mehr rauskommen. Wieso musste ich auch unbedingt im Weg stehen, wo sie kam?! Hätte das nicht wer anderes tun können?!
Bevor ich mir noch weiter die Schuld geben konnte meinte Mama zu der Nonne:,, Könnte ich mal kurz allein mit meinem Sohn sprechen?” Die Nonne nickte nur ernst und führte uns in einen kleinen Nebenraum, bevor sie wieder verschwand. ,, Du gibst dir selbst die Schuld, dass das Mädchen hier ist, und suchst gerade nach einer Möglichkeit, um sie wieder herauszuholen, wobei du nicht mehr geradeaus denken kannst und dich nicht mehr auf die anderen Mädchen konzentrierst, oder?”, bemerkte sie und lag dabei so was von richtig. ,, Äh, ja, so ungefähr!”, sagte ich und lächelte sie entschuldigend an.
Sie zuckte mit den Schultern und sprach locker, während sie mit einem Globus, der auf einem Schrank stand, spielte:,, Das ist okay! Mir gefällt sie! Meinetwegen können wir sie hier herausholen.” Sie sah auf und betrachtete schmunzelnd mein perplexes Gesicht. So spontan war sie zwar immer, aber trotzdem war es irgendwie immer wieder eine Überraschung! ,, Jetzt echt?!”, vergewisserte ich mich staunend. ,, Klar! Während du dieses Mädchen angestarrt hast, als wäre sie eine Außerirdische, habe ich mir mal die Anderen angeguckt und mir ist aufgefallen, dass fast alle dich tuschelnd beobachtet haben und auf so ein Mädchen hast bestimmt weder du noch ich Lust, oder?”, antwortete sie mir. Mama sagte immer alles gerade heraus, ohne lange drum rum zu reden, was wirklich eine ihrer besten Eigenschaft war, obwohl es sich manchmal echt hart anhörte!
,, Okay! Dann ´hast du also dein Adoptivkind gefunden!”, meinte ich und strahlte sie an.
Charlie
Wir verließen den Raum und gingen zurück in die Halle, wo noch immer die ganzen Mädchen versammelt waren. Bei unserem Auftauchen hatte sich Schweigen über die Menge gelegt und alle Blicke waren auf uns gerichtet. Mich ließ dies leicht erröten, aber Mama ging zielstrebig zu der Nonne, die uns schon die ganze Zeit begleitet hatte, und meinte:,, Wir haben uns entschieden!” Die Nonne zog missbilligend eine Augenbraue hoch, was soviel hieß, wie: ,,Schon?” Sie drehte sich aber ohne ein Wort zu sagen um und geleitete uns zurück in den Raum mit dem hölzernen Schreibtisch und den zwei Stühlen. Mama und die Nonne nahmen auf den Stühlen Platz und nach ein paar Augenblicken kam eine zweite Nonne und brachte einen Stuhl für mich herein. Sie lächelte mich freundlich an und verschwand dann wieder.
Als ich nun auch saß begann die Nonne:,, Auf welches Kind ist ihre Wahl gefallen?” Dabei legte sie ihre Fingerkuppen aneinander und sah uns darüber hinweg scharf an. ,, Auf das schwarzhaarige Mädchen, welches solange verschwunden gewesen ist.”, antwortete Mama, wobei sie absichtlich ausließ, das es meine schuld war, das es überhaupt dazu gekommen ist. Die Nonne nickte bedächtig und zog eine Schublade des Schreibtischs auf, während sie murmelte:,, Das hatte ich vermutet!” Sie suchte in der Schublade, bis sie einen Ordner gefunden hatte, den sie herausnahm. Sie öffnete ihn und ein Bild einer jüngeren Ausgabe des schwarzhaarigen Mädchens schaute zu uns herauf. Besonders glücklich schien sie auf diesem Foto nicht zu sein, denn ihr Lächeln sah gezwungen aus und sie hatte dunkle Ringe unter den Augen.
,, Also wollen sie mit Sicherheit dieses Kind, Giulietta, adoptieren? Ihnen ist schon bewusst, das sie heute erst zu uns gekommen ist und eine überaus kriminelle Vergangenheit hat?”, fuhr die Nonne fort, als wollte sie uns von der Adoption abraten. ,, Ja, wir sind uns ganz sicher!”, meinte Mama ohne mit der Wimper zu zucken. ,, Sie ist eine sehr begabte Diebin, wodurch sie auch seitdem sie weggelaufen ist Probleme mit der Polizei gehabt hatte, und sie hat ihren eigenen Vater bewusstlos geschlagen, damit sie nicht ins Waisenhaus musste. Ich frage sie also noch mal: Wollen sie das wirklich?”, frage sie noch mal und sah uns mit blitzenden Augen an. ,, Ja, wir wollen sie adoptieren!”, behaarte Mama.
,, Gut! Also dann. hier ist ihr Ordner mit den wichtigsten Daten. Natürlich können wir ihnen nicht alle Informationen geben, da sie heute erst zu uns gekommen ist. Ich hoffe, er hilft ihnen, sich ein Bild von dem Mädchen zu machen.”, mit diesen Worten war anscheinend das Gespräch für die Nonne beendet, denn sie setzte ihre Brille ab und setzte sich etwas entspannter hin. ,, Ich hätte noch eine Frage: Wann können wir sie abholen?” ,, Da sie schon alle Formulare des Jugendamts ausgefüllt und bestätigt bekommen haben würde ich sagen, können sie das Kind in zwei Monaten abholen. In der Zeit sollte alles geregelt sein und sie hätten noch etwas Zeit, sich auf das Mädchen…einzustellen. Sie werden auch noch einen Brief bekommen mit den genauen Daten und den Ordner können sie in dieser Zeit in Ruhe durcharbeiten. Ich wünsche ihnen noch einen schönen Tag!”, antwortete sie und stand auf.
Wir standen auch auf, verabschiedete uns und verließen den Raum. ,, Also kommt sie in einem Monat hier raus! Das passt sich auch gut, weil wir zu der Zeit auch Ferien haben.”, murmelte ich während wir zum Ausgang gingen. Mama nickte nur geistesabwesend. ,, Echt ein Wunder, das wir das geschafft haben, was? “, sprach sie nach einer Ewigkeit, ,, Es ist ja schon schwer ein deutsches Kind zu adoptieren und wir adoptieren ein italienisches!”, sie konnte ihr Glück, anscheinend genauso wenig wie ich, fassen, ,, Aber jetzt fahren wir erstmal nach Hause und kommen in zwei Monaten wieder!” Sie zog mich an sich und drückte mir einen Kuss an die Schläfe, während wir durch die große, hölzerne Eingangstür schritten.
…Zwei Monate später
Giulietta
,, Na komm schon, Giulietta! Wir sind schon spät dran! Deine neuen Eltern warten schon unten!”, erinnerte mich Schwester Ginabella, während sie mir meinen Rucksack überhängte den mein Vater vor vier Jahren hier abgegeben hatte. Die Sachen, die mir zu klein waren, hatte ich schon aussortiert, aber die Dinge, die mir wichtig waren, hatte ich glücklich an mich genommen, da ich sie vermisst hatte. Da ich nun endlich fertig war, zog mich die Schwester hinter sich her zu dem Arbeitszimmer der Mutter. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass sie mich adoptieren wollten! Ich hatte ein Gespräch von der Mutter und Schwester Ginabella belauscht, indem die Mutter der Schwester geschildert hat, dass sie versucht hatte die Familie davon abzubringen, aber diese ließ sich nicht beirren!
Schwester Ginabella klopfte an die vornehme Holztür und trat ein, als die Mutter sie hereinrief. Kaum war ich eingetreten, begegnete ich dem missbilligenden Blick der Mutter. Anscheinend war das ihr immer währender Gesichtsausdruck, denn ich habe noch nie einen anderen Blick von ihr gesehen. Abgesehen von der Mutter befanden sich noch der Junge, seine Mutter und ein Mann im Raum, anscheinend der Vater des Jungen. Schwester Ginabella drückte mich auf den Stuhl, der noch als einziger frei war, und verließ den Raum.
Die Mutter räusperte sich und fuhr mit dem Gespräch fort, das sie vor meinem Eintreffen geführt hatte. Jedoch schien sich, außer der Mutter des Jungen, keiner mehr so richtig für die Worte der Mutter zu interessieren, denn der Junge und sein Vater beobachteten mich lieber. Ich hörte der Mutter jedoch auch nicht zu, was ich von Anfang an gepflegt hatte nicht zu tun, denn sie war einfach mal viel zu arrogant und konnte mich nicht ausstehen.
Anscheinend war die Mutter fertig mit ihrem Gespräch, denn nun wandten sich alle Augen zu mir und die Mutter begann:,, Okay, Giulietta, das ist deine neue Familie! Möchten sie sich selbst vorstellen?”, fragte sie an die Familie gewandt und die Mutter des Jungen bejahte dies, bevor sie zu sagte:,, Bongiorno Giulietta, mi kihamo Carlon!” Anscheinend sollte das so viel heißen, wie:,, Ich heiße Carolin”, in italienisch, wobei es eher wie eine neu entdeckte Sprache klang. Da musste ich jedoch grinsen und antwortet ihr:,, Hi! Ich bin Giulietta!” Min Grinsen wurde noch breiter, als ich die erschreckten Gesichter sah, denn ich hatte dies in deutsch gesagt, wovon niemand wusste, dass ich es sprach, da ich es von einem meiner Freunde gelernt hatte, welcher Deutscher war, lange nachdem ich von Zuhause abgehauen war.
,, Du sprichst deutsch?”, fing sich der Junge zuerst. ,, Hat jemand das Gegenteil behauptet?”, entgegnete ich ihm und schenkte ihm ein schräges Lächeln. ,, Aber…aber in deinen Unterlagen stand davon überhaupt nichts!”, meinte die Mutter völlig perplex. ,, Tja, wer sagt denn auch, dass ich deutsch gelernt habe, als ich noch bei meinem Vater gelebt habe?”, meinte ich immer noch grinsend. ,, Natürlich! Du hast das bei deiner Mutter gelernt!”, kam die Mutter auf die Idee. Da musste ich lachen. ,, Nein.”, sagte ich, woraufhin mir vier ratlose Gesichter entgegen blickten, die ich auch nicht vorhatte aufzuklären.
Schweigen erfüllte den Raum, welches erst von der Mutter durchbrochen wurde, welche das peinliche Thema wechseln wollte:,, Also gut, das sind dann also deine neue Mutter Carolin, dein neuer Vater Kai und dein neuer Bruder Charlie.” Ich fand diese Bezeichnungen Mutter, Vater und Bruder überaus witzig, denn so würde ich sie wahrscheinlich nie ansehen.
Anscheinend war es das gewesen, denn wieder war der Raum von Schweigen erfüllt und nicht mal die Mutter wusste noch was zu sagen. ,, Also war´s das jetzt? Können wir nach Hause?”, meldete sich Carolin schüchtern zu Wort. Die Mutter nickte nur zögerlich und sprach:,, Ja, sie könne sie nun mitnehmen.”, die Mutter stand auf, glättete ihre Roben und reichte Carolin ihre Hand, während sie fortfuhr:,, Also dann, ich wünsche ihnen einen schönen Heimflug und hoffe das Giulietta sich gut eingewöhnen wird!” Auch Carolin, Kai, Charlie und ich waren aufgestanden und Carolin hatte der Schwester nun auch ihre Hand gegeben. ,, Danke Schwester! Das hoffe ich auch! Ihnen einen schönen Tag noch!”, entgegnete Carolin.
,, Ja, ihnen auch! Zwei Polizisten warten draußen!”, sprach die Mutter lächelnd. Carolin, die sich gerade zum gehen gewandt hatte, blieb abrupt stehen und wandte sich wieder um. ,, Was für Polizisten?”, fragte sie stark Stirn runzelnd. Die Mutter, immer noch fies lächelnd, entgegnete gespielt überrascht:,, Na die Polizisten, die aufpassen, dass Giulietta nicht weglaufen!” Das warf Carolin einen Moment lang aus der Bahn. ,, Wozu brauchen wir denn Polizisten? Sie ist doch keine Kriminelle! Außerdem wird sie ja wohl kaum weglaufen und wenn doch, dies ist eine Insel! Wo sollte sie denn hin?!”, entgegnete Carolin. Das rührte mich zutiefst! Das sie so viel Vertrauen in mich hat! Ein leichtes Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. ,, Tja, aber das Jugendamt hat dies, wegen ihrer…Vergangenheit beantragt!”, warf die Mutter ein, woraufhin Carolin nichts mehr zu sagen wusste.
,, Na gut, schönen Tag dann noch!”, murrte sie verstimmt und wir verließen den Raum. Eine Weile gingen wir stillschweigend nebeneinander her. ,, Danke!”, sagte ich an Carolin gewandt. Überrascht sah sie mich an. ,, Wofür?”, fragte sie offen verwirrt. ,, Dafür das du mich verteidigt hast.”, sprach ich ohne zu zögern. Daraufhin lächelte sie und meinte:,, Gerne doch!” Wir verließen das Waisenhaus-mein Gefängnis-und eine schwere last fiel von mir ab. Endlich von hier weg! Seit ich hier hergekommen war, war ich nie außerhalb der Klostermauern, da für mich dies nicht zugelassen war.
Ich schloss die Augen als die warmen Strahlen der Sonne auf mein Gesicht traf. Ein leichter Windzug kühlte die Augusthitze ab und machte sie so angenehm mild. Die Mutter hatte nicht gelogen, zwei Polizisten-die Polizisten, die mich hier hergebracht haben, wie mir auffiel-warteten am Tor. Anscheinend schien der Eine gar nicht glücklich darüber zu sein, mich außerhalb dieser Mauern zusehen, denn sein Gesicht war zu einer mürrischen Grimasse verzogen.
Mit einem Nicken begrüßten sie uns und begleiteten uns zum Wasser, auf dem ein Vaporetto trieb, mit dem wir höchstwahrscheinlich fahren würden. Carolin, Kai und Charlie stiegen, ohne sich noch mal umzusehen, ein. Ich ließ meinen Blick noch ein letztes Mal über Venedig gleiten, als mir fünf Personen auffielen, die auf mich zukamen. Ohne nachzudenken lief ich los und fiel dem Größten in die Arme. ,, Was macht ihr denn hier?!”, fragte ich niemand bestimmten. ,, Na wir können dich doch nicht einfach gehen lassen ohne, dass du dich von uns verabschiedet hast!”, flüsterte Stefano mir ins Ohr. Ich löste mich von ihm und strahlte ihn überglücklich an. Nun umarmte ich auch die Anderen, einem nach dem Anderen. Paolo, Carlotta, Jan und Marco. Meine Freunde!
Als ich alle begrüßte-oder verabschiedet-hatte, nahm Marco einen Rucksack von seiner Schulter und reichte ich mir. ,, Da sind all deine Sachen drin!”, erklärte Carlotta und schenkte mir ein trauriges Lächeln, ,, Falls du wirklich mitwillst.” ,, Wir könnten jetzt abhauen und deine neue ,,Familie” müsste ohne dich fahren!”, sprach Paolo begeistert und sah mich mit leuchtenden Augen an. Ich lächelte, schüttelte aber den Kopf. ,, Nein! Ich werde mitgehen. Irgendwann muss man ja mal erwachsen werden.”, meinte ich und kniff Paolo in die Seite, woraufhin er lachen musste. Er fing sich aber schnell wieder und alle sahen mich nun traurig an.
,, Du musst uns unbedingt schreiben!”, wandte sich Jan an mich, ,, Sonst verlernst du noch italienisch!” ,, Natürlich! Wie könnte ich nicht?!”, rief ich aus und rang die Hände. ,, Denk dran! Zu unserem Postfach! Ich habe dir die Adresse auch noch mal aufgeschrieben, falls du uns vergisst!”, sprach Stefano und sah mich ernst an. Anscheinend meinte er das ernst. Im Hintergrund hupte das Vaparetto, dass es los wollte, und ich wandte mich schweren Herzens zum Abschied. ,, Ich werde auch vermissen!”, murmelte ich traurig, während ich noch mal alle umarmte. Carlotta hatte Tränen in den Augen, die ich ihr mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen wegwischte, obwohl mir selbst welche die Wange herunter rannen. ,, Bevor ich mich von ihr abwandte flüsterte ich ihr noch ins Ohr:,, Es tut mir Leid!”, und sah sie dann durchdringend an, bis sie nickte.
,, Ich schreibe euch!”, rief ich laut während ich zum Vaparetto ging. Anscheinend hatte Carolin die Polizisten aufgehalten, denn sie stand neben einem und hielt ihn an der Jacke fest. Ich nickte ihr zu, während ich mir eine Träne von der Wange wischte und stieg zu Charlie und Kai ins Vaparetto. Auch Carolin folgte mir und setzte sich neben Charlie.
Ich starrte aus dem Fenster und versuchte die Tränen zu unterdrücken, die versuchten überzulaufen. Dabei schien die Sonne, als gäbe es keinen schöneren Tag. Die Polizisten waren gegangen und meine Freunde, die ich wahrscheinlich nie wieder sehen würde, waren an das Geländer, welches die Leute daran hindern sollte, ins Wasser zu fallen, getreten und beobachteten, wie das Vaparetto, und ich mit ihm, an ihnen vorbei zog. Nun war ich so traurig, dass ich die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte und sie mir ungehindert die Wangen herunterließen. Dies war also mein Abschied von der schönsten Stadt der Welt: Venedig!
Charlie
Als Giulietta loslief, hatte ich für einen Moment geglaubt, dass die Nonne Recht gehabt hatte, doch als ich sah, dass sie sich von ihren Freunden verabschiedete, fühle ich mich gleich mies, weil ich solche Gedanken überhaupt gehabt hatte.
Sogleich musste ich auch an meine Freunde Zuhause in Deutschland denken und wie ich mich fühlen würde, falls ich von ihnen weg müsste. Anscheinend war meine Aktion ,, Hol das Mädchen heraus und gleich ins Paradies” etwas schief gelaufen. Ich an ihrer Stelle wäre zusammen mit meinen Freunden weggelaufen, doch sie kam mutig zurück, obwohl ihr glitzernde Tränen die Wangen herunterließen. Mama hatte, während Giulietta bei ihren Freuden gewesen ist, die Polizisten davon abgehalten, ihre Freunde ins Waisenhaus zu bringen, denn mit denen hatte sie bestimmt zusammen gelebt.
Als Giulietta und Mama zurückkamen setze Giulietta sich ganz in die Ecke und starrte zutiefst traurig aus dem Fenster. Mama setzte sich währenddessen zu mir und ich legte meinen Kopf auf ihre Schulter. Wir fuhren aufs Festland von wo aus wir uns ein Taxi nahmen, welches uns zum Flughafen brachte. Wir checkten ein und gaben unser Gepäck ab-wobei Giulietta nur einen Rucksack, den Rucksack aus dem Waisenhaus abgab- und stiegen ins Flugzeug. Dort saß ich neben Mama und Giulietta, während Kai neben Mama saß.
Der Flug würde nicht lange dauern, sodass es keine Fernseher oder so gab. Giulietta hatte sich, während der Fahrt hierher, wieder gefangen und saß nun mit einem Pokerface da. Sie rührte sich während des ganzen Flugs kein Stück, sondern saß einfach nur da. Da keiner etwas tat, traute ich mich auch nicht zu rühren und blieb den ganzen Flug lang nichts tuend sitzen. Ich war froh, als der Flug vorbei war, denn jetzt konnte ich mich wieder bewegen ohne das es sich falsch anfühlte. Wir waren in Kochstedt gelandet und hatten nun noch eine Autofahrt von ungefähr einer Stunde vor uns.
Die Lust, irgendetwas zu tun, die mich im Flugzeug überkommen hatte, war verflogen und ich bevorzugte es aus dem Fenster zu schauen und der Musik aus meinem Lieblingsradiosender 89.0 RTL zu hören. Mama hingegen versuchte mit Giulietta Small Talk zu führen, doch sie bekam nur einsilbige Antworten und gab dadurch bald auf. Daraufhin begnügte sie sich damit, Kai zu nerven. Grinsend schüttelte ich den Kopf und schaute weiter aus dem Fenster. Die Stunde Autofahrt verging wie im Flug und ehe ich mich versah waren wir da, endlich Zuhause!
Giulietta
In Deutschland war es viel zu mild, nach meinem Geschmack, für einen Augusttag! Es waren grad mal 23°C wo hingegen es in Venedig 28°C gewesen sind. Jedoch konnte ich nicht leugnen, dass Deutschland nicht schön war! Mit dem vielen grün und den bunten Häuschen. Wir stiegen in ein schwarzes, vornehmes, großes Auto und Carolin meinte, es sei noch ungefähr eine Stunde bis nach Biere, irgendeinem kleinen Dorf, wie mir Schwester Ginabella erzählt hatte.
Während der Fahrt versuchte Carolin sich mit mir zu unterhalten, was ich jedoch bewusst abblockte. Ein Bisschen zappeln musste ich sie schon noch lassen, bevor ich nett zu ihr sein konnte. Dies war die erste Regel auf der Straße, damit man sich sicher sein konnte, das man demjenigen vertrauen konnte. Dies hörte sich vielleicht etwas paranoid an, aber diese Regel war so in mich übergegangen, dass ich sie auch einhielt, obwohl mir hier wohl kaum Gefahr drohte. Jedoch hatte Carolin nach einiger Zeit keine Lust mehr ein einseitiges Gespräch zu führen und schwieg, bevor sie wieder anfing mit Kai zu erzählen.
Jetzt kam ich endlich mal dazu alle drei richtig zu Mustern. Charlie musste so ungefähr in meinem Alter sein, mit braunem, kinnlangen Haar und kindlich leuchtenden ebenso braunen Augen. Er war ein Stückchen größer als ich und war, meiner Meinung nach, etwas zu mitleidvoll, aber das konnte daran liegen, dass ich davon nicht allzu viel verstand, denn ich konnte damit nicht allzu viel anfangen, in meinem bisherigen Leben. Carlon hatte die gleichen braunen Haare wie Charlie und ich fand, dass sie auch die gleichen Nasen hatte. Im Gegensatz zu Charlie hatte sie jedoch strahlend blaue Augen und viele Lachfalten waren um ihren Mund herum platziert. Kai hatte schwarzes Haar und braune Augen, jedoch ein anderes braun als das von Charlies Augen. Er hatte einen 3-Tage-Bart, der ihm überaus gut stand und viele andere Mädchen hätten ihn bestimmt mit ,,heiß” beschrieben, ich jedoch eher nicht.
Irgendwie was ich plötzlich etwas aufgeregt, als ich die Schilder sah, auf denen der Weg nach Biere angezeigt wurde. Als wir nun endlich in dem Dorf ankamen, fielen mir vor allem die vielen Äcker und Windräder auf. Außerdem gab es wirklich viele Bäume und Grasflächen hier. Die eine Seite der Stadt war voll gebaut mit alten Häusern, während die Andere hauptsächlich aus gleichen Reihenhäusern bestand.
Wir fuhren zu einem Haus, das etwas abseits von den Reihenhäusern stand und anscheinend selbstgebaut war. Die Fassade war in einem leicht sommerlichen Gelb und es war zweistöckig. Es gab viele Häuser und es war leicht erhöht gebaut. Balken stützten das Gebäude und es gab einen große Garten. Ein grünes Kabrio parkte in der Einfahrt. Weiteres konnte ich noch nicht sehen, da ich das Haus nur von außen und von einer Seite sah.
Wir steigen die Treppe hinauf und betraten das Haus. Wir kamen in einen riesigen, hellen Flug mit Laminatboden und beigen Wänden. Wir stellten unsere Sachen vor einer langen, geschwungenen Holztreppe ab und zogen unsere Schuhe aus.
Danach wurde ich durch das Haus geführt. Der Flur führte noch zu drei anderen Räumen: dem Wohnzimmer mit der Küche, einem Bad und einer Putzkammer. Die Putzkammer bekam ich nicht zu sehen, da sie anscheinend nicht wichtig war. Das Bad hingegen war schön hell und weiß gefliest. Es bestand nur aus weißem Möbeln, abgesehen von der Wand der Dusche, welche gelb war. Das Wohnzimmer mit der Küche war wirklich ein Traum! Der Boden bestand aus fast weißem Laminat und eine grüne Couch stand vor dem weißen Flachbildfernseher. Die Küche war etwas abgeschieden durch eine niedrige, steinerne Mauer und bestand aus einem runden, grünen Kühlschrank mit gelben Anrichten und einem großen silbernen Herd. Ein ganz normaler Holztisch stand in einer genau festgelegten Ecke mit vier grünen Plastestühlen. Von dem Wohnzimmer aus führte eine Glastür hinaus in den Garten, welcher mit vielen bunten Pflanzen bestückt war. Eine Hängematte war zwischen zwei Bäumen gespannt und war so etwas im Schatten gelegen.
Als wir wieder nach drinnen ginge um den oberen Teil des Hauses zu betrachten, kam ich am Kühlschrank vorbei und mir vielen einige Fotos auf, di an ihm hingen. Da blieb ich plötzlich mitten beim Gehen stehen und starrte das einen Foto an. Das Foto zeigte mich, als ich noch bei meinem Vater gelebt hatte, klein und viel zu dünn und mit dunklen Ringen unter den Augen. Mein Haar war glanzlos und ich trug ein gezwungenes Lächeln auf den Lippen. Ich konnte mich noch an diesen Tag erinnern, es war der Geburtstag meines Vaters, als all seine Freunde da gewesen sind und er wollte, das ich ein hübsches Gesicht für ein Foto machte. Ich hatte mich geweigert und er hatte mir eine Ohrfeige verpasst. Danach hatte ich gelächelt und er hatte das Foto gemacht um es dem Jugendamt zu schicken, wie mir jetzt klar wurde.
,, Giulietta?”, fragte Carolin vorsichtig und legte leicht eine Hand auf meine Schulter. Ich schüttelte kurz meinen Kopf um meine Gedanken zu vertreiben und sah sie wieder an. ,, Kann ich das Bild haben?”, entgegnete ich flüsternd. ,, Klar!”, meinte sie verwirrt, machte es vom Kühlschrank ab und reichte es mir. Ich knickte es in der Mitte und steckte es in meine Hosentasche. Danach lächelte ich sie kurz an und ging weiter mit den Anderen hinter mir.
Sie zeigten mir nun den Rest des Hauses, wobei aber die Stimmung sichtlich umgeschlagen hatte. In der zweiten Etage waren fünf weitere Zimmer: ein zweites Bad, eine Arbeitszimmer, Carolins und Kais Zimmer, Charlies Zimmer und mein Zimmer. Das Bad war so eingerichtet, wie das Untere, mit weiß gefliestem Boden und Wänden und ausschließlich weißem Möbeln. Das Arbeitszimmer war ein kleiner Raum mit einem Boden aus dunklem Laminat und beigen Wänden. Ein Schreibtisch prangte in der Mitte des Raumes und ein Laptop stand darauf. Viele Notizblöcke und -zettel lagen überall herum und hinter dem Schreibtisch stand ein großer, schwarzer, gemütlich aussehender Stuhl. Das Zimmer von Carolin und Kai hatte lila Wände und einen weißen Boden. Ein Boden mit lila Bettbezug stand darin und ein heller Kleiderschrank war in die leer verbliebene Ecke gequetscht. Charlies Schlafzimmer war so, wie ich mir das eines Jungen vorstellte: mit dunkelgrünen Wänden, welche mit Farbe bekleckst waren, einem Bett mit schwarzer Bettdecke dazu ein heller Schreibtisch mit einem Laptop darauf. Dazu noch ein passierender Kleiderschrank zu den Wänden und einem kleinen Minisessel. Die Wände waren bedeckt mit Bildern von ihm, seinen Eltern und anscheinend seinen Freunden.
Nun kamen wir zu meinem Zimmer. Es war ein hell erleuchteter Raum und das kleinste Schlafzimmer. Der Boden war hell und die Wände waren giftgrün. Die Decke hingegen war mit pink-gelb-hellblauen Mustern überseht und man bekam Kopfschmerzen bei zu langem Hinsehen. Ein Bett mit hellblauer Bettdecke stand an der Wand und, genau wie bei Charlie, gehörte auch ein Schreibtisch mit ins Zimmer, jedoch ohne Laptop. Ein große, gelber Kleiderschrank stand an der Wand und ein hellgrüner Sitzsack dazu. Eines der großen Fenster, welches gegenüber des Sitzsacks hing. Hatte eine breite Fensterbank, sodass man sich darauf setzten konnte. Der Raum war total toll und ganz nach meinem Geschmack eingerichtet.
,, Okay, das ist also dein Zimmer, Giulietta. Natürlich kannst du es noch nach deinen eigenen Wünschen gestalten, aber so hatten wir es erstmal tapeziert. Wir wussten nicht genau, was du magst!”, meinte Carolin entschuldigend. ,, Es ist wunderschön, danke! Und hört bitte endlich auf mich Giulietta zu nennen. Nennt mich einfach nur Giulia, das ist kürzer!”, sprach ich mit einem Lächeln auf den Lippen. ,, Natürlich, Giulia.”, antwortete Carolin strahlend.
Ein poltern auf der Treppe war zu hören und es kam Kai in Sicht, welcher meine Rucksäcke hoch geholt hatte und sie nun in meinem Zimmer abstellte. ,, Okay, dann lassen wir dich jetzt mal in Ruhe auspacken!”, sagte Kai lächelnd und alle Drei verließen den Raum. Ich schloss die Tür und nahm mir zuerst den Rucksack aus dem Waisenhaus vor. Ich wusste was sich darin befand! Ich holte ein paar Sachen heraus, die man mir im Waisen haus gegeben hatte und hängte sie in den Schrank. Da sah ich, dass dort schon Sachen hingen, die Carolin gekauft haben musste. Ich hängte die Sachen dazu und holte als nächstes eine kleine Stoffpuppe heraus. Sie war ein Geschenk meiner Mutter gewesen! Seufzend setzte ich sie auf mein Bett. Als nächstes holte ich ein paar Bilder von mir und meiner Mutter hervor, die ich erstmal auf die Fensterbank legte, da ich nicht wusste, wohin damit.
Nun wandte ich mich dem zweiten Rucksack zu. Einen Moment lang war ich unentschlossen, ob ich ihn wirklich öffnen sollte, aber dann riss ich mich zusammen und zig den Reisverschluss auf. Meine ganzen Bücher kam zum Vorschein und ich nahm sie eines nach dem Anderen heraus. Sie waren alle nicht besonders dick und allzu viele waren es auch nicht, aber dies waren immer meine Heiligtümer gewesen! Ich stellte sie allesamt auf ein Regal, welches an der Wand hing. Danach kehrte ich zurück zu meinem Rucksack. Ich holte meine Anziehsachen heraus, die ich zurückgelassen hatte. Sogar die hatten sie mir mitgegeben! Ich hängte sie zu den anderen Sachen in der Schrank. Nun blieb nur noch das kleinste Fach übrig! Ich öffnete es und mir fiel ein Stapel Bilder entgegen. Viele waren in einem Fotoautomat gemacht, doch einige stammten aus der Zeit, in der Jan zu uns mit einer Kamera gekommen war. Ich sah sie mir vorsichtig an, als könnten sie zerbrechen, und konnte mich an jedes Einzelne erinnern, als wäre es erst gestern gewesen. Doch irgendwann war ich durch und saß eine ganze Weile einfach nur da. Ich fragte mich, was sie wohl gerade taten, ob sie an mich dachten. Doch weinen musste ich nicht mehr!
Irgendwann stand ich dann jedoch auf, legte die Bilder zu den Anderen und widmete mich wieder meinem Rucksack. Ich fand noch eine Notiz, auf der geschrieben stand, ich solle sie nicht vergessen, und die Adresse unseres Postfachs, so wie angekündigt. Trotzdem musste ich lächeln. Als Letztes fand ich noch eine Kette, meine Kette! Einmal kam Carlotta mit sechs Ketten nach Hause und meinte sie seien für uns. Wir hatten sie verspottet, doch sie hatte solange genervt, bis wir sie trugen. Stefano hatte als Anführer eine Kette mit die eine Hälfte eines Flügels, eines Löwenflügels, gehabt und wir restlichen hatten die Andere Hälfte bekommen. Im Nachhinein war ich froh darüber, das Carlotta diese Ketten mitgebracht hatte, doch damals hatte ich es albern gefunden.
An dem Tag, an dem ich geschnappt wurden war, hatten Carlotta und ich einen heftigen Streit gehabt, da sie unser Geld dafür genommen hatte neue Sachen für uns zu kaufen. Ich hatte sie angeschrieen, das sie unser Geld nicht immer so verschwenden soll und sie hatte sich verteidigt. Ich hatte Stefano gesagt, er solle sie rausschmeißen, doch er hat sich dagegen entschieden. Ich hatte sie Verräter genannt, meine Kette weggeschmissen und bin weggelaufen, geradewegs in die Arme der Polizisten. Jetzt tat mir das alles furchtbar Leid, aber die Vergangenheit ließ sich nun mal nicht zurückdrehen.
Ich hängte mir die Kette um den Hals und verstaute die Rucksäcke in meinem Kleiderschrank unter meinen Sachen. Danach nahm ich die Bilder und verstaute sie erstmal unter meinem Kopfkissen. Ich schaute aus dem Fenster und beobachtete, wie Carolin im Garten Charlie ans ich zog und ihm liebevoll über das Haar streichelte. Ein Stich durchfuhr mich. Früher hatte meine Mutter das bei mir auch gemacht, aber nun war ich hier in eine heile Familienwelt hineingerutscht und wusste noch nicht, welche Rolle ich darin spielte.
Ich verließ mein Zimmer und machte mich auf den Weg nach unten. Irgendwie hielt ich es gerade allein nicht mehr aus! Ich ging in das Wohnzimmer und von da aus in den Garten. Kai, welcher in der Hängemate gelegen hatte, sah auf und begrüßte mich lächeln:,, Hey Giulia! Bist du fertig mit auspacken?” Auch Carolin und Charlie sahen auf und lächelten mich an. Ich nickte nur, während ich ungewohnt schüchtern in der Tür lehnte. Da klingelte Charlies Handy. Er ging ran und telefonierte kurz, bevor er wieder auflegte und meinte:,, Ich muss los! Lucas hat gefragt, ob ich vorbeikomme!” Carolin sah ihn Stirn runzelnd an und sprach:,, Wieso musst du jetzt gerade weg? Wir sind gerade erst angekommen!” ,, Ja, aber er meinte, er wollte sich nachher noch mit den Anderen treffen und Olli hat schon nach mir gefragt. Ach bitte Mama!”, versuchte er es und sah sie mit großen Augen an. Sie verdrehte die Augen und entgegnete:,, Na gut, aber nimm Giulia mit, wenn sie möchte!” Er nickte nur und fragte:,, Möchtest du mitkommen?” ,, Nein, nein!”, sprach ich eilig. ,, Los komm schon! Die beißen nicht!”, sprach er lachend und sah mich mit dem gleichen Blick an, wie er ihn bei seiner Mutter zuvor benutzt hatte. ,, Na gut!”, sprach ich zögerlich und ehe ich mich versah hatte er mich am Arm gepackt und Richtung Tür gezogen.
Texte: Alle Rechte der Handlung und der Personen liegen bei mir.
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Tag der Veröffentlichung: 21.01.2012
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Ich widme es meinen Freunden, meiner Familie und meinen Lesern